Parlamentskorrespondenz Nr. 520 vom 24.11.1999

FINANZSCHULDEN WACHSEN WEITER, ABER LANGSAMER

Staatschuldenausschuss: Budgetkonsolidierung fortsetzen

Wien (PK) – Der Staatsschuldenausschuss hat dem Nationalrat kürzlich den Staatsschuldenbericht 1998 vorgelegt. Im Telegrammstil zusammengefasst zeigen die Hauptergebnisse des Berichts folgende Tendenzen: Die Finanzschuld des Bundes stieg im Vorjahr weiter, und zwar - bereinigt - um 59,8 Mrd. S auf insgesamt 1.535,7 Mrd. S. Mit 4 % hat das Schuldenwachstum aber deutlich abgenommen. Zurückgegangen ist auch die Restlaufzeit der Verbindlichkeiten, und zwar von 5,9 auf 5,8 Jahre. Die Ausgaben für den Zinsendienst stiegen um 2,2 Mrd. S (2 %) auf 90,1 Mrd. S. Beim sonstigen Schuldenaufwand führte die Auflösung des Nullkuponfonds zu einem Einnahmenplus von 4,1 Mrd. S.

Die gesamte öffentliche Verschuldung (Bund, Länder und Gemeinden) betrug Ende 1998 1.659,4 Mrd. S; die Relation Staatsschulden/BIP verbesserte sich seit 1997 von 64,3 % auf 63,1 %. Mit einer Pro-Kopf-Staatsverschuldung von 205.000 S nimmt Österreich im internationalen Vergleich eine mittlere Position ein. Positiv entwickelte sich seit 1994 der Primärsaldo aller öffentlichen Haushalte; bereinigt um den Schuldendienst, also um Aufwendungen für frühere Defizite, zeigten die Budgeteinnahmen beachtliche Überschüsse gegenüber den Ausgaben: 1997 verbuchten Bund, Länder und Gemeinden gemeinsam + 53,6 Mrd. S oder 2,1 % des BIP, 1998 betrug das Plus 50,1 Mrd. S oder 1,9 % des BIP.

Die Empfehlung des Staatsschuldenausschuss lautet auf Fortsetzung des erfolgreichen Konsolidierungskurses. Das relativ günstige konjunkturelle Umfeld sollte für langfristige Strukturmaßnahmen im Bundeshaushalt genützt werden. Das Stabilitätsprogramm, mit dem das öffentliche Defizit bis 2002 auf 1,4 % des BIP gesenkt werden soll, dürfte genügen, um auch im Falle eines Konjunkturrückganges die 3 %-Grenze des WWU-Stabilitätspaktes nicht zu überschreiten, heisst es im BERICHT ÜBER DIE FINANZSCHULD DES BUNDES 1998 (III-10 d.B.).

ERFOLGREICHE KONSOLIDIERUNGSPOLITIK

Laut Finanzschuldenbericht 1998 stiegen die Verbindlichkeiten des Bundes im Vorjahr auf insgesamt 1.572,9 Mrd. S. Bereinigt um Anleihen, die im Emissionsverfahren zurückgehalten oder auf dem Sekundärmarkt zurückgekauft wurden, betrug der Schuldenstand 1.535,7 Mrd. S. Damit unterschritt der Zuwachs der Finanzschuld des Bundes im Jahr 1998 mit 59,8 Mrd. S oder 4 % den Vergleichswert des Vorjahres (79,1 Mrd. S oder 5,7 %) relativ deutlich. Infolge von Finanzierungen im Budgetauslaufzeitraum (Jänner 1999), die erstmals dem folgenden Finanzjahr anzurechnen sind, lag der Schuldenzuwachs sogar unter dem Nettodefizit des Bundes in Höhe von 66,0 Mrd. S.

Bezogen auf das BIP geht die Schuldzunahme des Bundes seit 1996 zurück und liegt mit 2,3 % (1996), 3,1 % (1997) und 2,3 % (1998) deutlich unter dem Niveau von etwa 5 % des BIP in der Periode davor. 1998 konnte die bereinigte Finanzschuldenquote des Bundes erstmals seit 1992 stabilisiert werden (1997: 58,7 %; 1998: 58,6 %). In diesen Daten spiegle sich der erfolgreiche Konsolidierungskurs der Bundesregierung seit 1996 wider, lobt der Staatsschuldenausschuss.

