Parlamentskorrespondenz Nr. 566 vom 09.07.2004

BAUERN MÜSSEN HÖHERE KRANKENVERSICHERUNGSBEITRÄGE BEZAHLEN

"Chefarztpflicht neu" - Verordnungsermächtigung für Rauch-Kallat

Wien (PK) - Abgeordnete SILHAVY (S) übte scharfe Kritik an der Vorgangsweise zur Beschlussfassung des Sozialrechts-Änderungsgesetz es 2004, das auf dem V-F-Antrag 434/A basiert. Silhavy bedauerte außerordentlich, dass es nicht möglich war, die Materie im Sozialausschuss zu behandeln und mutmaßte, dass Änderungsvorschläge ohnehin nicht mehr akzeptiert worden wären. Die angebotenen informellen Gespräche seien zwar eine Geste gewesen, hätten jedoch eine Diskussion im Ausschuss nicht ersetzen können. Silhavy listete daraufhin ihre Bedenken auf. Zunächst stellte sie fest, dass es keinen Wegfall der Chefarztpflicht gebe und keiner wisse, wie die Dokumentation aussehen solle. Man habe zwar dem Urteil des Verfassungsgerichtshofes in Bezug auf den Ausgleichsfonds entsprochen, aber es fehle eine Neuregelung des Ausgleichsfonds. Sie verstehe auch nicht die Sonderstellung der Vorarlberger Gebietskrankenkasse. Die neuen Bestimmungen für die Bauernsozialversicherung würden nur den großen Bauern zugute kommen, die alles abschreiben könnten. Die 25 % der Tabaksteuer kämen nur 5 % der Versicherten zugute, rechnete sie vor. Die Schlamperei in der Sozialpolitik werde damit fortgesetzt.

Auch Abgeordneter Mag. TANCSITS (V) bedauerte die mangelnde Zeit für ausführliche Beratungen und meinte, dass die Vorgangsweise sicherlich eine Ausnahme darstelle. Wegen des Ausgleichsfonds habe man aber rasch handeln müssen. Der Inhalt der Gesetzesvorlage sei jedoch positiv und könne sich sehen lassen. Die Chefarztpflicht werde zwar nicht abgeschafft, die Belastung für die PatientInnen und deren Angehörige werde aber wesentlich reduziert. Mit der Festlegung der EU-Durchschnittspreise als Höchstabgabepreise für die Sozialversicherungsträger setze man eine Preisdämpfungsmaßnahme auf dem Medikamentenmarkt ohne Qualitätsverlust. Die Neuregelung für den Ausgleichsfonds werde von der Selbstverwaltung getragen. Die Rückzahlungen fänden statt, für einzelne Kassen, die einer besonderen Finanzierung bedürften, könnten zusätzliche Mittel aus der Tabaksteuer flüssig gemacht werden. Wer das nicht wolle, der habe die Solidarität nicht verstanden, sagte Tancsits.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) schloss sich der Kritik Silhavys an der Vorgangsweise der Regierungsfraktionen an und hielt aus seiner Sicht fest, dass durch die Novellierungen keinerlei Lösungen gefunden würden. Die Krankenkassen würden nicht saniert, sondern blieben beim Zustand der "kranken Kassen". Öllinger begrüßte grundsätzlich die Neuregelung der Chefarztpflicht als Entlastung der PatientInnen trotz Mehr an Bürokratie, er zeigte sich aber äußerst skeptisch hinsichtlich der Verordnungsermächtigung. Äußerst unzufrieden äußerte er sich zur Bauernsozialversicherung, da eine Harmonisierung der Leistungen fehle. Die Vereinigung mit der Sozialversicherung der Gewerbetreibenden stelle einen Versuch dar, eine "Sozialversicherung der Besitzenden" zu schaffen. Man brauche aber keine ständischen Gliederungen, man brauch keine "roten und schwarzen Inseln", sondern eine einheitliche Krankenversicherung für alle und eine einheitliche Pensionsversicherung für alle, sagte Öllinger.

Abgeordneter DI SCHEUCH (F) hielt seinem Vorredner entgegen, dass Klassenkampfparolen hier fehl am Platz sind. Auch wenn der gewählte Weg im vorliegenden Fall nicht ideal war, räumte der Redner ein, so sei er überzeugt davon, dass ein erster Schritt in die richtige Richtung gemacht werde. Damit werden nämlich zunächst einmal die Bauerversicherung und die gewerbliche Versicherung zusammengeführt und die Beiträge erhöht, erklärte Scheuch. Es gehe aber natürlich nicht nur um die Bauern, sondern um eine generelle Harmonisierung im Sozialversicherungsbereich. Darüber müsse konstruktiv verhandelt werden und er sei überzeugt davon, dass letztendlich eine Lösung präsentiert werden könne.

