Parlamentskorrespondenz Nr. 767 vom 22.10.2003

DRINGLICHE ÜBER "AKTIEN, TREUHÄNDER UND VERFASSUNGSBRUCH"

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Wien (PK) - Die Beratungen des Nationalrats wurden am Nachmittag zur Debatte einer Dringlichen Anfrage der Grünen betreffend "Aktien, Treuhänder und Verfassungsbruch" an Finanzminister Karl-Heinz Grasser unterbrochen. Abgeordneter Dr. PILZ (G) warf Finanzminister Grasser im Rahmen der Begründung der Anfrage in vielen Bereichen Fehlverhalten vor. Grasser sei unter anderem falsch beraten worden, habe den eigenen Aktienbesitz falsch berechnet und den Nationalrat wiederholt falsch informiert, skizzierte er. Angesichts dieser Tatsachen verstehe er nicht, warum gerade die FPÖ nach wie vor nicht bereit sei, einem Untersuchungsausschuss zuzustimmen. Den Grünen gehe es nicht nur darum, dass der Finanzminister heute die an ihn gerichteten Fragen beantworte, sagte Pilz, sie wollten auch weiteren Schaden von der Republik abwehren. Dieses Ziel könne aber nur dann erreicht werden, wenn Grasser das Amt des Finanzministers künftig nicht mehr ausübe.

Das Unvereinbarkeitsgesetz ist laut Pilz vom Nationalrat absichtlich so beschlossen worden, wie es beschlossen wurde. Es gehe nicht darum zu wissen, ob ein Regierungsmitglied irgendein Unternehmen dominiere, meinte er, dies wäre ohnehin öffentlich bekannt, vielmehr müssten die Abgeordneten wissen, was einem Politiker, einer Politikerin gehöre und ob ein Regierungsmitglied besonderes Interesse am Wohlergehen eines Unternehmens habe.

Die Verteidigung Grassers, er sei hinsichtlich seiner Meldepflichten "schlecht beraten worden", ließ Pilz nicht gelten. Es gebe wenige Gesetzesstellen, die so einfach und klar zu lesen seien, wie der entsprechende Paragraph des Unvereinbarkeitsgesetzes, betonte er. Pilz fragt sich, ob dieselben Leute, die Grasser in dieser Frage beraten haben, ihn auch bei der VOEST-Privatisierung, der Eurofighter-Beschaffung, der Veräußerung der Bundesimmobilien und bei anderen Entscheidungen beraten haben.

Pilz äußerte darüber hinaus den Verdacht, dass Grasser das Unvereinbarkeitsgesetz und damit die österreichische Verfassung nach wie vor nicht beachtet. Ihm zufolge ist Grasser nämlich nicht nur verpflichtet, sein jetziges Aktienpaket zu melden, sondern alle Aktien, die er zu Beginn seiner Tätigkeit als Finanzminister besessen bzw. danach erworben habe. Dies werde vom Minister aber nach wie vor geheim gehalten, klagte Pilz. Weiters fragt er sich, ob Grasser seinen Immobilienbesitz ordnungsgemäß dem Rechnungshof gemeldet und ob er für ihn tätige Treuhänder habe.

Das Besondere an Finanzminister Grasser sei, dass man, egal wo man mit einer Recherche beginne, Ungereimtheiten, Unvereinbarkeiten, problematische Zustände und zum Teil gesetzeswidriges Verhalten finde, erklärte Pilz. Er kenne, trotz vieler Skandale in der Vergangenheit, keinen ähnlichen Fall.

Nationalratspräsident Dr. KHOL kündigte an, einen Ordnungsruf für den von Pilz verwendeten Ausdruck "Schiebung" in Richtung Finanzminister Grasser zu prüfen.

Finanzminister Mag. GRASSER verwahrte sich gegen die "Hetzjagd" und sprach von "unwahren, unrichtigen Unterstellungen", die er in aller Deutlichkeit zurückweise. Er ortet eine bewusste Diskreditierung und Kriminalisierung seiner Person. "Sie schütten an, Sie machen schlecht!", klagte er. Er werde dieser "Vernaderungskampagne" sicherlich nicht weichen. Die verabsäumte Meldung seines Aktienbesitzes an den Unvereinbarkeitsausschuss wertete Grasser als "Formalfehler".

