Parlamentskorrespondenz Nr. 579 vom 24.06.2009

Verkehrsausschuss beschließt Verkehrssicherheitspaket

Parlamentsparteien einig: Keine Gigaliner auf europäischer Ebene

Wien (PK) – Der Verkehrsausschuss beschloss heute mit den Stimmen der Regierungsparteien und in weiten Teilen auch der Grünen ein Verkehrssicherheitspaket mit Änderungen des Führerscheingesetzes und der Straßenverkehrsordnung, die ein schärferes und konsequenteres Vorgehen gegen Alkolenker und Raser bezwecken. Alkohol am Steuer soll in diesem Sinn nunmehr mit deutlich längeren Zeiten des Führerscheinentzugs, aber auch mit höheren Geldstrafen sanktioniert werden. Im Einzelnen bedeutet dies, dass bei einer erstmaligen Begehung eines Alkoholdelikts im Bereich von 1,2 bis 1,6 Promille der Führerschein für mindestens vier Monate, bei einem Alkoholisierungsgrad von über 1,6 Promille für mindestens sechs Monate entzogen werden kann. Im Wiederholungsfall sieht das Gesetz verschiedene Abstufungen vor, die im schwersten Fall auf eine Entzugsdauer von mindestens einem Jahr hinauslaufen. Als begleitende Maßnahme zum Führerscheinentzug wird überdies ein so genanntes Verkehrscoaching eingeführt. Die Novelle stellt auch klar, dass im Fall eines Führerscheinentzugs der Umstieg auf ein Mopedauto nicht möglich ist. Für Geschwindigkeitsüberschreitungen auf Autobahnen bringt das Gesetz ab einem gewissen Ausmaß Mindeststrafen sowie einheitliche, fixe Organmandatshöhen für Anonymverfügungen.

Eine im Paket enthaltene weitere Novelle zum Führerscheingesetz reagiert auf die steigenden Unfallzahlen bei Mopedlenkern und schreibt eine intensivere praktische Ausbildung mit Ausfahrten im fließenden Verkehr vor. Ferner werden die Vorschriften rund um den Mopedausweis vereinheitlicht und damit überschaubarer gestaltet. Überdies schafft die Novelle auch die Rechtsgrundlage für die Gebührenfreiheit bei der Neuausstellung des C/D-Führerscheins im Rahmen der künftigen Weiterbildung der Berufskraftfahrerausbildung.

In der Debatte über das Verkehrssicherheitspaket begrüßte Abgeordneter Dietmar Keck (S) die Maßnahmen gegen Alkohol am Steuer, wobei er von seinen Erfahrungen als Sanitäter bei Verkehrsunfällen sprach und meinte, er persönlich sei eigentlich für 0,0 Promille. Die Einführung der Praxisausbildung für den Mopedführerschein unterstützte er ebenso wie die Abgeordneten Franz Eßl und Ferdinand Maier (beide V). Was den Führerscheinentzug betrifft, bemerkte Eßl, zur Erhöhung der Verkehrssicherheit gehörten natürlich auch Kontrollen und Strafen, im ländlichen Raum könnte der Entzug aber zu Problemen für Berufstätige führen. Er regte deshalb an, in einem weiteren Schritt über Ersatzmaßnahmen nachzudenken.

Abgeordnete Karin Hakl (V) wiederum gab zu bedenken, die Höhe der Strafen sollte in einer Relation zur Gefährdung stehen, es bedürfe einer für alle nachvollziehbaren und einheitlichen Regelung. Hakl wies überdies auf die Vielzahl von Änderungen der StVO hin und plädierte für eine grundlegende Überarbeitung des aus dem Jahr 1960 stammenden Gesetzes.

Seitens der Grünen begrüßte Abgeordnete Gabriela Moser das Paket als ersten Schritt für mehr Verkehrssicherheit und signalisierte die Zustimmung ihrer Fraktion. Die Regelung des Verkehrscoachings kritisierte sie allerdings als "Schnellsiedekurs" und forderte "ordentliches" Coaching durch Fachkräfte.

FPÖ und BZÖ hoben die Einführung einer Praxisausbildung für Mopedlenker als positiv hervor, äußerten aber Bedenken gegen die Erhöhung der Strafen. Sowohl Abgeordneter Bernhard Vock (F) als auch Abgeordneter Christoph Hagen (B) sprachen von "Abzocke" durch den Staat. Hagen meinte etwa, mehr Exekutive auf den Straßen wäre besser als eine Erhöhung der Strafen.