Bundesministerin RAUCH-KALLAT erläuterte die Eckpunkte des vorliegenden Sozialversicherungs-Änderungspakets und wies unter anderem auf die Erleichterung der Inanspruchnahme der Ausnahme von der Pflichtversicherung für Kleinunternehmerinnen bereits ab dem 60. Lebensjahr hin, was eine wesentliche Erleichterung für eine Generation von Frauen darstelle. Sodann kam sie auf das "Bauernfinanzierungspaket" zu sprechen, das eng mit der Auflösung des Ausgleichstopfes zusammenhänge. Die Bauernsozialversicherung, die in den letzten Jahren sehr strikt gewirtschaftet habe, leide vor allem unter schweren strukturellen Problemen, da 143.00 Aktive 138.000 Pensionisten gegenüber stehen, gab die Ressortchefin zu bedenken. Die Bauern haben sich bereit erklärt, den Harmonisierungsschritt mitzutragen und die Versicherungsbeiträge auf 7,4 % anzuheben. Weiters komme es zu einer Einschränkung der Ehegattensubsidiarität für Betriebe mit einer Beitragsgrundlage von maximal 10.500 €, was insbesondere die kleinen Landwirte schütze.

Sodann erinnerte Rauch-Kallat daran, dass voriges Jahr ein Arzneimittelpaket beschlossen wurde, das bereits greife und zu geringeren Steigerungen bei den Ausgaben geführt hat. Nun werde im Rahmen einer Verordnungsermächtigung eine Chefarztpflicht Neu eingeführt, die einerseits Erleichterungen für die Patienten bringt und andererseits auch eine effektive und sinnvolle Kontrolle gewährleistet. Sollte die Selbstverwaltung zu einer eigenen und besseren Lösung kommen, so sei sie aber die erste, die sich darüber freuen würde.

Abgeordnete CSÖRGITS (S) bedauerte es sehr, dass kein Gespräch mit der Opposition gesucht wurde, zumal es darum gehe, ein Sozialversicherungssystem und die soziale Sicherheit in Österreich aufrecht zu erhalten. Sie stand der nun vorgeschlagenen Lösung kritisch gegenüber, da es sich dabei nur um eine Vergangenheitsbewältigung handle und die Finanzprobleme der Krankenkassen wieder nicht gelöst werden. Bemerkenswert sei auch, dass sehr schnell reagiert wurde, als die Bauernversicherung in Schwierigkeiten geriet, währenddessen die Anliegen der mehr als 5 Millionen ASVG-ArbeitnehmerInnen und ihrer Angehörigen aber nicht berücksichtigt wurden.

Abgeordneter DONABAUER (V) machte zunächst darauf aufmerksam, dass in der Frage der Chefarztpflicht die Ministerin nun eingreifen musste, da die Richtlinien zur ökonomischen Verschreibweise nur von wenigen Trägern - wie etwa der Bauernsozialversicherung - eingehalten wurden. Was die Finanzprobleme der Bauernkrankenkasse betrifft, so seien diese darauf zurückzuführen, dass der frühere SPÖ-Minister Edlinger im Jahr 1998 die Zuschüsse gekürzt hat. Nunmehr ist auch der Ausgleichsfonds weggefallen und deshalb musste eine Lösung gefunden werden, die nach langen Diskussionen auch erreicht wurde. Er glaube, dass es fair sei, wenn nun Mittel aus der Tabaksteuer gerecht aufgeteilt werden und zum Teil in jenen Bereich fließen, der große strukturelle Probleme hat.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) bedauerte, dass die Regierung immer wieder bei wichtigen sozial- und gesundheitspolitischen Fragen das Parlament übergehe. Was die neue Regelung in Bezug auf die Chefarztpflicht angeht, so wolle er durchaus anerkennen, dass es sich dabei um einen Schritt in die richtige Richtung handelt, auch wenn noch weitere Verbesserungen möglich gewesen wären. Es dürfe nicht nach rein ökonomischen Kriterien vorgegangen werden, denn ein teureres Medikament könne durchaus auch wirksamer für die Patienten sein und den Krankheitsverlauf verkürzen. Grünewald trat auch dafür ein, die Leistungen noch weiter zu harmonisieren, da es noch immer viel zu große und ungerechtfertigte Unterschiede in der Abgeltung gebe. Handlungsbedarf bestehe auch hinsichtlich der Verschreibungspraxis, da sich z.B. durch falsch oder zu früh verschriebene Antibiotika Resistenzen entwickeln können, die dann den Einsatz von viel teueren Medikamenten notwendig machen.