Grasser legte dar, dass er unmittelbar nach Amtsantritt den Fragebogen zum Unvereinbarkeitsgesetz ausgefüllt und bei einer entsprechenden Rückfrage von den Mitarbeitern seines Hauses die Auskunft bekommen habe, dass er seine Aktien, die einen Unternehmensanteil von 0,6 % bis "nullkommanullnullirgendwas Prozent" ergaben, nicht melden müsse. Ihm sei das plausibel erschienen, da dieser geringe Aktienanteil keine Einflussnahme auf ein Unternehmen ermögliche. Er nehme selbstverständlich zur Kenntnis, dass dies eine falsche Rechtsauffassung gewesen sei, sagte Grasser, ebenso klar sei aber auch, dass er überhaupt nichts verheimlichen wollte. Schließlich habe er gleichzeitig dem Rechnungshof, dem jedes Regierungsmitglied sein Vermögen melden müsse, wertmäßig über alle Aktien berichtet. Auch die Meldung an den Unvereinbarkeitsausschuss habe er inzwischen nachgeholt.

Grasser legte Wert auf die Feststellung, dass der Unvereinbarkeitsausschuss des Parlaments keine Unvereinbarkeit zwischen seinem Amt und seinem Aktienbesitz festgestellt habe. Das Meldeversäumnis sei also lediglich ein Formalfehler, "die Substanz des Gesetzes wurde selbstverständlich eingehalten". In diesem Zusammenhang zitierte Grasser auch eine frühere Aussage des Zweiten Nationalratspräsidenten Fischer, der sich vor Jahren in einem anderen Fall gegen zu weit gehende Schikanen für Regierungsmitglieder ausgesprochen und dem betroffenen Regierungsmitglied Vertrauensvorschuss entgegengebracht habe.

Was die Beantwortung der einzelnen Fragen der Dringlichen Anfrage betrifft, wies Grasser darauf hin, dass er nur zu Fragen der Vollziehung Stellung nehmen müsse und Fragen zu seinen Vermögensverhältnissen oder seinem privaten Umgang nicht zu beantworten brauche. Er gab dennoch dahingehend Auskunft, dass er keinen Treuhänder zur Verwaltung seines privaten Vermögens habe. Die Fragen 17 bis 20, in denen sich die Grünen nach Besprechungen im Vorfeld der Eurofighter-Beschaffung erkundigt hatten, wertete Grasser als "ungeheuerliche Unterstellungen und Unwahrheiten" und versicherte, es habe kein Dreier-Treffen zwischen ihm, dem Vaduzer Treuhänder Michael Feichtinger und Daimler-Chrysler-Chef Jürgen Schrempp gegeben.

YLine-Aktien hat Grasser seiner Auskunft nach vom 15. November 1999 bis 22. Dezember 2000 besessen und sie, wie er sagte, "zu einem möglichst schlechten Zeitpunkt verkauft". Sonst habe er nichts mit diesem Unternehmen zu tun. An FirstInEx sei er nie beteiligt gewesen. Der Auftrag an FirstInEx zur Neugestaltung der Homepage des Finanzministeriums ist Grasser zufolge unter Einhaltung strenger Vergabevorschriften erfolgt. Im Übrigen stellte er fest, dass er als Finanzminister persönlich überhaupt keine Aufträge erteile, sondern diese von seinem Ministerium nach den Vergabeverfahren vergeben würden.

Hinsichtlich der Fragen nach seinem Aktienbesitz zu Beginn und während seiner Tätigkeit als Finanzminister gab Grasser - mit Ausnahme der bekannt gegebenen Yline-Aktien - keine detaillierten Auskünfte, sondern verwies auf das Schreiben an den Vorsitzenden des Unvereinbarkeitsausschusses.

Generell zeigte sich Grasser überzeugt, dass die Bevölkerung ihn an seiner Leistung und nicht an den Diskreditierungen und Kriminalisierungen seitens der Opposition messen werde.

