Wie will Österreich seine Klimaziele erreichen?
Podcast: Politik am Ring #28 vom 19. Juni 2023
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Thema
In Sachen Klimaschutz ist Österreich alles andere als ein Musterschüler: Pro Kopf produzieren wir mehr Treibhausgase als der weltweite Durchschnitt. Größtes Sorgenkind ist der Straßenverkehr. Die Bundesregierung hat eine Trendwende in der Klimapolitik versprochen. Doch Kritiker:innen sagen, sie vermissen konkrete Schritte. Ein neues Klimaschutzgesetz ist nach wie vor nicht beschlossen und das Klimaziel Österreichs bis 2030 ist aus heutiger Sicht ebenso außer Reichweite wie die angepeilte Klimaneutralität bis 2040. Wann folgen den klimapolitischen Ankündigungen konkrete Taten und wie will Österreich seine selbst gesteckten Klimaziele erreichen?
Teilnehmer:innen der Diskussion
Teilnehmer:innen der Diskussion:
- Joachim Schnabel (ÖVP)
- Julia Herr (SPÖ)
- Walter Rauch (FPÖ)
- Lukas Hammer (Grüne)
- Michael Bernhard (NEOS)
Eingeladene Fachleute:
- Michaela Krömer, Rechtsanwältin
- Reinhard Steurer, Universität für Bodenkultur
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Transkript
Anmoderation: In dieser Folge von Politik am Ring, der Diskussionssendung des Parlaments, diskutiert Moderator Gerald Groß mit den Abgeordneten Joachim Schnabel von der ÖVP, Julia Herr von der SPÖ, Walter Rauch von der FPÖ, Lukas Hammer von den Grünen und Michael Bernhard von NEOS darüber, wie Österreich seine Klimaziele erreichen will. Zu Gast sind die Rechtsanwältin Michaela Krömer und der Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur in Wien, Reinhard Steurer. Das Gespräch haben wir am 19. Juni 2023 im Plenarium des Österreichischen Parlaments aufgezeichnet.
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Gerald GROSS (Moderator): Hallo und herzlich willkommen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie bei einer weiteren Ausgabe von „Politik am Ring“ im Hohen Haus. Heute geht es um den Klimaschutz, um die Klimaschutzpolitik, um die Klimaschutzziele Österreichs. In Sachen Klimaschutz ist Österreich ja alles andere als ein Musterschüler: Pro Kopf produzieren wir mehr Treibhausgase als der weltweite Durchschnitt, und größtes Sorgenkind ist dabei der Straßenverkehr. Die Bundesregierung hat eine Trendwende in der Klimapolitik versprochen, allerdings vermissen viele die konkreten Schritte. Ein neues Klimaschutzgesetz ist nach wie vor nicht beschlossen, und das Klimaziel Österreichs bis 2030 ist aus heutiger Sicht ebenso außer Reichweite wie die angepeilte Klimaneutralität bis 2040. Wann folgen also den klimapolitischen Ankündigungen konkrete Taten, und wie will Österreich seine selbstgesteckten Klimaziele erreichen? – Darüber diskutieren heute hier bei uns in „Politik am Ring“ Julia Herr von der SPÖ – herzlich willkommen! (Herr: Danke für die Einladung!) –, Joachim Schnabel von der ÖVP (Schnabel: Guten Abend!), Walter Rauch von der FPÖ (Rauch: Guten Abend!), Lukas Hammer von den Grünen (Hammer: Hallo!) und Michael Bernhard von den NEOS. (Bernhard: Schönen Abend!)
Außerdem begrüße ich Michaela Krömer, Rechtsanwältin – herzlich willkommen! (Krömer: Guten Abend!) – und Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der Universität für Bodenkultur – herzlich willkommen! (Steurer: Guten Abend!)
Bis 2030 die Hälfte an Treibhausgasen einzusparen, das ist das Ziel. Druck, dieses Ziel zu erreichen, kommt auf der einen Seite von der EU, auf der anderen Seite auch sehr intensiv von der Straße – Stichwort: Klimakleber. Wir waren dabei, als Aktivistinnen und Aktivisten einmal mehr den Verkehr in Wien lahmgelegt haben, denn der sorgt nach wie vor für den zweitgrößten Anteil beim CO2-Ausstoß.*****
Es folgt eine Videoeinspielung:
Sprecher: In Wien blockieren Aktivisten und Aktivistinnen der Letzten Generation die Straßen und legen den Autoverkehr lahm – zum wiederholen Mal. Mitten unter ihnen: die 21-jährige Miriam; sie ist schon länger in der Klimabewegung aktiv. Ihr Ziel und das ihrer Mitstreiterinnen und Mitstreiter: konkretere Klimaschutzpolitik. Demonstriert wird an diesem Morgen – wie immer bei der Letzten Generation – unangemeldet. Miriam und die anderen Aktivistinnen und Aktivisten kommen nicht weit: Die Polizei drängt sie von der Straße.
Miriam: Darum habe ich jetzt schnell gehandelt und mich hingeklebt: um einfach noch ein bisschen länger zu stören und den Druck auf die Regierung noch ein bisschen länger auszuüben, damit die Regierung endlich ihren Job macht und endlich ein Klimaschutzgesetz umsetzt, irgendwie einen Plan macht oder zumindest zugibt, dass sie keinen Plan hat, wie sie uns vor dieser Klimakrise schützen soll.
Sprecher: Druck bekommt die Regierung nicht nur von der Straße, sondern auch von der EU: Der Nationale Energie- und Klimaplan muss bis Ende Juni nachgeschärft werden; beschlossen wurde er 2019 unter der Expertenregierung.
Brüssel verlangt Österreich noch einiges ab: Im Vergleich zu 2005 soll Österreich bis 2030 fast die Hälfte an Treibhausgasen einsparen; ursprünglich hatte die Regierung mit einem guten Drittel geplant. Die meisten Einsparungen sind im Verkehrssektor zu erreichen – dort sind die Emissionen in den vergangenen Jahrzehnten besonders stark gestiegen, das geht aus einem Bericht des Klimaschutzministeriums vom vergangenen Jahr hervor. Verpasst die Regierung die Nachbesserungsfrist, droht die EU mit Strafen in Milliardenhöhe.
Was genau in dem Entwurf für Brüssel stehen wird, ist noch unklar; die Regierung ist sich bei vielen Punkten nicht einig: Im Bereich Verkehr zum Beispiel wollen die Grünen ein Aus des Verbrennungsmotors; die ÖVP ist dagegen, genauso wie die FPÖ. SPÖ und NEOS unterstützen das Bestreben des EU-Parlaments und der Kommission, dass ab 2035 keine Verbrenner mehr zugelassen werden. In einem Punkt sind sich aber alle Parteien einig: Der öffentliche Verkehr soll massiv ausgebaut werden.*****
GROSS: Was die Klimaziele betrifft beziehungsweise das Erreichen derselben, ist ja ein interessantes Phänomen zu beobachten: Wenn keine Kameras oder Mikrofone dabei sind – hinter vorgehaltener Hand gewissermaßen –, sind fast alle überzeugt: Wir werden diese Klimaziele nicht erreichen, zumindest nicht ohne radikale Eingriffe. Vor laufenden Kameras halten das zumindest Regierungsvertreter durchaus für möglich und halten eisern, wenn man so will, an der Wir-schaffen-das-Doktrin fest. Ich würde gerne gleich hier die Probe aufs Exempel machen und Sie, meine Dame und Herren Politiker, fragen: Erreichen wir die Ziele oder sind sie letztlich eine Augenauswischerei? Ich beginne bei den Regierungsvertretern. Sie haben ja das Beste aus beiden Welten versprochen; inzwischen hat man den Eindruck, es trennen Sie Welten. – Bitte, Herr Schnabel.
Joachim SCHNABEL (ÖVP, Mitglied Umweltausschuss): Also ich würde das nicht als Augenauswischerei bezeichnen, sondern schon als eine mit konkreten Maßnahmen hinterlegte Regierungsarbeit, und die würde ich nicht nur an diesem sogenannten Klimaschutzgesetz festmachen – das ist ja nichts anderes als ein Reduzierungspfadgesetz –, sondern an vielen Gesetzen, die wir – vor allem was das Klima betrifft – in den letzten Jahren gemeinsam gemacht haben. Auch was die Verkehrswende betrifft, auch wenn hier gesagt wird, dass wir uns alle einig sind, dass der öffentliche Verkehr massiv ausgebaut werden muss, haben wir vor allem, was die Schiene betrifft, ein Rekordbudget auf den Weg gebracht und mit dem Klimaticket – regionalem sowie nationalem Klimaticket – hier einmal vieles, was viele Jahrzehnte lang diskutiert worden ist, umgesetzt.
Ich sehe es – auch was andere Sektoren betrifft: Industrie, die jetzt im Emissionshandel drinnen sind oder nicht drinnen sind – sehr wohl auch nach wie vor gegeben, dass wir da mit viel Technologieoffenheit, mit alternativen Energien diese Klimaziele erreichen werden.GROSS: Also davon sind Sie überzeugt und das sagen Sie auch in Ihrer südsteirischen Gemeinde, wo Sie Bürgermeister sind, wenn Sie dort im Gasthaus gefragt werden: Wie ist das jetzt eigentlich mit diesen Zielen?
SCHNABEL: Ja, das sage ich jetzt nicht nur aus dem Blickwinkel der Südsteiermark, sondern schon auch aus einer europäischen, globalen Dimension heraus, wo sich vor allem auf europäischer und internationaler Ebene auch vieles tut, wenn Sie zum Beispiel den Sektor Wasserstoff, was mir ein Herzensanliegen ist, hernehmen, wo auf europäischer Ebene sehr viel gemacht wird, wo die USA sehr stark in diesen Sektor hineindrängt, wo jetzt Australien 25 Prozent seiner Emissionen durch Alternativenergien reduziert hat – vorwiegend Sonnenenergie – und eine Wasserstoffindustrie aufbaut. Also in Summe tut sich sehr viel in diesem Feld, und alle Länder – natürlich auch leider durch die schreckliche Ukrainekrise – drängen quasi darauf, alternative Stromproduktionen aufzustellen und aus diesen alternativen Stromquellen dann erneuerbaren Wasserstoff zu produzieren.
Da gibt es noch viele Dinge zu diskutieren – wie viel wir national produzieren, importieren können –, aber vor allem mit diesen Technologien, die jetzt quasi schon in den Umsetzungsstartlöchern sind, wird vieles möglich sein.GROSS: Okay. – Herr Hammer, sehen Sie das auch so optimistisch und so positiv, vor allem, was das innerkoalitionäre Klima und das An-einem-Strang-Ziehen betrifft? Da gab es zuletzt sehr viele Misstöne, wenn ich zum Beispiel an die massiven Angriffe von Bundesgeschäftsführer Stocker gegen Ministerin Gewessler denke.
Lukas HAMMER (Grüne, Klimaschutzsprecher): Ich sehe es ambivalent, muss ich sagen: Auf der einen Seite, glaube ich, hat noch keine Koalition vor uns derart viel für den Klimaschutz gemacht – ich glaube, das steht außer Streit. Wir haben in den letzten dreieinhalb Jahren wirklich unglaublich viel weitergebracht, das kann man durchaus so sagen. Jede einzelne Maßnahme, die wir weitergebracht haben, haben wir sehr hart erkämpfen müssen – und ich sage: Wir haben für jede einzelne Maßnahme zu hart kämpfen müssen. Sehr oft ist es so, dass sozusagen eh alle für Klimaschutz sind, nur wenn es dann konkret wird, dann ist es eben - -
GROSS: Aber das heißt, innerhalb der Koalition kämpfen müssen, zu hart kämpfen müssen.
HAMMER: Natürlich müssen wir innerhalb der Koalition kämpfen! Teilweise stehen wir dann im Parlament tatsächlich alleine da, wenn es zum Beispiel darum geht, ob wir einen Klimacheck für Autobahnen machen und vielleicht das eine oder andere Autobahnprojekt absagen, wenn es um Temporeduktionen und so weiter geht, aber wir haben natürlich – ich kann das jetzt nicht alles aufzählen – einen CO2-Preis eingeführt, wir haben die NoVA reformiert, wir haben Mehrweg und Pfand eingeführt, wir haben einen Industrietransformationsfonds geschaffen und, und, und.
Und wir sehen auf der einen Seite, zum Beispiel bei der Fotovoltaik, dass wir in den letzten zwei Jahren so viel Sonnenstrom zugebaut, so viel Fotovoltaik zugebaut haben wie in allen Jahren zuvor – in nur zwei Jahren, und das passiert nicht nur wegen des Krieges, sondern das hat einfach aufgrund der veränderten Förderstruktur und weil wir einfach so viele Förderungen haben, schon im Jahr 2021 angefangen –, und wir sehen – das Umweltbundesamt schaut sich gerade die Emissionsentwicklung an –, dass wir mit den Maßnahmen, die wir bereits gesetzt haben beziehungsweise die wir gerade noch im Parlament verhandeln, zum ersten Mal auf dem Weg sind, dass es zu einer Emissionsreduktion kommt bis 2030, und zwar von in etwa 2035.
Zwei Ableitungen davon: Die eine ist: Ja, wir können unsere Emissionen reduzieren, ja, wir können Klimaziele erreichen, wenn wir auf die Wissenschaft hören, wenn wir mutige politische Schritte setzen, und der zweite Aspekt – und das möchte ich überhaupt nicht schönreden –: Das, was wir bisher gemacht haben – das Ambitionsniveau und das Tempo –, reicht nicht, um unsere Klimaziele zu erreichen. Das ist ja keine Turnübung – weil die EU sich das vorgenommen hat oder weil wir uns das vorgenommen haben –, sondern da geht es um unsere Lebensgrundlagen.
Dazu möchte ich schon eines sagen: Wir dürfen nicht immer nur in apokalyptischen Szenarien daherreden, aber was wir auf keinen Fall machen dürfen, ist, die Klimakrise zu verharmlosen. Wir müssen den Menschen schon klar sagen, dass in einer 3 bis 4 Grad heißeren Welt – und darauf steuern wir gerade zu – sehr viele Teile auf dieser Welt, auf diesem Planeten unbewohnbar sind, und dann schaut es für Österreich auch schlecht aus.
Wenn wir es aber schaffen, sozialen Ausgleich zu schaffen, wenn wir es schaffen, sozusagen noch ein Stück dazu zu machen und wenn die Bekämpfung der Klimakrise nicht einfach nur sozusagen Aufgabe der Grünen bleibt, sondern Konsens im Parlament wird, dann schaffen wir das – technisch ist es möglich.GROSS: Dann wechseln wir auf die Seite der Opposition, und ich beginne mit Ihnen, Herr Bernhard. Die Frage ist noch immer die gleiche: Gemäß Ihrer Einschätzung oder aus Ihrer Sicht: Schaffen wir die Ziele, ja oder nein?
Michael BERNHARD (NEOS, Umwelt- und Klimaschutzsprecher): Also man muss auch ein bisschen auf die Ziele an sich schauen. Wir haben uns als Vereinte Nationen ja gemeinsam das Ziel gesetzt, bis Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu werden. Das bedeutet, dass die entwickelten Industriestaaten deutlich vor 2050 klimaneutral sein müssen, weil andere Staaten bis 2055, 2060 oder sogar darüber hinaus noch mehr CO2 emittieren werden, als sie binden können, und das schaffen wir als Österreich nicht.
Wir sind innerhalb der Europäischen Union immer schlechtes Mittelfeld bis weit abgeschlagen, wir schaffen die noch ambitionierteren Ziele, die 2040er-Ziele, die die Bundesregierung ja erstmals auch formuliert hat, ebenfalls überhaupt nicht – davon sind wir meilenweit entfernt –, und die Maßnahmen, die vonseiten der Regierungsfraktionen beschlossen worden sind und oft auch von den anderen Fraktionen mitgetragen worden sind, sind sozusagen eine Art Schubumkehr, um vom Nichtstun in die Aktivität zu kommen, aber das reicht weder für 2040 noch für 2050.
