Parlamentskorrespondenz Nr. 1035 vom 14.12.2005

Rechnungshofausschuss diskutiert E-Card-Projekt

Erfolgreiches Projekt versus Rechnungshof-Kritik am Projektablauf

Wien (PK) - Im Rechnungshofausschuss des Nationalrats bot heute der Bericht des Rechnungshofes (III-159) Anlass zu einer äußerst kontroversiellen Diskussion über das E-Card-Projekt des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger. Während die Opposition die im Bericht aufgelisteten Kritikpunkte am Projektablauf aufgriff und der Regierung einen "Gagenskandal" sowie Geldverschwendung und Rechtsverletzung (Abgeordneter Günther Kräuter - S) vorwarf, betonte Bundesministerin Maria Rauch-Kallat, dass man mit der E-Card die innovativste und modernste Karte der Welt geschaffen habe. In der Zwischenzeit sei von anderen Staaten, darunter Australien und Deutschland, wegen Folgeprojekten angefragt worden, wodurch Investmentkosten hereingebracht und Arbeitsplätze gesichert werden könnten.

Rauch-Kallat unterstrich, dass die E-Card zu einer vollen Bürgercard ausgebaut werden könne und in Zukunft auch das elektronische Rezept bis hin zum elektronisch Leben begleitenden Gesundheitsakt ausgebaut werden soll. Das bringe den Patientinnen und Patienten Sicherheit in der Behandlung und erspare unnötige Untersuchungen. Man arbeite an einer gemeinsamen Dokumentation von Krankenhäusern und niedergelassenem Bereich, habe aber vorerst die diffizile Frage zu klären, wer Zugang zu welchen Daten haben soll. Sie schlug in diesem Zusammenhang entweder eine gemeinsame Sitzung des Gesundheits- und Verfassungsausschusses oder die Abhaltung einer Enquete vor, was vom Vorsitzenden des Rechnungshofausschusses Werner Kogler (G) positiv aufgegriffen wurde.

Von den Abgeordneten wurde auch releviert, dass nicht alle Gruppen mit der E-Card ausgestattet sind, z.B. Gewerbetreibende und Sozialhilfeempfänger. Rauch-Kallat betonte darauf hin, dass dies auf die Art der Versicherung ankomme, es ihr aber ein besonderes Anliegen sei, SozialhifeempfängerInnen nicht zu diskriminieren. Da Sozialhilfe Ländersache sei, habe sie sich daher an die Landeshauptleutekonferenz gewendet, mit der Bitte, eine Lösung zu finden, worauf nun eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern versuche, so rasch wie möglich die strittigen Fragen zu klären.

Rauch-Kallat ging auch auf die in der Öffentlichkeit vorgebrachte Kritik ein, PolitikerInnen zahlten keine E-Card-Gebühr. Dies sei falsch, betonte sie, denn all jene PolitikerInnen, die bei der Gebietskrankenkasse versichert seien, hätten diese Gebühr ebenfalls zu entrichten. Etwas anderes sei es bei jenen PolitikerInnen, die in ihrem Zivilberuf etwa BeamtInnen, Gewerbetreibende oder Bauern seien, bzw. bei der Eisenbahn arbeiteten. Diese hätten einen Selbstbehalt zu bezahlen, der weit höher liege als die E-Card-Gebühr.

Der Rechnungshof hatte sich in seinem Bericht äußerst kritisch mit dem Projekt E-Card auseinander gesetzt und insbesondere hohe Projektnebenkosten, Fehler im Projektmanagement und einen zum Prüfungszeitpunkt festgestellten Zeitverzug von zweieinhalb Monaten bemängelt. So war seiner Ansicht nach die organisatorische Rahmengebung beim zweiten E-Card-Projekt nicht besser gelöst als beim ersten - gescheiterten - Projekt.