Im Anschluss an die Wortmeldung Grassers folgte eine heftige Geschäftsordnungsdebatte. Grünen-Klubchef Dr. VAN DER BELLEN meinte, es sei ihm neu, dass ein Bundesminister von der Regierungsbank aus, einem Abgeordneten "Verleumdung" und damit strafrechtliches Verhalten vorwerfen könne. Er hält dies für "unerträglich" und kündigte eine rechtliche Prüfung des Sachverhalts an. Darüber hinaus unterstrich Van der Bellen, dass Grasser entgegen seinen Behauptungen frühere Aktienbesitze nicht dem Unvereinbarkeitsausschuss gemeldet habe. Abgeordneter SCHIEDER (S) beantragte von Nationalratspräsident Khol, dieser möge Grasser auffordern, die an ihn gestellten Fragen, die die Vollziehung betreffen, zur Gänze zu beantworten.

Nationalratspräsident Dr. KHOL machte geltend, dass sich die Fragen der Dringlichen Anfrage fast ausschließlich auf Dinge beziehen, die nicht dem Fragerecht der Abgeordneten unterliegen. So stellen ihm zufolge Angelegenheiten des Unvereinbarkeitsgesetzes keinen Gegenstand der Vollziehung dar, vielmehr handle es sich hierbei um Angelegenheiten des Parlaments. Grasser habe alle Fragen von 1 bis 27 angesprochen, sagte Khol, ob sie alle beantwortet worden seien bzw. ob die SPÖ mit den Antworten zufrieden sei, sei nicht Gegenstand der Geschäftsbehandlung. Ähnlich argumentierte auch VP-Klubchef Mag. MOLTERER. Für ihn ist es "völlig korrekt", wie Grasser die Fragen beantwortet hat.

Sowohl Molterer als auch FP-Klubchef SCHEIBNER mahnten die Einhaltung der Vertraulichkeit gemäß Unvereinbarkeitsgesetz ein und beantragten, dieses Thema bei der nächsten Sitzung der Präsidialkonferenz nochmals zu besprechen. Nationalratspräsident Khol sagte dies zu.

Die inhaltliche Debatte wurden von Abgeordnetem Mag. KOGLER (G) eingeleitet. Er sprach von einem "permanent verfassungsbrecherischen Zustand" und betonte, mit einer einzigen Nachmeldung zum Zeitpunkt X könne Grasser die versäumten Meldepflichten nicht reparieren. Es gehe schließlich auch darum, welche Aktien Grasser in der Vergangenheit besessen habe.

Der Vergabeauftrag an FirstInEx durch das Finanzministerium sei vielleicht nicht der größte, sagte Kogler, dennoch werde es hier "wirklich heikel". Grasser sei durch seine Yline-Aktien mittelbar an dieser Firma beteiligt gewesen, es gehe also genau um die Punkte, auf die das Unvereinbarkeitsgesetz abziele. Im Übrigen habe der Rechnungshof dem Finanzminister in vielen Berichten nachgewiesen, dass bei Vergaben nicht immer der Bestbieter ausgewählt worden sei. Bezeichnend ist es für Kogler, dass Grasser zu einem kolportierten Treffen zwischen ihm, seinem Mitarbeiter Winkler und Ex-YLine-Chef Böhm keine Stellungnahme abgegeben habe - dies veranlasste Grasser zu einem Zwischenruf, wonach ein solches Treffen nicht stattgefunden habe.

Abgeordneter KOPF (V) führte die "Schmutzkübelkampagne" der Opposition auf eine SP-interne Analyse zum letzten Nationalratswahlkampf zurück, in der es als ein Fehler bezeichnet worden sei, Karl-Heinz Grasser im Wahlkampf nicht zu attackieren. Karl-Heinz Grasser ist für Kopf ein erfolgreicher Finanzminister, der nach vielen Jahren erstmals zwei Nulldefizite ohne neue Schulden zustande gebracht und die Steuer- und Abgabenquote auf das Niveau von 1995 zurückgeführt habe. Die erste Etappe der Steuerreform bringe Entlastungen für kleine Einkommen und Betriebe und sie stärke den Wirtschaftsstandort. Derzeit wird die größte Steuerreform in der Geschichte der Republik vorbereitet - die SPÖ aber wolle von der Politik ihrer Finanzminister ablenken, die unter der Überschrift "Schulden" Zukunftsverbrauch betrieben und den Spielraum für Zukunftsinvestitionen eingeschränkt hätten. Kopf schloss mit einem Vergleich der aktuellen Wirtschaftsdaten zwischen Österreich und Deutschland und wandelte dazu ein Stoiber-Zitat ab: Die Österreicher sind nicht besser als die Deutschen, aber sie haben den besseren Finanzminister.