Damit man sich vielleicht auch vorstellen kann, wo wir uns da bewegen: Wir haben in den Nullerjahren und in den Zehnerjahren oft von ÖVP-Ministern gehört, Österreich sei ein Umweltmusterland. – Wir bewegen uns bei den Emissionen und den Ambitionen bezüglich der Transformation zwischen China und Weißrussland, wir sind also weit, weit weg davon, dass wir unsere Ziele erreichen können.
Was dazu kommt, ist, dass wir in dieser Klimadiskussion oft die Ideologie über die Wirksamkeit stellen. Das kann jetzt natürlich auch von Hammer kommen, wenn er sagt, dass die Grünen die Einzigen sind, die dann im Nationalrat für Klimaschutz stehen, denn das stimmt natürlich nicht. Es gibt einfach unterschiedliche Konzepte, um der Klimakrise zu begegnen, und es sind vier von fünf Parteien, die mittlerweile zumindest anerkennen, dass diese Klimakrise tatsächlich eine große Bedrohung ist, und es braucht dann auch – und das ist, glaube ich, ganz wichtig, wenn man mehr Dynamik will – mehr Kompromissbereitschaft, auf andere zuzugehen, und die fehlt im Moment vonseiten der Regierungsfraktionen sehr, sehr oft, muss man ehrlich sagen.GROSS: Herr Rauch, jetzt könnte man, wenn man sich Ihre Wortmeldungen beziehungsweise die Ihrer Kolleginnen und Kollegen anschaut, ja durchaus zu dem Schluss kommen, dass Ihnen die Maßnahmen, die bis jetzt getroffen worden sind, schon zu viel sind, weil Sie immer von Klimawahn, in dem wir leben, sprechen. – Warum eigentlich?
Walter RAUCH (FPÖ, Umweltsprecher): Es ist ja, wie man jetzt auch von den beiden Vertretern der Regierungsparteien vorhin gehört hat, mittlerweile eine sehr, sehr ideologisch behaftete Diskussion und auch eine ideologisch behaftete Thematik, denn wenn wir die Klimaziele bis 2030 erreichen würden, dann hätten auch die Grünen kein politisches Thema mehr. – Das ist der eine Punkt.
Und das andere, jetzt auf den Punkt gebracht zu Ihrer Frage konkret: Das Einzige, das in den letzten Jahren passiert ist, war belasten: die CO2-Steuer einzuführen, gleichzeitig die Normverbrauchsabgabe bei den Pkws und kleinen Lkws zu erhöhen – im Endeffekt waren das reine Belastungsmaßnahmen, aber konkret in der Sache – das war das, was Sie betreffend die beiden Welten einmoderiert haben – ist das im Endeffekt das Schlechteste. Warum? – Weil sich die beiden Regierungsparteien in dieser Art und Weise so nicht einigen können, weswegen auch bestimmte Gesetze – ob man jetzt dafür ist oder dagegen ist – relativ weit nach hinten verschoben werden, und dann sollte man dem Ganzen in letzter Sekunde über Nacht zustimmen oder dem Ganzen glorifizierend entgegentreten. – Da ist das eine.
Die Maßnahmen an sich, die hier in Österreich passieren, sind teilweise jetzt schon wirtschaftsfeindlich, wirtschaftsstandortfeindlich und belasten natürlich auch die Bevölkerung in vielen Bereichen ihrer Lebensrealitäten.
Und weil man bei den Straßenprojekten immer auf den Verkehr losgeht – Kollege Schnabel weiß das am besten –: Bei der Autobahn A 9 – wo er zu Hause ist – von Leibnitz Richtung Graz wurde die dritte Spur einfach mit einem Pinselstrich vonseiten der Verkehrsministerin, die auch Klimaministerin und Umweltministerin ist, gestrichen. Im Endeffekt wird in diesem Bereich Stauen und Stauben produziert, sonst nichts. Im Endeffekt sind das einfach Dinge, die sich die Menschen in dieser Art und Weise nicht vorstellen wollen und die sie auch nicht akzeptieren.
Nehmen wir uns jetzt auf der anderen Seite den öffentlichen Verkehr her: Dr. Jörg Haider hat als Landeshauptmann von Kärnten die Koralmbahn ins Leben gerufen. Jetzt wissen wir, wann Dr. Jörg Haider verstorben ist und wie viele Jahre davor er dieses Projekt ins Leben gerufen hat – und jetzt, vorige Woche, war die erste Durchfahrt. Wenn wir uns also auf den öffentlichen Verkehr fokussieren – und da sind wir uns einig, dass das richtig ist –, dann wissen wir aber auch, dass diese Projekte Jahrzehnte brauchen.
Es lebt auch nicht jeder in einem Ballungsraum – in Wien im 5., 6., 1., 2. oder 3. Bezirk –, dass er vor seiner Haustüre eine Straßenbahn oder ein anderes öffentliches Verkehrsmittel hat. Das heißt, wir müssen global denken, also national, in dem Sinn, dass wir sagen: Wir brauchen auch den ländlichen Raum in diesem Bereich.GROSS: Vielen Dank. – Frau Herr, tut es Ihnen aus jetziger Sicht eigentlich leid, dass die SPÖ im Zuge dieser Blockademaßnahme, die ja mit dem Thema Inflation sozusagen verquickt worden ist, das Energieeffizienzgesetz blockiert hat, dass Sie das blockiert haben und damit jetzt nur eine abgespeckte Version herausgekommen ist, die die Bundesländer außen vor lässt? Jetzt haben Sie ja eine Trendwende angekündigt und gesagt, dass Sie diese Blockade aufheben werden und auch den Klimaschutzgesetzen beziehungsweise allem, was da noch offen ist, zustimmen werden.
Julia Elisabeth HERR (SPÖ, Umwelt- und Klimasprecherin): Sie nennen es Blockade, so haben wir es nie genannt. – Es ist darum gegangen, Druck aufzubauen, um endlich auch Antiteuerungsmaßnahmen umsetzen zu können.
Nein, ich bereue das nicht. Ich denke, auch beim Energieeffizienzgesetz hatten wir legitime Kritikpunkte, weil ja auch die Frage, wer Energieeffizienzmaßnahmen finanziert, gerecht diskutiert werden muss. Es gab im vorherigen Gesetz sozusagen auch einen Beitrag, beispielsweise Energieunternehmen, das ist jetzt herausgefallen. Da haben ÖVP und Grüne in diesem neuen Energieeffizienzgesetz wirklich vorgesehen, dass sämtliche Maßnahmen eigentlich zur Gänze von den Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen finanziert werden müssen. Ich denke, dass es – gerade wenn wir uns anschauen, wie hoch auch die Gewinne der Energieunternehmen in den letzten Jahren waren – da auch ein gerechteres Finanzierungssystem gebraucht hätte.
Grundsätzlich will auch ich sozusagen die Frage: Wie schaut es aus mit den Klimazielen?, beantworten, denn ich will daran erinnern, dass wir vorhin im Beitrag gesehen haben, dass eben betreffend den Nationalen Energie- und Klimaplan, der damals, 2019, beschlossen wurde – ich glaube, das war noch ein Erbe von Schwarz-Blau, von der Übergangsregierung dann beschlossen –, die Kommission dann eigentlich sehr schnell gesagt hat: Dieser Plan reicht nicht aus, damit werden wir die Ziele fundamental verfehlen.
Das ist auch der aktuellen Regierung bekannt. Sie hatte eigentlich im Regierungsprogramm vereinbart, dass dieser Plan sofort überarbeitet werden muss, sodass wir tatsächlich einen Nationalen Energie- und Klimafahrplan vorlegen, mit dem wir die Ziele auch erreichen können. Davon hat man dann nie wieder etwas gehört; man ist beim aktuellen Plan geblieben.
Dann hat man gesagt: Nein, wir konzentrieren uns lieber auf die neuen Ziele. – Es ist aber mit dem heutigen Tag 900 Tage überfällig, dass ein Klimaschutzgesetz vorgelegt wird. Ich glaube, wir sind das einzige Land in der Europäischen Union, das keine nationalen gesetzlichen Klimaziele definiert hat und beschlossen hat – auch der Plan betreffend Klimaneutralität 2040 wurde ja immer nur in Überschriften angekündigt, wurde immer nur auf Pressekonferenzen verkündet, aber nie gesetzlich beschlossen.
Wir als SPÖ haben immer gesagt, wir würden dieses Ziel unterstützen – jetzt ist es seit 900 Tagen ausständig. Also ich glaube, da müsste Österreich natürlich schnell in die Gänge kommen und dieses Ziel überhaupt einmal tatsächlich in ein Gesetz packen und beschließen.GROSS: Das heißt, jetzt hat die ÖVP keine Ausrede mehr.
SCHNABEL: Also grundsätzlich muss man einmal sagen, dass es betreffend das ursprüngliche nationale Klimaschutzgesetz so war, dass Österreich eines der ersten Länder war, das ein solches hat, und wir ja sowieso europäische Rechtsvorschriften haben, was CO2-Emissionen beziehungsweise die Reduktion der CO2-Emissionen anlangt, die auch für Österreich gelten.
Zum Nationalen Energie- und Klimaplan: Es läuft gerade die finale Abstimmung – das kann man ja so weit sagen –, das ist in der Koordinierung und wird demnächst auch so weit fertig gemacht werden.
Und vielleicht noch zu Kollegen Hammer: Man sieht ja schon, dass da natürlich, wie Sie gesagt haben, aus zwei Welten Politik gemacht wird und die Zugänge unterschiedlich sind. Wir haben auch im Bereich mancher Klimaschutzmaßnahmen andere Zugänge: Wir hätten uns gewünscht, dass wir bei Benzin oder bei Diesel schneller höhere Beimischquoten umsetzen könnten, um schon jetzt mit bestehenden Treibstoffen eine Reduktion zu erreichen. Auch andere Maßnahmen, die den jetzigen CO2-Ausstoß vielleicht reduziert hätten, hätten wir uns auch von unserer Seite – Stichwort Landwirtschaft und auch Bioenergie im Holzbereich – etwas schneller gewünscht. Da sieht man eben die unterschiedlichen Zugänge, und das muss man halt auch akzeptieren.
Kompromisse sind ja ein Teil eines demokratiepolitischen Prozesses, und ich muss schon sagen, Herr Kollege Rauch: Bei Ihnen hätten wir machen können, was wir wollen, denn Sie haben keinem einzigen Klimaschutzgesetz, das in den letzten Jahren beschlossen worden ist, zugestimmt. Ich habe das sehr genau verfolgt, und ich kenne auch die Aussagen dazu eins zu eins: Es kommt immer nur eine Ablehnung, mit einigen Floskeln dazu, und überhaupt kein Alternativvorschlag. – Das zeichnet, muss man fairerweise sagen, die anderen Oppositionsparteien aus, dass von ihnen schon in irgendeiner Art und Weise konkrete Vorschläge kommen, mit denen wir dann auch in eine Diskussion eintreten können.
Auf die Frage zurückkommend: Wir sind nach wie vor in einigen Detailbereichen dran, aber was uns wichtig ist, ist einerseits – das wiederhole ich immer wieder – Technologieoffenheit, andererseits ist es natürlich schon auch so, dass wir auch über den Klimaschutz hinweg immer die Wirtschaftlichkeit, den Standort beobachten müssen, denn es nützt nichts, wenn wir Industrien haben, die abwandern und woanders schädlicher produzieren. Das muss man hier halten.GROSS: Okay. Bitte ein bissl kürzere Wortmeldungen, denn ich wollte eigentlich noch einmal zu Frau Herr zurückkommen, aber inzwischen haben sich Herr Hammer und Herr Bernhard zu Wort gemeldet.
Versuchen wir also, das jetzt in aller Kürze abzuarbeiten. Ich möchte nämlich dann auf die gestrigen Aussagen des neuen SPÖ-Chefs zurückkommen. – Bitte.HAMMER: Okay. Ich versuche auch, mich kürzer zu halten.
Vielleicht noch ein Wort zur Ideologie: Ich bin jetzt schon länger beim Thema Klimaschutz dran, und es ist immer wieder vorgeworfen worden, dass Klimaschützer:innen sozusagen einer Ideologie anhängen. Es geht im Klimaschutz und in der gesamten Klimabewegung einfach nur darum, dass wir als Politik das tun, was uns die Wissenschaft sagt. Es ist nicht so kompliziert, und das hat nichts mit Ideologie zu tun. Ich bin gezwungen, immer wieder zu verhandeln, und ich bin kein kompromissloser Verhandler, weil ich genau weiß, ohne Kompromisse kommen wir überhaupt nicht weiter, aber ich halte es für einen Fehler, das immer als Ideologie zu brandmarken.
Noch ein Wort zum Klimaschutzgesetz: Ja, wir haben vor zwei Jahren unserem Koalitionspartner einen Entwurf für ein Klimaschutzgesetz geschickt. Da geht es vor allem um Verantwortlichkeiten, es geht um Ziele. Wir haben ein Ziel: minus 48 Prozent bis 2030 auf EU-Ebene. Und ja, ein Klimaschutzgesetz ist wichtig, aber man darf nicht der Illusion anhängen, dass wir ein Klimaschutzgesetz beschließen – und dann ist alles gut, dann lösen sich wie von Zauberhand alle Klimaschutzprobleme. (Ruf: Das sagt ja niemand!) Ich muss trotzdem in jedem einzelnen Bereich Maßnahmen setzen.
Ein Klimaschutzgesetz ersetzt weder Maßnahmen noch den politischen Willen, Maßnahmen zu beschließen – weil immer so getan wird, als sei das der eine große Hebel. Ja, wir brauchen das, aber trotzdem: Ihr fordert von uns ein Klimaschutzgesetz und wollt – ihr habt entsprechende Anträge eingebracht –, dass wir alle Autobahnen bauen, die im Bundesstraßengesetz festgelegt sind, oder ihr wollt, dass wir die CO2-Bepreisung aussetzen. Das geht so nicht zusammen! Wir müssen alle Maßnahmen setzen, die in unserem Instrumentenkoffer vorhanden sind – und ja, dazu gehört auch ein Klimaschutzgesetz, aber es ist nicht die eine große Maßnahme und dann ist alles gut.GROSS: Herr Bernhard war der Nächste. – Bitte.
BERNHARD: Ich habe mich wegen der Technologieoffenheit und dem Wirtschaftsstandort zu Wort gemeldet.
Technologieoffenheit an sich ist natürlich etwas sehr Positives, aber es geht immer um die Absicht, die hinter dem Wort steht. Wenn die ÖVP von Technologieoffenheit spricht, spricht sie ja nicht davon, technologieoffen zu sein, sondern sie möchte nichts verändern, weil sie angstgetrieben ist und diese Veränderung fürchtet, sich fürchtet vor Gelbwesten und sonstigen Protesten.
Worum es eigentlich geht, wenn man den Wirtschaftsstandort tatsächlich schützen will – und wir führen derzeit extrem viele Gespräche mit Vertretern von Industriebetrieben –, ist eine langfristige Planbarkeit und Klarheit, ist eine Investitionssicherheit, ist Rechtssicherheit. All das, worüber wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten im Zusammenhang mit wirtschaftlicher Transformation gesprochen haben, wurde über viele Jahre immer von der ÖVP blockiert: Erneuerbare Energie – lange blockiert. Was wir jetzt erleben, dieses Freiwerden, wurde jahrelang davor blockiert. Klarheit bei der Industrie – lange blockiert. Ausreichend Leitungen, egal ob für Wasserstoff, für Strom oder für Gas – lange blockiert. Also überall da, wo es um Infrastruktur geht, wo es um Transformation geht, wo man sagt, man möchte, dass die Industrie nicht nach Nordafrika, in die Türkei oder sonst irgendwohin abwandert, gab es in den letzten Jahren massive Verfehlungen, und da müsste man heute tatsächlich mit mehr Mut und auch mit einer Zuversicht Politik machen – und nicht nur versuchen, alles zu blockieren. Wenn nämlich alles permanent nur blockiert wird, dann darf man sich am Ende nicht wundern, wenn die Industrie auch wirklich weg ist, denn die kann nicht ewig auf die Politik warten.GROSS: Frau Herr, wie angekündigt noch einmal zurück zu Ihnen und zu den Aussagen von Andreas Babler in der gestrigen „Pressestunde“, in der er zum Beispiel gesagt hat, er ist für Tempo 100 – was für viele vielleicht durchaus überraschend gekommen ist –, er ist gegen den Lobautunnel – was durchaus auch noch spannend werden könnte, wie sich das mit den Parteifreunden in Wien ausgehen soll. Darauf will ich aber gar nicht eingehen, sondern ich möchte Sie fragen, was das für zukünftige Konstellationen bedeutet, denn im Grunde genommen heißt das ja eigentlich: Zusammenarbeit mit Grünen und allenfalls noch mit NEOS, aber sicher nicht mehr mit der ÖVP und nicht mit der FPÖ, allein schon aus diesen Thematiken heraus.
