Parlamentskorrespondenz Nr. 664 vom 09.07.2008

Neues Tabakgesetz bringt grundsätzliches Rauchverbot

Übergangsregelungen für bauliche Adaptierungen bis Mitte 2010

Wien (PK) - In der Debatte über die Änderung des Tabakgesetzes, des ASVG, des GSVG und des B-SVG räumte Abgeordnete Dr. BELAKOWITSCH-JENEWEIN (F) ein, Rauchen sei gesundheitsschädlich, das Problem kann ihrer Ansicht nach aber nicht durch ein Rauchverbot in der Gastronomie gelöst werden. So sei etwa Rauchen des Partners um vieles schädlicher als gelegentliche Lokalbesuche, erklärte sie. Überdies seien Lokalbesuche nicht verpflichtend, jeder setze sich freiwillig einer möglichen Gesundheitsgefährdung aus. Belakowitsch-Jenewein plädierte dafür, Rauchern mehr Hilfestellung anzubieten, von ihrem "Laster" wegzukommen, anstatt das Tabakgesetz zu verschärfen.

Abgeordneter Dr. RASINGER (V) wertete die vorliegende Novellierung des Tabakgesetzes hingegen als vernünftigen Schritt im Sinne des Gesundheitsschutzes, auch wenn, wie er zugestand, Passivrauchen viel weniger gefährlich als Rauchen sei. WHO-Studien zufolge würden Raucher im Durchschnitt acht Jahre früher sterben, umriss er, 30 % aller Karzinome seien durch Rauchen verursacht. Eher skeptisch äußerte sich Rasinger zu einem totalen Rauchverbot in der Gastronomie, obwohl der Trend in diese Richtung gehe.

Abgeordneter WESTENTHALER (B) sprach sich vehement gegen ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie aus. Er sieht dies als unzulässigen Eingriff in die persönliche Freiheit der Gäste, vor allem aber der Gastronomen. Jeder Wirt solle selber entscheiden können, ob er ein Raucher- oder ein Nichtraucherlokal führe oder ob er Raucherzonen anbiete. Westenthaler kann sich allerdings, wie er ausführte, eine verpflichtende Kennzeichnung der Lokale vorstellen. Gleichzeitig forderte er eine Förderung guter Lüftungsanlagen. Durch das vorliegende Gesetz werden Wirte seiner Auffassung nach in eine "unakzeptable Grauzone" geschickt.

Abgeordneter KECK (S) erklärte, er sei ursprünglich sehr skeptisch in Bezug auf den vor einigen Jahren eingeführten strengen Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz gewesen. Er habe sich gedacht, diese Verbotspolitik lasse sich nicht umsetzen. Entgegen seinen Befürchtungen habe aber "die Vernunft gesiegt" und sich das Rauchverbot durchgesetzt. Keck erachtet auch in der Gastronomie einen entsprechenden Arbeitnehmerschutz für notwendig. Gleichzeitig machte er geltend, dass es zum nunmehr vorgesehenen strengen Rauchverbot in der Gastronomie viele Ausnahmebestimmungen gebe.

Abgeordneter WEINZINGER (F) appellierte an die Abgeordneten, das vorliegende Gesetz nicht zu beschließen. Die Politik greife damit in die Selbstbestimmung des Menschen ein, kritisierte er. Rauchen sei seit 300 Jahren ein Teil der österreichischen Kultur. Rauchen sei nicht gesund, räumte Weinzinger ein, aber auch Fast-Food sei nicht gesund und werde auch nicht verboten. Weinzinger plädierte für eine freie Entscheidung der Wirte. Rücksicht auf Nichtraucher ist für ihn, wie er sagte, ohnehin eine Selbstverständlichkeit, es sei aber "eine Unglaublichkeit", das gesetzlich zu verordnen.

Abgeordneter Dr. GRÜNEWALD (G) kündigte die Zustimmung der Grünen zum vorliegenden Gesetzentwurf an, mahnte aber ein, das Gesetz bald genau zu evaluieren. Klar ist für ihn jedenfalls, dass die Nichtraucher künftig besser als bisher geschützt werden, auch wenn der Schutz einigen als zu gering erscheine. Die Argumente der Gegner einer Verschärfung des Tabakgesetzes bezeichnete Grünewald als zum Teil obskur und skurril. "Bleiben wir bei den Tatsachen: Rauchen ist schädlich", bekräftigte er.

