Parlamentskorrespondenz Nr. 297 vom 23.04.2007

EU zwischen Ringen um Verfassung und Fortführung der Erweiterung

Bericht des Außenministeriums zum EU-Programm 2007

Wien (PK) - Dem Parlament liegt ein Bericht des Außenministeriums (III-31 d.B.) vor, der auf der Grundlage des EU-Arbeitsprogramms 2007 jene außenpolitischen Herausforderungen zusammenfasst, denen sich die Europäische Union in diesem Jahr zu stellen haben wird. Besondere Schwerpunkte bilden dabei die Zukunft der Union vor dem Hintergrund der Debatte über einen europäischen Verfassungsvertrag sowie die Länder des westlichen Balkans, die schon während des österreichischen EU-Vorsitzes eine Priorität dargestellt hatten.

Einigung in der Verfassungsfrage hat oberste Priorität

Die derzeitige deutsche Präsidentschaft räumt der Verfassungsdebatte Vorrang ein. In diesem Sinn wertet der Bericht die Berliner Erklärung anlässlich des 50. Jahrestages der Unterzeichnung der Römischen Verträge als möglichen Impuls zur Lösung der Verfassungsfrage. Erklärtes Ziel der deutschen Präsidentschaft ist es jedenfalls, bis Juni einen klaren Fahrplan für das weitere Vorgehen zu verabschieden. Zudem soll nach Möglichkeit Einigung über die außer Streit stehenden Teile des Verfassungsvertrages erzielt werden. Aufgabe der beiden nachfolgenden Präsidentschaften Portugal und Slowenien wird es sein, die Lösung der Verfassungsfrage auf dieser Grundlage voranzutreiben, wobei die dafür notwendigen Schritte spätestens im zweiten Halbjahr 2008 unternommen werden müssen.

Substanz des Verfassungsvertrags soll beibehalten werden

Nach den Worten des Berichts ist der Verfassungsvertrag aus österreichischer Sicht der beste bisher ausgearbeitete Versuch, die Union demokratischer, bürgernäher und effizienter zu machen und sie damit besser auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts vorzubereiten. Österreich unterstützt den deutschen Ratsvorsitz in seinen Bemühungen, den Weg für eine Lösung der Probleme zu ebnen, und teilt auch dessen grundsätzliche Einschätzung, wonach die Substanz des Verfassungsvertrags beibehalten werden sollte. Die institutionellen Regelungen des Vertrags sind aus österreichischer Sicht ausgewogen und bedürfen daher keiner neuerlichen Verhandlung, heißt es weiter. Das Papier enthält ferner auch eine Reihe von nicht-institutionellen Elementen, denen Österreich größte Bedeutung beimisst. Es wäre daher nicht akzeptabel, nur ein reduziertes Paket institutioneller Bestimmungen aus dem Verfassungsvertrag herauszulösen.

Der Bericht betont zudem aber die Bereitschaft Österreichs, gezielt Verbesserungsvorschläge zu prüfen, um ein Fortführen des Vertragsprozesses zu ermöglichen. So würde Wien etwa die Idee einer verstärkten Betonung der sozialen Dimension der europäischen Einigung unterstützen.

Monitoring für Rumänien und Bulgarien

Was die EU-Erweiterung betrifft, weist der Bericht zunächst auf den Monitoring-Prozess bezüglich der beiden neuen Mitglieder Rumänien und Bulgarien hin. So wird die Auszahlung landwirtschaftlicher und regionalpolitischer Fördermittel besonders genau geprüft und gesteuert, für die sensiblen Bereiche Justiz und Inneres wiederum wurde ein eigener Verifikationsmechanismus eingerichtet, der die Erfüllung spezifischer Benchmarks etwa bei der Korruptionsbekämpfung überprüft. Auf der Grundlage von regelmäßigen Berichten der beiden Länder wird die Europäische Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat alle sechs Monate – erstmals im Juni 2007 – über die Erfüllung der Benchmarks berichten.

Kroatien: Österreich für raschen Abschluss der Beitrittsverhandlungen

Bezüglich Kroatien unterstreicht der Bericht, dass ein rascher Abschluss der Beitrittsverhandlungen im österreichischen Interesse liegt. Aufgrund der Fortschritte Kroatiens bei der Übernahme des Acquis verläuft der Screeningprozess sehr zügig. Seitens der deutschen Präsidentschaft ist die Abhaltung einer Beitrittskonferenz auf Ministerebene sowie ein Treffen des Stabilisierungs- und Assoziierungsrats geplant.

Weitere Beitritte an Aufnahmefähigkeit der EU gekoppelt

Anders gestaltet sich der Prozess hinsichtlich eines Beitritts der Türkei. Wie der Bericht zu bedenken gibt, hat sich durch die Verlangsamung der Fortschritte der Türkei bei der Umsetzung des Acquis eine Abkoppelung der Beitrittsverhandlungen Ankaras von jenen mit Kroatien ergeben. Als Folge der Nichterfüllung der Verpflichtungen aus dem Ankara-Protokoll wurden die Verhandlungen zu acht Kapiteln eingefroren. Der Rat wird nun die Fortschritte der Türkei bei der Umsetzung des Protokolls auf Basis jährlicher Berichterstattung der Kommission bis 2009 überprüfen und je nach Ergebnis über eine Rücknahme dieser Maßnahme entscheiden.

Österreich unterstützt die Bestrebungen des deutschen Vorsitzes, die Erweiterungsverhandlungen unter Berücksichtigung des vom Europäischen Rat definierten Konzepts der Aufnahmefähigkeit der EU fortzusetzen. Zudem tritt Österreich für eine weitere Operationalisierung des Instruments der Folgenabschätzung ein, um eine Verbindung zwischen der Aufnahmefähigkeit der Union und der Beitrittsfähigkeit eines Landes herzustellen, betont der Bericht.

EU-Beitrittsperspektive für Westbalkan

   

Die westlichen Balkanländer bleiben für Österreich eine außenpolitische Priorität, zumal die EU-Beitrittsperspektive, wie der Bericht zu bedenken gibt, für die Stabilisierung der Region unersetzlich ist. Zur Konkretisierung dieser Perspektive will die Union mit allen Ländern des Westbalkans umfassende vertragliche Beziehungen in Form von Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen herstellen. Im Herbst 2007 wird die Kommission, dann Berichte zu den Fortschritten Kroatiens und Mazedoniens mit Blickrichtung EU-Beitritt sowie Albaniens, Bosniens, Montenegros und Serbiens einschließlich des Kosovo im Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess vorlegen. Darauf aufbauend werden dann für jedes Land in einem Beitrittspartnerschaft bzw. Europäische Partnerschaft genannten Rechtsakt die kurz- und mittelfristigen Reform- und Entwicklungsprioritäten festgelegt.

Als größte Herausforderung in der Region für dieses Jahr bezeichnet der Bericht den Abschluss der Kosovo-Statusverhandlungen. Als besonders wichtig wird dabei eine einheitliche Haltung der Union bei der Umsetzung der Status-Entscheidung sowie bei der künftigen internationalen Präsenz, bei der die EU eine führende Rolle übernehmen wird, eingeschätzt. (Schluss)