HERR: Lassen Sie mich trotzdem kurz auch darauf eingehen – ich schätze diese Sonder-SPÖ-Fragen sehr, aber ich will trotzdem sagen: Der Punkt ist, dass natürlich der öffentliche Verkehr ausgebaut werden muss und dass der öffentliche Verkehr auch Vorrang gegenüber dem Individualverkehr bekommen muss. Wir haben zum Beispiel ein Arbeitskräftepaket vorgelegt, durch das wir 20 000 Arbeitskräfte so schnell wie möglich in Ausbildung bringen wollen, weil wir ja das Problem haben, dass wir die Beschäftigten, die den Zug lenken sollen, die die Bahn führen sollen, derzeit gar nicht haben. Wir haben einen eklatanten Personalmangel in vielen Bereichen, die auch den Klimaschutz betreffen.
Ich sehe es also auch etwas gegenteilig. Ich glaube, Klimaschutz kann für den Standort ein sehr großer Vorteil sein, wenn wir es jetzt gut schaffen, bei den Beschäftigten auszubauen, die dann den öffentlichen Verkehr tatsächlich auch leiten und fahren können. Da haben wir also viele konstruktive Maßnahmen eingebracht, die wirklich helfen, den öffentlichen Verkehr gegenüber dem herkömmlichen Straßenverkehr auszubauen.
Und zu den anderen Fragen: Ich glaube, Koalitionen werden dann ausverhandelt, wenn ein Wahlergebnis vorliegt. Das wird auch in diesem Fall so sein. Grundsätzlich aber muss natürlich auch in einer kommenden Regierung – sollte die SPÖ eine anführen – gelten, dass Klimaziele ernst genommen werden müssen, dass es auch ein Klimaschutzgesetz braucht. Wir haben uns auch schon vor dem Wechsel an der Parteispitze inhaltlich mit dieser Frage beschäftigt und haben schon auf dem vorletzten Parteitag beschlossen: Wir sind für eine Klimaneutralität bis 2040. Wir sind auch dafür, dass das gesetzlich verankert wird. Wir sind auch dafür, dass Bund und Länder gemeinsam in die Pflicht genommen werden. Wir sind auch dafür, dass es Sanktionen geben muss, wenn diese Ziele nicht erreicht werden. – Das ist alles schon Parteibeschlusslage, und dafür muss man sich jetzt auch einsetzen, und das muss natürlich auch umgesetzt werden.
Ich glaube, es gibt viele Maßnahmen im Klimaschutz, für die wir sozusagen viele Menschen an Bord haben können, weil das ja tatsächlich auch für die Beschäftigten ein großer Faktor sein kann und alle sozusagen die Klimastars der Zukunft sein wollen.GROSS: Vielen Dank für diese ersten Runden, muss man jetzt schon sagen.
Es ist allerhöchste Zeit, unsere beiden Gäste hereinzuholen. Ich darf sie noch einmal herzlich willkommen heißen:
Frau Michaela Krömer – sie ist Rechtsanwältin und auch ausgebildete Wirtschaftsmediatorin. Das ist vielleicht auch in unserem Kontext heute gar nicht so schlecht, dass Sie auch diese Kompetenz haben. Sie führt die Klimaklage von zwölf Kindern vor dem Verfassungsgerichtshof gegen die Republik Österreich. Damit sind Sie, glaube ich, zuletzt auch bundesweit recht bekannt geworden.
Bei dieser Klimaklage – Sie werden uns das dann eh noch ein bisschen erklären – gehen zwölf Kinder im Alter von fünf bis 16 Jahren vor den Verfassungsgerichtshof, weil die Regierung ihrer Meinung nach aufgrund von fehlenden Klimaschutzmaßnahmen ihre Zukunft gefährdet, und Sie vertreten sie eben.
Reinhard Steurer, assoziierter Professor für Klimapolitik am Institut für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik der Boku in Wien – er ist studierter Politikwissenschafter, beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der politischen Dimension der Klimakrise und unterstützt als Scientist for Future Klimabewegungen wie Fridays for Future. Er war aber auch einer jener Wissenschafterinnen und Wissenschafter, die sich unlängst an der Demo der Letzten Generation am Praterstern beteiligt haben – da haben wir Sie auch im Fernsehen gesehen und gehört.
Ich möchte auch Ihnen beiden diese Frage stellen, ob Sie glauben, dass sich das mit den Klimazielen noch ausgeht. – Bitte.Michaela KRÖMER (Rechtsanwältin): Also ich glaube, das ist keine Glaubensfrage, sondern das ist eine Frage, die anhand von Fakten zu beantworten ist – und die ist eindeutig beantwortet worden: dass es sich so nicht ausgeht.
Der einzige Punkt, bei dem ich sage, ich muss der FPÖ recht geben, ist jener, dass die Realität der Klimakrise natürlich niemand will; aber eine Realität ist halt nicht das, was ich will, sondern die Realität ist das, was ist – und das ist blöd.
Es ist noch einmal blöder, wenn man es sehr, sehr lange verschlafen hat und wir jetzt aus meiner Sicht in einer Situation sind, in der ich sage: Wenn wir in den 1970er-Jahren wären, dann wären wir ganz gut dabei – von null auf eins, es sind ein paar Pflöcke eingeschlagen worden, es passiert etwas. Das Problem ist einfach, dass es der Realität nicht angemessen ist – was damit zu tun hat, dass man das halt einfach über Jahrzehnte negiert hat –, und die Realität ist einfach das, was ist, und nicht das, was man will. Damit sind wir alle in einem dynamischen System – und da ist es natürlich sehr schwierig, wenn man dann eine statische Haltung einnehmen will beziehungsweise versuchen will, mit neuen Mitteln das Alte beizubehalten, denn das wird einfach nicht funktionieren, und das tut es auch nicht.
Was man jetzt aus rechtlicher Sicht sagen kann, sind vielleicht mehrere Dinge. Das eine ist – und das weiß ich auch von Vertretern der Industrie, die das ja mitbekommen und die Veränderung mitbekommen, und Unternehmer:innen wollen sich ja immer anpassen –, dass es Rahmenbedingungen braucht, dass es ein Klimaschutzgesetz braucht. Das braucht es auch deswegen, damit Maßnahmen erstens einmal gebündelt werden müssen, dass diese wissenschaftlich überprüfbar sind und dass man diesbezüglich auch Beschwerde einlegen kann. Warum? – Weil es die Verfassung hergibt und weil es die Verfassung erfordert, weil wir in einer Situation sind, in der Grund- und Menschenrechte bedroht und verletzt sind.
Da ist es dann nicht eine parteipolitische Entscheidung, ob ich Beschwerdemechanismen haben möchte oder nicht, sondern die muss ich haben, weil Rechte immer einen Beschwerdemechanismus erfordern, sonst ist der Rechtsstaat obsolet. Dann ist natürlich die Frage: Wollen wir den Rechtsstaat haben? Wollen wir das demokratisch lösen? – Wenn ich das will und den Rechtsstaat ernst nehme und die Verfassung ernst nehme, dann werde ich Beschwerdemechanismen brauchen, und die haben wir im Moment nicht. Wir haben Beschwerdedefizite, da sind mehrere Verfahren anhängig – in Österreich, unter anderem auch durch die Kinder, aber auch auf europäischer Ebene –, und es wird eine Entscheidung geben, und das wird das System ändern – ganz einfach. Das ist ziemlich klar, dass da eine Entscheidung kommen wird, dass dieser Zustand so nicht aufrechtzuerhalten ist.
Das andere, was ich auch sagen kann – auch aus ganz unterschiedlichen praktischen Erfahrungen –, ist, dass man das Thema hat, dass man ein Gesetz hat, bei dem man sagt: Okay, das ist eine gute Überschrift, da sind vielleicht ein paar ganz gute Punkte dabei, aber es sind immer Schlupflöcher, die das Ganze aushöhlen, die das Ganze letztlich nicht effektiv machen!, und man merkt, dass die Legistik einfach schlecht ist, weil da ein Gerangel ist, weil man sich nicht einigen kann. Dann sitzt man da, so wie auch ich in der Behördenfunktion der E-Control, wo wir versuchen, da jetzt ein Gesetz zu interpretieren: Wir haben Erläuterungen auf der einen Seite und den Gesetzestext auf der anderen Seite, und wir haben 100 000 Schlupflöcher, die mit den Zielen nicht übereinstimmen.
Das heißt, so funktioniert es nicht. Das ist im Prinzip – und ich möchte jetzt nicht den Slogan von Kollegen Steurer vorwegnehmen – Scheinklimaschutz, und von den Überschriften allein passiert es nicht.
Das andere ist noch der Punkt, dass wir bei vielen Dingen – das brauche ich Ihnen ja nicht zu erklären – eine Zweidrittelmehrheit brauchen. Wir haben ein föderales System, wir haben Kompetenzfragen, die tatsächlich sehr komplex sind, und die müssen sich neu ordnen und neu regeln – und da wird man einfach Dinge im Verfassungsrang regeln müssen, wenn man das System Rechtsstaat, so wie wir es haben, ernst nimmt.
Und der letzte Punkt: Technologieoffenheit – dass man sich denkt: ja, brauchen wir, denn wir brauchen halt alles. – Das ist auch unumstritten, und da, denke ich, sollte man sich halt überlegen, das Carbon-Capture-and-Storage-Verbot schnell einmal zu kippen und dann halt auch so zu investierten und zu fördern, dass es sozial gerecht ist. Man wird sich auch das Steuersystem, die ganzen klimaschädlichen Subventionen anschauen müssen.
Es gibt viele, viele Hebel, bei denen der Gesetzgeber sehr, sehr leicht eine Lösung herbeiführen könnte, wogegen dies auf dem Wege von Verfahren sehr, sehr schwierig und komplex ist und zum Teil – das möchte ich hier auch noch in die Runde werfen – auch nicht möglich ist. Also es gibt viele Dinge, über die ich legitimerweise kein Verfahren führen kann und auch nicht werde, weil ich mich in den Spielregeln bewegen muss, die wir haben – und das müssen wir alle.GROSS: An dieser Stelle nur einen Appell und eine Bitte an Sie: Ich weiß, Sie sind alle sehr tief in der Materie drinnen, aber – damit wir dann nicht unsere Zuschauerinnen und Zuschauer vergessen – nicht alle kennen sich so gut aus und können sich so gut auskennen. Sie haben vorhin den Begriff des Carboncapture verwendet. Das heißt, dass man CO2 bei manchen Produktionen – wir werden dann ein Beispiel sehen –, aus der Zementindustrie zum Beispiel - -
KRÖMER : Ich glaube, wir werden später noch einmal darüber reden. Also es gibt - -
GROSS: Aber nur damit wir gleich von Beginn an hier nicht irgendwie offene Fragen produzieren: Das heißt, da geht es einfach darum, CO2 zu speichern - -
KRÖMER : Unter anderem auch.
GROSS: - - und das darf man im Moment nicht. Habe ich das richtig verstanden?
KRÖMER : Genau. Es gibt im Moment ein Verbot - - (Schnabel: Capturen dürfte man aber!) – Bitte?
SCHNABEL: Das CO2 speichern darf man nicht, das ist gesetzlich verboten.
GROSS: Sie kennen sich da besser aus, aber wir sollten es erklären.
KRÖMER : Es gibt einfach - -
SCHNABEL: Die Speicherung ist gesetzlich verboten. Abscheiden könnten Sie es.
KRÖMER : Man wird sich überlegen müssen, ob es irgendeine Form gibt, auch CO2 aus der Atmosphäre zu saugen und abzuspeichern. Und da gibt es einfach ein Verbot – das ist auf europäischer Ebene nicht vorgesehen. Die europäische Ebene ermöglicht ein Verbot.
Ich möchte jetzt aber nicht nur über Technologie reden. Ich glaube, Technologieoffenheit ist einfach auch ein missbrauchter Begriff, aber was ich nur sagen wollte: Wenn das von der ÖVP schon kommt, dann wäre das halt eine Sache, die ich schnell sinnvoll umsetzen würde.GROSS: Bei der ÖVP hat es ja – auch das sollten wir vielleicht erklären – der Bundeskanzler im Hinblick auf die Verbrennungsmotoren gebraucht.
KRÖMER : Ja, das ist halt wiederum Schwachsinn – Entschuldigung –, aber das ist jetzt egal. Ich glaube, wir können uns ja dann noch einmal darüber unterhalten. Ich denke, jetzt sollte der Kollege - -
GROSS: Na ja, so viel Zeit haben wir dann wieder auch nicht. Wir sollten vor allem konkret über die Dinge reden und nicht einfach nur in abstrakten Begriffen irgendwo so verklausuliert, sondern die Dinge wirklich auch ansprechen, sonst hat ja niemand etwas davon.
Ich möchte Sie noch fragen: Diese Klage vor dem Verfassungsgerichtshof, hat die eine Chance? – Ja, vermutlich, denn sonst würden Sie sie nicht führen. Und was könnte sozusagen der Verfassungsgerichtshof dann entscheiden, beziehungsweise was könnte dann auch die Konsequenz daraus sein?KRÖMER : Also im Grunde genommen, kann ich Ihnen nur sagen, habe ich aus meiner Sicht starke Argumente und habe ich einen soliden Schriftsatz gemacht. Wie der Verfassungsgerichtshof entscheidet – der ist unabhängig –, das obliegt dem Verfassungsgerichtshof.
GROSS: Klar, aber was wäre das Ziel?
KRÖMER : Das Ganze ist rein technisch keine Klage, sondern ein Antrag, ein Individualantrag. Mit diesem Antrag wende ich mich an den Verfassungsgerichtshof als negativen Gesetzgeber – also als denjenigen, der Dinge aus dem Gesetz hinausstreichen kann –, nehme bestimmte Punkte und sage: Bitte diese Punkte sind aus dem Gesetz zu streichen. – Der Verfassungsgerichtshof kann nur streichen, nicht hinzufügen, und das Ganze muss nachher besser sein als vorher. Das heißt, ich habe schon einmal eine Vorlage in Form von dem, wie das Gesetz geschrieben wurde.
Die Kinder beantragen bestimmte Punkte. Sie beantragen, dass gestrichen wird, dass Verpflichtungszeiträume nur bis 2020 einzuführen sind – dass ein Gesetz zwar gültig ist, aber keine Verpflichtungszeiträume vorsieht. Sie beantragen, dass gestrichen wird, dass eine reine Pflicht zur Verhandlung besteht, aber nicht eine Pflicht zur Maßnahmensetzung. Und sie beantragen, dass im Falle von Notfällen, in denen Sofortmaßnahmen nach dem Gesetz erlassen werden müssen, die Handlungsbasis eine ausschließlich retrospektive ist. – Man macht das, was man machen kann. Es ist nicht das ideale Klimaschutzgesetz, aber es wäre nachher besser als vorher.
Vielleicht ein Punkt: Die Kinder haben nicht beantragt, dass das gesamte Klimaschutzgesetz gestrichen wird, weil es keine Verpflichtung gibt, eines zu erlassen, und weil sie sicher nicht besser damit dastehen, wenn wir keines haben.
