Parlamentskorrespondenz Nr. 47 vom 30.01.2002

GESUNDHEITSPOLITIK IM MITTELPUNKT DER NATIONALRATSDEBATTE

Opposition spricht von Zwei-Klassen-Medizin

Wien (PK) - Gesundheitspolitische Themen standen im Mittelpunkt der weiteren Debatte des Nationalrats. Unter einem verhandelt wurden das in Form eines Antrags der Koalitionsfraktionen eingebrachte Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfondsgesetz sowie drei Anträge der Sozialdemokraten (268/A , 441/A und 443/A ).

Abgeordneter LACKNER (S) warf den Koalitionsparteien vor, durch die Einrichtung des Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds den Einstieg in die Zwei-Klassen-Medizin zu legitimieren. Lackner untermauerte seinen Vorwurf, indem er daran erinnerte, dass es ÖVP und FPÖ abgelehnt haben, die gleichen medizinischen Standards für private Krankenanstalten vorzusehen wie für öffentliche Spitäler und dass sie die ursprünglich vorgesehenen Fondsorgane aus dem Gesetzestext eliminiert hätten. Er vermisse demokratische Strukturen in diesem Fonds, klagte Lackner und sagte, die SPÖ könne dieser Klientelpolitik der Regierungsparteien nicht zustimmen.

Abgeordneter Dr. RASINGER (V) sprach von einem verzweifelten Versuch des sozialdemokratischen Gesundheitssprechers, eine Zwei-Klassen-Medizin herbeizureden. Er breche mit einer Tradition seiner Partei, die das Recht der Patienten auf eine private Krankenversicherung bislang noch nie mit Hinweisen auf eine Zwei-Klassen-Medizin kommentiert habe. Lackner sollte zur Kenntnis nehmen, dass 2 Millionen Österreicher - das ist mehr als der ÖGB Mitglieder hat - sich den "Luxus" einer privaten Krankenversicherung leisten. Rasinger unterstrich den hohen Standard der medizinischen Versorgung in Österreich, sah keinen Anlass für irgendeine sozialistische Gleichmacherei, sondern brach eine Lanze für minimale Elemente des Wettbewerbs im österreichischen Gesundheitssystem.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) zollte der Regierung Anerkennung für die Gründung des Fonds für Hepatitis-Opfer, vermisste aber jegliche finanzielle Beteiligung der Länder und der Pharma-Firmen. Handlungsbedarf ortete der Redner auch beim Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz. Nach den derzeitigen Bestimmungen sei es nicht möglich, den Dienst an Intensivstationen mehr als vier Tage pro Woche aufrecht zu erhalten, warnte er.

Abgeordneter Dr. PUMBERGER (F) zog eine positive Bilanz über zwei Jahre Gesundheitspolitik der Bundesregierung. Es sei gelungen, den hohen Standard der medizinischen Versorgung ohne Beitragserhöhungen und ohne Leistungskürzungen zu sichern, betonte er.

Abgeordneter Mag. MAIER (S) warf der Regierung vor, Drogenpolitik aus dem Bauch zu betreiben und die Süchtigen dadurch zu kriminalisieren. Vehement kritisierte er die Ablehnung des SP-Antrages auf jährliche Berichterstattung über die Drogensituation, und argumentierte, ohne exakte Daten sei eine gute Drogenpolitik nicht möglich.

Abgeordneter Dr. ZERNATTO (V) begrüßte die Einführung des leistungsabhängigen Abrechnungssystems für die privaten Krankenanstalten. De facto würde den Privatspitälern dadurch nun aber weniger Geld als bisher zur Verfügung stehen, gab er zu bedenken und appelierte an Waneck, diesen Punkt noch zu klären.

Abgeordnete HAIDLMAYR (G) rief zur Durchforstung der Liste der Privatspitäler nach Qualitätskriterien auf. Sie kritisierte zudem, dass viele Ärzte sowohl in öffentlichen als auch in privaten Krankenanstalten tätig sind und damit doppelgleisig finanziert werden. Weiters forderte Haidlmayr eine Ausweitung des Hepatitis-Fonds auf die Opfer von Bluttransfusionen.

Abgeordnete Mag. HARTINGER (F) bekannte sich zur Wahlfreiheit des Patienten für den Arzt und die Krankenanstalt seines Vertrauens. Vom Gesetz über die privaten Krankenanstalten erwartete sie sich mehr Transparenz zugunsten der Patienten.

Ein Abänderungsantrag Hartingers betraf die Verordnungsermächtigung des Gesundheitsministers bezüglich privater Krankenanstalten.

Abgeordneter Ing. KAIPEL (S) kritisierte die Regelung über den Hepatitis-Fonds, die, wie er vorrechnete, mehr als 50.000 geschädigte Empfänger von Bluttransfusionen nicht berücksichtige. Er verlangte insbesondere eine finanzielle Beteiligung der Pharma-Firmen an dem Fonds.

