Parlamentskorrespondenz Nr. 426 vom 11.06.2002

PETITIONSAUSSCHUSS: EXPERTENHEARING ZUR BIOMEDIZIN-KONVENTION

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Wien (PK) - Die Frage, ob Österreich die Biomedizin-Konvention des Europarates unterzeichnen soll, stand heute im Mittelpunkt eines Hearings im Petitionsausschuss des Nationalrates. Dabei wurden von den geladenen ExpertInnen zum Teil sehr divergierende Standpunkte vertreten, die Mehrheit plädierte jedoch trotz gewisser Vorbehalte gegen einzelne Artikel für eine Unterzeichnung der Konvention. So wurde seitens der Vertreter der beim Bundeskanzleramt eingerichteten Bio-Ethik-Kommission argumentiert, dass die Konvention in einigen Bereichen zu einer Verbesserung des Schutzniveaus in Bezug auf biomedizinische Forschung in Österreich führen wird. Gleichzeitig bestehe keinerlei Verpflichtung, dort, wo Österreich ein höheres Schutzniveau habe, die Standards abzusenken. Der Verhandlungsleiter Österreichs im zuständigen Komitee des Europarates, Michael Stormann (Justizministerium), meinte, es wäre ein "Illusion" zu glauben, man könnte noch irgendwelche Verbesserungen der Konvention erreichen. Zudem warnten einige Befürworter der Konvention davor, dass Österreich bei einer Nichtunterzeichnung Sitz von Forschern jener Länder werden könnte, die keine Mindeststandards im Bereich der biomedizinischen Forschung haben.

Skeptisch zur Biomedizin-Konvention äußerte sich nicht nur Birgit Primig als Vertreterin der Behindertenverbände, sondern auch zwei vom Sozialministerium entsandte Vertreter. Max Rubisch (Sektion Behindertenangelegenheiten) unterstrich, für das Sozialministerium komme eine Ratifizierung nur in Frage, wenn zuvor die Schutzbestimmungen, die es in Österreich für einwilligungsunfähige Personen gebe, in Verfassungsrang erhoben würden. Auch Heinz Trompisch (Lebenshilfe) forderte ein gesetzliches Gesamtpaket, das eine verfassungsrechtliche Absicherung der österreichischen Schutzbestimmungen inkludiert.

Ähnlich äußerte sich auch Grün-Abgeordnete Theresia Haidlmayr, die betonte, dass ihre Fraktion nicht gegen biomedizinische Forschung per se sei, wogegen man auftrete, sei, fremdnützige Forschung an einwilligungsunfähigen Personen zuzulassen. Auch Abgeordnete Edeltraud Gatterer (V) bekräftigte, es dürfe zu keiner Verschlechterung der Bestimmungen für zustimmungsunfähige Personen kommen. FPÖ-Behindertensprecherin Helene Partik-Pable forderte weitere Diskussionen auf europäischer Ebene ein, Abgeordnete Barbara Prammer (SPÖ) unterstrich die Notwendigkeit von "Transparenz und Informiertheit" im Bereich der biomedizinischen Forschung.

Grundlage für das Hearing im Petitionsausschuss bildete eine Petition der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR), die sich gegen die Biomedizin-Konvention des Europarates richtet. Diese Konvention regelt erstmals Mindeststandards zum Schutz der Menschenrechte und Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin. Nach Ansicht der UnterzeichnerInnen sind darin allerdings Bestimmungen enthalten, durch die "einwilligungsunfähige" Personen diskriminiert werden. So dürfe "in Ausnahmefällen" an Kleinkindern, geistig und psychisch behinderten Menschen, an altersdementen Menschen und an Koma-Patienten Forschung betrieben werden, auch wenn diese Forschung diesen Personen keinen Nutzen bringt bzw. sogar Risken birgt.