Jetzt richten sie sich mit dem Antrag an den Verfassungsgerichtshof und sagen, durch diese besonderen Passagen werden sie in ihren Verfassungsrechten verletzt. Und die Besonderheit bei den Kindern ist, dass sie eigens ausgestaltete Verfassungsrechte haben – das heißt Rechte im höchsten Rang der Gesetzgebung – und genuine Schutzpflichten bestehen. Man hat sich 2011 tatsächlich dazu entschlossen, zu sagen, die Kinder haben einen Leistungsanspruch, sie haben ein Recht darauf, geschützt zu werden – und dieser Leistungsanspruch besteht auch im Hinblick auf Generationengerechtigkeit, das heißt, er ist antizipativ laufend wahrzunehmen.
Und sie sagen halt, dadurch, dass wir unter anderem ein Klimaschutzgesetz haben, das das Treibhausgasbudget, das uns wissenschaftlich zur Verfügung steht, einfach nicht aufteilt – sondern der Kuchen wird halt jetzt einmal gegessen, und es bleiben nicht einmal mehr Krümel übrig –, werden sie in ihren Rechten verletzt, unter anderem auch im Recht auf Gleichheit. Der verfassungsrechtliche Gleichheitsgrundsatz bedeutet, dass Gleiches gleich behandelt werden muss, und es kann nicht eine Präferenz geben, dass man sagt: Okay, den Menschen, die in einer gewissen Zeit geboren sind, denen mutet man nicht so viel zu, sondern im Endeffekt überwälzt man ein Problem auf die zukünftige Generation. – Da gibt es auch eine Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichts. Dieses hat gesagt: Heute für morgen! Wenn es vorhersehbar zu einem Grundrechtseingriff kommt, weil das wissenschaftlich belegt ist, dann besteht natürlich die Verpflichtung, gesetzliche Maßnahmen zu setzen, die dem entgegensteuern. – Und darum geht es im Prinzip.GROSS: Vielen Dank für diese Erklärung.
Herr Steurer, jetzt haben Sie lange zugehört und teilweise auch ungeduldig zugehört, habe ich bemerkt und aus dem Augenwinkel heraus gesehen. Sie haben auch ein paarmal heftig den Kopf geschüttelt und Ihren Unmut kundgetan. Jetzt können Sie das noch einmal sozusagen vor Mikrofon und Kamera machen.Reinhard STEURER (Universität für Bodenkultur, Institut für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik): Wenn man aus der Wissenschaft kommt, ist es manchmal schwer, so eine politische Diskussion auszuhalten, weil sie so weit weg ist von Fakten und von Dingen, die einfach sind, über die man nicht zu diskutieren braucht.
Kurz zur Rekapitulation der ersten guten halben Stunde:
Es ist richtig, dass wir in den letzten drei Jahren eine bessere Klimapolitik gesehen haben als in der Zeit zuvor – keine Frage. Also da sieht man die grüne Handschrift. Die sieht man auch in ganz konkreten Entscheidungen. Die Absage der Lobau-Autobahn war so ein Machtmoment, der öfter passieren hätte können.
Und dann sieht man natürlich ganz viel Scheinklimaschutz – Michaela Krömer hat das Wort schon vorweggenommen.
Was bedeutet das? – Das bedeutet, dass speziell die Großparteien bisher – da dürfte einiges im Umbruch sein – so getan haben, als wäre ihnen Klimaschutz sehr wichtig, und immer, wenn es dann konkret geworden ist, haben sie gepasst. Dann wollten sie kein Tempolimit, kein Tempo 100. Dann wollten sie kein Gesetz, das den Heizungstausch fördert, und, und und. Also immer, wenn es konkret wird, sieht man dann, ob man es ernst meint oder nicht. Und bisher war nicht allzu viel Ernsthaftigkeit da. Deswegen war die Emissionsbilanz - - Also wir sind tatsächlich weit weg von dem, wo wir sein müssten. Die Emissionen müssten pro Jahr in etwa um 6 Prozent sinken. Sie tun es tatsächlich um 2 bis 3 Prozent, nächstes Jahr möglicherweise gar nicht. Da tut sich also eine Lücke auf zwischen dem, was sein soll, und dem, was ist. Und die Lücke ist mittlerweile so groß, dass sie gar nicht mehr zu schließen sein wird, wenn wir noch ein Jahr warten oder so.
Und da, wo es dann wirklich wehtut, das ist dann der Punkt, wo die Nebelgranaten fliegen – Stichworte, die da ganz gut hinpassen, sind Technologieoffenheit; wir sind für Klimaschutz, aber technologieoffen, für Wasserstoff und E-Fuels. Es ist ganz einfach so, dass Wasserstoff natürlich eine Berechtigung haben wird, aber nicht dort, wo die ÖVP uns das zu vermitteln versucht, nicht im Haushalt, nicht bei der Heizung, und die E-Fuels nicht im Pkw. Das sind physikalische Fakten. Darüber zu diskutieren ist derartig mühsam, eine derartige Zeit- und Energieverschwendung von eigentlich intelligenten Menschen, dass man sich fragt: Was soll das? Was tun wir da? Also da stößt man einfach an die Grenzen der Physik. Und wenn man glaubt, man kann die irgendwie aufheben, dann lebt man in einer Märchenwelt.
Die zweite Geschichte kommt natürlich von der FPÖ, wenn Sie davon reden, dass Klimaschutz wirtschaftsfeindlich sei. Ich weiß nicht, haben Sie die letzten zwei Jahre verschlafen? Haben Sie gesehen, dass da eine Fossilenergiekrise war mit enorm hohen Preisen für Gas und auch schlussendlich für Sprit, also Öl? Dass alle Länder, die im Klimaschutz hinten dran sind, deswegen Wettbewerbsfähigkeit verloren haben, weil sie eben keine billige Energie zur Verfügung haben, das sieht man in Deutschland zwischen Norddeutschland und Süddeutschland, das sieht man in Österreich mit der hohen Gasabhängigkeit, das sieht man in vielen anderen Bereichen.
All diejenigen, die versucht haben, Klimaschutz auszubremsen, zum Beispiel die deutsche Automobilindustrie, zahlen jetzt einen sehr hohen Preis, weil die Chinesen ihnen mit neuen Elektroautos und neuerer Batterietechnik um die Ohren fahren.
Also das ist auch wieder so eine Märchenerzählung, dass zu viel Klimaschutz wettbewerbsfeindlich sei. Das Gegenteil ist längst der Fall – spätestens seit der fossilen Energiekrise. Wer das Gegenteil erzählt, hat irgendwie die letzten zwei Jahre versäumt.
Ganz wichtig finde ich noch die Nebelgranate Ideologie: Immer wenn einem etwas nicht passt, sagt man, das ist ideologisch. In Deutschland war das die letzten Monaten ganz krass. Da hat man Habeck vorgeworfen, seine Wärmepumpenoffensive sei ideologisch getrieben. – Mein Gott, es ist Physik! Die Wärmepumpe ist so viel effizienter, die macht aus 2 500 Watt Strom 12 000, 10 000 Watt. Also das ist die überlegene Heiztechnik, auch im Altbau bereits praktikabel. Die Ideologiekeule kommt immer dann, wenn man den Menschen Angst vor Veränderung machen möchte und ihnen Sand in die Augen streut, weil sie die Fakten nicht kennen.
Auf die Spitze getrieben hat es wieder einmal die ÖVP, nicht einmal die FPÖ, indem sie Babler, der sich gestern erfreulicherweise für Tempo 100 ausgesprochen hat, vorgeworfen hat, ja, das passt dann so in das marxistische Weltbild. Als ob Marx jemals Tempo 100 gefordert hätte! (Heiterkeit.) Also absurder wird es nicht mehr, und das ist schon oft wirklich schmerzhaft, wenn man aus der Wissenschaft kommt und sich den ganzen Schmarrn anhören muss.GROSS: Vielen, vielen herzlichen Dank.
Ich könnte mir vorstellen, dass es jetzt kurz Repliken darauf geben wird. Dann machen wir das in aller Kürze.SCHNABEL: Also ich kann das nicht so stehen lassen, dass Technologieoffenheit so ein schlechtes Wort ist und so schlecht geframet ist.
STEURER So wie es verwendet wird, ist es ein Problem.
SCHNABEL: Nein, das lasse ich so nicht stehen. Da sage ich, das lasse ich so nicht stehen, denn viele moderne Errungenschaften, die wir haben, ob es jetzt von Mobilfunk angefangen bis zu allen IT-Geschichten geht, basieren auf Technologieoffenheit. Das muss man ganz klar sagen.
STEURER Und beim Pkw ist das Rennen längst gelaufen. Da werden die Chinesen zeigen, wo es langgeht.
SCHNABEL: Jetzt bin ich am Wort und ich habe in meinem Redebeitrag nicht von E-Fuels gesprochen, sondern ich habe von Wasserstoff gesprochen. Sie kennen die Dimension, wir werden, wenn wir Gas, fossiles Gas substituieren wollen, Wasserstoff brauchen. (Steurer: In der Industrie und der Schifffahrt - -!) Wir werden eine Wasserstoffstrategie erlassen, wir wollen einmal bis 2030 eine Elektrolyseurleistung mit 1 Gigawatt installieren. Da haben wir ungefähr das Volumen von 50 Prozent, was wir in Österreich an fossilem Gas verbrauchen, einmal national produziert. Wir werden nicht alles produzieren. Wir müssen uns auf Wasserstoff für Importe konzentrieren - -
STEURER Habe ich ja nicht bestritten. Die Frage ist: Wo wird der Wasserstoff eingesetzt? Das ist die entscheidende Frage.
SCHNABEL: Natürlich. Und auch das gibt es in der Wasserstoffstrategie abzulesen - -
STEURER Und ich sage Ihnen, nicht im Heizungskeller, sondern in der Industrie, in der Schifffahrt und so weiter.
SCHNABEL: Auch das gibt es in der Wasserstoffstrategie der Regierungsparteien abzulesen. Das beginnt in der Industrie, geht dann runter und ganz das Letzte, wo es eigentlich ist, ist im Mobilitätssektor, im Schwerverkehrbereich und vielleicht teilweise noch in Autos. So steht das drinnen. Das ist die gemeinsame Strategie, wozu es ein Papier vonseiten der Regierung gibt. Das ist definiert.
Man muss schon sagen, es gibt natürlich den österreichischen Blick, Technologieoffenheit ist keine Blockadehaltung, das muss ich schon dazusagen. Also wenn es darum geht, dass man jetzt diese Wirtschaftskraft, die Österreich in den letzten Jahrzehnten seit dem EU-Beitritt oder seit 1990 entwickelt hat, für eine Blockade hält, dann kann ich das nicht nachvollziehen.
Technologieoffenheit ist nicht nur die europäische Brille und nicht nur die österreichische Brille. Das muss man einmal sagen. Was Technologieoffenheit betrifft, gibt es im Fahrzeugsektor die Batterie, die wird sich anscheinend in vielen Bereichen durchsetzen (Steurer: „Anscheinend“!), das kann man auch als ÖVPler ganz klar sagen.
Man sieht den Markt, 20 Prozent Neuzulassungen in Österreich im letzten Monat, also wir sind jetzt ungefähr, glaube ich, bei 140 000, 150 000 E-Fahrzeugen. Machen wir den Blick nach Japan, nach Asien! Es gibt Produkte, wo andere Hersteller, jetzt nicht die Chinesen, sehr wohl Elektroautos produzieren, Wasserstofffahrzeuge als Verbrenner, Wasserstofffahrzeuge (Steurer: Im Schwerverkehr, ja!) auch beim leichten Auto. Es gibt viele Dinge - -GROSS: Wir treten jetzt ein bisschen auf der Stelle. Also ich würde gerne weiterkommen.
SCHNABEL: Es gibt viele Dinge, die auf Technologieoffenheit basieren, die sehr wohl dem Klima zugänglich sind - -
GROSS: Okay, Technologieoffenheit ist, glaube ich, jetzt abgehandelt.
SCHNABEL: - -, bis E-Fuels, wo es ganz schwierig ist, das wird nicht 100 Prozent gehen, aber ich möchte schon sagen, wir haben global eine Flotte von 1,3 Milliarden Fahrzeugen im Bestand. Das wird auch ein Thema sein: Wie bekommen wir dort die CO2-Neutralität hin?
GROSS: Okay, wo gibt es jetzt noch Repliken auf das, was wir von den beiden Experten gehört haben?
BERNHARD: Also ich wollte auf das Thema Ideologie eingehen, weil ich das auch vorher erwähnt habe. Die Frage ist natürlich: Wird das jetzt als Buzzwort verwendet, um etwas zu signalisieren, oder meint man es tatsächlich auf der Werteebene? In der parlamentarischen Auseinandersetzung geht es schon auch um die Werteebene, ich denke jetzt beispielsweise an den Klimabonus. Da würde ich jetzt Lukas Hammer und mich in der Zielsetzung, dass wir die CO2-Steuer einführen, relativ nahe beieinander empfinden. Im Instrument sind wir aber ganz weit voneinander entfernt. Es gibt 80 Länder, die eine CO2-Steuer haben, und wir haben den Klimabonus. Den braucht man nicht automatisch, wenn man eine CO2-Steuer einführt.
Und dann geht es um eine Haltung: Will ich jemandem vorher etwas aus der Tasche nehmen und nachher beim Bonus zurückgeben und da eine Umverteilung zum Beispiel mit bewirken, oder will ich tatsächlich nur die Wirksamkeit eines Klimagesetzes?
Nehmen wir halt statt Ideologie die Wertehaltung, und die ist sehr wichtig. Diese Wertehaltung – ich bin gleich fertig; aber weil auch ein zweiter Satz gefallen ist, vielleicht diskutieren wir das später noch einmal genauer –: Die Frage beispielsweise, ob man für Veränderung offen ist, da ist ja Österreich inhaltlich wirklich sehr oft Schlusslicht.
Diese Frage der CO2-Speicherung ist eine, die wir hoffentlich nachher auch noch einmal diskutieren, denn das Verbot, das derzeit aus einer Angst vor einer Technologie besteht, führt dazu, dass wir in Europa wieder erneut abgehängt werden, denn es gibt mittlerweile Staaten wie Norwegen und andere, die ihre Emissionen teilweise schon verflüssigen und auch speichern. Dass wir auf der einen Seite in der Reduktion schlecht sind und auf der anderen Seite aber auch bei den Technologien, die weitere kleine Antworten, keine großen, aber kleine Antworten geben können, zu zögerlich sind, das wird tatsächlich sehr schwierig für uns.GROSS: Können Sie gleich zum Thema Speichern noch etwas sagen?
STEURER Weil das oft kommt und auch so eine Art Zukunftshoffnung ist: mit dem lösen wir dann das, was wir nicht reduzieren können. Also es bedeutet, dass CO2 abgeschieden wird, am ehesten dort, wo sehr viel entsteht, in der Industrie, dann verfestigt wird und im Gestein zum Beispiel gespeichert wird. Das funktioniert in Pilotanlagen im Kleinen, gibt es in Island zum Beispiel, in Norwegen und so weiter, aber in so kleinem Ausmaß, dass es im Moment nicht darstellbar ist, dass man jetzt große Mengen CO2 reduziert.
Was ganz wichtig ist: Mit dem kann man dann die Emissionen reduzieren, die man anders nicht wegkriegt. Zum Beispiel in der Zementproduktion ist es ganz schwierig, CO2 wegzubringen. Da ist das eine Option. Es ist keine Option, Heizungsemissionen, Emissionen aus dem Autoverkehr oder sonstige, die leicht zu reduzieren sind, auf die Art und Weise wegzukriegen, denn der Preis für so 1 Tonne CO2 wäre, ich glaube, bei mehreren 100 Euro. Also da ist die Vermeidung so viel billiger.GROSS: Wir kommen auf dieses Thema gleich noch einmal zurück.