Konkrete Kritikpunkte betreffen etwa die zersplitterte Entscheidungsstruktur und die unzureichende Abgrenzung der Verantwortlichkeiten, die, so der Rechnungshof, für eine zeit- und kostengünstige Projektabwicklung nicht geeignet waren. Zudem werteten die Prüfer den Personalaufwand der zur Umsetzung des Projekts eingerichteten SV-ChipBE (Sozialversicherungs-Chipkarten Betriebs- und Entwicklungsgesellschaft m.b.H.) als zu hoch und mahnten eine Reduzierung der Führungsebenen ein.

Besonders kritisch beurteilte der Rechnungshof die Beauftragung der Forschungsgruppe "Research Industrial Software Engineering" (RISE) an der Technischen Universität Wien mit einer Parallelentwicklung. Die Beauftragung sei weder wirtschaftlich noch zweckmäßig gewesen, heißt es im Bericht, zudem habe die Auftragsvergabe nicht den Bestimmungen des Bundesvergabegesetzes entsprochen. Auch die Zustimmung der zuständigen Gremien fehlte. Die Beauftragung der RISE war - neben der Verletzung von Informationspflichten seitens der Geschäftsführung und unbefriedigenden Kommunikationsverhältnissen zwischen dem Aufsichtsrat und dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger - einer der Gründe dafür, dass der Aufsichtsrat der SV-ChipBE nach dem Rücktritt eines Großteils der acht Aufsichtsratsmitglieder im Jänner 2004 seine Funktion beendete.

Die Abgeordneten setzten sich mit den vom Rechnungshof beanstandeten Punkten sehr detailliert auseinander. Besonders kritisch äußerten sich die Abgeordneten der Opposition. So sprachen die Abgeordneten Günther Kräuter und Christian Puswald (beide S) die zu hohen Kosten und völlig ungeklärten Dienstverträge an, wobei Puswald den Ausdruck "verplempert" benützte. Wie seine Klubkollegin Ruth Becher interessierte er sich dafür, wie man den ausreichenden Schutz der Daten gewährleisten wolle. Weitere Fragen zu konkreten Kritikpunkten wurden von den Abgeordneten Kurt Gaßner, Christine Lapp und Hermann Krist (alle S) gestellt. Dabei kamen u.a. das Gehalt von Volker Schörghofer, der eine Doppelfunktion als Zuständiger für die Technik und als Geschäftsführer in der E-Card-Gesellschaft inne hat, sowie die Diskrepanz zwischen den von Generaldirektor Josef Kandlhofer genannten Gesamtkosten von 116 Mill. € und den vom Rechnungshof errechneten Betrag von 128 Mill. €. Zur Sprache.

Abgeordneter Werner Kogler (G) erhoffte sich in dieser Frage  Aufschluss durch den dritten Bericht des Rechnungshofes zum E-Card-Projekt. Er würde sich freuen, sagte er, sollte die E-Card tatsächlich so erfolgreich sein, wie von der Ministerin dargestellt, dennoch sei es notwendig, Nachschau zu halten, wo Fehler passiert sind und wo beim zweiten Projekt notwendige Korrekturen unterlassen wurden. Er thematisierte insbesondere das Angebot an den Professor der TU Wien, Forschungsgruppe RISE, wo dann die Abrechnung über einen Verein erfolgte. Derartige unklare Grenzbereiche müssten unbedingt geklärt werden, sagte er.

Dem gegenüber erinnerte Abgeordneter Roderich Regler (V), dass das erste Projekt im Jahr 2003 als gescheitert gestoppt und ein neues ausgeschrieben und unter großem Druck verwirklicht werden musste. Er meinte, angesichts des erfolgreichen Ablaufs des Projekts könne man nicht von verlorenen Kosten sprechen. Dem schlossen sich auch die Abgeordneten Alfred Schöls und Hermann Gahr (beide V) an. Abgeordneter Erwin Hornek (V) wies darauf hin, dass durch das Scheitern des ersten Projekts zwischen 1996 und 2003 wichtige Jahre vergangen und dadurch ebenfalls unnötige Kosten entstanden seien.