Eingeleitet wurde das Expertenhearing im Ausschuss durch Stellungnahmen der geladenen Experten und Expertinnen. Robert Gmeiner, Leiter der Geschäftsstelle der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt, informierte die Abgeordneten darüber, dass die Bio-Ethik-Kommission des Bundeskanzleramtes am Beginn dieses Jahres empfohlen habe, der Biomedizin-Konvention beizutreten. Allerdings würden Artikel 17 und 20 noch weitere Beratungen erfordern.

Universitätsprofessor Holger Baumgartner, Mitglied der Bio-Ethik-Kommission des Bundeskanzleramtes, warnte davor, dass der Fortschritt im biomedizinischen Bereich nicht zu einer Spaltung des Kontinents führen dürfe. Es sei zwar wichtig, dass die Länder ihre spezifischen Eigenheiten bewahren könnten, meinte er, sie dürften aber wirtschaftlich und wissenschaftlich nicht gegenüber den USA ins Hintertreffen geraten.

Was den umstrittenen Artikel 17 der Biomedizin-Konvention des Europarates betrifft, machte Baumgartner geltend, dass systematische Forschung auch dann angebracht sei, wenn kein individueller Nutzen bestehe. Einwilligungsunfähige Personen, zu denen z.B auch Notfallspatienten zählen, dürften nicht vom medizinischen Fortschritt ausgeschlossen werden, ohne dass sie sich dagegen wehren könnten. Vorraussetzung sei allerdings, räumte Baumgartner ein, dass bestimmte Ziele und Schutzbestimmungen eingehalten würden, was aber ohnehin Aufgabe der Ethik-Kommissionen sei.

Max Rubisch (Sektion Behindertenangelegenheiten des Sozialministeriums) unterstrich, das Sozialministerium halte die Biomedizin-Konvention grundsätzlich für positiv, weil einheitliche Mindeststandards für die biomedizinische Forschung geschaffen würden, seiner Ansicht nach widersprechen jedoch die Artikel 17 und 20 den in der Konvention verankerten Grundsätzen, da sie u.a. die Forschung an einwilligungsunfähigen Personen erlaubten, auch wenn kein Eigeninteresse vorliege.  Das stehe auch im Widerspruch zur österreichischen Verfassung, der zufolge niemand aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden dürfe. Aus diesem Grund kommt laut Rubisch für das Sozialministerium nur dann eine Ratifikation der Konvention in Frage, wenn zuvor die in Österreich geltenden Schutzbestimmungen für einwilligungsunfähige Personen verfassungsrechtlich abgesichert würden. Ähnlich äußerte sich auch der Arzt und Patientenvertreter Hubert Hartl, ebenfalls vom Sozialministerium für das Hearing nominiert.

Universitätsprofessor Christian Kopetzki, Mitglied der Bio-Ethik-Kommission des Bundeskanzleramtes, informierte die Abgeordneten darüber, warum die Kommission eine Ratifikation der Konvention empfohlen habe. Er wies u.a. darauf hin, dass die Konvention der erste Versuch auf internationaler Ebene sei, Mindeststandards für die biomedizinische Forschung festzulegen. Jeder Staat, der die Teilnahme an der Konvention verweigere, leiste einen Beitrag zur Verhinderung solcher Mindeststandards. Weiters gebe es für spezielle Bereiche noch Zusatzprotokolle zur Konvention, an deren Ausarbeitung jedoch nur jene Staaten teilnehmen könnten, die die Rahmenkonvention unterzeichnet haben.

Kopetzki gab darüber hinaus zu bedenken, dass es, hebe man die Konvention in Verfassungsrang, wofür er plädiere, zu einem Zuwachs von ganz neuen Grundrechten kommen würde. Dem gegenüber sei Österreich nicht verpflichtet, sein Schutzniveau dort herunter zu setzen, wo es strengere Regelungen habe. Das treffe insbesondere auch auf den Schutz einwilligungsunfähiger Personen zu.