Abgeordneter Dr. MATZNETTER (S) antwortete mit der Vorlage aktueller Wirtschaftsdaten der Statistik Austria, aus denen hervorgehe, dass Österreich auf den viertletzten Platz zurückgefallen sei. Dann wandte sich der Redner der Rolle des Finanzministers bei der Entscheidung für die Firma EADS bei der Abfangjägerbeschaffung zu uns sagte, nicht dass es Treffen und Gespräche mit Verantwortlichen der Firma im Vorfeld der Entscheidung gegeben habe, sei das Problem, sondern dass Grasser darüber inhaltlich nichts bekannt gebe. Jede Antwort des Finanzministers auf Fragen der Abgeordneten werfe neue Fragen auf. So habe Grasser die Opposition auf seine privat und von Sponsoren bezahlte Homepage selbst hingewiesen, erinnerte Matznetter. Auch die Frage, wem das Konto der Stiftung, deren Urkunde Grasser unterschrieben habe, zuzurechnen sei, sei ebenso offen wie die Frage, warum er über ein Gespräch mit Daimler-Chrysler-Chef Jürgen Schrempp keine klare Antwort gebe. All diese unbeantworteten Fragen Grassers veranlassten auch Christof Matznetter, den Rücktritt des Finanzministers zu fordern.

Abgeordneter NEUDECK (F) bezeichnete die Dringliche Anfrage der Grünen als Fortsetzung einer "unwürdigen Menschenhatz". Er könne der Nichtmeldung des Aktienbesitzes im Unvereinbarkeitsausschuss nicht zustimmen, hielt Neudeck fest, räumte aber ein, dass die Regelung für die Meldung von Aktienbesitz im Unvereinbarkeitsgesetz nicht eindeutig sei. Daher trat er für eine Regelung ein, bei der jene, die sie einhalten müssen, wissen, wie sie zu verstehen ist. Angesichts der jüngsten Indiskretionen plädierte Neudeck außerdem dafür, Meldungen über Aktienbesitz künftig beim Rechnungshof anzusiedeln, um zu verhindern, dass eine Menschenhatz veranstaltet wird, die dem Unvereinbarkeitsgesetz nicht entspricht. Die SPÖ fordert der Abgeordnete auf, sich mit den politischen Konzepten der schwarz-blauen Koalition auseinanderzusetzen, namentlich mit der geplanten Steuerreform, der Asylreform und der Gesundheitsreform, statt sich mit der Frage zu beschäftigen, wer sich wann mit wem getroffen habe.

Abgeordnete Dr. MOSER (G) warf dem Finanzminister vor, gegen ein Verfassungsgesetz verstoßen zu haben. "Das ist kein Formalfehler, das ist ein Verstoß gegen die Grundlagen der Republik", kritisierte Moser und meinte, dies sei nach der Sache mit der privaten Homepage Grassers und der Bestellung seines Freundes, des Immobilienhändlers Plech, zum Aufsichtsrat bundeseigener Wohnbaugesellschaften eine weitere Unkorrektheit des Finanzministers. Den Vorwurf einer "Schmutzkübelkampagne" wies die Abgeordnete entschieden zurück und machte auf die schlechte internationale Presse des Finanzministers aufmerksam, durch die auch das Ansehen Österreichs beschädigt werde. Mit seiner Anfragebeantwortung, vor allem mit seinen "Nichtantworten" habe sich Grasser selbst ein Armutszeugnis ausgestellt, stellte Moser fest.