NEUE BEDINGUNGEN FÜR FINANZPOLITIK UND SCHULDENMANAGEMENT

Der Bericht analysiert auch die veränderten Rahmenbedingungen für Finanzpolitik und Schuldenmanagement infolge des Überganges zur Wirtschafts- und Währungsunion. Im Rahmen der einheitlichen Geldpolitik des EU-11-Raumes hat das Budget asymmetrische Schocks abzufedern bzw. nationale Konjunkturschwankungen zu stabilisieren, zumal bei der Anpassung der Produkt- und Arbeitsmärkte Verzögerungen auftreten können. Vor neuen Aufgaben stehen auch die Finanzschuldenmanager, da die nationalen Finanzmärkte zu einem gemeinsamen Euro-Geld- und Euro-Kapitalmarkt verschmelzen. Bereits 1998 haben sie den entstehenden Euro-Markt als neuen Heimmarkt für Finanzierungen genutzt. Die Erhöhung der Fremdwährungsquote auf 25 % (1997: 20,4 %) resultiert ausschliesslich aus Schuldaufnahmen in Währungen, die 1999 im Euro aufgegangen sind. In Fremdwährungen aus dem Nicht-Euro-Raum notierten Ende 1998 nur 12 % der Verbindlichkeiten des Bundes (Ende 1997: 12,2 %).

Zur Bedeckung der Finanzierungslücke im Budget wurden 1998 fast ausschliesslich Bundesanleihen, insbesondere in Euro-Währungen, als mittel- bis langfristige Finanzierungsinstrumente herangezogen. Ausschlaggebend dafür war das rege ausländische Interesse an Rentenpapieren höchster Bonität bei historisch niedrigen nominellen Zinsen und die flache Zinsstrukturkurve des Jahres 1998. Zu Jahresende deckten titrierte Schuldkategorien (Anleihen, Obligationen, Schatzscheine, Schuldverschreibungen und Schatzwechselkredite) 81 % (1996: 75,1 %; 1997: 77,5 %) der Staatsschuld; der Anteil nicht titrierter Schilling-Verbindlichkeiten machte nur noch 17,7 %, jener der Fremdwährungskredite und -darlehen nur 1,3 % der Gesamtverbindlichkeiten aus.

Wegen des niedrigen Zinsniveaus finanzierte der Bund seinen Kapitalbedarf im Wesentlichen mit fixverzinsten Papieren. Deren Anteil an der Finanzschuld nahm 1998 um 142,2 Mrd. S oder 12,2 % zu, die Verschuldung in variabler Verzinsung (einschliesslich sprungfixer Verzinsung) wurde um 65 Mrd. S oder 20,6 % abgebaut. Die Verbindlichkeiten des Bundes waren Ende des Berichtsjahres zu 84 % (1997: 79 %) an einen fixen Satz gebunden. Der Anteil an Titeln mit variabler oder sprungfixer Verzinsung, deren Zinssätze von der Entwicklung der Kapitalmarktrenditen (Sekundärmarkt, Primärmarkt) abhängen, verminderte sich von 9 % auf 7 %. Finanzierungsinstrumente mit Geldmarktkonditionen deckten Ende 1998 9 % der Verbindlichkeiten des Bundes ab (1997: 12 %).

RESTLAUFZEIT DER FINANZSCHULD GEHT WEITER ZURÜCK

Die Restlaufzeit der Finanzschuld verkürzte sich 1998 - in abgeschwächtem Masse - weiter und betrug zuletzt 5,8 Jahre (1997: 5,9 Jahre). Während bei der Schillingschuld eine Stabilisierung der Restlaufzeit bei 5,4 Jahren zu verzeichnen war, sank der zur Verfügung stehende Rückzahlungszeitraum bei der Fremdwährungsschuld um 0,6 Jahre auf 7,1 Jahre. Im internationalen Vergleich liegt Österreich mit einer Fristigkeit der Finanzschuld von 5,8 Jahren über dem EU-Durchschnitt von etwa 5,2 Jahren.

