Parlamentskorrespondenz Nr. 614 vom 15.07.2010

Vorlagen: Gesundheit

Der Gesundheitsbereich steht vor großen Herausforderungen

Wien (PK) – Der Gesundheitsbericht 2009 (III-170 d.B. ), der dieser Tage dem Parlament zugeleitet wurde, stellt nicht nur die Aktivitäten des Gesundheitsressorts den gesundheitspolitischen Zielen der Bundesregierung und der Europäischen Union gegenüber, sondern bettet diese auch in den größeren Kontext internationaler Entwicklungen ein. Der Berichtszeitraum umfasst dabei die Jahre 2005 bis 2007, wobei auch aktuelle Trends der österreichischen Gesundheitspolitik berücksichtigt wurden.

Gesundheitspolitische Leitlinien und Ziele

In einem ersten Abschnitt widmet sich der Bericht den in den beiden Regierungserklärungen 2003 und 2007 formulierten Zielvorgaben für den Gesundheitssektor. Die Sicherstellung einer umfassenden Versorgung aller Menschen, unabhängig von Alter und Einkommen, die Förderung der Prävention, die Entstehung neuer Formen ambulanter Versorgung und die Senkung der Medikamentenkosten sind dabei nur einige Schritte, die die derzeitige Bundesregierung im Gesundheitsbereich zu setzen gedenkt.

Um ein hohes Niveau bei der Gesundheitsversorgung sicherzustellen, wurde 2007 das Bundesinstitut für Qualität im Gesundheitswesen (BIQG) eingerichtet, das derzeit mit der Ausarbeitung von Bundesqualitätsleitlinien zu Demenz, Parkinson, chronischen Atemwegserkrankungen und zum Disease-Management-Programm Diabetes Mellitus Typ 2 befasst ist. Im Jahr 2007 begann das BIQG außerdem mit den Vorbereitungsarbeiten für den Aufbau eines Gesundheitsportals im Internet.

Daten zum Gesundheitszustand der ÖsterreicherInnen

Im Jahresdurchschnitt des Berichtszeitraums lag die Lebenserwartung der österreichischen Männer bei 76,8 Jahren, jene der Frauen bei 82,1 Jahren. Damit hat sich der diesbezügliche Unterschied zwischen den Geschlechtern seit 2004 um weitere 0,2 Jahre verringert. Zwischen 2005 und 2007 verstarben außerdem rund 34.900 Männer und 39.800 Frauen, was einem Minus von 200 Männern und 900 Frauen gegenüber dem Zeitraum 2002-2004 gleichkommt. Als häufigste Todesursachen benennt der Bericht Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebserkrankungen. Bei Personen, die vor dem 65. Lebensjahr starben, war Krebs sogar die häufigste Todesursache.

Zwischen 2005 und 2007 wurden in den Krankenanstalten 2,6 Mio. Aufnahmen von Personen mit Wohnsitz in Österreich verzeichnet, was einem Anstieg um 6,1 Prozent gegenüber der Vergleichsperiode 2002-2004 gleichkommt. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer sank aber um 16 % auf 5,6 Tage im Jahr 2008. Die stärksten Rückgänge an stationären Aufenthalten waren bei Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett, angeborenen Fehlbildungen und Chromosomenanomalie zu beobachten. Als am häufigsten dokumentierte Hauptdiagnosen bei stationären Aufenthalten benennt der Bericht Neubildungen (in 84 % der Fälle in Folge von Krebserkrankungen) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die am häufigsten zu einer stationären Aufnahme führenden Krebserkrankungen betrafen bei Männern Verdauungs- und Atmungsorgane, bei Frauen die Brustdrüse und die Verdauungsorgane.

Einer Umfrage der Statistik Austria zufolge beurteilen 75 % der österreichischen Wohnbevölkerung ab 15 Jahren ihren allgemeinen Gesundheitszustand aber mit sehr gut oder gut. Nur 6 % stuften ihn als schlecht oder sehr schlecht ein. Rund 37 % der Befragten gaben jedoch an, an chronischen gesundheitlichen Problemen zu leiden, wobei die meisten Nennungen auf Wirbelsäulenbeschwerden, Allergien und Bluthochdruck entfielen.

Verwendet man die Berechnungsmethode des OECD-"System of Health Account" (SHA), so ergeben sich für das Jahr 2007 Gesundheitsausgaben in der Höhe von 27,43 Mrd. €. Die durchschnittliche reale jährliche Steigerung in diesem Bereich beträgt seit 2000 2,0 % pro Kopf, womit Österreich im oberen Viertel der OECD-Staaten liegt. Für die Gesundheit jedes Bürgers wurden im Jahr 2007 3.308 € aufgewendet, sodass der Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP 10,1 % betrug. Auf Leistungsausgaben der Krankenanstalten (30 %), ärztliche Hilfe (26 %) sowie Heilmittel, Heilbehelfe und Hilfsmittel (25 %) entfiel 2007 das Gros der Ausgaben der Krankenversicherung.