Bundesministerin Rauch-Kallat verteidigte vehement das Projekt, auch wenn sie einräumte, dass es einige "Schwangerschaftskomplikationen", aber kaum "Geburtskomplikationen" gegeben habe. Das Ergebnis sei außerordentlich gut und man könne mit Recht darauf stolz sein. Das besondere an dieser modernsten Karte der Welt sei, dass sie im Gegensatz zu anderen Gesundheitskarten es nun ermögliche, 8,2 Millionen Menschen an ein online-System anzuschließen. Das System biete auch eine optimale Datensicherung. Auf der E-Card selbst seien keine Daten gespeichert, sie halte es aber für sinnvoll, etwa Allergien oder Medikamentenunverträglichkeiten darauf zu speichern. Diese Fragen, insbesondere Haftungsfragen, würden aber derzeit von einer Arbeitsgruppe diskutiert. Jedenfalls sei das, was hier vorliege, österreichisches Know how vom Besten und den Vorsprung, den man erreicht habe, wolle man auf alle Fälle halten.

Die Bundesministerin stellte sich auch voll hinter Josef Kandlhofer und Volker Schörghofer. Ohne Schörghofer wäre dieses Projekt nicht möglich gewesen und die Besetzung beider Posten durch seine Person sei im Hinblick auf Synergieeffekte notwendig gewesen. Das Gehalt aus beiden Verträgen liege an der unteren Grenze, was ein vergleichbarer Projektleiter in der Privatwirtschaft erhalte, sagte sie.

Kandlhofer sei es durch zähe Verhandlungen gelungen, von der Vorgängerfirma für das gescheiterte erste Projekt so viel Entschädigung zu erhalten, dass kein Geldverlust entstanden sei. Sie halte auch die Verpflichtung des Programmdirektors für notwendig. Sein Engagement hätte insgesamt 1,1 Mill. € gekostet, es sei aber dann gelungen, die Ausschreibung so zu formulieren, dass die ursprünglichen Kosten von 68 Mill. auf 37 Mill. € reduziert werden konnten. Das bedeute bei Einrechnung des Gehalts des Programmdirektors eine Ersparnis von 30 Mill. €. Diese Aussagen der Ministerin wurden von der Opposition mit Skepsis aufgenommen.

Die Bundesministerin informierte die Abgeordneten auch, dass nach derzeitigen Berechnungen sich die Kosten in ca. zweidreiviertel Jahren amortisieren werden.

Generaldirektor Kandlhofer wehrte sich auch gegen den Vorwurf, Gelder verplempert zu haben, und hielt fest, dass das nun vorliegende Projekt planmäßig und auf den Tag genau habe durchgeführt werden können. Mit Ende 2005 sei das "rollout" der Installierung und Infrastruktur abgeschlossen und dann könne man an den weiteren Ausbau gehen. Er könne auch keinerlei Verletzung der Dienstordnung bei den Verträgen erkennen. Mit dem Projekt sei man auch im Rahmen des Budgets geblieben, bekräftigte er.

Dem konnte sich der Präsident des Rechnungshofes Josef Moser insofern nicht anschließen, als es im Jahr 2003 keine fixe Kostenschätzung seitens des Hauptverbandes gegeben habe. Er bekräftigte anhand detaillierter Zahlen und Fakten die Kritik des Rechnungshofes und bemängelte abermals, dass man den Programmdirektor ohne schriftlichen Vertrag beauftragt habe. Dieser Fehler wurde auch von der Ministerin eingestanden, wobei diese betonte, das habe nichts mit der Qualifikation der Person zu tun.

Moser unterstrich, auch er halte die E-Card für sinnvoll und das zweite Projekt sei durchaus gelungen und zweckmäßig. Dies rechtfertige jedoch nicht das Vorgehen des Hauptverbandes, zumal dieser die Lehren aus dem ersten Projekt nicht gezogen und unnötige Kosten auch nicht vermieden habe. Ebenso habe man teure Parallelstrukturen aufgebaut, blieb Moser bei seinem Standpunkt.

Der Bericht wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen mehrheitlich zur Kenntnis genommen. (Schluss)