Parlamentskorrespondenz Nr. 592 vom 22.07.2003

BUDGETKONSOLIDIERUNG UND ZUKUNFTSINVESTITIONEN

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Wien (PK) - Finanzminister Karl-Heinz Grasser hat dem Nationalrat kürzlich das Budgetprogramm der Bundesregierung für die Jahre 2003 bis 2006 (III-40 d.B.) vorgelegt. Darin beschreibt Grasser seine "neue Politik einer wirksamen Budgetkonsolidierung", mit der es bereits ein Jahr früher als geplant, nämlich 2001 gelungen ist, einen Budgetüberschuss von 0,3 % des BIP und damit einen ausgeglichenen gesamtstaatlichen Haushalt zu erreichen. Die "neue Qualität der öffentlichen Finanzen" erlaube es nun, konjunkturelle Schocks ohne Gefahr für die finanzpolitische Stabilität abzufedern. Daher konnte die Bundesregierung 2002 und 2003 die automatischen Stabilisatoren voll wirken lassen und den Hochwasser-Geschädigten rasch und unbürokratisch helfen.   

Grasser will Konsolidierung und Strukturreformen fortsetzen, Wachstum und Beschäftigung stärken, die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes sichern und die wachsenden budgetären Belastungen einer "alternden" Bevölkerung bewältigen. Durch Reformen auf den Güter-, Arbeits- und Kapitalmärkten soll das Wachstum in Österreich dauerhaft auf 2,5 bis 3 % gesteigert werden; Reformschwerpunkte sind das Pensions- und Gesundheitswesen sowie die Anhebung der Erwerbsquote, etwa durch Erhöhung des Pensionsantrittsalters.

Um zu verhindern, dass Betriebe und zukunftsträchtige Arbeitsplätze abwandern, muss Österreich laut Minister Grasser Stabilität, Rechtssicherheit und gute Infrastruktur bieten sowie steuerlich attraktiv bleiben. Dies setze solide öffentliche Finanzen voraus. Daher will die Bundesregierung den Haushalt durch Budgetdisziplin und Strukturreformen über den Konjunkturzyklus ausgleichen. Dazu kommen eine grundlegende Steuerreform, Reformen zur Sicherung der Gesundheits- und Pensionssysteme, eine Bundesstaats- und Verwaltungsreform sowie die Fortsetzung der erfolgreichen Privatisierungspolitik der letzten Jahre.

Der Staat darf auf Dauer nicht mehr ausgeben als er einnimmt, lautet das Credo des Finanzministers. Es gilt Defizite zu vermeiden, die aus einer Überlastung der öffentlichen Haushalte stammen. Einnahmen und Ausgaben sollen mittelfristig - über einen Konjunkturzyklus hinweg - im Gleichgewicht stehen. Zwar müsse der Staat bereit sein, in einer Konjunkturschwäche Defizite hinzunehmen, in guten Jahren müsse er aber Überschüsse erwirtschaften, um die Verschuldung nicht weiter ansteigen zu lassen. Das Österreichische Stabilitätsprogramm folgt diesem Grundsatz: Bei Berücksichtigung der Steuerreform und einer allenfalls ungünstigen wirtschaftlichen Entwicklung sind für die kommenden Jahre folgende Maastricht-Defizit-Quoten (in Prozent des BIP) zu erwarten - 2003: -1,3; 2004: -0,7; 2005: -1,5; 2006: -1,1; 2007: -0,4. Ohne die zu erwartenden Einnahmenausfälle infolge der Steuerreform würde bereits 2006 ein Überschuss erreicht werden.

Die Konsolidierung des Bundeshaushaltes dürfe nicht durch eine Erhöhung der Steuer- und Abgabenquote, sondern müsse durch Einsparungen, effizientes Wirtschaften und Strukturmaßnahmen erreicht werden, hält der Finanzminister fest. Mehr Geld will er für Zukunftsinvestitionen zur Verfügung stellen: für Forschung und Infrastruktur, Bildung, Familien, Exportförderung, innere und äußere Sicherheit, Entwicklungszusammenarbeit und Umwelt, insbesondere für die Erfüllung der Klimaschutzziele nach dem Kyoto-Abkommen.

Um die Notwendigkeit rigoroser Budgetdisziplin zu betonen, erinnert Minister Grasser an die Folgen der Finanzpolitik der neunziger Jahre, als die Schulden der öffentlichen Hand auf 67,5 % des BIP stiegen, was dazu führte, dass der Bund für Zinsen gleich viel aufwende wie für Bildung und Wissenschaft. Langfristig soll die Staatsschuld nicht stärker wachsen als das BIP. Grasser will verhindern, dass künftige Generationen wichtige Staatsaufgaben nicht mehr finanzieren können.

WIRTSCHAFTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN

Vor dem Hintergrund der Wachstumsschwäche, die seit dem 2. Quartal 2001 Europa und die USA prägt, startete die Legislaturperiode mit einem realen Wirtschaftswachstum von nur etwa 1 %. Bei der Arbeitslosenquote liegt Österreich mit 4,3 % auf dem drittbesten Platz in der EU. Die moderaten Preissteigerungen (zuletzt 1,1 %) werden sich mittelfristig positiv auf Kaufkraft und Standortqualität auswirken. Der hohe Euro-Kurs verbilligt Importe aus den USA und Asien, verschlechtert aber die Wettbewerbsfähigkeit der Exporte im Nicht-Euroraum. Trotzdem entwickelt sich Österreichs Außenbilanz erfreulich: Ausfuhren nach Mittel- und Osteuropa tragen besonders stark zum Wachstum bei, die Leistungsbilanz liegt deutlich im Plus.

Die Wirtschaftspolitik lässt die automatischen Stabilisatoren voll wirken und verhindert damit einen Einbruch der heimischen Kaufkraft. Die Budgetpolitik zielt auf einen über den Konjunkturzyklus nahezu ausgeglichenen Haushalt und damit auf eine sinkende Schuldenquote, was die Kapitalmärkte mit der höchsten Bonitätsstufe honorieren. Dazu kommen Strukturreformen und die Senkung der Steuer- und Abgabenquote bis 2006 auf unter 43 % des BIP.

Ab 2004 beschleunigt sich das Wachstum. Die Steuerreform stärkt die Nachfrage, das niedrige Zinsniveau unterstützt den Rückgang der Schuldenquote. Bei hoher Preisstabilität wächst die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs bei den Lohnstückkosten. Zum  Wachstum tragen privater Konsum, Export und Investitionen der  Unternehmen bei, während der öffentliche Konsum zurückhaltend bleibt, um Konsolidierungserfolge nicht zu gefährden und weitere Spielräume für die Senkung von Steuern und Abgaben zu schaffen.

DIE ZIELE DER STEUERREFORM

Die Bundesregierung will die Abgabenquote bis 2006 auf unter 43 % des BIP zu senken, nachdem sie seit 2001 bereits von 45,6 % des BIP auf etwa 44,4 % BIP gesunken ist. 2004 und 2005 soll die größte Steuerreform der Zweiten Republik eine weitere Entlastung von 1,3 Prozentpunkten bringen. Die bereits beschlossene erste Etappe wird 2004 in Kraft treten und mittelfristig zu einer jährlichen Nettoentlastung von 0,5 Mrd. € führen. Die zweite Etappe soll 2005 mit einer Nettoentlastung von 2,5 Mrd. € umgesetzt werden.

Die Steuerreform soll das Wachstum stärken, den Standort verbessern, den Faktor Arbeit entlasten, umweltschonende Anreize geben, die Eigenkapitalbasis der KMUs verbessern, die Kaufkraft der kleinen und mittleren Einkommensbezieher und die Steuergerechtigkeit erhöhen, das Steuersystem und den Steuertarif vereinfachen, Bagatellsteuern abschaffen, art- und wesensgleiche Steuern zusammenführen und die Gebührenfinanzierung verstärken.

Dazu kommen rasch wirksame Reformen der Pensions- und Gesundheitssysteme, die auf Veränderungen im Aufbau einer alternden Bevölkerung reagieren. Die Stichworte lauten: schrittweise Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters, Harmonisierung der Pensionsversicherungssysteme, Erhöhung der Erwerbsbeteiligung sowie eine Gesundheitsreform mit einer Harmonisierung des Beitrags-, Tarif- und Leistungssystems und Einsparungen in der Verwaltung. Ziele der Effizienzsteigerungen ist die Sicherstellung einer qualitativ hoch stehenden medizinischen Versorgung.

ARBEITSMARKTPOLITISCHE MASSNAHMEN

Um die Erwerbs- und Beschäftigungsquote, insbesondere von Älteren und Frauen, anzuheben, schafft die Bundesregierung Anreize zur mittelfristigen Erreichung des Regelpensionsalters statt eines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Arbeitsmarkt: modifizierte Fortführung des Altersteilzeitgeldes, Senkung der Lohnnebenkosten für Arbeitnehmer ab 56/58 und Nachjustierung des Bonus-/Malussystems in der Arbeitslosenversicherung.

