Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll100. Sitzung / Seite 94

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13.07.59

Abgeordnete Mag. Alev Korun (Grüne): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr ge­ehrte Gäste auf der Galerie! Die Grünen haben schon im Jahr 2006 ein grünes Ein­wanderungsmodell vorgelegt, inklusive eines kriteriengeleiteten Einwanderungssys­tems für die Gestaltung der Arbeitsmigration.

Jetzt freut es uns, dass es der Bundesregierung gelungen ist – zwar mit fünfjähriger Verspätung, aber immerhin –, diese grüne Idee eines kriteriengeleiteten Einwande­rungssystems zu übernehmen und die grüne Idee sozusagen zu kopieren. Aber gute Ideen soll man auch kopieren, auch in der Politik, dagegen ist nichts einzuwenden.

Nur, wenn man sich dann die Gestaltung anschaut, wenn man sich anschaut, was uns heute zum Beschluss vorliegt, dann muss man sagen: Sie machen mehrere ganz große Fehler. (Ruf bei der FPÖ: Oh je!) Einmal den Kardinalfehler, dass Sie am Gast­arbeitersystem festhalten, an diesem unseligen Saisonniermodell, mit dem tausende Menschen jährlich nach Österreich kommen. Ich erkläre es kurz für alle, die das soge­nannte Saisonniermodell nicht kennen.

Es ist nicht mehr an eine Saison gebunden, es ist nicht mehr an bestimmte Branchen gebunden, und wenn jemand als Saisonnier kommt, bekommt er oder sie einmal eine Beschäftigungsbewilligung für sechs Monate, darf alle steuerlichen Abgaben ableisten, kann dann noch einmal eine Bewilligung für sechs Monate bekommen, dann muss er oder sie für ganze zwei Monate pausieren, und dann geht das ganze Spiel von vorne los. (Zwischenrufe des Abg. Hörl.)

So kann jemand sozusagen jahre- und jahrzehntelang als sogenannter Saisonnier – sehr rechtlos gehalten – hier arbeiten, Steuern und Abgaben leisten, aber Rechte be­kommt er oder sie nicht. (Abg. Hörl: ... alle Rechte, Frau Korun!) Dieses Gastarbeiter­modell, diese Gastarbeiterpolitik ist, wenn ich daran erinnern darf, das Grundübel, es ist nämlich der Grund für die Integrationsprobleme, die wir jetzt haben – diese Gastar­beiterpolitik, die vergangene Bundesregierungen jahrzehntelang betrieben haben, bei der man den Kopf in den Sand gesteckt und gesagt hat, diese Arbeitsmigranten seien nur Gäste hier.

Es ist mir zwar ein Rätsel, wie man in einem Land 30 Jahre, 40 Jahre, inzwischen 45 Jahre lang Gast sein kann, aber an diesem Gastarbeitermodell hat man festgehal­ten. Man hat keine Integrationsmaßnahmen gesetzt, und heute wundern wir uns alle zusammen, warum viele Menschen, die in Österreich leben, seit Jahrzehnten teilweise nicht gut Deutsch können. Diese Probleme lösen Sie nicht mit der Verlängerung des Gastarbeitermodells, sondern diese Probleme setzen Sie damit fort. Das allein ist Grund genug, warum wir Grünen dieser Regierungsvorlage heute nicht zustimmen werden. (Beifall bei den Grünen.)

Zweiter Punkt: Bis jetzt hat sich leider noch niemand für die Qualifikationen von jenen Arbeitsmigranten interessiert, die jetzt schon in Österreich leben. Wer interessiert sich für die Qualifikationen von Familienangehörigen, wenn sie kommen? Wer interessiert sich für die teilweise sehr guten Qualifikationen von anerkannten Flüchtlingen, die nach vier Jahren, fünf Jahren Asylverfahren dann das Recht bekommen, hier zu bleiben?

Wissen Sie, was dann aus diesen Menschen wird?  Hauptsächlich taxifahrende Di­plomingenieure und -ingenieurinnen, taxifahrende Ärzte und Ärztinnen, weil ihre Quali­fikationen hier in diesem Land eben leider nicht genützt werden. (Zwischenruf des Abg. Dr. Rosenkranz.) Das sind nur zwei Beispiele, um aufzuzeigen, wie unausgegoren und weltfremd das Modell ist, das Sie vorgelegt haben.

Die Berufserfahrung in Österreich soll berücksichtigt werden. Das ist schön und gut. Es ist aber nicht schön und gut, dass die Berufserfahrung von gesuchten Fachkräften nur zur Hälfte berücksichtigt wird, verglichen mit der Berufserfahrung von besonders Quali-


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