KRÖMER : Das ist vollkommen richtig. Das sehe ich auch so. Was ich noch sagen will: Es gibt ja auch einige Start-ups, die sich da andere Dinge überlegen. Der Punkt ist nicht, das Problem ist, es ist so schwierig, darüber zu reden, aus zwei Gründen: Das eine ist, es ist sehr ideologisch beladen, und das andere ist, es kommt sofort, dass das jetzt die Heilsbringung ist und damit wird alles okay. Aber was ich nur sagen wollte, ist: In puncto Technologieoffenheit, wenn wir darüber reden, dann gibt es schon Dinge, wo ich sage, da haben wir ein Verbot, das behindert im Moment die Forschung, die vielleicht in einem einstelligen Prozentsatzbereich noch irgendetwas zusätzlich bewirken kann. Und das finde ich, neben allen anderen, absurd. Aber ja, es sollte nicht der Fokus sein.
STEURER Genau, wir reden da von 1, 2 Prozent vielleicht.
GROSS: Herr Rauch wartet schon am längsten, dann Frau Herr.
RAUCH: Es steht ja jedem Bürger in Österreich frei, bei welcher Organisation, bei einer Demo, wo auch immer, er sich beteiligt – auch Ihnen als Wissenschaftler, wenn Sie zur Letzten Generation gehen, zu Fridays for Future, das ist alles akzeptabel. Gott sei Dank leben wir in einer Demokratie und da ist es auch dementsprechend entscheidend, dass man auch andere Meinungen akzeptieren muss.
Sie verstecken sich jetzt hinter der Wissenschaft oder sagen, das ist die Heilsbringung in dieser Art und Weise. Wenn ich jetzt die Letzte Generation mit Tempo 100 hernehme, das ist eine Forderung von ihnen, und die nächste Forderung von der Letzten Generation ist, keine neuen Gas- und Ölfelder zu erschließen – das sind die zwei einzigen Maßnahmen, die sie da aufs Tapet bringen. (Steurer: Stimmt nicht, nein! Sie kennen die Letzte Generation nicht!)
Also in Österreich, weiß ich nicht, wenn wir jetzt ein neues Gasfeld oder ein neues Ölfeld erschließen wollen, das liegt mir fern. – Das ist ein Punkt. (Steurer: Sie liegen falsch!)
Der nächste Punkt: Tempo 100. Das ist auch aufgrund der Technologie und der Entwicklung der Fahrzeuge durch die Industrie in den letzten 20, 30, 40 Jahren relativ vernachlässigbar in dieser Art und Weise, ob man jetzt 100 oder 130 fährt. (Steurer: Das stimmt nicht! Das ist so ein Blödsinn!) Und wenn man sich in der Realität auf den Autobahnen bewegt, dann sieht die Situation etwas anders aus. (Steurer: Der Treibstoffverbrauch in der Pkw-Flotte ist nicht zurückgegangen in den letzten 15 Jahren!)
Unabhängig davon: Der Treibstoffverbrauch ist wesentlich geringer bei den Pkws als in den letzten Jahren. (Steurer: Stimmt nicht!) Wir reden da von einem Durchschnittsverbrauch zwischen 5 und 6, maximal 7 Liter, und vor zehn, 15 Jahren war der bei 10, 12 Liter. Also man muss schon einmal auf der Realitäts- - (Steurer: ... der Treibstoffverbrauch ist nicht zurückgegangen!)
Noch einen Punkt, den ich ansprechen möchte: Wer fährt denn freiwillig, wenn er nicht muss? Wer fährt freiwillig, wenn er nicht muss? (Steurer: Deswegen braucht es Regeln, die für alle gelten, damit dann jeder sich - -!) Das ist dann wieder ideologisch. (Steurer: Ah, das ist ideologisch?!) Das ist die Ideologie, dass man sagt, ich verbiete es, weil es mir nicht passt. (Zwischenrufe.)GROSS: Vielleicht fragen wir Frau Herr an dieser Stelle. Was mich interessieren würde - -
KRÖMER : Die Wissenschaft ist das, worauf wir vertrauen, auch, wenn wir Auto fahren, und in allem. Also insofern, das finde ich - - Aber Wissenschaft und Realität ist - - Ich glaube, die Realität sagt das eine und die Wissenschaft sagt das andere, das ist eine sehr komische Vermischung von Begriffen. (Rauch: Aber nicht einhellig! ...!) – Es gibt in vielen Dingen einen sehr, sehr breiten wissenschaftlichen Konsens.
GROSS: Mich würde interessieren, warum die SPÖ jetzt plötzlich - - (Zwischenrufe.) – Wir werden heute keine Partei abschließen, wir werden immer weiter diskutieren. Aber ich möchte wissen: Warum jetzt plötzlich Tempo 100 bei der SPÖ? Was hat den Ausschlag gegeben? Das könnte uns da vielleicht auch in der Diskussion helfen.
HERR: Das ist ein sehr emotionales Thema, wir haben das jetzt schon miterlebt; auch in der SPÖ wird das sozusagen strittig diskutiert. Aber was Andreas Babler tatsächlich in der „Pressestunde“ gesagt hat, ist, dass er als Bürgermeister von der Bevölkerung oft gehört hat, man wünscht sich eigentlich eine Verkehrsreduktion, denn es ist dann ein bisschen leiser, man hört in der Nacht nicht die ganze Zeit die Autos. Es ist auch die bessere Luft, die man danach atmet.
Er hat darauf hingewiesen, dass, wenn man ein bisschen mit dem Tempo runtergeht, ja auch die Zahl der Verkehrstoten tatsächlich zurückgeht. Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen Schnellfahren und Verkehrsunfällen, die passieren. Es gibt weniger Abgase und es gibt auch weniger CO2-Emissionen. Also ich glaube, dass man eigentlich sieht, dass große Teile der Bevölkerung – und jetzt egal, ob in der Stadt oder am Land; ich kenne beides, ich bin im Burgenland aufgewachsen, ich lebe jetzt in der Stadt –, also in beiden Konstellationen gibt es Gruppen, die sich wünschen, vor allem in Wohngegenden, dass es für die Kinder etwas sicherer wird, dass, wenn diese auf die Straße laufen, auch noch gebremst werden kann. Aber auch in der Stadt, wo der Lärm zum Beispiel eine Belastung ist, da wünschen sich mittlerweile große Teile der Bevölkerung, dass man dort eine sinnvolle Maßnahme setzt.
Das, was Andreas Babler gesagt hat, ist: Dort, wo man die Bevölkerung an Bord hat, da muss man so eine Verkehrsreduktion und auch eine Temporeduktion ganz einfach umsetzen. Ich glaube, der Trend geht ja auch ganz klar in diese Richtung. Wir sehen das eigentlich überall, dass man auch in den Innenstädten versucht, da ein bisschen mit dem Tempo runterzugehen, weil es dann auch wieder ein Faktor sein kann, dass man zum Beispiel ein Café eröffnet oder in der Innenstadt draußen sitzen kann. Ich glaube, es sprechen einfach viele rationale Gründe dafür, dass man sich überlegt, ob nicht auch das ein Beitrag sein kann.GROSS: Okay. – Ganz kurz Hammer, ganz kurz Bernhard, dann noch ganz kurz Sie. Und dann haben wir noch einen Film. – Bitte.
HAMMER: Ich würde ganz kurz auch auf diese Wissenschaftsfeindlichkeit, die da immer wieder kommt, eingehen. Du würdest dich wahrscheinlich auch nicht in ein Flugzeug setzen, wo sich irgendjemand etwas zusammengegoogelt hat. Da akzeptieren wir auch, dass es eine Physik gibt, die funktioniert oder nicht funktioniert. (Rauch: ...! Wer hat den Benziner, den Diesel - -?) Du würdest dich wahrscheinlich auch nicht in irgendein zusammengegoogeltes Flugzeug setzen. (Rauch: Also bitte! Bitte realistisch bleiben! Sehr realistisch bleiben!)
Aber ich möchte noch auf etwas anderes eingehen, du hast etwas Richtiges angesprochen, möchte dich loben: Ich glaube, und wir wissen das aus Studien: Die meisten Menschen, die mit dem Auto fahren, machen das nicht, weil sie unbedingt mit dem Auto fahren wollen, und die meisten Familien, die ein Auto haben, haben das nicht – das kostet ja etwas, haben dann teilweise zwei oder drei Autos –, weil das so lustig ist, sondern weil sehr viele Menschen gezwungen sind, mit dem Auto zu fahren, weil es zu wenige Alternativen gibt. (Rauch: Richtig!) Das heißt: Ich glaube, da muss man Alternativen schaffen.
Generell: Klimaschutz hat immer auch etwas mit sozialer Gerechtigkeit zu tun, immer! (Rauch: Das ist einmal ein guter Faktor! Positiv! Da sind wir d‘accord!) Aber mehr Klimaschutz - - Also deswegen verstehe ich zum Beispiel nicht, wenn wir die Menschen davon befreien wollen, dass wir weniger von teuren fossilen Energien abhängig sind, die wir aus dem Ausland importieren müssen, Milliarden jedes Jahr, warum ihr da dagegen seid. Wir können uns selbst mit heimischer Energie versorgen, eigentlich ein FPÖ-Thema. Ich weiß nicht, warum ihr da dagegen seid. Das Gute daran ist: Wir können unser Klima schützen und die Menschen zahlen weniger für Energie. (Rauch: Wir schaffen das mit den alternativen Energien nicht in dieser Form! Das schaffen wir nicht!)GROSS: Herr Bernhard.
BERNHARD: Wir als NEOS sind ja an sich immer sehr aufmerksam, was die Wissenschaft sagt. Allerdings bei der Frage der CO2-Speicherung möchte ich Ihnen schon entschieden widersprechen, weil ich zahlreiche Gespräche mit der Industrie geführt habe, wo ich konkret gefragt habe: Wie ist das? Wir reden ja nicht von dem, dass wir aus der Atmosphäre CO2 herausholen und dann sozusagen verflüssigen und verfestigen, sondern wir reden von Abscheideanlagen in der Industrie. Ich habe gefragt: Wie lange bräuchtet ihr? Habt ihr jetzt schon ein Konzept in der Schublade, mit dem ihr eure Emissionen abscheiden könntet? Wie viel davon, wie schnell ginge das?
Ich war total überrascht über die Antwort, die Antwort war: Wir haben Anlagen, die könnten bis zu 100 Prozent der Emissionen abscheiden. Wir haben nur nicht die Infrastruktur, um sie nachher irgendwo zu verbringen. Und wir haben auch nicht die Möglichkeit, CO2 zu speichern. So: Wie lange bräuchte es, um diese Anlagen zu installieren? Da war die Antwort: drei bis vier Jahre. – Das heißt, es gibt riesige Themen bei der Infrastruktur, bei der Finanzierung und bei den Gesetzen, um das zu ermöglichen.
Allerdings ganz grundsätzlich, ja, wir müssen darüber reden: Wie halten wir, wenn wir das CO2 speichern, die Industrie trotzdem im Land? Aber rein technologisch ginge das heute schon, das muss uns auch bewusst sein. Wir diskutieren über das Auto, während wir 30 Millionen Tonnen in der Industrie haben, wo wir heute schon viel mehr könnten, als heute ginge. (Steurer: Haben Sie auch gefragt, was die Tonne kostet?) Das ist kein Randthema, das ist mehr als ein Drittel aller Emissionen - -GROSS: Das ist in der Tat unheimlich teuer, ich glaube, das ist wirklich ein wesentlicher Faktor, und das führt mich jetzt zu dem Punkt, dass wir uns anschauen, wie es eigentlich der Betonindustrie beziehungsweise der Zementindustrie geht. (Steurer: Ich hätte noch gern - -!) – Sie dürfen nach dem Beitrag. Wir müssen uns jetzt den Beitrag anschauen, ich warte nicht mehr länger.
„Böser Beton: Warum Zement der geheime Klimakiller ist“ – hat eine Zeitung vor gar nicht allzu langer Zeit getitelt, und das ist nicht übertrieben, denn die weltweite Zementproduktion bläst viermal so viel CO2 in die Luft, wie der gesamte globale Flugverkehr. Die Industrie ist gefordert, ich glaube, das haben wir jetzt auch schon herausgehört, das zeigt auch der folgende Beitrag, und sie ist auch gewillt, etwas zu tun. CO2-Neutralität ist vorerst freilich illusorisch.*****
Es folgt eine Videoeinspielung:
Sprecher: Mannersorf am Leithagebirge: Hier steht das größte Zementwerk Österreichs. Knapp 1 Prozent der landesweiten CO2-Emissionen werden hier produziert. Es gehört Holcim, dem größten Zementhersteller der Welt.
Helmut Reiterer (Werksleiter): Der Kalksteinbruch ist die Quelle unserer CO2-Emissionen. Kalkstein besteht aus Kalk und CO2. In unserem Prozess wird der Kalkstein erwärmt und in diesem Prozess entweicht dann automatisch CO2.
Sprecher: So erklärt der Werksleiter Helmut Reiterer das Kernproblem der Zementindustrie. Das CO2 steckt im Rohmaterial Kalkstein, ohne Kalkstein kein Zement. Der physikalische Prozess, in dem das CO2 aus dem Kalkstein ausgetrieben wird, ist unvermeidlich, er macht zwei Drittel der Emissionen in der Zementproduktion aus. Auch diese Emissionen müssen bis 2040 auf null reduziert werden. Das hat die Bundesregierung in ihrem Regierungsprogramm festgehalten.
Zur Förderung klimafreundlicher Industrie legt Klimaschutzministerin Leonore Gewessler im Mai einen Transformationsfonds auf. Nächstes Jahr sollen 175 Millionen Euro für Investitionen in grüne Innovationen bereitstehen. Solange bei den Rohstoffen keine Einsparung durch Innovation machbar ist, muss an anderer Stelle gespart werden. Produktionsleiter Robert Szabo zeigt, wie das beim Energieaufwand bereits passiert.Robert Szabo (Produktionsleiter): Wir versuchen alles, unsere CO2-Emissionen vom Brennprozess zu reduzieren, und das ist auch dafür, da haben wir Kunststoff als alternativen Brennstoff.
Sprecher: Holcim bereitet nicht recycelbaren Abfall zu Brennstoff auf. Den Müll, den 600 Österreicherinnen und Österreicher im Jahr produzieren, verbrenne das Werk an einem Tag, so habe man den Bedarf an fossilen Energieträgern um 85 Prozent auf das technische Minimum gesenkt. Der zweite Hebel ist das Rohmaterial, aus dem der Zement gemahlen wird. Da hilft nur Recycling von Beton, der bereits einmal verbaut war, bei dem das CO2 also schon einmal aus dem Kalk entwichen ist.
Robert Szabo: Was momentan ins Lager fällt, ist unser Ziegelsplit, den wir zu circa 20 bis 25 Prozent als Ersatz für unseren Kalkstein – unseren CO2-reichen Kalkstein – nutzen. Der Vorteil: Dieses Material hat kein CO2 mehr.
Sprecher: Aber 44 Prozent der Gesamtemissionen lassen sich laut Zementverband nicht einsparen. Deshalb ist die Lösung für Holcim, das CO2 abzuscheiden, das sogenannte Carboncapture. Aktuell sind Transport und Einlagerung von CO2 in Österreich verboten. Doch selbst wenn sich das ändern sollte, ist das Verfahren immer noch energieintensiv und teuer. Die Förderung durch den Transformationsfonds ist mit 30 Millionen Euro pro Investition gedeckelt.
Berthold Kren (Geschäftsführer): Wir reden von einem Investitionsvolumen von 300 bis 400 Millionen Euro für eine Carboncaptureanlage. Das heißt, eine 30-Millionen-Förderung wird mir nichts helfen.
Sprecher: Nicht nur die Summen zeigen, wie riesig die Aufgaben sind. Für Investitionen in die Transformation braucht es Planungssicherheit für die nächsten Jahrzehnte, und die zu schaffen ist laut Holcim Aufgabe der Politik.
*****
GROSS: Bitte, Herr Steurer, wie versprochen.
