Nationalrat, XXIV.GPStenographisches Protokoll217. Sitzung / Seite 100

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Ich möchte Sie ersuchen, Frau Justizministerin – aber das ist wirklich Ihre persönliche und parteiliche Angelegenheit –, derartige Sticker auf der Regierungsbank nicht zu tragen, solange Sie Mitglied dieser Bundesregierung sind. (Beifall bei den Grünen. – Rufe bei der ÖVP: Wieso nicht?)

Und jetzt zum Thema dieser Dringlichen Anfrage. Ich glaube, ich spreche ein weiteres und vielleicht letztes Mal im Rahmen dieser Dringlichen Anfrage in unser aller Namen, wenn ich auf etwas hinweise. Es ist für viele Menschen in dieser Republik völlig unver­ständlich, dass wir in diesem Ausmaß und in dieser Häufigkeit im österreichischen Nationalrat über systematische politische Korruption sprechen müssen.

Österreich ist nicht irgendein Staat, auch nicht innerhalb der Europäischen Union, Österreich ist einer der reichsten Staaten der Welt. Wenn Sie aus diesem Haus hinausgehen, dann werden Sie merken, dass die Menschen nicht verstehen, dass es in einem der reichsten Staaten dieses Kontinents und der Welt Pflegenotstand, Bil­dungs­notstand, Universitätennotstand gibt und die größten Fragen der österreichi­schen Innenpolitik deswegen nicht beantwortet und die größten Probleme deswegen nicht gelöst werden können, weil es immer wieder an Geld fehlt und weil von der Finanzministerin abwärts die Ressortverantwortlichen immer wieder vor uns hintreten und sagen müssen, wir haben dafür kein Geld.

Das verstehe ich in einem Land, in dem es wenig Geld, wenige Steuereinnahmen und wenig Reichtum einer Volkswirtschaft gibt, aber nicht in Österreich. Und deswegen ist Korruption, sind jährliche Milliardenverschwendungen nicht nur eine Frage der politi­schen Moral, nicht nur eine Frage, ob vor dem Gesetz alle gleich sind, sondern auch eine Frage, ob mit der Zukunft in unserer Republik weiterhin auf derart unverant­wortliche Art und Weise umgegangen werden kann. (Beifall bei den Grünen.)

Wenn es uns gelingt, Korruption zu bekämpfen, dann gelingt es uns auch, diese Mittel zurückzuholen. Dann sind Steuergelder wieder für jene Menschen da, die ehrlich und pünktlich ihre Steuern zahlen müssen und die sich immer wieder die Frage stellen: Warum gibt es mit Unterstützung einzelner Parteien, insbesondere von Regierungs­parteien, einige wenige in dieser Republik, die keine oder viel zu wenige Steuern zahlen und sich auf unrechtmäßige Art mit politischer Unterstützung von diesem Steuergeld etwas aneignen, was ihnen mit Sicherheit nicht zusteht?

Wenn diese Fragen von einer Bundesregierung nicht beantwortet werden, dann liegt es am Nationalrat, nicht nur als Gesetzgeber, sondern als oberster Kontrollor der Regierung und der Verwaltung, genau diese Fragen zu stellen und auf diese Fragen Antworten zu verlangen.

Ich erinnere mich gemeinsam mit Ihnen noch genau an das Ende des letzten, des großen Korruptionsuntersuchungsausschusses. Dazu ist nach einem Jahr zweierlei zu sagen: erstens, wie wichtig er war und wie viel an Vertrauen in die Möglichkeiten der Politik er den Menschen zurückgegeben hat; gleichzeitig aber, was alles inzwischen geschehen ist. Damals sind weder Gabi Moser noch ich davon ausgegangen, dass es in Österreich so etwas wie systematische Korruption gibt, die zumindest durch eine Partei, wahrscheinlich mehrere Parteien, betrieben wird. Inzwischen wissen wir mehr.

Inzwischen wissen wir mehr, etwa über die Vorgänge rund um die Österreichische Volkspartei. Inzwischen wissen wir durch gerichtliche Zeugenaussagen eines hohen ÖAAB-Funktionärs, dass es im ÖAAB eine Liste gibt, nach der Firmen abkassiert werden, und der Obmann des Österreichischen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmer­bundes in der ÖVP die Aufgabe hat, all diese Konzernspitzen anzusprechen und von ihnen – ich nenne es einmal so – möglicherweise sogar eine Art politisches Schutzgeld für die ÖVP zu verlangen. Im Telekom-Prozess hat der ehemalige ÖIAG-General-


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