Um zu verdeutlichen, warum die Biomedizin-Konvention trotz ihrer Mängel ratifiziert werden solle, erinnerte Kopetzki daran, dass auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention die Todesstrafe ursprünglich nicht verboten gewesen sei, um gewissen Staaten nicht einen Beitritt zu verunmöglichen. Später habe man das Verbot dann in ein Zusatzprotokoll aufgenommen. Die Vorstellung eine inhaltliche Verbesserung der Biomedizin-Konvention selbst zu erreichen, hält der Experte für "naiv".

Der evangelische Theologe Ulrich Körtner, ebenfalls Mitglied der Bio-Ethik-Kommission, schloss sich den Ausführungen Kopetzkis an und machte insbesondere geltend, dass eine Ratifikation der Konvention in manchen Bereichen zu einer Verbesserung des österreichischen Schutzniveaus führen würde. So würde der Embryonenschutz in Verfassungsrang gehoben, was angesichts der rasanten Entwicklung in der Embryonal- und Stammzellenforschung von großer Bedeutung wäre. Körtner erwartete sich von der Konvention außerdem mehr Transparenz und Rechtssicherheit für die Forschung.

Skeptisch gegenüber der Biomedizin-Konvention äußerte sich hingegen Birgit Primig, Vorsitzende der von der Dachorganisation der Behindertenverbände gegründeten Ethikkommission. Sie betonte, die österreichischen Behinderten fänden es zwar prinzipiell gut, dass versucht werde, europaweite Mindeststandards für die biomedizinische Forschung einzuführen, die Biomedizin-Konvention scheint ihrer Meinung nach aber nicht dafür geeignet, da sie in manchen Bereichen Menschenrechte verletze und einwilligungsunfähige Menschen diskriminiere. Die Behinderten seien nicht so naiv zu glauben, dass an der Konvention noch etwas geändert werden könne, sagte Primig, dennoch sei eine nochmalige Diskussion auf europäischer Ebene erforderlich. Eine rasche Ratifizierung durch Österreich solle jedenfalls nicht erfolgen.

Michael Stormann, der als Vertreter des Justizministeriums österreichischer Verhandlungsleiter im für die Biomedizin-Konvention zuständigen Komitee im Europarat war, verteidigte die Konzeption der Konvention und meinte, ihr schlechter Ruf resultiere teilweise daraus, dass viele die ursprüngliche Fassung mit der letztendlich beschlossenen und stark verbesserten endgültigen Fassung verwechselten. Es sei stets daran gedacht gewesen, eine Rahmenkonvention mit Mindeststandards zu erarbeiten und dazu dann Zusatzprotokolle für "High-Standard-Staaten" zu schaffen. Mittlerweile würden Zusatzprotokolle betreffend ein umfassendes Klonverbot und zum Thema Transplantationen vorliegen, die aber nur von jenen Staaten ratifiziert werden könnten, die die Rahmenkonvention ratifiziert haben.

Stormann bekräftigte, es sei nicht so, dass die Konvention bestimmte Forschungsbereiche erlaube, z.B. die Entnahme von Organen, vielmehr enthalte sie nur die Erlaubnis für den Staat, Forschung in diesem Bereich zuzulassen. Eine Entscheidung darüber obliege jedem einzelnen Staat. Als "Illusion" wertete es Stormann, zu glauben, dass noch Verbesserungen der Konvention erreicht werden könnten. Für eine Änderung brauche man nämlich eine Zweidrittelmehrheit, von den Mitgliedsstaaten des Europarates vertrete aber nur Deutschland eine ähnliche Haltung wie Österreich.

Heinz Trompisch (Lebenshilfe) hielt fest, gemeinsame europäische Mindeststandards seien grundsätzlich etwas, was zu begrüßen sei. In der Biomedizin-Konvention des Europarates sieht er aber teilweise gefährliches Gedankengut. Auch die Zusatzprotokolle hätten keine Verbesserungen für einwilligungsunfähige Personen gebracht. Trompisch betonte, niemand hindere Österreich daran, die geltenden Schutzbestimmungen für diese Personengruppe verfassungsrechtlich abzusichern, nur unter dieser  Vorraussetzung kann er sich eine Ratifikation der Konvention vorstellen.