Abgeordneter WALCH (F) machte sich für die Bauern stark, die nicht nur viele Arbeitsplätze schaffen, sondern auch als Landschaftspfleger eine wichtige Rolle haben. Außerdem waren die Bauern selbst dazu bereit, ihre Beiträge zu erhöhen, um das Versicherungssystem aufrechtzuerhalten. Auch wenn die Vorgangsweise kritisiert werden könne, so sei es ihm doch lieber, dass noch vor der Sommerpause ein Beschluss gefasst werden könne. Positiv beurteilte er auch die Änderungen im Bereich der Chefarztpflicht.

Chaos und "Murks" scheinen offensichtlich das Markenzeichen der Bundesregierung zu sein, urteilte Abgeordneter LACKNER (S) im Zusammenhang mit der Sozial- und Gesundheitspolitik. Auch im vorliegenden Fall handle es um eine reine Reparaturmaßnahme, die zudem keine Reformansätze enthalte. Es fehlen z.B. die so dringend notwendige Neuregelung des Ausgleichsfonds sowie die Lösung der Finanzprobleme der Gebietskrankenkassen. Er freue sich jedoch, dass heute zumindest klargestellt wurde, dass die Chefarztpflicht nicht fällt.

Abgeordneter NEUGEBAUER (V) befasste sich zunächst mit der Chefarztpflicht und stellte klar, dass auch in Hinkunft ein qualitativer und unbürokratischer kontrollärztlicher Dienst notwendig sei. Was die Rückabwicklung des Ausgleichsfonds betrifft, so wurde ein großer Akt der Solidarität gesetzt, da die Mittel nicht sofort eingefordert werden und ein mehrjähriger Tilgungsplan ermöglicht wurde, der im vollen Einvernehmen mit den SPÖ-Kollegen in den Gebietskrankenkassen beschlossen wurde.

Es gehe überhaupt nicht darum, auf die Bauern hinzuhauen, stellte Abgeordneter DI PIRKLHUBER (G) klar, sondern um die Art und Weise, wie diese wichtige Materie am Parlament vorbei verhandelt wurde. Er befürchtete, dass wieder ein Husch-Pfusch-Gesetz verabschiedet werde, das in der Praxis viele Probleme verursacht. Die Grünen wollen eine echte und langfristige Lösung, damit nicht alle paar Monate eine Novelle beschlossen werden muss, forderte er. Wichtig wäre es zum Beispiel, das Sozialversicherungssystem der Bauern, das auf dem Einheitswert basiert und daher eindeutig die großen Betriebe massiv begünstigt, gerechter zu gestalten. Allerdings müsse man auch anerkennen, dass aufgrund der Alterspyramide keine Deckung möglich ist.

Abgeordneter Dr. RASINGER (V) erklärte, die Chefarztpflicht falle nur für den Patienten, nicht aber für den Arzt weg, und dies sei für den Patienten etwas Gutes, wie generell die Gesundheitsreform dergestalt charakterisiert werden könne, dass aus etwas Hervorragendem etwas noch Besseres gemacht werde. Der Redner erläuterte die Auswirkungen der geplanten Reformmaßnahmen und zeigte sich mit diesen zufrieden.

Abgeordneter SPINDELBERGER (S) äußerte sich hingegen kritisch über die in Rede stehende Reform und bekundete Missfallen über die Vorgangsweise der Regierungsparteien in dieser Angelegenheit. Zweifel meldete der Redner hinsichtlich der möglichen Umsetzung einer Gesundheitsreform an. Diese Politik könne die Opposition nicht mittragen, denn seine Fraktion trete für eine umfassendere Lösung ein.

Abgeordneter KOPF (V) legte ein Bekenntnis zu den heimischen Bauern ab, deren Wichtigkeit in vielen Belangen evident sei. Dennoch gebe es hier strukturelle Probleme innerhalb dieser Berufsgruppe, weshalb man nach solidarischen Lösungen für die damit verbundenen finanziellen Fragen suchen müsse. Die hier geplante Reform werde sich als zukunftweisend erweisen, zeigte sich Kopf überzeugt.

Abgeordnete HÖLLERER (V) wies ebenfalls auf die Bedeutung der heimischen Bauernschaft hin und sprach sich für einen solidarischen Akt zur Absicherung der sozialen Sicherheit der Bauern aus. Die vorgeschlagene Lösung sei daher zu begrüßen und sollte entsprechend unterstützt werden.

Die Vorlage wurde mehrheitlich angenommen. Der Zuweisungsantrag der Opposition blieb hingegen in der Minderheit. (Forts.)


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