Verkehrsministerin Doris Bures wertete das Paket als Maßnahme im Kampf für mehr Verkehrssicherheit und bekannte sich mit Nachdruck zum Vorgehen gegen Alkolenker und Raser. Alkohol am Steuer und Geschwindigkeitsüberschreitungen seien keine Kavaliersdelikte, sondern Fehlverhalten, durch die man sich selbst und andere gefährde, war für die Ressortchefin klar. Die Anhebung der Strafen sei in diesem Sinn ausschließlich aus dem Aspekt der Verkehrssicherheit zu sehen und habe mit "Abzocke" nichts zu tun, betonte sie. Das Verkehrscoaching begrüßte Bures dabei als begleitende Maßnahme, die Alkolenkern ins Bewusstsein rufen soll, wie sehr ihre Reaktionsfähigkeit durch den Alkoholeinfluss beeinträchtigt werde.

Gemeinsam mit dem Verkehrssicherheitspaket behandelte der Ausschuss auch ein Bündel von Anträgen der Oppositionsparteien, die bei der Abstimmung abgelehnt bzw. vertagt wurden.

Ein Antrag der Grünen, in dem Abgeordnete Gabriela Moser die Erweiterung des für das Vormerksystem relevanten Deliktkatalogs um die Bereiche "Schnellfahren" und "Telefonieren am Steuer" verlangte, fand keine Mehrheit. Vertagt wurden ein Vorstoß Mosers für eine radfahrer- und fußgängerfreundliche StVO und eine Initiative der Grünen betreffend bundeseinheitliche Strafhöhen bei Verkehrsdelikten. Ebenfalls in der Warteschleife verblieb ein von Moser vorgeschlagenes Maßnahmenpaket für mehr Verkehrssicherheit in Österreich.

Abgelehnt wurde ein Antrag der Freiheitlichen betreffend ein Überholverbot für Lkw auf Autobahnen mit nur zwei Fahrstreifen. Keine Mehrheit gab es auch für einen weiteren Antrag der FPÖ, in dem Abgeordneter Bernhard Vock die Forderung erhob, auf Wegweisern für Orte, die im Ausland liegen, die deutschsprachige Ortsbezeichnung anzugeben.

Der Vorschlag des Abgeordneten Christoph Hagen (B) betreffend Evaluierung der Verkehrssicherheitsmaßnahmen auf ihre tatsächlichen Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit blieb schließlich bei der Abstimmung ebenfalls in der Minderheit.

KFG-Novellen mit Mehrheit beschlossen

Mit der 30. Novelle zum Kraftfahrgesetz soll Teil I der Zulassungsbescheinigung in Chipkartenformat optimal angeboten werden. Papierdokument und Chipkartenzulassungsbescheinigung sind demnach datenident. Datenfelder und Dateninhalte, die auf der Chipkartenzulassungsbescheinigung nicht mit freiem Auge lesbar aufgedruckt werden können, sind auf einem Chip gespeichert. Die auf der Chipkarte mit freiem Auge lesbaren personenbezogenen und fahrzeugspezifischen Daten wiederum entsprechen der Vorgabe der diesbezüglichen EU-Richtlinie, heißt es dazu in den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage.

Mit der 31. KFG-Novelle werden neben der Umsetzung aktueller EU-Richtlinien auch Klarstellungen zu einigen in der Vollzugspraxis aufgetretenen Problemen geschaffen. So soll für die im Sanitätergesetz genannten Rettungsdienste die Führung von Blaulicht ex lege zulässig sein, wodurch die individuellen Bewilligungen durch den Landeshauptmann entfallen. Der Verkehrssicherheitsbeitrag für Wunschkennzeichen wiederum wird auf 200 Euro angehoben. Drastischere Konsequenzen sieht das Gesetz für den Fall vor, dass ein Lenker etwa die Mitwirkung an einer Fahrzeugkontrolle verweigert. Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen schließlich soll eine Organstrafverfügung bis 70 Euro eingehoben werden können.

Von den beiden Regierungsparteien wurde ein gesamtändernder Abänderungsantrag vorgelegt, der die beiden Novellen zusammenführt und eine Änderung bezüglich der Milchsammelfahrzeuge beinhaltet. So soll es neben dem Transport von Rundholz aus dem Wald unter den gleichen Rahmenbedingungen auch bei der Sammlung von Rohmilch zulässig sein, ein Gesamtgewicht von bis zu 44 Tonnen ausnützen zu dürfen.

Mitverhandelt wurden die oppositionellen Anträge 331/A (Ausdehnung der Zählregel 1 zu 1 auf den gesamten Linien-Busverkehr), 489/A(E) (Neufassung des Kraftfahrgesetzes), 67/A(E) (mehr Sicherheit in Schulbussen), 134/A(E) (Entwertung/Vernichtung des Typenscheins bei Pkw-Totalhavarien) und 633/A(E) (Beendigung der Benachteiligung von Wechselkennzeichen-Besitzern durch die Vignettenpflicht).