STEURER: Wir reden heute Abend sehr viel über Dinge, die möglichst weit weg sind, damit wir die Dinge, die unmittelbar jetzt umsetzbar wären, nicht machen müssen. Das ist ja eine ganz typische politische Diskussion zum Thema. Es redet sich viel leichter über Carboncapture, die Zementindustrie, die einer der letzten großen Brocken in dieser politischen Geschichte ist, als über Tempo 80/100 zum Beispiel. Weil sich Herr Rauch vorhin so vehement gegen Tempo 80/100 ausgesprochen hat: Da würde mich dann schon interessieren, wie Sie versuchen, Emissionen zu reduzieren, oder ob das eh nicht Ihre Absicht ist. Vielleicht kommen wir dazu noch.
Aber ganz kurz zum Film: zwei Dinge.GROSS: Es geht aber schon um das Thema der Wirtschaft und der Industrie, und es geht um die Wettbewerbsfähigkeit.
STEURER: Nicht nur. (Rauch: Sie sind interessanterweise wirtschaftsfeindlich!)
GROSS: Und es geht um die Frage, wie wirtschaftsfreundlich beziehungsweise wirtschaftsfeindlich Klimapolitik ist und sein darf. Also das wäre schon das Thema. (Rauch: Wirtschaftsrealistisch!)
STEURER: Zum Einspieler zwei Punkte: Da wird erwähnt, dass sie durch Plastikmüllverbrennung fossile Energie weitgehend reduziert haben. Ich darf daran erinnern, dass Plastikmüll eine sehr dreckige Form der fossilen Energie ist, die man möglichst vermeiden sollte.
GROSS: Jetzt muss ich Sie trotzdem zwingen, damit wir nicht nur sozusagen - - Wir sind alle für das Wahre, Gute und Schöne, aber zum Zement: Was würden Sie der Zementindustrie raten – aus Europa wegzugehen und dann woanders den Mist zu machen, oder?
STEURER: Es gibt zwei Dinge, zwei große Lösungen. Die eine ist angesprochen worden: Das wäre Abscheidung. Da reden wir aber von Zukunftsmusik – im großen Stil wahrscheinlich in 10, 15 Jahren. Also wenn man klimaneutral sein möchte, muss das bis 2040 passieren. Jetzt ist es ein Ablenkungsmanöver, um die Dinge, die eben naheliegend sind, nicht zu tun.
Dann gibt es eine zweite Geschichte – von der redet die Zementindustrie natürlich nicht –, und zwar viel mehr mit Holz zu bauen. Im Moment wird wahnsinnig viel Beton verbaut – in vielen Fällen ist das notwendig, da gibt es keinen Ersatz, da braucht man dann die Abscheidung, und in vielen Fällen ist es unnötig. Auch im mehrgeschoßigen Wohnbau könnte man viel mehr mit Holz bauen. Holz hätte mehrere Vorteile: Es ist eine CO2-Senke, da wird CO2 also wirklich dauerhaft, solange das Gebäude steht – 100 Jahre oder mehr –, gebunden. Es verrottet auch nicht, sondern es wird wirklich der Atmosphäre entzogen.
Es gibt Klimawissenschafter, die im Holzbau eine große Lösung im Gebäudebereich sehen. Da gibt es ein schönes Kapitel von Klimaforscher Schellnhuber – „Bauhaus der Erde“ –, in dem er betont, wie wichtig Holzbau wäre, wenn man ihn weltweit ausrollen würde. Für alles, für das man Beton braucht – im Tiefbau, Brückenbau und so weiter –, gibt es dann die Abscheidung, das ist klar, aber das sollte nicht der Fokus der heutigen Diskussion sein.GROSS: Okay. – Bitte.
HAMMER: Also ich halte das Thema Transformation der Industrie für ein sehr wichtiges. Wir haben uns dem auch sehr intensiv gewidmet, weil das immer so ein bisschen übersehen worden ist. Man darf nicht vergessen, wir haben uns in den letzten Jahrzehnten der Klimapolitik in Österreich eigentlich nicht um die große Industrie gekümmert, weil das im europäischen Emissionshandel geregelt war. Es gab im Prinzip, auch was die Umwelt- und Klimaförderung in Österreich betrifft, nichts – gar nichts. Es gab kein Instrument.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich bei einer Umwelt-NGO war. Das war auch so ein bisschen eine Konfrontation: Zum Beispiel die Voest gegen uns – das war irgendwie ein bisschen Brutalität, sagen wir es einmal so.
Wir haben jetzt eines gemacht, wir haben gesagt: Okay, wir fordern nicht nur ein, dass sie Klimaschutz betreiben, sondern wir fördern sie auch. – Wir haben ein neues Instrument ins Leben gerufen, fast 3 Milliarden Euro bis 2030 für die Transformation der Industrie, womit wir sozusagen auch ein Bekenntnis dafür ablegen, dass die Industrie in Österreich bleiben, aber CO2-neutral werden soll.
Weil es eben immer Wirtschaftsfeindlichkeit heißt: Mittlerweile ist es so, dass die gesamte Stahlindustrie in Europa niemals zum Beispiel mit Asien mithalten kann. Der Wettbewerb, um den es in der europäischen Stahlindustrie geht, ist: Wer kann zuerst CO2-neutral Stahl produzieren? Die Voest zum Beispiel macht den ersten Schritt, gemeinsam mit diesem Transformationsfonds, indem sie 2027 auf Elektrolichtbogenofentechnologie umsteigen will.
Einfach nur um die Größenordnungen einmal darzustellen: Wenn die das gemacht haben, werden sie ab 2027 Emissionen in einem Ausmaß einsparen, als ob man die Hälfte aller Autos von Österreichs Straßen nehmen würde. Das ist gigantisch. Die Voest kann das jetzt machen, sie wird dann weitergehen und auch mit Direktreduktion – Wasserstoff – weiterarbeiten.
Die Zementindustrie hat ihre eigenen Herausforderungen, aber natürlich, man muss das alles gleichzeitig machen. Reinhard Steurer hat es gesagt: Bis die dann so weit sind, bis wir wirklich zu einer CO2-neutralen Industrie kommen, wird das dauern, aber das heißt nicht, dass wir nicht über andere Maßnahmen reden können, die wir jetzt schon setzen müssen.GROSS: Frau Herr.
HERR: Ich würde gern drei Punkte ergänzen. Also grundsätzlich war das, glaube ich, einer meiner ersten Anträge, die ich eingebracht habe, als ich neu in den Nationalrat gekommen bin: für einen Transformationsfonds. Es ist sicher ein wichtiger Schritt, dass man sich überlegt: Wie kann man die Industrie in Österreich klimaneutral machen, und wie kann da auch die öffentliche Hand unterstützen?
Ich glaube, man muss erstens aber bei den Summen, von denen man da spricht, auch die Beschäftigten mitnehmen. Es darf nicht sein, dass da schon wieder Millionen an Geldern fließen (Hammer: Haben wir gemacht!) – nicht ausreichend – und dann beispielsweise wieder keine Arbeitsplatzgarantien mit dabei sind, weil die Beschäftigten natürlich auch große Sorge vor dieser Transformation haben. Was natürlich auch klar ist, ist, dass sich Berufsfelder verändern werden und dieser Punkt jetzt einfach schon mitgedacht werden muss – dass diese Gelder auch an Beschäftigungsgarantien gebunden fließen.
Das Zweite ist, dass wir sogar noch weiter gehen würden. Wir haben uns länger mit der Industriepolitik beschäftigt und auch vorgeschlagen, beispielsweise die Öbag weiterzuentwickeln: dass auch die Staatsholding den konkreten Auftrag bekommt, diese Transformation voranzutreiben, um als Österreich positiv voranzugehen und vielleicht sogar – drittens – neue, klimafreundliche Industrien hochzuziehen.
Ich glaube auch, man hat lange verabsäumt, Standortpolitik zu betreiben, aber ich denke, dass gerade das ein guter Schlüssel sein kann. Da haben wir mehrere Punkte auf den Tisch gelegt. Ich glaube auch, dass das Fördervolumen, das bisher beschlossen wurde, nicht reichen wird.GROSS: Aber das kann natürlich nur für die Unternehmen gelten, die unter dem Dach der Öbag sind, also für die OMV zum Beispiel. Oder denken Sie dann auch daran, dass die Öbag da - -
HERR: Für die Unternehmen, die in der Öbag sind – genau. Da muss es tatsächlich auch den klaren politischen Auftrag geben, den vermissen wir noch.
Darüber hinaus muss man sich überlegen – Österreich hat eine sehr hohe Forschungs- und Entwicklungsquote –, wie die öffentliche Hand an zukünftigen Forschungsergebnissen, wenn diese durch Gelder der öffentlichen Hand entwickelt werden, auch im Sinne eines öffentlichen unternehmerischen Staates wieder beteiligt sein kann.HAMMER: Ganz kurz, ich muss da nur etwas richtigstellen, weil es einfach falsch war.
HERR: Bitte?
HAMMER: Wir haben bei dieser Transformation der Industrie – weil es mir einfach ein Anliegen war – einerseits sehr wohl eine Standortgarantie in diesem Fördersystem drinnen (Herr: Keine Arbeitsplatzgarantie!), und die Betriebe müssen Transformationspläne haben, um die Förderung überhaupt beantragen zu können. Diese Transformationspläne müssen mit dem Betriebsrat abgesprochen werden.
HERR: Keine Arbeitsplatzgarantie, Lukas.
HAMMER: Das ist einfach falsch.
GROSS: Herr Bernhard und dann Frau Krömer.
BERNHARD: Ich glaube, das, was Herr Prof. Steurer gerade gesagt hat, ist genau dieses Missverständnis. Ich verstehe aus der wissenschaftlichen Perspektive heraus, dass man da einfach die Maßnahmen, die Wirksamkeit und das Ziel anschaut. Wenn man sich aber die Wege dorthin anschaut, ist beinahe bei jedem Themen- und Problemfeld, das wir heute haben, die Wirtschaft ein Schlüsselelement dafür, ob es funktionieren wird oder nicht.
Wir haben das bei der Energiewende, wir haben das beim Infrastrukturbau, wir haben das bei der Mobilitätswende, wenn es um die Frage der Elektrifizierung von Individualverkehr geht, wir haben es bei der ganzen Gebäude- und Heiztechnik, und wir haben es bei der Industrie. Es geht immer um die Akzeptanz der Wirtschaft, um die privaten Investitionen, um die Bereitschaft von Bürgerinnen und Bürgern, in einem bestehenden marktwirtschaftlichen System Handlungen zu setzen, die auch in die Klimaneutralität führen.
Die Politik hat den Rahmen zu geben, aber es ist nicht Umwelt oder Klima gegen Wirtschaft, sondern es ist etwas Gemeinsames. Nur wenn wir es gemeinsam denken, kommen wir auch zum Ziel, sonst wird es nicht funktionieren.STEURER: Da haben Sie sich jetzt selber korrigiert. Sie haben zuerst von der Akzeptanz der Wirtschaft gesprochen und dann die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger, der Gesellschaft mit hineingenommen.
BERNHARD: Das ist für mich etwas, was zusammenhängt.
STEURER: Das sind Dinge, die getrennt sind, aber die Akzeptanz insgesamt, einer Mehrheit in der Gesellschaft, ist, glaube ich, der Schlüssel bei vielen Dingen.
GROSS: Frau Krömer.
KRÖMER : Ich gebe Herrn Steurer recht, es ist natürlich immer sehr verlockend, über die komplizierten Dinge zu reden, anstatt jetzt einmal die einfachen umzusetzen.
Ich glaube, es sind mehrere Dinge, die man sagen muss, auch aufseiten der Industrie. Es braucht einfach ein Klimaschutzgesetz, es braucht klare Maßnahmen, und zum Teil wird es auch Änderungen im Gesellschaftsrecht und im Aktiengesetz geben müssen. Es wird klare Verbote und Anleitungen geben müssen, denn sonst kann man als Geschäftsführer, als Vorstandsmitglied bestimmte Entscheidungen, Transformationsprozesse gar nicht antreiben, man hat ja Haftungen. Also man muss das schon konsequent durchdenken, und das ist eine Frage von Legistik.
Beim besten Willen geht manches einfach nicht, und es gibt wirklich Leute, die da drinnen hängen. Das Verbot war als Nebensatz gemeint, dass man sagt, dann kippt man einmal das Verbot, damit man in einem kleinen Segment eine Wissenschaft vorantreibt, aber es kann nicht als Fokus dienen. (Herr: Forschungsbalance!) – Aber nur in einem Ausmaß, dass es wenig Anreiz schafft. Der Punkt ist einfach nur: Man muss parallel viele Dinge machen und viele Hebel bedienen und kann sich nicht immer auf irgendwelche Nischendinge fokussieren.
Ein anderer Punkt, den ich auch wichtig finde, sind klimaschädliche Subventionen. Auch da geht es industriell in die falsche Richtung. Da gibt es sehr viele, die abgeschafft gehören, und da gibt es auch sehr viel, das sozial gestaffelt gehört, Stichwort Pendlerpauschale – ein Wahnsinn.
Was wir auch zum Thema haben – das ist indirekt ein Klimathema, das kann ich einmal als Freiberuflerin, die tatsächlich Menschen anstellt, sagen –: Die Arbeit kann nicht so hoch besteuert werden. Man kann sich teilweise die Menschen einfach nicht leisten. Man muss jetzt andere Steuersysteme schaffen. Arbeit in dieser Höhe zu besteuern ist 2023 absurd. Man wird in einem bestimmten Ausmaß auch Vermögen besteuern müssen, und man wird andere Dinge besteuern und sozial ausgleichen müssen. Es geht um den sozialen Ausgleich, und da werden wir uns Dinge anschauen müssen, die relativ einfach umsetzbar sind.GROSS: Ich würde trotzdem gerne beim Klimaschutz bleiben.
KRÖMER : Und wie gesagt, bei der Legistik gäbe es viele, viele Vorschläge, die einfach umsetzbar sind. Es tut mir leid, dass diese Emotion da ist, aber es ist tatsächlich auch aus juristischer Sicht teilweise sehr frustrierend, wenn man sieht, dass Dinge einfach einmal umgesetzt gehören und auch soziale Ausgleiche einfach in einer Form, dass sie eine Treffsicherheit haben, geschaffen werden müssen.
HERR: Darf ich nur einen Satz dazu sagen?
GROSS: Herr Schnabel war trotzdem noch vorher dran.
SCHNABEL: Vorher kommt noch Frau Herr dran und dann - -
HERR: Da kannst du gleich auf meine Ansage jetzt reagieren. Ich habe das Gefühl, es kommt, aber ich wollte genau dazu etwas sagen. Der soziale Ausgleich wurde angesprochen, und dann kommt: Bleiben wir jetzt beim Klimaschutz! – Ich glaube, man muss Klimaschutz wirklich breiter denken, und man muss erkennen, dass beispielsweise eine Millionärssteuer oder auch eine Vermögensteuer einen unglaublich großen Impact auf Klimaschutz haben können.
Wir sehen, dass in Österreich die vermögendsten Gruppierungen viermal mehr CO2 ausstoßen, als das Haushalte mit ganz wenig Einkommen tun. Eine Millionärssteuer wäre die treffsicherste CO2-Steuer, die man überhaupt finden kann, denn egal, wo man sich das anschaut – ob es um das Wohnen geht, ob es um den Verkehr und die Mobilität geht, aber auch um das Heizen, den Einkauf und den Konsum–, nicht jeder verursacht die Klimakrise sozusagen gleich – auf der einen Seite –, und auf der anderen Seite trifft die Klimakrise dann auch nicht jeden gleich. Wir wissen, dass ältere Menschen, schwache Menschen, kranke Menschen und einkommensschwache Menschen von der Klimakrise viel stärker getroffen werden. Also mutige Verteilungspolitik anzugehen wäre natürlich Klimapolitik.GROSS: Bitte, Herr Schnabel.
BERNHARD: Millionärssteuer war das Stichwort.
SCHNABEL: Das wird es nicht sein, denn ich glaube, da ist unsere Position hinlänglich bekannt.
KRÖMER : Oder die Besteuerung der Arbeit?
SCHNABEL: Es ist auch hinlänglich bekannt, dass wir da eine Reduktion wollen. (Rauch: Da würde es sogar eine Mehrheit geben!)