Günther Virth, Universitätsprofessor für katholische Theologie, wies darauf hin, dass es sich bei der Biomedizin-Konventionen um eine Menschenrechtskonvention für Biomedizin handle. Die Sorgen vor einem "ethischen Sog nach unten" hält er zwar für berechtigt, diesen könnte es seiner Auffassung aber sowohl mit der Unterzeichnung der Konvention als auch ohne sie geben, wobei bei einer Unterzeichnung wenigstens gewisse Grenzen gesetzt würden. Zudem würden durch eine Unterzeichnung gewisse Schlupflöcher in Österreich zugemacht, sagte er. Virth stellt sich folgendes Procedere vor: 1. Unterzeichnung, 2. Verbesserung der österreichischen Gesetze, 3. Ratifizierung. Generell hielt er fest, nicht nur eine Zustimmung zur Konvention, auch deren Ablehnung, müsste ethisch begründet werden.

Psychotherapeutin Rotraud Perner beleuchtete das Thema unter psychotherapeutischem Blickwinkel und meinte, aus psychotherapeutischer Sicht gebe es keine zustimmungsunfähigen Personen, sondern nur Personen, bei denen der Widerstand nicht bemerkt werde. Allgemein warnte sie davor, vorschnell unter dem Druck wirtschaftlicher Interessen und der Gruppendynamik Entscheidungen zu treffen. Es gebe auch andere Methoden als an lebenden Menschen zu forschen. Zudem müssten die Folgen, z.B. der psychische Zustand von Personen, die aufgrund von Organspenden anderer weiterlebten, berücksichtigt werden.

Universitätsprofessor Jochen Taupitz berichtete über die Diskussion in Deutschland zum gegenständlichen Thema und hielt fest, dort werde mittlerweile darüber diskutiert, ob die Konvention nicht Forschung zu sehr einschränke und daher verfassungswidrig sei. Nicht das Zuwenig sei das Thema, sondern etwaige zu strikte Regelungen. Die Gefahr eines Missbrauchs einwilligungsunfähiger Personen sieht Taupitz nicht, da bei konkreten Forschungsprojekten ohnehin Ethik-Kommissionen einzuschalten sind und auch die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erforderlich sei. Außerdem müsse die Frage des Menschenrechts auch aus dem Blickwinkel derjenigen gesehen werden, die von Forschung profitieren, das gelte auch für einwilligungsunfähige Personengruppen.

Seitens der Abgeordneten unterstrich FPÖ-Behindertensprecherin Helene Partik-Pable die Notwendigkeit, das Thema einwilligungsunfähige Personen in Europa stärker zu diskutieren. Sie akzeptiere den Forschungsbedarf, sagte sie, bezweifle aber, dass die Konvention dazu beitragen werde, dass beispielsweise Pharma-Firmen ihre Medikamente für Kinder genauer prüfen. Eine gewisse Gefahr sieht Partik-Pable in der Unzahl von unbestimmten Begriffen in der Konvention.

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (G) erklärte, wenn die Konvention des Europartes ratifiziert und in Verfassungsrang gehoben werde, müssten auch die österreichischen Schutzbestimmungen für einwilligungsunfähige Personen per Verfassungsgesetz abgesichert werden. Die Grünen seien nicht generell gegen Forschung an einwilligungsunfähigen Personen, erklärte sie, fremdnützige Forschung an dieser Personengruppe wolle man aber dezidiert nicht.

Abgeordnete Edeltraud Gatterer (V) gab zu bedenken, dass es in Bezug auf die Biomedizin-Konvention zahlreiche Ängste gebe, die entkräftet werden müssten. Für sie ist es ganz klar, dass es für nicht zustimmungsfähige Personen keine Verschlechterung geben dürfe. Eine Gefahr sieht sie darin, dass Österreich die Türe für verschiedene Forschungen öffnet, die man überhaupt nicht wolle, wenn die Konvention nicht ratifiziert wird.

