Parlamentskorrespondenz Nr. 367 vom 20.06.2000

STAATSZIELBESTIMMUNG ZU VOLKSGRUPPEN IST PLENUMSREIF

Abgeänderte Regierungsvorlage vom Ausschuss einstimmig angenommen

Wien (PK) - Der Schutz und die Förderung der österreichischen Volksgruppen kommt als Staatszielbestimmung in die Bundesverfassung. Eine entsprechende Regierungsvorlage fand, in Form eines Abänderungsantrags aller vier Fraktionen, Dienstag Nachmittag in der Sitzung des Menschenrechts-Ausschusses die einhellige Zustimmung der Regierungs- und der Oppositionsfraktionen. In einem Unterausschuss waren zuvor Vertreter der sechs österreichischen Volksgruppen zu diesem Thema angehört worden.

Die einhellige Zustimmung wurde durch eine Reihe von - von den Sprechern der Opposition als wichtig anerkannten - Änderungen ermöglicht. So soll die Staatszielbestimmung nicht im Art. 6 der Bundesverfassung (im Zusammenhang mit dem Thema Staatsbürgerschaft) verankert werden, sondern beim Art. 8 (im Zusammenhang mit der Staatssprache). Nach dem entsprechenden Absatz soll nun ein Absatz mit der Staatszielbestimmung eingefügt werden. Der Wortlaut, auf den sich der Menschenrechtsausschuss geeinigt hat: "Die Republik (Bund, Länder und Gemeinden) bekennt sich zu ihrer gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt, die in den autochthonen Volksgruppen zum Ausdruck kommt. Sprache und Kultur, Bestand und Erhaltung dieser Volksgruppen sind zu achten, zu sichern und zu fördern."

Eine Zustimmung des Nationalrats noch vor dem Sommer und die positive Behandlung im Bundesrat vorausgesetzt, soll die Verfassungsänderung mit 1. August 2000 in Kraft treten. Ein von G-Abgeordneter Mag. Stoisits eingebrachter Entschließungsantrag auf Überarbeitung des Volksgruppengesetzes blieb in der Minderheit der oppositionellen Fraktionen.

Bereits am Vormittag hatte der Menschenrechtsauschuss die Regierungsvorlage (127 d.B. ) dem Ende Mai eingesetzten Unterausschuss zur Behandlung zugewiesen. In der Sitzung des Unterausschusses kamen auch Vertreter der sechs in Österreich anerkannten Volksgruppen zu Wort.

Auf der Tagesordnung der nachmittägigen Sitzung des Menschenrechtsausschusses , an der Staatssekretär Morak für das Bundeskanzleramt teilnahm, standen der Antrag 164/A der Sozialdemokraten und 13/A der Grünen sowie die genannte Regierungsvorlage . Dem Vorschlag von Vorsitzender Mag. STOISITS folgend, wurden die drei Vorlagen unter einem debattiert.

Abgeordneter ELLMAUER (V) wies in einer Wortmeldung auf das mit den vorgeschlagenen Änderungen dokumentierte weitgehende Eingehen der Regierungsfraktionen auf die Vorstellungen der Opposition hin. Namens seiner Fraktion signalisierte Abgeordneter Mag. POSCH (S) Bereitschaft zur Zustimmung. Eine längere Debatte entspann sich dann, nachdem Abgeordnete Mag. STOISITS einen Abänderungsantrag eingebracht hatte, der sich in nur einem Wort von dem zuvor von Abgeordnetem Ellmauer verlesenen, aber nicht formell eingebrachten Antrag unterschied: Stoisits wollte im 2. Satz des neuen 2. Absatzes im Art. 8 BV-G statt "dieser Volksgruppen" den folgenden Wortlaut: "der Volksgruppen".

In der Debatte um "dieser" und "der" trat Abgeordneter Dr. ZERNATTO (V) für "dieser" ein, weil sich die Staatszielbestimmung nur auf die anerkannten Volksgruppen beziehen könne. F-Abgeordneter Dr. GRAF wies auf die Zustimmung hin, die im Unterausschuss von den Vertretern der Volksgruppen geäußert worden sei und plädierte für eine Einigung in der Frage "der" oder "dieser", die von S-Abgeordneter Mag. PLANK als "Streit um des Kaisers Bart" qualifiziert wurde. Ihr Fraktionskollege Mag. POSCH meinte, niemand würde verstehen, wenn die Staatszielbestimmung an einem Wort scheitern sollte und betonte, dass in beiden Versionen der Bezug auf die autochthonen Volksgruppen eindeutig gegeben sei. Dies bedeute auch, dass sich die Bestimmung auch auf allenfalls in der Zukunft anerkannte Volksgruppen erstrecke - eine Ansicht, der auch Sektionschef Dr. OKRESEK (BKA) zustimmte. Nach der Zustimmung durch die Vorsitz führende Abgeordnete Mag. STOISITS (G) konnte der entsprechende Antrag als Vier-Parteien-Antrag eingebracht werden.

Im Zuge der Debatte brachte Abgeordnete Mag. STOISTIS (G) schließlich einen Entschließungsantrag ein, in dem die Regierung ersucht wird, dem Nationalrat eine Überarbeitung des Volksgruppengesetzes 1976 auf Grundlage der Forderungen des Memorandums der österreichischen Volksgruppen aus dem Jahr 1997 mit besonderem Augenmerk auf die Transformation des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten in das innerstaatliche Recht bis 1. Februar 2001 vorzulegen. Die Abgeordneten Dr. OFNER (F) und ELLMAUER (V) wandten sich gegen den Antrag, weil die Gleichzeitigkeit von Fixierung der Staatszielbestimmung und Änderung des Durchführungsgesetzes nachteilig sei - eine Argumentation, der die Sozialdemokraten (Mag. POSCH) und die Grünen (BROSZ) nichts abgewinnen konnten.

Der Hinweis von Abgeordneter Mag. STOISITS, der Entschließungsantrag sei das Produkt der Diskussion über dieses Thema und das Volksgruppengesetz bedürfe der dringenden Adaptierung, konnte die Regierungsfraktionen ebenso wenig umstimmen wie ihre Bereitschaft, die Frist bis 1. Mai 2001 auszudehnen. Der Entschließungsantrag blieb in der Minderheit der Fraktionen der Opposition.

Die Regierungsvorlage wurde in der Form des Abänderungsantrags einstimmig angenommen.

(Schluss)