Parlamentskorrespondenz Nr. 498 vom 27.06.2001

LIEBSCHER: DERZEITIGE HOHE INFLATION NUR VORÜBERGEHEND

Nationalbankspitze informiert Finanzausschuss über Wirtschaftslage

Wien (PK)- In seinem Halbjahresbericht über wirtschafts- und geldpolitische Fragen stufte Nationalbankgouverneur Klaus Liebscher den derzeitigen Aufwärtstrend bei der Inflation in Österreich als bloß vorübergehend ein. Für die aktuelle Preisentwicklung seien vor allem externe Faktoren wie die Auswirkungen der BSE-Krise, der Maul- und Klauenseuche sowie der hohe Rohölpreis verantwortlich, die nur temporär wirken, meinte Liebscher vor den Abgeordneten des Finanzausschusses . Er rechnet damit, dass die Preissteigerungsrate im nächsten Jahr in Österreich wieder unter die Zwei-Prozent-Marke fallen werde.

Als Grund für diese Einschätzung nannte er neben der moderaten Zinspolitik auch das gedämpfte Wirtschaftswachstum, das einen geringeren Aufwärtstrend bei den Preisen auslösen werde, sowie die bisherige Lohnentwicklung im Euro-Raum. Die Tarifpartner hätten einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung einer Lohn-Preis-Spirale geleistet, bemerkte der Gouverneur der Nationalbank, der zu einer weiteren Zurückhaltung bei Löhnen und Preisen aufrief. Der österreichischen Wirtschaftpolitik empfahl Liebscher strukturelle Reformen wie Deregulierung, Privatisierung und Flexibilisierung auf den Gütermärkten.

Vizegouverneurin Gertrude Tumpel-Gugerell berichtete über die konjunkturelle Situation und rechnete mit einer Abschwächung des Wachstums im Euro-Raum gegenüber dem Vorjahr um einen Prozentpunkt, zumal nun die Auswirkungen des Einbruchs der US-Wirtschaft zum Tragen kommen. Für Österreich bedeute dies, dass die Frühjahrsprognose von 2,5% Wachstum für 2002 nicht zu halten sei. Tumpel-Gugerell ging von einem Wachstum von 2,2 bis 2,3% aus. Einer der am stärksten von der gedämpften Konjunktur getroffenen Wirtschaftszweige werde die Bauwirtschaft sein, die jetzt schon deutliche Einbußen zu verzeichnen habe, meinte sie.

Besorgt über die Entwicklung der Konjunktur zeigte sich Abgeordneter Johannes Bauer (S), der Maßnahmen der Gegensteuerung durch die Bundesregierung forderte. Er kritisierte vor allem, dass es in der Bauwirtschaft viele Projekte, aber nur wenige Aufträge gebe.

Aus der schlechten Lage der Bauwirtschaft leitete Abgeordneter Günter Kiermaier (S) einen Handlungsbedarf für verstärkte Investitionen in die Infrastruktur ab, wobei er insbesondere auf einen raschen Ausbau der Westbahn drängte.

Abgeordneter Günter Stummvoll (V) betonte, die Nulldefizit-Strategie sollte trotz des abgeschwächten Wirtschaftswachstums nicht aufgegeben werden. Er warnte mit Nachdruck davor, nun durch neue Schulden öffentliche Beschäftigungsprogramme zu finanzieren. Dies sei schon in der Vergangenheit der falsche Weg gewesen. Der Konjunkturrückgang mache strukturelle Schwächen sichtbar. Deshalb sei gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für strukturelle Reformen, gab Stummvoll zu bedenken.

Finanzminister Karl Heinz Grasser bezeichnete es als verfehlt, von einer Rezession zu sprechen. Es bestehe keinerlei Grund, am Kurs der Finanz- und Budgetpolitik, der von sämtlichen Experten für richtig gehalten wird, auch nur einen Zentimeter zu rütteln, betonte er mit Nachdruck. Nicht nachfrageseitige, sondern angebotsseitige Maßnahmen seien gefragt. Der Finanzminister begrüßte in diesem Zusammenhang den Schwerpunkt in Richtung Forschung und Bildung, die Strom- und Gasliberalisierung sowie das Kinderbetreuungsgeld. Zu den Forderungen der SPÖ nach einer Forcierung der Infrastruktur teilte Grasser mit, die bauwirksamen Ausgaben des Bundes seien heuer um 30% erhöht worden.

(Schluss Notenbank/Fortsetzung Ausschuss)


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