PERSONAL UND VERWALTUNGSREFORM

Mehr Effizienz lautet auch Grassers Stichwort für die Bundesverwaltung. Bis Ende 2006 sollen 10.000 Planstellen durch beschränkte Nachbesetzung des natürlichen Abgangs eingespart und die Überstunden um 8 % reduziert werden. Der öffentliche Sektor soll auf den OECD-Durchschnitt reduziert werden. Im Bildungsbereich will der Finanzminister den durch die Seniorität verursachten Anstieg der Personalausgaben kompensieren. Eine Reduzierung der Stundentafel bei den Bundesschulen soll die Ausgaben an den Durchschnitt der OECD-Staaten annähern und die SchülerInnen entlasten. Zulagensystem und Lehrverpflichtung sollen überprüft, die Personalausgaben für Landeslehrer durch eine Anhebung der SchülerInnen/LehrerInnen-Relation stabilisiert werden.

Konsequent fortgeführt wird die Verwaltungsreform. Der "Österreich- Konvent" wird Vorschläge für eine Staats- und Verfassungsreform mit dem Ziel ausarbeiten, die öffentliche Aufgaben künftig noch bürgerfreundlicher und effizienter zu erfüllen. Dazu gehört die Zusammenführung von Ergebnis- und Ressourcenverantwortung, die Verknüpfung von Leistungsindikatoren und Ressourcenverteilung, die Erweiterung des Rechnungswesens nach kaufmännischen Grundsätzen und entsprechende dienstrechtliche Vorkehrungen. Schrittweise ab 2005 soll die Verknüpfung von Finanzierungs- und Ergebnisverantwortung eingeführt werden.

Spezielle Verwaltungsreformprojekte sind die Redimensionierung der militärischen und zivilen Führungsstrukturen im Heeresressort zugunsten operativer Kräfte, die Bildung eines einheitlichen Wachkörpers aus Polizei, Gendarmerie, Zollwache und Schifffahrtspolizei, die Beschleunigung des Asylverfahrens, die Verminderung der Ebenen der Gerichtsorganisation und die Reform der Fahrnisexekution. Die Gründung einer zentralen Buchhaltungsagentur für alle Ressorts ist im Gange.

ZUKUNFTSINVESTITIONEN: FORSCHUNG, BILDUNG UND INFRASTRUKTUR

Eine moderne Volkswirtschaft mit hohem Beschäftigungsniveau braucht attraktive Rahmenbedingungen für Investitionen. Zukunftsorientierte Ausgaben sollen daher einen höheren Anteil am Budget bekommen. Das Offensivprogramm für Forschung und Entwicklung wird von 2004 bis 2006 fortgesetzt und dafür 600 Mill. € zusätzlich bereitgestellt, um rund 100 Mill. € oder 20 % mehr als in den letzten Jahren.

Zu den Zukunftsinvestitionen zählen auch Bildung und Qualifikation, insbesondere die schulische IT-Ausbildung und die Ausweitung der Studienlehrgänge. Ab 2004 erhalten die Universitäten volle Autonomie über ihre Budgets. Bis 2006 ist ein gegenüber bisher höherer Globalbetrag vorgesehen, der jährlich um die Bezugserhöhung für Beamte und Vertragsbedienstete angepasst wird. In Zukunft werden Bund und Universitäten dreijährige Leistungsvereinbarungen mit allen wechselseitigen Leistungen und Verpflichtungen abschließen.

Die Ausgaben für mittlerweile 124 Fachhochschul-Studiengänge wurden 2003 und 2004 auf 107 Mill. € angehoben. Die für 2004/05 angepeilte Zahl von 21.000 Studienplätzen wird früher als geplant erreicht. Der Fachhochschul-Entwicklungsplan III zielt ab 2005 auf eine qualitative Konsolidierung des Angebotes und eine Abrundung des Studienangebotes.

Für Bildungsinnovationsprojekte an den Schulen sollen im Zeitraum 2004 bis 2006 72 Mill. € aufgewendet werden.

Mehr investieren will die Bundesregierung auch in den Ausbau von hochrangigem Straßennetz und Schiene. Die Bahn soll höhere Effizienz mit besserem Kundenservice und einer Zunahme des Personen– und Güterverkehrs verbinden. Der Ausbau der Verkehrsverbindungen zu den EU-Beitrittskandidaten sowie der EU-Hauptkorridore hat Priorität. Die LKW-Maut wird der ASFINAG ab 2004 Mehreinnahmen von 600 Mill. € jährlich bringen und die im Generalverkehrsplan in Aussicht genommenen Investitionen im hochrangigen Straßennetz absichern. Dem Ziel "mehr Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit für die ÖBB" dienen neue Finanzierungsgrundlagen und Strukturen für ÖBB und SCHIG.

