Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll184. Sitzung / Seite 63

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dass vor allem im Falle von wirklich nicht als übel genug zu bezeichnenden Versu­chungen eines der Elternteile, das Kind als Waffe gegen den anderen zu verwenden, nicht Abhilfe geleistet werden konnte. Wenn ich den heutigen Entwurf betrachte, so muss ich realistischerweise sagen, dass wenig Aussicht darauf besteht, dass das mit Hilfe dieses Gesetzesvorschlages beendet werden könnte.

Der heutige Entwurf hat ohne Zweifel Vorteile, die zu loben sind. Insbesondere gibt es eine sehr klare und ausführliche gesetzliche Festschreibung der Begriffsinhalte bezüg­lich Kindeswohl. Dieser Begriff wurde eigentlich von der Judikatur als Schlagwort ent­wickelt und von Fall zu Fall judiziell ausgekleidet, aber was der Gesetzgeber unter Kin­deswohl verstanden wissen möchte, wurde bislang nicht geregelt. Die Festschreibung ist auch im Sinne der Fortentwicklung auf europarechtlicher und menschenrechtlicher Ebene absolut als Fortschritt zu bezeichnen.

Es gab eine umfangreiche parlamentarische Enquete unter Beiziehung inländischer und ausländischer Experten, namentlich auch eines hochrangigen deutschen Familien­richters, der die unglaublichen Vorteile des deutschen Regelungssystems, das beiden Elternteilen die Obsorge zuspricht, dargestellt hat. Das ist auch inhaltlich nicht wider­legbar, weil dadurch nach den Erkenntnissen des deutschen – aber auch des österrei­chischen – Justizministeriums kraft der gesetzlichen Anordnung a priori ein hohes Maß an Obsorgestreitigkeiten ausscheidet. Natürlich heißt das nicht, dass bei unqualifizier­ter Tätigkeit eines der Elternteile diesem nicht die Obsorge zu entziehen ist – na selbst­verständlich!

Es ist auch nicht so, dass dieser gesetzliche Hinweis völlig im Gesetz fehlt. Im Grund­satz ist ja angeordnet, dass beiden Elternteilen die Obsorge belassen werden soll. Die neue Regelung des § 180 erlegt aber den Eltern quasi eine Bewährungsprobe von sechs Monaten auf. Abgesehen von der Unwürdigkeit, dass von einem Tag auf den an­deren einer der Elternteile nicht mehr als würdig angesehen wird, sich direkt durch ge­setzliche Anordnung erproben und bewähren muss, führt dies ohne Zweifel zu einer Verlängerung der damit verbundenen gerichtlichen Auseinandersetzung anstatt zu ei­ner Verkürzung.

Es gäbe noch andere Dinge dazu zu sagen, warum wir uns im Zweifel dagegen ent­schieden haben, dieser Vorlage zuzustimmen, abgesehen von der auch nicht mehr der Zeit entsprechenden Regelung, dass bei unehelicher Geburt nur der Mutter die Ob­sorge zukommt, nicht dem Vater. Es gibt noch viele andere Dinge mehr, auf die Red­ner nach mir noch zu sprechen kommen werden. Ich verkenne nicht, dass der Ansatz gut gemeint ist, aber er ist nicht vollständig gut geglückt. – Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

10.51


Präsidentin Mag. Barbara Prammer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Ik­rath. – Bitte.

 


10.51.27

Abgeordneter Mag. Peter Michael Ikrath (ÖVP): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Mi­nisterinnen! Kolleginnen und Kollegen! Zuhörer und Zuhörerinnen auf der Tribüne und auch geschätzte ZuschauerInnen und ZuhörerInnen zu Hause an den Fernsehschir­men! Ich glaube, dieses Gesetzespaket ist im Familienrecht ein wirklicher Durchbruch. Es ist das, was ich gesetzgeberisch als einen wirklich großen Wurf bezeichnen würde. Warum ist das so? – Weil wir wissen und auch zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich Familienstrukturen, Familiensysteme in den letzten zehn, zwanzig Jahren wesent­lich verändert haben. Wir finden heute ganz unterschiedliche Familienstrukturen vor, wenn auch das Idealbild – und zu dem bekenne ich mich, auch für die ÖVP – der ver­heirateten Eltern mit Kindern nach wie vor unsere gesellschaftspolitische Leitvorstel-


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