Parlamentskorrespondenz Nr. 56 vom 28.01.2004

KURZE DEBATTE ZUM VERKAUF BUNDESEIGENER WOHNBAUGESELLSCHAFTEN

Finanzminister Grasser im Visier der Opposition

Wien (PK) - Am Nachmittag wurde die Debatte über den Bericht des Rechnungshofausschusses für eine Kurzdebatte über eine Anfragebeantwortung des Finanzministers unterbrochen. Diese Debatte erfolgte auf Verlangen der Grünen, für die die Antwort des Finanzministers auf eine Anfrage nicht ausreichend war.

Abgeordnete Dr. Gabriela MOSER (G) unterzog die Privatisierung bundeseigener Wohnbaugesellschaften durch den Finanzminister einmal mehr einer scharfen Kritik, indem sie darauf aufmerksam machte, dass die Wohnungen nicht mehr so sorgfältig instandgehalten werden wie bisher, sei es um den Kapitalstock für potentielle Käufer möglichst hoch zu halten, sei es um die Renditen der neuen Eigentümer zu erhöhen. Moser erinnerte an die Kritik des Rechnungshofes, der den zur Rentabilität notwendigen Mindestverkaufserlös für WAG und BUWOG mit 600 Mill. € bezifferte. Nun zeige sich, dass dieser Wert nicht erreicht werde, die Privatisierung budgetpolitisch also keinen Sinn habe. In ihren weiteren Ausführungen wies die Rednerin darauf hin, dass die nun diskutierte Verbriefungsvariante bei der Veräußerung zwar Vorteile für die Beraterfirma Lehman Brothers und die Boston Bank, die mit der Verbriefung beauftragt werden sollen, haben werde, nicht aber für die Mieter. Denn es sei zu befürchten, dass die Wohnungen in 20 bis 30 Jahren völlig herabgewirtschaftet sein werden.

Finanzminister Mag. GRASSER räumte ein, dass die Frage Privatisierung auch eine ideologische sei. Er sei überzeugt, dass Private besser wirtschaften als der Staat. Dies gelte insbesondere für Österreich und dessen Erfahrungen mit der verstaatlichten Industrie. Der Finanzminister betonte die Notwendigkeit, die Staatsschulden zu reduzieren und so Finanzierungskosten einzusparen. Präzise Berechnungen zeigten, dass sich der Verkauf der bundeseigenen Wohnbaugesellschaften in diesem Sinne rechnen werde, wenn der Verkaufserlös den Betrag von 500 Mill. € übersteige. Dazu komme, dass die Mieter die Chance bekommen, Eigentümer zu werden, wobei Grasser festhielt, dass für all jene, die Mieter bleiben, keinerlei Schlechterstellung eintrete. Die Instandhaltung der Wohnungen werde auch in Zukunft so sorgfältig fortgeführt wie bisher, erklärte Minister Grasser.

Die Entscheidungen über die Veräußerungen werde er als Finanzminister für den Ministerrat vorbereiten. Der Ministerrat wird entscheiden und dem Hauptausschuss des Nationalrates über seine Entscheidung berichten. Dem Auftrag für die Beraterfirma Lehman Brothers sei ein transparentes und objektives Verfahren vorangegangen, sagte Grasser. "Diese Entscheidung ist sehr professionell und mit international erfahrenen Experten vorbereitet worden".

Abgeordneter GROSSRUCK (V) verglich die Vorgangsweise der Oppositionsparteien mit der Herstellung eines Films mit dem Titel "Grasserjagd". Es soll ein Politkrimi werden, da es der Opposition aber an einem Täter fehle, versuche die Opposition, den kompetenten, erfolgreichen und beliebten Finanzminister dazu zu machen. Dies sei kein Zufall, sondern Ergebnis einer Studie, die den Sozialdemokraten empfohlen habe, Karl-Heinz Grasser zu desavouieren, weil er in den Kreisen sozialdemokratischer WählerInnen auf wachsende Zustimmung stoße. Enttäuscht zeigte sich Abgeordneter Großruck von Abgeordneter Moser, die sich an dieser Jagd auf Karl-Heinz Grasser beteilige.

Abgeordnete BURES (S) leitete ihre Kritik an der Privatisierung bundeseigener Wohnbaugesellschaften mit dem Hinweis darauf ein, dass es sich 99 % der Mieter nicht leisten können, ihre Wohnungen zu dem überhöhten Preis zu kaufen, zu dem sie ihnen angeboten werden. Daher beabsichtige Finanzminister Grasser nun, die Gesellschaften zu verscherbeln. Hatten Experten ursprünglich von einem Erlös in der Höhe von 2 Mrd. € gesprochen, lauteten jüngste Schätzungen auf 400 Mill. €. Auf der Strecke bleiben dabei die Mieter, klagte die Abgeordnete und sprach vom "Verschleudern öffentlichen Eigentums" durch Finanzminister Grasser.

Abgeordneter NEUDECK (F) erhob den Vorwurf, die SPÖ berate gemeinsam mit den Arbeiterkammern und der Mietervereinigung die Mieter der bundeseigenen Wohnbaugesellschaften schlecht. Den Mietern werde abgeraten, ihre Wohnungen im Eigentum zu erwerben. Die Bundesregierung behandle die Mieter dem gegenüber wesentlich besser, denn sie eröffne ihnen die Chance, Wohnungseigentum zu günstigen Preisen zu begründen.

Abgeordneter Mag. KOGLER (G) räumte ein, dass man über die Frage mehr privat oder mehr Staat durchaus diskutieren könne, fügte aber hinzu, dass er es für sinnvoll halte, ein Reservoir an Wohnungen im öffentlichen Eigentum zur Verfügung zu haben. Beim geplanten Verkauf der bundeseigenen Wohnungen ortete Kogler erheblichen Aufklärungsbedarf hinsichtlich der externen Berater, ihrer Qualität und der Mengengerüste, die die Kriterien für ihre Auswahl gebildet haben. (Schluss Kurzdebatte/Forts. NR)