Ich möchte aber vielleicht noch kurz ein anderes Thema aufmachen, weil es noch nicht diskutiert wurde. Einerseits vielleicht noch zu Kollegen Bernhard: Natürlich müssen wir zum Carboncapture – das ja grundsätzlich erlaubt wäre, es geht um Storage und Utility – einmal das Gesetz angehen, um Rechtssicherheit für Planungen und Investitionen auszulösen. Das wird nicht so schnell passieren, wir brauchen Genehmigungsverfahren und so weiter. Das müsste man angehen, damit man da dementsprechend dann auch der Industrie Rechtssicherheit gibt.
Rechtssicherheit ist das, was mich in vielen anderen Dinge weiterführt: Was wollen die Unternehmen? – Sie wollen Rechtssicherheit für geplante Investitionen, die sie da und dort brauchen – die Industrie bis hin zu den KMUs –, auch eine Abdeckung des Investitionsrisikos, weil gewisse Technologien noch nicht so weit sind. Sie sagen: Wenn wir dorthin investieren, ist nicht gesichert, dass ich den Reinvest habe! – Da passiert auf europäischer Ebene viel, da müssen wir dabei sein: Da gibt es die Wasserstoffbank, da gibt es genauso andere Instrumente. Ich muss wieder in den Import von gewissen Dingen, die hinzukommen, gehen; auch Investitionsabsicherungskapital, Risikokapital in diesem Bereich wird es geben. (Herr: Klimaschädliche Subventionen?)
Das Dritte – das möchte ich jetzt noch als neues Thema aufreißen – ist das Thema der Infrastruktur, weil es nur einmal ganz knapp genannt wurde. Da hadere ich schon auch mit dem Koalitionspartner – das traue ich mich auch zu sagen. Denn zum Beispiel im Verkehr, was Ladeinfrastruktur für E-Mobilität betrifft, auch was Wasserstofftankstellen betrifft: Wir haben vier in Österreich, wir erfüllen in der E-Ladeinfrastruktur (Steurer: Braucht man nicht mehr!) – fünf Stück, sollen es fünf Stück sein, für den Schwerverkehr, ich rede jetzt nur vom Schwerverkehr – ist egal, ich will jetzt nicht darauf eingehen.
Bei der E-Ladeinfrastruktur – darauf können wir uns vielleicht einigen – erfüllen wir gerade die Mindestquote der EU. Da ist Holland wesentlich weiter, Norwegen ist wesentlich weiter. Wir hätten gerne einen höheren Standard. Statt eine Autobahn zu bauen, hätte man in drei Jahren E-Ladeinfrastruktur für die Leute bauen können, vielleicht wäre dann die Zuversicht, ein E-Auto zu kaufen, im Bereich der Bevölkerung auch größer – das kann man auch einmal in diesem Bereich sagen.
Was mir nach wie vor beim Thema Infrastruktur fehlt – das habe ich schon mehrfach genannt –, ist alles, was das Wasserstoffnetz betrifft. Da tut sich auf europäischer Ebene viel, deswegen bin ich da auch so zuversichtlich – Hydrogene Backbone. Da müssen wir aber auch vonseiten Österreichs als Wasserstoffdrehkreuz mit dabei sein und dementsprechend, wie es vielleicht in der Vergangenheit beim Gas war, jetzt beim Wasserstoff wirklich vorne dabei sein, um die Wertschöpfung zu haben.
Was mir fehlt, ist – weil Sie in der E-Control sitzen –, dass wir über das Thema Sektorkopplung Strom, Wasserstoff und solche Dinge sprechen: wie wir einerseits das Stromnetz aufrüsten – das muss schnell gehen; wir haben jetzt nicht nur unser EAG – da haben wir viel geschafft, und wir werden heuer sicher so wie im vergangenen Jahr einen Rekordausbau bei erneuerbarer Energie haben –, wir müssen das Stromnetz ertüchtigen, und wir müssen es andererseits so ertüchtigen, dass es intelligent ist. Da braucht es schon auch Schritte, damit wir dementsprechend schnell vorankommen.GROSS: Vielen Dank. – Eine kurze Ergänzung gleich dazu beziehungsweise eine Erwiderung.
STEURER: Wir bleiben dem Motto des Abends treu, wir reden über die Taube am Dach anstatt über den Spatz in der Hand – also über Wasserstoff und so weiter.
GROSS: Aber warum finden Sie, dass Infrastrukturausbau nicht tatsächlich ein Thema ist?
STEURER: Das ist absolut notwendig, also speziell wenn es um Elektromobilitätsinfrastruktur geht, haben wir große Defizite. Wasserstoff ist wieder ein anderes Thema.
GROSS: Aber auch die Stromnetzte? Ich meine, wenn wir grünen Strom aus Windrädern von Nord nach Süd, von Ost nach West transportieren wollen?
STEURER: Genau, das ist absolut notwendig, aber die letzten 10 Minuten sollten wir unbedingt dafür nutzen, auch noch über das Erneuerbare-Wärme-Gesetz zu reden, denn in Österreich werden nach wie vor Gasheizungen neu eingebaut. Das ist der Spatz in der Hand, über den wir reden müssen. Da wird fossile Energie in Gebäuden verbrannt, wo das nicht mehr zeitgemäß ist. Und warum? – Weil das Erneuerbare-Wärme-Gesetz nicht kommt.
Jetzt würde mich von Ihnen dreien interessieren, was notwendig ist, damit diese Zweidrittelmehrheit doch noch zustande kommt. Also wie groß ist die Bereitschaft der ÖVP, den Forderungen der SPÖ entgegenzukommen? Was sind Ihre Forderungen? Es ist extrem wichtig, dass das Gesetz kommt – ich glaube, das brauche ich Ihnen nicht zu erzählen –, und es ist extrem wichtig, dass Sie drei zusammenfinden und diesen Spatz in der Hand liefern, anstatt dass wir wieder über die Taube am Dach reden.GROSS: Dann führen wir gleich hier live auf Sendung diese Verhandlungen. – Bitte, Frau Herr, Sie sind angesprochen.
HERR: Ich glaube, für uns war das immer klar. Ich weiß, Sie haben das vorhin schon gesagt: Die letzte ernsthafte Verhandlungsrunde für das EWG, für das Erneuerbare-Wärme-Gesetz, bei dem es – für die Zuschauer:innen zu Hause – genau darum geht, dass in Zukunft fossile Heizsysteme ausgetauscht werden, war im März; also sämtliche Ankündigungen zur Teuerungspolitik waren lange danach. Wir haben lange ernsthaft verhandelt, die Sozialdemokratie hat ja zum Beispiel auch das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz – das war eine Zweidrittelmaterie – mitbeschlossen.
GROSS: Aber besteht jetzt eine realistische Chance?
STEURER: Wie kommen wir da raus? Das ist die Frage, die ich mir stelle.
HERR: Jetzt geht es darum, das hoffentlich möglichst schnell zu etablieren. Ich habe selber Anträge gegen die Gasheizungen im Neubau eingebracht. Was aus unserer Sicht wichtig ist: Wenn man so ein Heizsystem tauscht, dann ist das ein unglaublich teurer Prozess, das geht wirklich ins Geld. Und der Punkt ist: Wer bezahlt das dann? Natürlich sind die Vermieter und Vermieterinnen zuständig, aber die könnten das natürlich alles auf Mieter und Mieterinnen überwälzen, und das ist in der aktuellen Situation, in der wir schon ständige Mieterhöhungen hinter uns haben, einfach eine Gefahr. Jetzt im Juli wird erneut die Miete erhöht, weil man es im Nationalrat nicht wird verhindern können – schon wieder nicht –, plus 8 Prozent.
Also wenn man sagt, Klimaschutz muss auch sozial gerecht sein, muss man auch mitdenken: Was können die Mieter:innen leisten und was die Vermieter:innen? Da haben wir ganz konkrete Vorschläge gemacht, damit das nicht einfach übergewälzt werden kann, dass der Vermieter sich da nicht einfach das teuerste System aussucht und dann alle zur Kasse bittet, sondern dass das sozial verträglich gestaltet sein muss. Wenn es da ein Entgegenkommen gibt – und ich hoffe, das ist auch den anderen Regierungsparteien wichtig, denn wenn die Mieten noch weiter steigen, müssen Leute ausziehen; wir haben jetzt schon drastische Situationen –, dann wird diesem Gesetz nichts im Wege stehen.RAUCH: Ich kann da nahtlos anschließen. Diese soziale Ader, diese soziale Kompetenz ist in dieser Art und Weise von euren Anträgen weit, weit weg. Das ist nämlich mittlerweile realitätsfremd. Deswegen habe ich auch in der letzten Nationalratssitzung den Antrag eingebracht, jetzt gegen die Abschaffung von Öl- und Gasheizungen zu sein. Warum? (Zwischenruf.) – 2024. Weil nämlich deine Regierungspartnerin oder dein Regierungspartner in Deutschland das mit 2024 schon fordert – einen absoluten Stopp von neuen Öl- und Gasheizungen, die abzuschaffen.
STEURER: Von neuen, ja.
RAUCH: Das Hauptthema ist, das ist nämlich das Hauptproblem (Steurer: Das sind wieder die Nebelgranaten, meine Güte!), dieses System umzustellen: Also eine Gasheizung oder eine Ölheizung zu ändern hat natürlich eine Maßnahme zu implementieren, da in dem Haushalt oder in der Wohnung eine wesentlich höhere Investition da liegt, als die Förderungen, die ihr da in dieser Art und Weise wiedergebt. Das heißt, das ist ein sozialer Brennpunkt, würde natürlich die Mieten wesentlich verteuern und natürlich auch die Kosten, die Entstehungskosten.
KRÖMER : Das muss ja nicht zwangsläufig so sein.
HAMMER: Kann ich da - -
GROSS: Lassen wir vielleicht Herrn Bernhard auch noch, damit wir die Opposition abgehandelt haben, und dann dürfen Sie sagen, was Sie da andenken.
BERNHARD: Ich glaube, man sieht bei dem Thema wirklich schön, wie extrem viele Dinge ineinandergreifen und dass Klimapolitik nicht nur Klimapolitik ist, sondern dass da ganz viel zusammenkommt. Wir, die Stadt Wien, also SPÖ und NEOS gemeinsam, haben ja den Gasausstieg aus allen Gasheizungen bis 2040 in unserem Programm, und wir warten auf dieses besagte Gesetz, damit wir eine Grundlage haben, weil man ja darauf aufbauen muss und dann auch Förderinstrumente etablieren, damit es einen Anreiz gibt.
Und die Idee der Stadt Wien ist, dass man so viel Förderung wie möglich zu Beginn erhält und diese immer weniger wird, je weiter hinten das liegt, weil man am Anfang auch so viel an Investitionen durch den Umbau hat. Dann hat man aber Themen drinnen wie einerseits – der Vermieter und Mieter ist schon angesprochen worden –: Nicht jeder Mieter ist arm und nicht jeder Vermieter ist ein Superreicher, sondern es gibt da tatsächlich ein sehr differenziertes Bild.
Wenn jemand eine Vorsorgewohnung hat, braucht er trotzdem eine entsprechende Unterstützung, damit es einen Umbau geben kann.
Dann kommt der Denkmalschutz dazu, dann kommen Technologien wie die Geothermie dazu, dass man nicht jede Wohnung mit sozusagen einen Umbau einzeln bedenken kann, sondern dass man entweder das Gebäude oder sogar den Wohnblock an sich mitdenken muss, damit man sinnvolle neue Systeme etablieren kann – das ist ein Jahrzehntprojekt.
Dass wir jetzt im Nationalrat da wertvolle Zeit verstreichen lassen, ist extrem schade, weil wir gerade in den Ballungsräumen, wo es viele Mieter gibt, viele Altbauwohnungen, viele Gasetagenheizungen, extrem dringenden Handlungsbedarf haben und wir den Menschen auf beiden Seiten viel Geld ersparen können, nämlich sowohl den Eigentümer:innen wie auch den Menschen, die da zur Miete leben.GROSS: Besteht trotzdem noch eine Chance?
HAMMER: Ich arbeite seit zweieinhalb Jahren an diesem Gesetz, und das ist eine unserer wesentlichen Maßnahmen in dieser Legislaturperiode. Es wurde immer dieser ganze Wärmebereich, Raumwärmebereich irgendwie übersehen, muss man sagen. Es wurde relativ wenig gemacht. Wir haben in Österreich 500 000 Ölheizungen, mehr als 900 000 Gasheizungen. 2021 sind 50 000 Gasheizungen dazugekommen. Das führt zu sozialen Verwerfungen, weil Gas und Öl einfach Preisschwankungen unterliegen. Das ist ja nicht das erste Mal, dass wir eine Energiekrise haben.
RAUCH: Was ist mit dem Strom? Meritorder ist ja nicht anderes.
HAMMER: Ja, der ist auch wegen der hohen Gaspreise so hoch geworden.
Wir haben zuerst relativ lange mit der ÖVP verhandelt – ich muss ja immer sozusagen über zwei Hügel drüber mit diesen Gesetzen, weil ich eine Verfassungsmehrheit brauche. Wir haben zuerst mit der ÖVP verhandelt, bis wir eine Regierungsvorlage hatten, und dann haben wir mit den Verhandlungen mit der SPÖ angefangen. Und ich finde es ein bisschen schade, dass Klimaschutz immer so quasi irgendwie als Kostenfalle gesehen wird. Es ist ja eigentlich das Gegenteil.
Was wir bis jetzt gemacht haben – unabhängig vom EWG –, ist: Wir haben die Förderungen für den Umstieg verzehnfacht, denn der Bund stellt Förderungen bereit, wenn man aus seiner Öl- oder Gasheizung aussteigen will. Für viele Menschen funktioniert das nicht, weil sie zu wenig Einkommen haben. Also haben wir eine spezielle Förderschiene für das unterste Einkommensfünftel ins Leben gerufen. Die bekommen die gesamte neue Heizung zu 100 Prozent gefördert – zu 100 Prozent! –, und kommen dann sozusagen in den Genuss von günstigeren Energiekosten beim Heizen. Das ist sozialökologische Politik.
Um zurückzukommen zum EWG: Natürlich wird es Fälle geben, in denen es dann zu höheren Investitionskosten kommt. Da ist unsere Vorstellung vor allem, dass wir natürlich diese Förderung weiterführen, und zwar bis 2030. Der Grund, warum wir seit März nicht mehr gesprochen haben, ist erstens der, weil die SPÖ den Vorschlag, den wir gemeinsam mit der ÖVP gemacht haben, zuerst einmal abgelehnt hat. Und sagen wir es einmal so: Es wird immer irgendeinen Grund geben – weil wir im Wohnrecht noch etwas ändern müssen –, um das abzulehnen. Wir wollten weiter verhandeln, dann kam sozusagen diese allgemeine Blockade. Die ist jetzt zum Glück gelockert. Und ich glaube, dass wir gemeinsam – und das muss ich der SPÖ auch wirklich zugestehen, dass bis dorthin konstruktiv verhandelt wurde –, das auch weitermachen.
Kleiner Nebensatz, weil hier die Klimaschutzsprecherin sitzt und der Klimaschutzsprecher der NEOS: Ich bin Klimaschutzsprecher und Energiesprecher, und ich habe bei den Energiesprecherinnen und Energiesprechern nicht mit Klimaschutzsprechern zu tun, und das merkt man teilweise.SCHNABEL: Gut, da muss ich schon verteidigend sagen, dass Tanja Graf da eigentlich eine sehr hohe Expertise hat und vor allem mit der SPÖ immer in einem sehr guten Austausch ist. Man muss schon dazusagen, dass die SPÖ ja nicht nur diese eine Forderung hat, sondern zum Beispiel auch die Forderung gestellt hat, dass alle Mieterinnen und Mieter Mitspracherecht beim Heizungstausch haben – das soll auch ins Gesetz kommen. Das ist natürlich im Eigentum schon eine problematische Phase, wenn man dann einen mehrgeschoßigen Wohnbau mit vielen Wohnungen hat und man da die Zustimmung braucht oder zumindest irgendein Quorum erfüllen muss, damit man diese Heizung tauschen kann.