Abgeordnete Barbara Prammer (S) forderte eine hohe Transparenz und Informiertheit im Zusammenhang mit biomedizinischer Forschung ein und interessierte sich darüber hinaus für die weitere Vorgangsweise der Regierung in der Frage der Ratifikation.

Abgeordneter Alois Pumberger (F) ortete angesichts der sehr komplexen Thematik, den vielen unbestimmten Begriffen und dem großen Entwicklungstempo in der Biomedizin großen Diskussionsbedarf und sprach sich dagegen aus, gute österreichische Standards abzusenken.

Abgeordnete Maria Fekter (V) fragte die SPÖ, ob sie zu einer verfassungsrechtlichen Absicherung der besseren österreichischen Standards bereit sei. Von den Experten wollte sie wissen, wo sie legistischen Handlungsbedarf für Österreich sehen.

Für Abgeordnete Christine Lapp (S) ging es eigentlich nicht darum, der Biokonvention zuzustimmen oder sie abzulehnen, sondern ein konkretes Handlungspaket zu schnüren.

Abgeordneter Manfred Lackner (S) wies den "Versuch der Abgeordneten Fekter zurück, der Opposition das Gesetz des Handelns zuzuschieben".

Michael Stormann machte darauf aufmerksam, dass es sich bei der Biomedizin-Konvention um einen völkerrechtlichen Vertrag handle, der teils generelle Bestimmungen, teils sehr differenzierte Bestimmungen enthalte. Während sich die generellen Bestimmungen nicht zur unmittelbaren Anwendung eigneten, seien die differenzierten Bestimmungen zu detailliert, um in die Verfassung aufgenommen zu werden. Der Vertrag richte sich nicht an Praktiker, sondern an die Gesetzgeber der Mitgliedsstaaten. Sein Vorschlag lautete, von Seiten der Regierung unter Einbeziehung der betroffenen Gruppen Gesetzentwürfe zur Anpassung auszuarbeiten, gleichzeitig die Konvention zu unterzeichnen und dem Nationalrat die Gelegenheit zu geben, in einem Gesamtpaket die Aus- und Durchführungsgesetze und die Ratifizierung der Konvention und der Zusatzprotokolle zu beschließen. An Verfassungsbestimmungen führt für Stormann kein Weg vorbei, da die Alternative eine Ratifikation mit Vorbehalten wäre. Dies sei zu vermeiden, da es unmöglich sei, mit dem Ziel eines höheren Schutzniveaus zu verhandeln und gleichzeitig Vorbehalte gegen das niedrigere Niveau anzumelden.

Günther Virth definierte die vier Gruppen der Nützlichkeit mit individuellem, künftigem, Gruppennutzen und Fremdnützlichkeit. Hinsichtlich der "minimalen Risken und minimalen Belastungen" schlug der Experte vor, einen Verweis auf den diesbezüglichen verbindlichen Interpretationsschlüssel vorzusehen. Legislativen Handlungsbedarf sah Günther Virth bei prädiktiven Gentests, die Auskunft über das Ausbrechen einer Krankheit bei einer bestimmten Person in der Zukunft geben können.

Christian Kopetzki sah die Konvention als ein Grundrechtsdokument, das hinsichtlich des Legalitätsprinzips und des Bestimmtheitsgebots nicht mit einem Gesetzestext vergleichbar sei, aber wesentlich präziser formuliert sei als etwa die Menschenrechtskonvention oder die Sozialcharta. Legistischen Nachbesserungsbedarf sah Kopetzki in zahlreichen Rechtsbereichen, namentlich auch in der Gentechnik. Er wies auf die Gefahr hin, dass Österreich durch die Nicht-Ratifizierung der Konvention zu einem Schlupfloch für Firmen werden könnte, die von hier aus in Drittländern konventionswidrige Forschung betreiben wollen. Gegen eine verfassungsrechtliche Absicherung der österreichischen Standards zeigte sich der Jurist skeptisch. Es sei unklug, auf einem Gebiet Verfassungsbestimmungen zu beschließen, das von so raschen Änderungen gekennzeichnet sei.

