Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll96. Sitzung / Seite 47

HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite

sentiert. Die Arbeitsgruppen haben noch gar nicht fertig getagt, gestern war noch eine Arbeitsgruppensitzung, Sie haben auch noch keinen Konsens mit dem Koalitionspart­ner hergestellt, sondern noch viel schlimmer: Sie haben gesagt, dass Sie noch nicht einmal Gespräche mit Ihrem Koalitionspartner geführt haben!

Ich weiß nicht, warum Sie das machen, ich weiß aber, dass Sie sich offensichtlich der Sensibilität dieses Themas nicht bewusst sind! Sie sind sich dessen nicht bewusst, dass Sie mit dieser Vorgangsweise zur weiteren Emotionalisierung beitragen und si­cherlich nicht zu einer Lösung. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn wir über Obsorge und Besuchsrecht reden, dann müssen wir auch über die Ver­säumnisse der letzten Jahre reden. Die Zahl der Obsorge- und Besuchsrechtsanträge vor Gericht ist massiv gestiegen. Bereits 2007 waren die FamilienrichterInnen zu 105 Prozent ausgelastet, wie man das technisch ausdrücken würde. Übersetzt heißt das: Sie haben mehr Arbeit herein bekommen, als sie abarbeiten konnten.

Was war die Reaktion? – Es hat nicht mehr FamilienrichterInnen gegeben, obwohl das sinnvoll gewesen wäre, damit man die Arbeit erledigen kann und die Verfahrensdauer in den Griff bekommt, nein, das Einzige, das Sie gemacht haben, war, dass Sie neue Gebühren für Obsorge- und Besuchsrechtsanträge eingeführt haben, Frau Justizminis­terin. Das Kalkül dahinter war entweder, dass weniger Anträge gestellt werden – aber das löst keine Probleme! –, oder, dass Sie mehr einnehmen. Beitrag zur Problemlö­sung ist das jedenfalls keiner! (Beifall bei den Grünen.)

Ebenfalls ungelöst ist die Problematik im Zusammenhang mit den Gutachtern. Da gibt es einerseits Kritik an der Qualität, aber andererseits auch daran, wie lange Gutachten dauern, damit dann Gerichtsentscheidungen möglich sind. Heute haben Sie dieses Thema vermieden, Sie sind offensichtlich zumindest lernfähig.

Sie verfallen jetzt allerdings in eine gefährliche Schwarz-Weiß-Malerei. Wenn man die Interviews mit Ihnen in den Zeitungen liest, dann hat man den Eindruck, die einzige Problematik ist, dass sämtliche Mütter sämtlichen Vätern das Besuchsrecht verwei­gern. Im Hinblick darauf frage ich mich: Was haben Ihnen die Alleinerzieherinnen an­getan?

Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Es gibt natürlich Fälle von Besuchsrechtsver­weigerung. Diese sind in einem gewissen Segment sicherlich ein Problem. Es gibt aber auch die Fälle, in denen Trennungsväter Mütter sekkieren, und es gibt auch Fälle, in denen Väter kein Interesse mehr an den Kindern haben. Wer aber die Vielschichtigkeit der Problemlagen anerkennt, hat das Kindeswohl im Auge und wird auch Lösungen fin­den. (Beifall bei den Grünen.)

Wir haben Dutzende Gespräche mit Betroffenen, mit Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, und mit Menschen, die Ideen haben, geführt. Aufgrund dieser Erfahrungen sage ich Ihnen: Es gibt nichts, was es an Konflikten nicht gibt, und daher bringen uns auch eindimensionale Sichtweisen nicht weiter. Wir brauchen daher nicht Ihre neue Law-and-Order-Familienpolitik, gemäß welcher man jemandem droht. Etwas ist näm­lich klar: Gemeinsamkeit kann man nicht mit Drohungen durchsetzen, Gemeinsamkeit kann man nicht verordnen, sondern Gemeinsamkeit kann man nur erarbeiten. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Daher machen wir auch den Vorschlag, Schlichtungsstellen statt Gerichten die Zustän­digkeit zu geben. Gerichte, das haben Sie schon gesagt, sind ein denkbar schlechter Ort, um Trennungskonflikte aufzuarbeiten. Trennungskonflikte sind aber oft der Grund dafür, dass es beim Obsorge- und Besuchsrechtsthema Konflikte und Streitigkeiten gibt.

Ihr Entwurf sieht aber das Gegenteil vor: Sie belassen die Zuständigkeit bei den Ge­richten, und Sie bringen sogar noch eine weitere Frage herein. Früher musste entschie-


HomeSeite 1Vorherige SeiteNächste Seite