Das ist eine Forderung von der SPÖ, das muss man auch dazusagen, das kann man nicht - -HERR: Falsch dargestellt!
SCHNABEL: Ja, ist de facto so.
Wir brauchen zusätzlich zu diesem Gesetz eine Änderung des WEG und des MRG (Herr: Ja!), das wissen wir. Das müssen wir alles in einem machen. Und wir brauchen auch vor allem für die Stadt Wien oder für den urbanen Bereich, was die Geothermie betrifft, auch noch klarere Regelungen, sonst wird es nicht gehen.
Wie gesagt, das Gesetz ist von uns einmal soweit akkordiert. Wir gehen jetzt wieder in Verhandlungen mit der SPÖ, und dann werden wir schauen, wie weit wir uns da annähern.STEURER: Wie sehr wollen Sie das als ÖVP? Ist Ihnen das wichtig, oder sagen Sie: Na ja, schauen wir einmal, ob sich das ausgeht?
SCHNABEL: Vor allem: Also ich glaube, wir haben ein Papier, wo wir uns committet haben, und wenn sich das in diesem Rahmen bewegt, sehe ich da keine Unmöglichkeit.
KRÖMER : Ist das ein Wille?
STEURER: Eine Ansage, ja.
GROSS: Wir haben für diese Sendung auch noch Österreicherinnen und Österreicher befragt, und ganz außergewöhnlich für diese Sendung habe ich mir das für den Schluss heute aufgehoben, weil ich finde, es ist vielleicht auch ganz heilsam, einmal zu hören, was eigentlich die Menschen zu diesem Thema sagen, denn ich habe den Eindruck, die gehen vielleicht auch durchaus entspannter und pragmatischer mit diesem Thema um. Ich würde sagen, wir schauen und hören in diese Umfrage, die wir gemacht haben, einmal hinein.
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Es folgt eine Videoeinspielung:
Passant eins: Es passiert zu wenig. Die EU zieht schon mal langsam vor, aber wir als Nation müssen da wesentlich mehr machen.
Passant zwei: Das Klimaschutzgesetz umsetzen, Tempo 100 auf Autobahnen und, ja – wie soll man sagen? –, es muss nicht von heute auf morgen geschehen, aber eine Ansage von: Raus aus Öl und fossilen Energien!
Passantin drei: Es sollte schon was gemacht werden, aber was jetzt wirklich gemacht werden soll, damit habe ich mich auch nicht beschäftigt.
Passantin vier: Müssen sie halt Gesetze machen, wo es wieder vorgeschrieben ist. Anders geht es anscheinend nicht.
Passant fünf: Wir haben nur diese Welt und das muss jedem einfach klar werden, und da muss die Politik einfach wirklich ehrlich und offen das Ganze kommunizieren und nicht irgendwie parteipolitisch irgendwelche Spielchen spielen.
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GROSS: Also nicht irgendwelche Spielchen spielen parteipolitisch, war dieser letzte Appell für die letzte Runde vielleicht auch: Ohne parteipolitische Spielchen gefragt: Was ist noch drinnen für den Klimaschutz in dieser Legislaturperiode? Jetzt ganz ehrlich. – Herr Schnabel.
SCHNABEL: Es sind ja noch viele Gesetze jetzt in Umsetzung – wir werden mit der SPÖ in Verhandlung gehen, wo wir Zweidrittelmaterien haben –, wir haben noch einige Dinge, die wir noch aus dem Regierungsprogramm abzuarbeiten haben, und ich bin da guter Dinge, dass wir dann auch einiges auf den Weg bringen, vor allem in Verbindung mit der Europäischen Union, wo wir viele Rahmenbedingungen ja auch gemeinsam umzusetzen haben.
GROSS: Und ganz konkret: Was wird sein, was soll sein? Wenn es jetzt nur um Sie geht?
SCHNABEL: Also der NEKP, der ganz am Anfang genannt wurde, auch das Klimaschutzgesetz ist ein Thema, das man da sicher auch angehen kann.
HAMMER: Das höre ich sehr gerne. – Also für mich hat die Toppriorität absolut das Erneuerbare-Wärme-Gesetz, sonst schaffen wir die Wärmewende nicht. Dann natürlich ein Klimaschutzgesetz, ein Grüngasgesetz, um das grüne Gas, das wir für die Industrie brauchen werden, heimisch zu fördern. Und dann haben wir noch viele andere Gesetze, ein Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz, wo es darum geht, Energiewendeprojekte schneller umsetzen zu können, aber auch den Netzausbau voranzutreiben – darüber haben wir heute zu wenig gesprochen.
Ich glaube, es gibt sehr, sehr viel zu tun. Wir haben im Klimaschutz so wenig Zeit. Es ist so dringlich, und ich sehe überhaupt keine Veranlassung, da irgendwie lockerzulassen. Ich glaube, wir müssen einen Zahn zulegen.
Und ja, ich nehme sozusagen von allen Seiten einmal ein paar positive Botschaften mit, und ich erinnere und poche auf die Umsetzung des Regierungsprogramms. Da steht schon sehr, sehr viel drinnen. Und wenn wir das umsetzen, sind wir ein gutes Stück weiter.GROSS: Jetzt könnte man bösartig sagen: Am Abend wird der Faule fleißig. – Sehen Sie das auch so, Herr Bernhard?
BERNHARD: Ich versuche es freundlicher: Es hat für mich in den ersten eineinhalb Jahren dieser Regierung tatsächlich sehr konkrete Maßnahmen gegeben – in einer hohen Geschwindigkeit während der Pandemie –, und dann wurde der Fleißige faul, hätte ich eher gesagt, und ob der jetzt noch einmal fleißig wird, das werden wir in den nächsten Monaten sehen.
Was aus parlamentarischer Sicht wirklich wichtig ist, ist das Klimaschutzgesetz, und zwar nicht, weil es ein Papier ist, das man beschließt, sondern weil es eine ganz wichtige Frage beantwortet, nämlich: Wie halten wir es mit den Bundesländern oder die Bundesländer mit dem Bund? Diese gemeinsamen Ziele, die da noch runtergebrochen werden im Föderalismus – wir wissen, ohne die Bundesländern wird es nicht klappen, gerade wenn es um Mobilität, wenn es um Zersiedelung, wenn es um Flächenverbrauch, wenn es um Infrastruktur geht. Das hängt alles zusammen, und das Klimaschutzgesetz ist ein wichtiger Impuls dafür.
Das andere – und dann bin ich auch schon fertig – ist die Infrastruktur: Wir sehen, dass die Länder um uns herum – insbesondere Deutschland und die Schweiz – in der Infrastruktur, in den Beschlüssen, was die Parlamente betrifft, schon drei Schritte weiter sind, und wenn wir in der Energiewende erfolgreich sein wollen, dann brauchen wir viel, viel belastbare Netze, viel stärkere Netze – vom einfachen Haushalt bis zum Industrieunternehmen –, und wir brauchen – das ist jetzt vielleicht tatsächlich für manche ein Randthema, für mich ist es das nicht – auch die Möglichkeit, unsere Emissionen zu binden und außer Landes zu bringen, denn das Speichern wird nicht funktionieren; da sprechen wir von einem Viertel aller Emissionen, die in Österreich derzeit entstehen. Wenn man da die Antwort findet – es ist keine Kleinigkeit, es ist nichts, was in drei Jahren fertig ist. Wenn wir als Parlament nicht heute sozusagen die Schienen dafür legen, dass wir dorthin kommen, dann wird es nicht klappen.GROSS: Herr Rauch.
RAUCH: Aus parlamentarischer Sicht: Zwischen den beiden Regierungsparteien schaut es schon sehr, sehr schlecht aus, das hat man in den letzten Monaten gesehen; alles, was in dieser Art und Weise auch an Anträgen von Ihnen beiden gekommen ist. – Das ist das eine.
Und aus parlamentarischer Sicht der Opposition heraus muss man sagen: Alle unsere Anträge werden ja sukzessive in den Ausschüssen vertagt, das heißt, die finden gar keinen Widerhall, weder in der Öffentlichkeit noch im Plenum oder sonst irgendwo. Das ist natürlich auch ein Faktor, wo der Konsenswille vonseiten der Regierungsparteien in dieser Art und Weise nicht gegeben ist, und das ist demokratiepolitisch ein schweres Versagen. Das müssen sich die beiden Mitglieder der Regierungsfraktionen auch gefallen lassen.
Im Endeffekt ist der Punkt der: Es gibt viele Punkte, die noch umgesetzt werden müssten. Ein Thema von mir, ein schweres, ein intensives, wäre natürlich auch die Bodenversiegelung: dass wir Flächen auch wieder renaturalisieren und man nicht hergeht und permanent jeden Tag 11 bis 12 Hektar verbaut. Das wäre eine mögliche Maßnahme als ersten Schritt. Das wäre mein Beitrag in diesem Bereich.GROSS: Vielen Dank.
HERR: Ich nenne einfach nur drei Dinge, weil ich sehe, wir sind schon in der Überlänge:
Also erstens warten wir auf ernsthafte Verhandlungen, sowohl was das Erneuerbare-Wärme-Gesetz betrifft als auch das Klimaschutzgesetz, da hat es überhaupt noch nie einen Termin gegeben, überhaupt noch gar keinen Vorschlag. Die Zeit drängt, wir sind bereit!
Der zweite Punkt, den ich ansprechen würde, ist: Alles, von dem wir heute gesprochen haben, muss auch tatsächlich jemand umsetzen. Uns fehlen allein für die Sanierungsquote – wir haben, steht im Regierungsprogramm, eine 3-prozentige Sanierungsquote – die Installateure, uns fehlen die Installateurinnen, uns fehlen auch die Techniker und Technikerinnen für zum Beispiel Fotovoltaikanlagen. Wir haben also wirklich einen ganz großen Mangel, was das Personal betrifft, und da muss man jetzt gegensteuern. Die Fachkräfte fallen nämlich auch nicht vom Himmel, die brauchen eine Ausbildungszeit, da sind wir eigentlich schon hinterher.
Und das Dritte, das ich ansprechen will, ist natürlich nochmals die soziale Gerechtigkeit, die Pendlerpauschale wurde vorhin angesprochen: Wir haben eine Pendlerpauschale, die gut verdienenden Menschen mehr bringt als sie wenig verdienenden Menschen bringt, das ist natürlich absolut absurd. Es wird auch kein Unterschied gemacht, ob man mit dem öffentlichen Verkehr oder mit dem Auto pendelt. Also es gäbe ganz viele Möglichkeiten, Klimaschutz auch sozial gerechter zu machen, da würde wirklich beides gut Hand in Hand gehen. Das fordern wir seit drei Jahren und länger und das muss jetzt angegangen werden.GROSS: Vielen Dank.
Frau Krömer, Herr Steurer, Sie beide haben heute mehrmals angemerkt, dass in der politischen Diskussion immer wieder Nebelgranaten geworfen werden, dass man sich vielleicht zu sehr in eher unwichtige Details verbeißt, dass man lieber über die Tauben am Dach spricht als über das, was machbar ist.
Daher meine abschließende Frage an Sie: Was müsste, wenn es nur ein Punkt wäre, am schnellsten angegangen werden? – Herr Steurer.STEURER: Ein Punkt ist schwierig, ich hätte lieber zwei.
GROSS: Okay, ausnahmsweise zwei.
STEURER: Also das Erneuerbare-Wärme-Gesetz ist wirklich ganz, ganz dringend, denn wenn es jetzt nicht kommt, werden weiter Gasheizungen eingebaut. Das ist eine Kostenfalle, auch, weil der CO2-Preis steigen wird und die Leute dann spätestens in sieben Jahren oder so ein Problem haben, weil sie CO2-Preise zahlen werden, auch EU-weit.
Und der zweite Punkt wäre ein Klimaschutzgesetz. Warum? – Weil wir im Blindflug unterwegs sind. Wir haben zwar ein Ziel, aber es ist uns eigentlich egal, ob wir da hinkommen und wir schlawinern herum, Strafzahlungen in Kauf nehmend. Ein Klimaschutzgesetz würde die Verbindlichkeit erhöhen, würde Korrekturmechanismen vorsehen, dass man wirklich zielgerichteter dorthin kommt. Ehrlich gesagt: Mit einem Klimaschutzgesetz rechne ich nicht mehr, weil ich weiß nicht, was jetzt – nach drei Jahren verhandeln – zum Durchbruch führen sollte.
Beim EWG ist meine Hoffnung größer, vor allem aufgrund der Neuausrichtung der SPÖ. Da hoffe ich sehr, dass das gelingt.GROSS: Vielen Dank. – Frau Krömer.
KRÖMER : Ich kann mich dem nur anschließen. Ich hoffe auch, dass jetzt mithilfe der Neuausrichtung der SPÖ das Erneuerbare-Wärme-Gesetz kommt. Das ist einfach so ein Verhaften im Falschen und im Alten und das wird so teuer – auch für die Wirtschaft –, wenn das nicht sofort kommt.
Das Zweite ist natürlich der verfassungswidrige Zustand, den wir haben. Das Rechtsschutzdefizit, das ist verfassungswidrig, und ich denke, das sollte man, wenn man den Rechtsstaat ernst nimmt, so schnell wie möglich beheben. Eine Möglichkeit wäre, ein Klimaschutzgesetz mit Beschwerdemöglichkeiten, es gibt auch andere Möglichkeiten – aber das ist einfach rechtswidrig.HERR: Grundsätzlich hat aber schon die Regierung sich jetzt drei Jahre lang gegenseitig blockiert, deswegen haben wir noch kein Erneuerbare-Wärme-Gesetz. Das jetzt der SPÖ in die Schuhe zu schieben, ist ein starkes Stück!
KRÖMER : Ich habe gesagt, das ist meine Hoffnung, ich habe gar nicht gesagt, dass hier irgendwer - - mir liegt das fern. Ich wollte nur sagen: Jetzt, glaube ich, könnte es gehen. Jetzt sehe ich keine Ausrede irgendwo, jetzt, denke ich, haben wir die ÖVP, jetzt haben wir die Grünen, jetzt haben wir die SPÖ, jetzt würde ich es halt einfach auch wirklich beschließen.
STEURER: Schade ist, dass man über die FPÖ in dem Zusammenhang nicht einmal redet - - (Zwischenrufe.)
GROSS: Ich wollte die Diskussion beenden und nicht noch einmal starten, meine Damen und Herren!
Ich möchte aber noch eine Sachfrage an Sie richten, nämlich: Wann rechnen Sie eigentlich mit einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes in dieser Sache der Klage der Kinder?KRÖMER : Der Verfassungsgerichtshof hat das auf die Tagesordnung gesetzt, das heißt, er hat vor, dieses Verfahren zu behandeln. Behandeln heißt, es kann sein, dass der Verfassungsgerichtshof entscheidet, es kann auch sein, dass er es noch vertagt bis in den September. Ich kann Ihnen also nicht mehr sagen, als das, dass es jetzt auf der Tagesordnung steht.
GROSS: Aber wir können davon ausgehen, dass es heuer noch eine Entscheidung geben wird.
KRÖMER : Ganz sicher heuer noch, auf jeden Fall; also ich denke, Juni oder September. Sie haben aber auch wahnsinnig viel zu tun, muss man sagen. Wenn man jetzt so die Medien verfolgt, verhandeln sie da schon sehr intensiv. Aber sie haben es auf der Tagesordnung, sie werden es sicher besprechen – (erheitert) Verfassungsgerichtshof anrufen.
GROSS: Dann sage ich vielen herzlichen Dank Ihnen beiden und Ihnen, meine Dame und meine Herren Abgeordnete, für diese überaus lebendige Diskussion heute. Ich glaube, das war eine der emotionalsten Ausgaben von „Politik am Ring“.
Damit gehen wir auch – gemeinsam mit dem Hohen Haus – in die Sommerpause. Schauen wir einmal, wie viele Sondersitzungen es geben wird und wie oft die Sommerpause unterbrochen werden wird. Wir kommen dann jedenfalls verlässlich im September wieder. – Danke für das Dabeisein, meine Damen und Herren, und alles Gute.