Abgeordneter DOLINSCHEK (B) konstatierte, das BZÖ trete für eine friedliche Koexistenz von NichtraucherInnen und RaucherInnen ein. Diese erreiche man aber nicht durch Zwänge und Verbote, zeigte er sich überzeugt, sondern durch eine Wahlfreiheit der Wirte. Als "untragbar" qualifizierte Dolinschek die hohen Strafen bei Verstößen gegen das Rauchverbot in der Gastronomie.

Abgeordnete HÖLLERER (V) sprach von einem "praktikablen Kompromiss" im Sinne des Nichtraucherschutzes. Vorgesehen sei ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie mit mehreren Ausnahmebestimmungen. "Panikmache" ist nach Meinung Höllerers nicht angebracht. Sie ortet auch bereits eine höhere Sensibilität für die Frage des Nichtraucherschutzes durch die öffentliche Debatte.

Abgeordneter Dr. GRAF (F) warnte vor Umsatzeinbrüchen in der Gastronomie durch die vorgesehenen Rauchverbote. Rauchen sei selbstverständlich eine Kulturfrage, meinte er und verwies etwa auf die traditionelle Wiener Kaffeehauskultur. Den "intoleranten Raucher" gibt es ihm zufolge in der Regel ohnehin nicht, viel häufiger würden aggressive Nichtraucher in Erscheinung treten. Graf kündigte eine getrennte Abstimmung über einzelne Punkte des Gesetzes und eine namentliche Abstimmung über das Rauchverbot an.

Abgeordneter Mag. MAIER (S) schilderte, er sei selbst Kettenraucher gewesen und habe damit seine Umwelt und seine Familie belästigt. Jetzt gehe es ihm besser. Er gehöre aber "nicht zu den militanten Nichtrauchern", sagte Maier, deshalb begrüße er auch das vorliegende Gesetz, das ein guter Kompromiss sei. Die Freiheit habe dort ihre Grenzen, wo es um Arbeitnehmerschutz gehe. Schließlich sei es wissenschaftlich erwiesen, dass es für ArbeitnehmerInnen gesundheitsschädlich sei, wenn sie ständig Rauch ausgesetzt seien.

Abgeordneter ÖLLINGER (G) betonte, die Grünen stünden für einen klaren Schutz von NichtraucherInnen. Das sage er als Raucher. Es sei nicht damit getan, Rauchen als Kulturfrage zu bewerten. Das vorliegende Gesetz wertete Öllinger als Kompromiss.

Abgeordneter WÖGINGER (V) sprach von einem guten Kompromiss, der kleinen Wirten die Wahlfreiheit lasse, in ihrem Lokal rauchen zu lassen oder nicht. Zugleich schütze das Gesetz Nichtraucher und anerkenne Menschen, die von der Sucht des Rauchens loskommen wollen. Auch ArbeitnehmerInnen werden vor dem Passivrauchen geschützt, sagte Wöginger und bekannte sich dazu, die Menschen dazu zu ermutigen, mit dem Rauchen aufzuhören.

Abgeordnete Mag. TRUNK (S) bekannte sich zu dem Grundsatz, die Freiheit des Einzelnen müsse dort enden, wo die Freiheit des anderen beginne. Daher sei es notwendig, Regeln für den Alkoholkonsum im Verkehr aufzustellen und für den Schutz der Nichtraucher vor dem Passivrauchen an Arbeitsplätzen und in der Gastronomie. Das vorliegende Gesetz sichere ein friedvolles Nebeneinander zwischen RaucherInnen und NichtraucherInnen, zeigte sich die Rednerin überzeugt und forderte den Wirtschaftsminister auf, GastronomInnen mit Förderungen bei Investitionen für den Nichtraucherschutz unter die Arme zu greifen.