Abgeordneter Amon (V) bedauerte es, dass sich die Grünen vor den Karren der SPÖ spannen ließen und die SPÖ sich nicht dem Wettbewerb der Ideen stelle. Amon legte dann eine lange Liste mit Aufsichtsrats- und Geschäftsführerfunktionen des Abgeordneten Matznetter vor, wobei es ihm unter anderem auch darum ging, die "tiefe Verwicklung" Matznetters in die Y-Line-Affäre zu beleuchten. Schließlich habe Matznetter auch Teile der Konkursmasse der Firma Y-Line aufgekauft, teilte Amon mit und äußerte die Vermutung, Matznetter wolle durch seine Vorwürfe gegenüber Finanzminister Grasser von eigenem Fehlverhalten ablenken.

Abgeordneter Dr. PUSWALD (S) erinnerte seinen Vorredner an den Unterschied in den Unvereinbarkeitsbestimmungen, die für Abgeordnete einerseits und für Minister andererseits gelten. Dann stellte er klar, dass das Strafverfahren, das in der Causa Y-Line anhängig sei, nicht gegen Christoph Matznetter gerichtet sei. Grasser selbst habe die Opposition in der Sache seiner Homepage auf die Fährte gebracht, sagte der Abgeordnete und zeigte sich verwundert, dass kein ranghoher VP-Politiker bereit sei, sich hinter Grasser zu stellen. Kritik übte Puswald auch am Bundeskanzler, der ebenfalls eine Leermeldung im Unvereinbarkeitsausschuss abgegeben habe und ebenfalls habe erkennen lassen, dass er es mit seinem Aktienbesitz nicht so genau nehme. Nationalratspräsidenten Khol, der die Funktion habe, in diesem Haus über die Verfassung zu wachen, kritisierte der Redner, weil er einen Verstoß gegen ein Verfassungsgesetz als Formalfehler bezeichnet habe.

Abgeordnete SBURNY (G) unterstrich ihre Auffassung, dass es das Parlament sei, das über die Unvereinbarkeit zu wachen habe, und wies den Vorwurf einer Schmutzkübelkampagne zurück. Karl-Heinz Grasser habe einmal mehr bewiesen, dass er zwischen Privatsphäre und politischer Funktion nicht zu unterscheiden wisse, und dies sei für einen Bundesminister untragbar. Sburny kritisierte auch den Vorsitzenden des Unvereinbarkeitsausschusses, VP-Abgeordneten Schultes, und zitierte dazu die Aussage eines Verfassungsexperten, der gemeint habe: "Die Handhabung des Unvereinbarkeitsgesetzes im Ausschuss ist eine Katastrophe".

Abgeordnete STADLBAUER (S) warf dem Finanzminister und anderen Regierungsmitgliedern Verfassungsbruch vor. Auf der ganzen Welt würde dies Konsequenzen nach sich ziehen - in Österreich werde der Fall zu einem Formalfehler verharmlost. Die Verfehlung des Finanzministers nannte die Abgeordnete eine dreistufige. Erst habe Grasser bei seinem Amtsantritt eine Nichtmeldung abgegeben, dann die Schuld auf Mitarbeiter des Finanzministeriums abgeschoben und drittens erkennen lassen, dass er die Grundrechnungsarten Addition und Multiplikation nicht beherrsche, indem er Kommastellen falsch berechnet und ein Vermögen von 700.000 Schilling als klein und unbedeutend bezeichnete. Diese Verfehlungen seien keine Kavaliersdelikte, sagte Stadlbauer und forderte den Rücktritt des Finanzministers.

Als sich Abgeordneter Dr. JAROLIM (S) eingangs seiner Wortmeldung auf die Geschäftsordnungsdebatte nach der Anfragebeantwortung des Finanzministers bezog und dabei Nationalratspräsidenten Khol aufforderte, "in der Vorsitzführung ein Quäntchen mehr Objektivität walten zu lassen", wollte Präsident Dr. KHOL ausdrücklich nicht mit einem Ordnungsruf reagieren, sondern stellte fest, dass er, Khol, die Geschäftsordnung so interpretiert habe, wie es der von der Präsidiale geübten Praxis entspreche.