Eine Debatte ergab sich aus der Bemerkung des S-Abgeordneten Dietmar Keck, der zum G-Antrag betreffend Entwertung des Typenscheins meinte, der Typenschein bedeute Eigentum; der Antrag, der durchaus Sinn mache, müsse heute abgelehnt werden, damit er, neuerlich von der Antragstellerin eingebracht, im Justizausschuss behandelt werden könne. Der Typenschein könnte im Fall einer Pkw-Totalhavarie wie ein Sparbuch entwertet werden, meinte F-Abgeordneter Werner Königshofer. Gegen eine Vernichtung sprach sich auch Abgeordneter Christoph Hagen (B) aus. Eingriffe in das Eigentum könne er nicht gutheißen, unterstrich V-Abgeordneter Hermann Schultes. Es gibt Autowracks, die ohne Typenschein entsorgt werden, gab F-Abgeordneter Bernhard Vock zu bedenken. Die Frage des B-Abgeordneten, wie viele alte Typenscheine es noch gebe, beantwortete Bundesministerin Doris Bures mit 4 Mio. Auch wies sie auf die Bestimmung des KFG hin, wonach bei der Verschrottung eines Fahrzeugs der Typenschein oder die Verlustmeldung zu entwerten sei. Liege ein Missbrauchsverdacht vor, dann handle es sich um ein zivilrechtliches und kein kraftfahrgesetzliches Problem.

Im Zusammenhang mit der Vignettenpflicht für Wechselkennzeichen-Besitzer meinte B-Abgeordneter Christoph Hagen, es sei nicht einzusehen, dass jemand, der etwa drei Oldtimer besitzt, drei Vignetten bezahlen soll; seiner Meinung nach könnte man die Überlegung anstellen, die Vignetten auf das Kennzeichen zu kleben. V-Abgeordnete Karin Hakl wies darauf hin, dass Gespräche hinsichtlich Vignetten für Wechselkennzeichen laufen; der Antrag werde vertagt, weil es nicht einfach sei, eine entsprechende Lösung zu finden. Mit einer kilometerabhängigen Pkw-Bemautung wäre das Problem gelöst, erklärte  Ministerin Doris Bures. In keinem einzigen europäischen Land gebe es Wechselkennzeichen, es handle sich somit um ein spezifisch österreichisches Problem. Von den 5 Mio. Führerscheinen sind 1,5 Mio. in Scheckkartenformat, teilte sie dem Ausschuss mit.

Bei der Abstimmung wurde die 31. KFG-Novelle in der Fassung des Abänderungsantrags teils mit S-V-G-Mehrheit, teils mit den Stimmen der Regierungsparteien angenommen; die 30. KFG-Novelle gilt als miterledigt. S-V-Vertagungsbeschlüsse gab es zu den Anträgen 331/A, 489/A(E), 67/A(E) und 633/A(E). Der Antrag 134/A(E) wurde abgelehnt.

Parteien einhellig gegen Zulassung von Gigalinern auf europäischer Ebene

Schwere Bedenken äußern die Abgeordneten Anton Heinzl (S) und Ferdinand Maier (V) in einem Antrag gegen eine Zulassung von überschweren Lkw, sogenannten Gigalinern, durch die EU. Das heimische Straßennetz sei für die Dimensionen dieser Transporter nicht ausgerichtet und müsste um teures Geld adaptiert werden, dazu kommen noch ein Sicherheitsrisiko sowie ein erhöhter CO2-Ausstoß, warnen die beiden Abgeordneten in einer gemeinsamen Initiative, in der sie die Regierung auffordern, auf EU-Ebene gegen eine Zulassung der Gigaliner aufzutreten und sich stattdessen für eine Forcierung der Bahn einzusetzen. In diese Richtung geht auch eine Initiative der G-Abgeordneten Gabriela Moser.

Abgeordneter Werner Königshofer (F) erklärte, Gigaliner können zwar in Australien und Kanada, aber aufgrund des Geländes keinesfalls in Mittel- und Zentraleuropa funktionieren. Daher werde die FPÖ dem S-V-Antrag zustimmen, den G-Antrag werde sie ablehnen, weil er "über das Ziel hinausschießt". G-Abgeordneter Harald Walser begrüßte den gemeinsamen Kampf gegen die Gigaliner. Bundesministerin Doris Bures zeigte sich erfreut über das einhellige Vorgehen gegen die 60 t-Gigaliner.

Der S-V-Antrag wurde einhellig angenommen, der G-Antrag verfiel der Ablehnung. (Schluss)