Günstig entwickelte sich 1998 der Gesamtaufwand für den Schuldendienst. Zwar stieg der Zinsendienst gegenüber dem Vorjahr um 2,2 Mrd. S (1997: +1,7 Mrd. S oder +2,0 %) auf 90,1 Mrd. S an, beim sonstigen Aufwand (Abwicklungskosten, Ausgaben bzw. Einnahmen bei Unter- bzw. Über-pari-Emissionen, Kursdifferenzen infolge von Konversionen) überstiegen die Einnahmen infolge der Auflösung des Nullkuponfonds die Ausgaben um 4,1 Mrd. S.

STAATSVERSCHULDUNG IM INTERNATIONALEN VERGLEICH

Im Vergleich mit den EU-Ländern sowie der Schweiz, den USA und Japan liegt Österreich mit einer am BIP gemessenen öffentlichen Verschuldungsrate von 63,1 % im Mittelfeld. Den besten Wert weist Luxemburg mit 6,7 % auf, gefolgt von Grossbritannien (49,4 %), Finnland (49,6 %) und Irland (52,1 %). Die Schlusslichter bilden Griechenland (106,5 %), Japan (110,2 %), Belgien (117,3 %) und Italien mit 118,7 %.

Die Dynamik der öffentlichen Verschuldung nimmt in den EU-Staaten seit 1996 ab, die Konsolidierungerfolge waren 1998 aber deutlich geringer als 1997. Die Staatsverschuldung nahm im EU-11-Raum 1998 etwas stärker zu als im Vorjahr (1997: +1,7 % ; 1998: +3 %). Dies wird darauf zurückgeführt, dass 1998 die Veräusserung von Beteiligungen oder Ausgliederungen im Gegensatz zu 1997 eine vergleichsweise geringe Rolle spielte. Österreich rangierte 1998 mit einem relativen Anstieg von 2,6 % an fünfter Stelle unter den WWU-Staaten.

Die Pro-Kopf-Verschuldung betrug Ende 1998 im EU-Raum 190.600 S. Deutlich über diesem Wert befanden sich Belgien (352.300 S), Italien (296.200 S), Dänemark (225.700 S) und Schweden (222.000 S). Österreich (205.000 S), die Niederlande (200.800 S) und Deutschland (196.700 S) lagen Ende 1998 leicht über dem Durchschnittswert.  Die geringste öffentliche Verschuldung in Relation zur Bevölkerungszahl verzeichneten 1998 Luxemburg (33.700 S), Portugal (77.200 S) und Grossbritannien (135.600 S).

MITTELFRISTIGE SZENARIEN

Der Verpflichtung eines Mitglieds der Wirtschafts- und Währungsunion entsprechend hat die österreichische Bundesregierung Anfang November 1998 ihr Stabilitätsprogramm für die Jahre 1998 bis 2002 vorgelegt. Es sieht vor, das öffentliche Defizit (Bund, Länder und Gemeinden) bis zum Jahr 2002 auf 1,4 % abzusenken, sodass bei normalen Konjunkturschwankungen die Defizitquote auch ohne gegensteuernde Maßnahmen innerhalb der Obergrenze von 3 % des BIP gehalten wird. 2002 soll auch die Schuldenquote den Referenzwert von 60 % des BIP erreichen.

Der Verlauf der öffentlichen Defizit- und Schuldenquote für Österreich wurde anhand dreier Konjunkturszenarien geschätzt, einem "Haupt- bzw. Normalszenario", einem "oberen" und einem "unteren" Szenario.

Das Hauptszenario (BIP-Wachstum 1998: 3,3 %, 1999: 2,8 %, 2000: 2,6 %, 2001: 2,1 %, 2002: 2,2 %) ergibt in den kommenden drei Jahren eine schrittweise Reduktion des Defizits der öffentlichen Haushalte, das 1998 noch 2,2 % des BIP ausmachte, auf 1,4 % im Jahr 2002. Gleichzeitig soll sich die Schuldenquote des öffentlichen Sektors von 64,5 % des BIP (1998) auf 60,0 % im Jahr 2002 reduzieren.