Abgeordnete STEIBL (V) unterstützte das Gesetz über die privaten Krankenanstalten. Der heutige Beschluss trage zu Transparenz und Qualitätssicherung bei, Ziel sei es aber, sämtliche Krankenanstalten in einen gemeinsamen Fonds einzubringen, unterstrich sie.

Abgeordnete CZÖRGITS (S) übte Kritik am Gesetz über die Privatspitäler: Ohne Qualitätskontrolle würden nun Gelder aus der Sozialversicherung an die privaten Krankenanstalten fließen. Zahlen werden alle, leisten werden es sich aber nur wenige können, formulierte sie und sprach von Zwei-Klassen-Medizin.

Staatssekretär Dr. WANEK hob hervor, mit dem Gesetz über die privaten Krankenanstalten sei es nun gelungen, sämtliche Spitäler in eine gemeinsame Angebotsplanung zu bringen. Hinsichtlich des Hepatitis-Fonds merkte der Staatssekretär an, ein Einvernehmen mit den Ländern und der Industrie stehe bevor, der Fonds sei jedenfalls liquid.

Abgeordnete Dr. POVYSIL (F) sah im freien Zugang aller Menschen zur Gesundheitsversorgung und im sinnvollen Miteinander öffentlicher und privater Anbieter wichtige Grundsätze der österreichischen Gesundheitspolitik. Der mündige Bürger soll Wahlfreiheit haben. Der Privatanstalten-Finanzierungsfonds ermögliche eine umfassende Planung für die Finanzierung der öffentlichen wie der privaten Spitäler, bringe eine Verbesserung der Qualitätssicherung und liege daher im Interesse des Gesundheitswesens insgesamt und aller kranken Menschen in Österreich, führte die Ärztin aus.

Abgeordnete Mag. LAPP (S) plädierte für eine durchgängige elektronische Dokumentation zur Qualitätssicherung bei der Eigenblutvorsorge und zeigte kein Verständnis für die zögerliche Haltung des Staatssekretärs in dieser Frage.

Abgeordnete Mag. HAKL (V) zeigte sich zuversichtlich, dass es bei den Ärztegehältern noch bis Freitag zu einer Einigung kommen werde. Vordringlich sei es dabei, dem Problem der Jungärzte besonderes Augenmerk zu schenken, betonte sie.

Abgeordnete HUBER (S) untermauerte die Forderung der SPÖ nach Qualitätssicherung bei Blutprodukten. Die Fälle von Hepatitis C-Infektionen zeigten für die Rednerin, dass großer Handlungsbedarf vorliegt. Unverständlich sei es jedenfalls, dass die Regierungsparteien eine diesbezügliche Initiative der SPÖ "abgeschmettert" haben, kritisierte Huber.

Abgeordnete WOCHESLÄNDER (F) verteidigte die Maßnahmen betreffend die privaten Krankenanstalten und verwahrte sich mit Nachdruck gegen eine Herabminderung der Privatspitäler durch die Opposition.

Abgeordneter MIEDL (V) setzte sich kritisch mit der Drogenpolitik der Opposition auseinander und stellte fest, die liberale Haltung in diesem Bereich sei überall kläglich gescheitert. Zur Forderung nach einem jährlichen Drogenbericht meinte er, die herrschende Datenlage, insbesondere die Daten der WHO, seien ausreichend.

Staatssekretär Dr. WANECK stellte klar, dass die Privatspitäler nun in die leistungsbezogene Krankenhausfinanzierung einbezogen werden. Verwundert zeigte er sich über die Kritik der SPÖ an den Privatspitälern. Auch in der Zeit der SP-Alleinregierungen seien Privatspitäler immer gefördert worden, erinnerte Waneck.

Abgeordneter KÖSSL (V) meinte, die Vorwürfe der Zweiklassenmedizin würden meilenweit an der Realität vorbeigehen. Es stimme einfach nicht, dass Gelder vom öffentlichen Bereich an die Privatspitäler abgezogen werden.

Abgeordneter BROSZ (G) hielt die Forderung nach einem Drogenbericht aufrecht und vermutete, die Regierungsparteien seien nur deshalb dagegen, weil sie fürchten, dass in diesem Bericht Dinge enthalten sein könnten, die ihrer Drogenpolitik nicht genehm sind.

Bei der Abstimmung wurde das Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfondsgesetz in der Fassung des Abänderungsantrages der Regierungsparteien mehrheitlich angenommen. Mehrheitlich angenommen wurden auch die negativen Ausschussberichte über SP-Anträge betreffend Suchtmittelgesetz, Hepathitis-Opfer und Qualitätssicherung bei Blutprodukten. (Schluss Gesundheit/Forts. NR)