In seiner Rede fortfahrend wandte sich Abgeordneter Jarolim der privaten Homepage Karl Heinz Grassers und dem Gutachten des Finanzressorts zur Auslegung des Schenkungssteuerrechts zu. Jarolim zitierte kritische Stellungnahmen zahlreicher namhafter Experten, die unter anderem auch die Befürchtung äußerten, dass die von Staatssekretär Finz vertretene Auslegung zum Missbrauch von Schenkungen herausfordere. Er erwarte den Rücktritt von Finanzminister Grasser und Finanzstaatssekretär Finz, schloss Abgeordneter Jarolim.

Wenn man der Argumentation des Abgeordneten Amon folge, dann sei der Finanzminister - wissentlich oder unwissentlich - ein Komplize des SP-Abgeordneten Matznetter, meinte Abgeordneter ÖLLINGER (G). "Wissen Sie, wohin Sie sich verstiegen haben?", fragte er den Abgeordneten Amon. Der G-Mandatar hätte noch gern von Grasser gewusst, ob das Treffen zwischen ihm, Winkler und Böhm stattgefunden habe und ob seine Mitarbeiter versucht hätten, mit der Zeitschrift "profil" Kontakt aufzunehmen, um ein Treffen zu vermitteln. Es sei auch ein starkes Stück, dass der Finanzminister jene Bestimmung als diskriminierend bezeichne, die eine Beteiligung von maximal 25 % vorschreibt.

Abgeordneter HAUBNER (V) wies darauf hin, dass nunmehr auch ein SP-Landesrat aus Salzburg nachträglich einen Aktienbesitz gemeldet habe, weil er es einfach vergessen gehabt hätte. Er sei schon gespannt darauf, wie jetzt die SPÖ-Spitze in Wien und die SP-Landesvorsitzende Burgstaller in Salzburg darauf reagieren würden.

KURZDEBATTE ÜBER EINE ANFRAGEBEANTWORTUNG DER BILDUNGSMINISTERIN

Im Anschluss an die Debatte über die Dringliche Anfrage der Grünen an den Finanzminister diskutierte der Nationalrat auf Initiative der Sozialdemokraten über die Beantwortung einer Anfrage durch Bildungsministerin Gehrer.

Abgeordnete SCHASCHING (S) stellte als erste Rednerin fest, 55 % aller Eltern wünschten es sich, aber nur 5,8 % aller Kinder hätten es - nämlich einen Platz in einer Ganztagsschule. Anfang September habe sie eine Anfrage zu diesem Thema an die Bundesministerin gerichtet, deren Beantwortung aber mehr als lückenhaft sei. Außerdem lehne die Ressortchefin die Verantwortung für die Pflichtschulen offensichtlich ab, da keine genauen Zahlen und Fakten auf den Tisch gelegt werden. Schasching erinnerte daran, dass am 24.9. eine gemeinsame Entschließung angenommen wurde, in der eine Ankündigung der Bundesministerin begrüßt wird, bis zum Jahr 2006 das freiwillige Nachmittagsangebot für Schüler um 10.000 Betreuungsplätze zu erweitern. Ihrer Ansicht nach sei es allerhöchste Zeit, hier endlich tätig zu werden. Eine Debatte über die ganztägige Schule müsse jedoch ideologiefrei geführt werden, denn es gehe um die Qualität der Ausbildung sowie um die Tatsache, dass man auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen müsse. "Wir wünschen uns einen Ausbau von Ganztagsschulen in den nächsten zehn Jahren auf mindestens 100.000 Plätze", lautete die Forderung von Schasching. Wenn zumindest 50 % der Schulen als Ganztagsschulen fungierten, dann wären Wahlfreiheit sowie Chancengleichheit gesichert.