Bundesministerin Dr. KDOLSKY nannte als das Ziel des Gesetzentwurfs eine Stärkung des Nichtraucherschutzes unter Einbeziehung der Gastronomie und insbesondere den Schutz vor dem Passivrauchen. Wirtschaftstreibende waren in die Verhandlungen für dieses Gesetz eingebunden, erinnerte die Ministerin, und machte auf die Zielsetzung der WHO aufmerksam, Nichtraucher in geschlossenen Räumen vor den Gefahren des Passivrauchens zu schützen. Nichtraucherschutz in Lokalen zählt für die Ministerin auch zur Gesundheitsprävention, weil junge Menschen sehen, dass Rauchen nicht mehr chic sei. Die Ministerin bekannte sich zur Unterstützung der Tabakentwöhnung, zu Sanktionen bei Verstößen gegen das Rauchverbot in überdachten öffentlichen Räumen und unterstrich die Notwendigkeit, Nichtraucher in der Gastronomie mit Rauchern gleichzustellen. Die Kennzeichnungspflicht schaffe Wahlmöglichkeit für die KonsumentInnen, zu entscheiden, ob sie einen Abend in einem Raucherlokal verbringen wollen oder nicht.

Abgeordneter DONABAUER (V) sah gute Ansätze in dem vorliegenden Gesetz, merkte aber an, es werde nicht alle Probleme im Zusammenhang mit dem Rauchen lösen können. Von den 2,3 Millionen RaucherInnen in Österreich sterben täglich 39 an den Folgen ihres teuren Lasters, sagte der Abgeordnete und bekannte sich nachdrücklich zur Aufklärung über die Gefahren des Tabakkonsums, vor allem für Jugendliche.

Abgeordnete Mag. AUBAUER (V) sah das Parlament als ein gutes Beispiel für das funktionierende Nebeneinander von RaucherInnen und NichtraucherInnen an. Dass dies im Hohen Haus so gut funktioniere, liege an den klaren Spielregeln, die im Parlamentsgebäude gelten. Die Abgeordnete wandte sich gegen jede Hatz auf RaucherInnen, plädierte aber gleichzeitig für einen deutlich stärkeren Schutz der Nichtraucher.

Abgeordnete DURCHSCHLAG (V) outete sich als Nichtraucherin seit fast 50 Jahren, bekannte sich aber zugleich zu einer Gesellschaft mit möglichst großen persönlichen Entscheidungsfreiräumen und warnte davor, alle Probleme durch Verbote lösen zu wollen. Das vorliegende Gesetz trage unterschiedlichen Meinungen Rechnung und schütze Jugendliche, Schwangere und Unternehmer. Das irische Beispiel zeige, dass Totalverbote kontraproduktiv sein können. Dort sinke zwar die Zahl der RaucherInnen, für eine zunehmende Zahl von Jugendliche werde es aber immer attraktiver, verbotenerweise zu rauchen.

Abgeordneter Dr. EDER (V) räumt ein, sich als Arzt auch ein strengeres Gesetz vorstellen zu können. Die Politik könne aber nicht mehr tun, als die Nichtraucher zu schützen, und habe anzuerkennen, dass Lokale nicht als rein öffentliche Orte zu werten seien. Man müsse daher an die Eigenverantwortung der Menschen appellieren und dafür sorgen, dass sich ein Nichtraucher unbehelligt in einem Gastronomiebetrieb aufhalten könne.

Abgeordneter OBERNOSTERER (V) bekannte sich ebenfalls zu klaren Regeln und zur Eigenverantwortung der Menschen sowie zur Freiheit des Unternehmertums. Bis zu einer Größe von 80 m2 Lokalfläche könne der Wirt künftig entscheiden, ob bei ihm geraucht werde oder nicht. Dies sei notwendig, weil das Berliner Beispiel gezeigt habe, dass 11 % der kleinen Lokale nach der Einführung des Rauchverbots zusperren mussten. Obernosterer dankte der Gesundheitsministerin für ihr intensives Eintreten für den Kompromiss zwischen wirtschaftlicher Freiheit und Nichtraucherschutz.

Abgeordneter HÖRL (V) sprach ebenfalls von einem guten Kompromiss zwischen Eingriffen in das Eigentum der Wirte und dem Nichtraucherschutz. In der Gesellschaft würden so keine Gräben zwischen Nichtrauchern und Rauchern aufgerissen, sondern ein Gesetz geschaffen, das Menschen zusammenführe.

Die getrennt durchgeführte Abstimmung über den Gesetzentwurf wurde teilweise namentlich durchgeführt. Die Annahme erfolgte teils mit S-V-G-Mehrheit, teils mit 125 zu 23 von 138 abgegebenen Stimmen. (Forts.)