Nationalrat, XXV.GPStenographisches Protokoll14. Sitzung / Seite 189

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Dezember, 1 153 syrische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger aus Österreich abge­schoben beziehungsweise zurückgeschoben wurden. (Abg. Amon: Das ist aber ent­scheidend!)

Jetzt weiß ich schon, Sie werden sagen: Nein, nein, die wurden nicht abgeschoben, die wurden bloß zurückgeschoben. (Abg. Amon: Genau!) Für die Betroffenen bleibt das Ergebnis das gleiche, nämlich, dass sie aus Österreich weggeschickt wurden.

Sehr geehrte Frau Bundesministerin, es geht hier nicht um eine technische Diskussion, wo wir über unterschiedliche Begriffe des äußerst komplizierten Fremdenpolizei­ge­setzes diskutieren. Hier geht es ganz konkret um Menschen, die vor einem Krieg flüchten, der seit drei Jahren in Syrien wütet, wo selbst Kinder vor Folter und Verge­waltigung nicht sicher sind – wir kennen alle die Bilder aus den Medien. Hier geht es darum, dass solche Menschen, und zwar diejenigen, die es über das Mittelmeer geschafft haben, die es in die EU geschafft haben und hier eigentlich Schutz brauchen würden, wie heiße Kartoffeln zwischen EU-Ländern hin- und hergeschoben werden.

Um diese Menschen geht es hier, und über diese Menschen und über diese nicht nur unfähige, sondern leider auch schädliche und schändliche Politik möchte ich hier diskutieren. Ich hoffe, dass Sie uns da auch Antworten geben wollen und Antworten geben werden.

Wir verfolgen es alle in den Medien: Inzwischen sind 2,4 Millionen Syrer und Syrerin­nen aus ihrem Land geflüchtet, mussten flüchten und haben in den Nachbarländern um Schutz angesucht oder versuchen, dort zu überleben.

2,4 Millionen, das ist eine sehr große, aber eine sehr abstrakte Zahl. Ich glaube, behaupten zu können, dass wir, wie wir alle da sitzen und das Glück hatten, in Frieden hineingeboren worden zu sein, logischerweise sehr schlecht nachvollziehen können, was diese Zahl 2,4 Millionen bedeutet, was dieses Elend des Kriegs bedeutet. Deshalb möchte ich Ihnen zur Verdeutlichung ganz kurz eine Geschichte erzählen – es dauert nicht lang –, sie war auch in den deutschen Medien.

Es geht um eine syrische Flüchtlingsfamilie, um eine Frau, die mit ihren vier Töchtern aus Syrien flüchten konnte, und zwar nach Ägypten, und um ihre Reise von Ägypten Richtung EU beziehungsweise den Versuch, sicheren Hafen – wo sie Schutz bekommen können –, die EU zu erreichen:

„Es war der 11. Oktober, als Soha mit ihren vier Töchtern und 160 anderen Flücht­lingen von Ägypten aus auf einem alten Kutter ins Meer stach. Bereits wenige Kilo­meter vor der Küste sank das Boot und übergab die Insassen dem Meer. Soha hatte eine Schwimmweste an. Ihre vier Töchter im Alter von fünf bis zehn Jahren klam­merten sich an sie. Die Gruppe drohte unterzugehen, weil die Schwimmweste kaum das Gewicht über Wasser halten konnte. Soha war in einer Lage, die sich keine Mutter der Welt vorstellen will. Sie musste sich entscheiden, welches ihrer Kinder sie loslässt.

Aber Soha konnte und wollte sich nicht entscheiden, sie strampelte, um über Wasser zu bleiben und wartete. Als erste ließ die fünfjährige Haya los und verschwand für immer in den Fluten. Ihr folgten Sama und dann Julia in die Tiefe des Meeres. Als Soha Stunden später von der ägyptischen Küstenwache aus dem Wasser gerettet wurde, war nur noch ihre älteste Tochter am Leben.“

Es geht um solche Menschen, Frau Ministerin. Es geht nicht um technische Begriffe wie Zurückschiebung, Abschiebung, Dublin-Abkommen. Es geht um unsere gemein­same Verantwortung in der EU. (Beifall bei Grünen und NEOS.)

Jetzt werden Sie sagen: Was soll ich machen, mir sind die Hände gebunden, es gibt das Dublin-Abkommen, das besagt, dass jenes EU-Land zuständig ist für ein Asyl-


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