Holger Baumgartner lobte die Gesprächs- und Kommunikationskultur, die in der Zusammenarbeit mit den Behindertenorganisationen entstehe. Ob die Konvention nun ratifiziert werde oder nicht - die biologische Revolution gehe weiter und brauche geeignete Rahmenbedingungen. Baumgartner bejahte die Forschung, man müsse aber sicherstellen, dass sie rechtlich und ethisch vertretbar betrieben werde. Baumgartner unterstrich die Bedeutung der Grundlagenforschung, forderte ein umfassendes Regelwerk für die Biomedizin und warnte davor, das "US-Sozialdumping" mit einem europäischen "Ethik-Dumping" zu beantworten. Die Ethik-Kommission habe eine wichtige Rolle für die Forschungskultur und den Schutz der Patienten.

Jochen Taupitz erklärte die "unbestimmten Begriffe" der Konvention mit dem Hinweis auf unterschiedliche nationale Terminologien und politische Kompromisse. Sie hätten auch gute sachliche Gründe, da etwa die Frage des gesetzlichen Vertreters in den einzelnen europäischen Ländern unterschiedlich geregelt sei. Schließlich wies der Experte auf die Möglichkeit hin, die Konvention zu ratifizieren und gleichzeitig eine Interpretationserklärung abzugeben, in der klargestellt werden könne, wo nationales Recht weiter angewendet werden soll.

Ulrich Körtner berichtete zunächst von einer einmütigen Willensbildung in der Bio-Ethik-Kommission und führte dann aus, dass die Konvention für ihn keinen Endpunkt der Diskussion und keinen fix kodifizierten Text darstelle, sondern einen Rahmen für einen dynamischen Prozess vorgebe, den er als einen Menschenrechtsprozess verstehe, an dem Österreich teilnehmen sollte. Erhöhte Aufmerksamkeit wollte Körtner dem Embryonenschutz widmen, für den eine Ratifikation der Bio-Medizin-Konvention einen Impuls darstellen könnte. Mehr Grundrechtsschutz verlangte der Experte am Beginn des Lebens.

Hubert Hartl informierte über die Einbindung der Behinderten- und Selbsthilfegruppen im Ministerium für soziale Sicherheit und Generationen und wies auf eine vom Ressort durchgeführte Gegenüberstellung der gesetzlichen Grundlagen mit der Biomedizin-Konvention hin, der rund ein Jahr dauern werde.

Rotraud Perner registrierte eine Dominanz juristischer Paradigmen in der Diskussion. Sie warnte davor, mit Sprache zu manipulieren und die eigene Gewalttätigkeit zu legitimieren. Perner riet dazu, die Erfahrungen der Tiefenpsychologie für den Schutz der Betroffenen zu nutzen und sah im Bereich der Biomedizin eine besondere Verantwortung Österreichs aufgrund seiner besonderen historischen Erfahrungen.

Der Ausschuss für Petitionen und Bürgerinitiativen beschloss einstimmig, die Beratungen über die Petition Nr. 35 "Nein zur Biomedizin-Konvention des Europarates" zu vertagen.

Weiters fasste der Petitionsausschuss heute folgende Beschlüsse:

Petition Nr. 92 gegen illegale Beschäftigung - Vertagung

Petition Nr. 93 betreffend deutsch-angloamerikanische Mischsprache "Denglisch" - Vertagung

Petition Nr. 94 für die Erhaltung der Postämter 4831 Obertraun, 4821 Lauffen, 4820 Pfandl, 4823 Steeg, 4817 St. Konrad, 4662 Steyrermühl - Vertagung

Petition Nr. 95 gegen die Schließung des Postamtes 3961 Waldenstein im Waldviertel - Vertagung

Petition Nr. 96 für Chancengleichheit gehörloser Menschen im österreichischen Bildungssystem - Vertagung

Bürgerinitiative Nr. 27 für Bildungsvielfalt und faire Konkurrenz auf dem Bildungssektor - Vertagung (Schluss)