WEITERE OFFENSIV-MASSNAHMEN

Als weitere Politik-Bereiche, in denen höhere Budgetausgaben möglich sind, werden Familienförderung, Pflegevorsorge, Behindertenpolitik, Maßnahmen zur Stimulierung der Exporte, Umweltschutz, Sicherheit, Entwicklungszusammenarbeit, Landwirtschaft, Finanzausgleich sowie Kunst- und Sportförderung genannt.

Im Einzelnen geht es darum, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern und Behinderten den Zugang zu Betrieben zu erleichtern. Ein 25 Mill. €-Exportstimulierungsprogramm mit den Schwerpunkten Marketing und Information zielt darauf ab, den 5 %-Anteil der zurzeit im Export tätigen Unternehmen zu verdoppeln und den Anteil der Überseeexporte von 15 % auf 20 % anzuheben.

Je 30/60/90 Mill. € in den Jahren 2004/05/06 dienen den Schwerpunkten Altlastensanierung und Klimaschutz.

Bei der inneren und äußeren Sicherheit soll mehr Geld für die elektronische Fingerprintabnahme von Asylwerbern, die Flughafensicherheit und für die Versorgung hilfsbedürftiger Fremder aufgewendet werden. Die Heeresausstattung soll im Einklang mit den Budgetkonsolidierungszielen modernisiert werden. Verstärkter EDV-Einsatz soll die Justizverfahren beschleunigen. In der Entwicklungszusammenarbeit gilt das Barcelona-Ziel eines BIP-Anteils der EZA von 0,33 % bis 2006.

Die Landwirtschaft wird in den Jahren 2003 bis 2006 mit einem 3 Mrd. €-Paket gefördert, insbesondere die nachhaltige Bewirtschaftung und die Entwicklung des ländlichen Raumes. Die EU-Agrarförderungen steigen durch Umsetzung der Agenda 2000 weiter an.

Die Förderung der Kunst bleibt ein Schwerpunkt der Bundesregierung. Der Digitalisierungsfonds und der Fernsehfilmförderungsfonds werden mit je 7,5 Mill. € aus Rundfunkgebühren dotiert. In der Sportförderung stehen mehr Mittel für Behinderte, Frauen und Kinder zur Verfügung. Im Hinblick auf die Europameisterschaft 2008 wird für den Ausbau der Fußballstadien mit 15 Mill. € vorgesorgt.

Bei den Verhandlungen für einen neuen Finanzausgleich ab 2005 will die Bundesregierung die Effizienz- und Innovationsvorteile des Föderalismus in Österreich in vollem Umfang realisieren und das Prinzip der Übereinstimmung von Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung zur Geltung bringen. Als konkrete Beispiele nennt der Finanzminister die Bereiche Landeslehrer, Siedlungswasserwirtschaft und Krankenanstaltenfinanzierung.

PRIVATISIERUNGEN

Am 1. April 2003 hat die Bundesregierung der ÖIAG weitere Privatisierungsaufträge erteilt und dabei die Wahrung österreichischer Interessen festgehalten: Schaffung und Erhaltung sicherer Arbeitsplätze, Aufrechterhaltung der Entscheidungszentralen in Österreich, Erhaltung und Ausbau bestehender Forschungs- und Entwicklungskapazitäten, Schaffung österreichischer Kernaktionärsstrukturen durch Syndikate mit industriellen Partnern, Banken, Versicherungen, Pensionskassen, Vorsorgekassen, Fonds etc. und Berücksichtigung des österreichischen Kapitalmarktes.

Eine 100%-ige Privatisierung wird bei Böhler-Uddeholm, VA Tech, voestalpine und für die Österreichische Bergbauholding angestrebt. Hinsichtlich der voestalpine gab die Bundesregierung der ÖIAG am 24. Juni 2003 mit folgenden "Präzisierungen" die von ihr gewünschte Richtung der Privatisierung vor: Anteilsverkäufe über die Börse oder an Finanzinvestoren, österreichischer Kernaktionär, Erhaltung der Entscheidungszentrale in Österreich, Erhaltung der Forschungs- und Entwicklungskapazität sowie der Einheit des Unternehmens.

Die Telekom soll bis zu 100 % privatisiert und für die Post ein strategischer Partner gesucht werden. Die Postbus AG soll zu 100 % an die ÖBB gehen und nach einer kartellrechtlichen Prüfung zu einem maßgeblichen Teil an Private abgegeben werden. Durch die Privatisierungen sollen Verbindlichkeiten der ÖIAG getilgt werden und die Haftung des Bundes für die Schulden dauerhaft entfallen. Auch die Bundeswohnbaugesellschaften sollen bestmöglich verwertet werden. (Schluss)