Die Annahme eines eher ungünstigen wirtschaftlichen Umfelds mit Wachstumsraten für Österreich von 2,1 % im Jahr 1999 und einer Abschwächung in den kommenden Jahren auf 1,4 % (unteres Szenario) hätte zur Folge, dass sich die Defizitquote bei rund 2 % des BIP einpendeln und die Schuldenquote von 64,4% des BIP (1998) auf 62,9% des BIP im Jahr 2002 vermindern würde.

Im oberen Szenario (BIP-Wachstum jeweils 0,7 Prozentpunkte über Hauptszenario) sinkt das öffentliche Defizit bis zum Jahr 2002 auf 0,7 % des BIP und die Schuldenquote auf 57,2 % des BIP.

ÖSTERREICH HÄLT MAASTRICHTKURS

Der Ecofin-Rat bewertete das Stabilitätsprogramm der Bundesregierung als ausreichend im Sinne der Bestimmungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes, da davon auszugehen sei, dass die automatischen Stabilisatoren bei einem normalen Konjunkturrückgang wirksam werden können, ohne die 3 %-Marke zu überschreiten. Dennoch hielt der Rat ein weitergestecktes Defizitziel und einen schnelleren Rückgang der Schuldenquote für angebracht. Dem Ecofin-Rat geht es um die Absicherung gegen unvorhergesehene Entwicklungen, die Eröffnung von Spielräumen für eine antizyklische Haushaltspolitik und arbeitsplatzschaffende Maßnahmen. Außerdem sei Vorsorge für längerfristige finanzielle Belastungen aufgrund der Alterung der Bevölkerung zu treffen.

Auch der Staatsschuldenausschuss hat im Herbst 1998 festgestellt, dass zur Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts ein genügend grosser Spielraum für rezessive Konjunkturphasen zu schaffen ist. Er empfahl dem Bund, die auf Konsolidierung ausgerichtete Stabilitäts- und Wachstumspolitik konsequent fortzuführen und die vergleichsweise günstigen Rahmenbedingungen für langfristig orientierte, strukturelle Maßnahmen im Bundeshaushalt zu nützen.

Außerdem sei alles zu unternehmen, um Emissionen der Republik Österreich zu attraktiven Investments auf dem Euro-Markt zu machen und so die geringsten Finanzierungskosten zu erreichen. Dazu zählen laut Staatsschuldenausschuss unter anderem ausreichende Emissionsgrößen, die Pflege adäquater Bieterkonsortien und die Aufnahme von Bundesanleihen in die gängigen internationalen Euro-Staatsanleihenindizes. Zudem rät der Staatsschuldenausschuss, titrierten Euro-Emissionen den Vorzug zu geben und Emissionen in Nicht-Euro-Niedrigzinsländern wegen der Währungsrisken nur in selektivem Ausmass heranzuziehen.

Bestätigt wurde die Erwartung, dass sich die Finanzkrisen in Asien und Russland auf die europäische Konjunktur nur abgeschwächt und auf 1999 konzentriert auswirken werden. Mitte 1999 registrierte der Staatsschuldenausschuss für die Mehrzahl der EU-Länder eine von der Binnenkonjunktur getragene Belebung, die sich im Jahr 2000 beschleunigen sollte. Die Erholung stützt sich auf das niedrige Zinsniveau, die Verbesserung der Wettbewerbsposition, das hohe Verbrauchervertrauen und die stabilen Gewinnaussichten der Unternehmen. Auch für Österreich rechnete der Staatsschuldenausschuss Mitte 1999 mit einem Ende der einjährigen Konjunkturabschwächung. Die entscheidenden Stützen der Konjunktur werden der private Konsum und die Investitionen sein. Die Steuerreform 2000 und die Ausweitung der Familientransfers werden die Haushaltseinkommen erhöhen. Überdies sollten sich niedrige Zinsen und geringe Inflation positiv auf die Investitionen auswirken. 

"Die im Stabilitätsprogramm angestrebte Defizitreduktion auf 1,4 % des BIP im Jahr 2002 dürfte genügen, um bei einem Konjunkturrückgang die automatischen Stabilisatoren wirken zu lassen, ohne die im Stabilitäts- und Wachstumspakt vereinbarte Obergrenze für das Budgetdefizit von 3 % zu überschreiten", schreibt der Staatsschuldenausschuss in seinem Bericht über die Finanzschuld des Bundes im Jahr 1998. (Schluss)