Bundesministerin GEHRER betonte, dass die Anfragen gewissenhaft beantwortet wurden, wobei die konkreten Zahlen von den Bundesschulen stammten. Wenn es jedoch einmal das Bildungsdokumentationsgesetz geben werde, könne man auf bedeutend größeres Datenmaterial zurückgreifen, kündigte sie an. Die Ressortchefin wies darauf hin, dass schon jetzt die Ganztagsschule, wie es die SPÖ wünsche, eingeführt werden könne, und zwar wenn die Erziehungsberechtigten von mindestens zwei Dritteln der betroffenen Schüler und mindestens zwei Drittel der betroffenen Lehrer zustimmen. Auch gebe es bereits die gesetzliche Grundlage für jede Variation von Nachmittagsbetreuung, erläuterte Gehrer, und dies könne an jedem Standort gemacht werden. Dabei gehe es um keine ideologische Frage, unterstrich sie, sondern es handle sich um eine Frage der Notwendigkeit. Kinder brauchten Betreuung und liebevolle Fürsorge. Entweder seien die Eltern dazu imstande, dafür zu sorgen, oder, wenn das nicht möglich sei, solle dem Bedarf entsprechend das Angebot vor Ort geschaffen werden. Gehrer kündigte an, eine sehr genaue Untersuchung im Pflichtschulbereich durchführen zu lassen und sie garantierte, dass sie die notwendigen Ressourcen für die zusätzlichen Angebote zur Verfügung stelle.

Auch für Abgeordnete Dr. BRINEK (V) ging es nicht um eine ideologische Frage, sondern um die Wahlmöglichkeit der Eltern, Schüler und Lehrer, was durch das Schulorganisationsgesetz gewährleistet sei. In mehr als der Hälfte der AHS z.B. werde schon eine Nachmittagsbetreuung angeboten. Sie sei aber überzeugt davon, dass man in Zukunft noch viel Phantasie in die Nachmittagsbetreuung investieren wird und dass freie Raum- und Personalressourcen genützt werden müssten. Brinek war sicher, dass die Bürgermeister, die Gemeinden und die Landesschulräte sehr aktiv werden, weil sie Interesse daran haben, dass die Familien mit Kindern in den Gemeinden bleiben. Wenn die Erwerbstätigkeit der Frauen gesteigert werden soll, dann müssten kindgerechte Betreuungsangebote, familiengerechte Arbeitszeiten sowie das Recht auf Teilzeit bis zum Schuleintritt geschaffen werden.

Das österreichische Schulsystem mit seiner starken Gliederung verstärke den sozialen Segregationseffekt, gab Abgeordneter DDr. NIEDERWIESER (S) zu bedenken. Daraus müsste man im Sinne einer Chancengleichheit für alle Schüler die entsprechenden Konsequenzen ziehen, forderte er. Der Vorteil eines ganztägigen Schulsystems bestehe darin, dass man die Unterrichtsteile in einer pädagogisch sinnvollen Weise gliedern könne und dass die Schule als Lebens-, Lern- und Erfahrungsraum gestaltet werde.

Das Beste für unsere Kinder sei sicher nicht die verpflichtende Ganztagsschule, replizierte Abgeordnete ROSSMANN (F) auf die Wortmeldung ihres Vorredners. Die Freiheitlichen sprechen sich für eine freiwillige Ganztagsbetreuung aus, weil genügend Angebote vorhanden sein müssten. Es müsse zudem eine Betreuung sicher gestellt werden, die auch leistbar ist, forderte sie. Sie sei auch optimistisch, dass es in gemeinsamen Gesprächen gelingen wird, die zusätzlichen 10.000 Betreuungsplätze bis 2006 zustande zu bringen.

Abgeordneter BROSZ (G) machte darauf aufmerksam, dass die Chancengleichheit weniger davon abhänge, ob die Jugendlichen aus guten familiären Situationen kommen oder nicht, sondern davon, welche Schule sie besuchen. Bei dem Thema Ganztagsschulen gehe es nicht nur darum, zu betreuen, sondern um pädagogische Reformen. Das heiße dann auch, dass es über den Tag verteilt andere Unterrichtsmöglichkeiten geben soll und dass Erholungsphasen, Lernphasen und Projektunterricht ermöglicht werden. Er wolle jedoch nicht, dass diese Form nur auf 50 % der Schulen ausgedehnt wird, denn das würde die Segregation nur noch erhöhen; dies könne höchstens als Zwischenschritt angestrebt werden.

(Schluss Dringliche/Forts. NR)