Überblick über die Entwicklung der Versorgungsangebote

Die Gesamtzahl der berufstätigen ÄrztInnen und ZahnärztInnen in Österreich ist weiter gestiegen und hielt 2008 bei knapp 41.700 Personen (darunter fallen 6.600 TurnusärztInnen, 12.300 AllgemeinmedizinerInnen und 22.900 FächärztInnen). Anstiege waren sowohl im niedergelassenen Bereich (+ 16 %) als auch bei den angestellten ÄrztInnen und ZahnärztInnen (+ 20 %) zu verzeichnen. Dabei ist es auch zu einer starken quantitativen Zunahme im Wahlarztsegment gekommen. Der Anteil der TurnusärztInnen liegt hingegen seit über zehn Jahren konstant bei rund 16 %.

Entsprechend der derzeit vorliegenden Grobabschätzung aus dem Jahr 2005 müssen in den kommenden beiden Jahrzehnten 750 bis 1.000 ÄrztInnen und ZahnärztInnen jährlich ausgebildet werden, heißt es im Bericht. Das Durchschnittsalter der derzeit berufstätigen Medizinerinnen liegt bei 43 Jahren, jenes ihrer männlichen Berufskollegen bei 49 Jahren. Der Anteil der über 60-Jährigen ist außerdem weitergestiegen. Einen Anstieg gibt es aber auch bei der Frauenquote zu verzeichnen, die durchschnittlich bei 42 % liegt.

Die Zahl der in einem nichtärztlichen Beruf in den österreichischen Krankenanstalten Beschäftigten stieg zwischen 2004 und 2007 auf knapp 80.000 Personen, was einer Zunahme um 4,85 % gleichkommt. Insgesamt lässt sich in diesem Bereich von einer weiblichen Dominanz sprechen – der Frauenanteil liegt seit 2004 nahezu unverändert bei rund 83 %.

In den Fonds-Krankenhäusern reduzierten sich die systemisierten Betten um rund 4,7 %. Mit dem Abbau der Akutbetten konnten außerdem die Kosten im stationären Akutbereich gedämpft werden. Dass es zwischen 2001 und 2008 absolut zu einer Kostensteigerung kam, führt man im Bericht u. a. auf die Personalaufwandsentwicklung zurück. Auch ist die Steigerungsrate der Endkosten der Fonds-Krankenanstalten mit 16,5 % deutlich höher ausgefallen als in der Periode 2001 bis 2004. Im Berichtszeitraum wurde mit dem Leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierungs-Modell 2009 aber eine maßgebliche Neustrukturierung des LKF-Leistungskatalogs vereinbart.

Was die insgesamt 55 Rehabilitationseinrichtung betrifft, so ist in den letzten Jahren ein Anstieg bei der Anzahl der Belegstage, aber ein Rückgang bei der durchschnittlichen Belegsdauer zu verzeichnen. Im Berichtszeitraum wurde außerdem der Rehabilitationsplan 2009 erstellt, der den bundesweiten, regional gegliederten Versorgungsbedarf in den jeweiligen Indikationsgruppen für die Planungshorizonte 2010, 2015 und 2020 abschätzt.

Die Gesamtzahl der Krankenhausaufenthalte aufgrund psychiatrischer Hauptdiagnosen blieb im Berichtszeitraum weitgehend stabil. Die Zahl der Krankenhausaufenthalte in den Abteilungen und Krankenanstalten für Psychiatrie nahm hingegen zu und lag 2007 bei 955 pro 100.000 EinwohnerInnen.

Suchterkrankungen stellen in Österreich laut Bericht eine zentrale gesundheitspolitische Herausforderung dar. Derzeit gibt es in Österreich etwa 340.000 Alkoholkranke und rund 715.000 Personen, die Alkoholmissbrauch betreiben. Außerdem sterben jährlich rund 9.000 Personen an den Folgen von Tabakkonsum, 22.000 bis 33.000 Menschen weisen darüber hinaus einen problematischen Opiatkonsum bzw. Mehrfachkonsum von illegalen Drogen auf. Ein Fokus der österreichischen Gesundheitspolitik liegt deshalb auf der Bereitstellung suchtpräventiver Maßnahmen. So wurde etwa 2007 das österreichische Alkoholforum installiert, das sich in beratender Funktion mit Fragen der Politik gegen Alkoholmissbrauch beschäftigt.

Was das Transplantationswesen anbelangt, so lag Österreich 2008 mit einem Spenderaufkommen von zwanzig Organspendenden pro Million EinwohnerInnen im internationalen Mittelfeld. Mit dieser Anzahl an gemeldeten Organspendern bleibe man aber deutlich hinter dem gewünschten Zielwert von dreißig Organspendern pro Million EinwohnerInnen zurück, weshalb es dem Bericht zufolge weitere Fördermaßnahmen zu ergreifen gelte. Die Frequenzen im Bereich der Stammzellentransplantation erreichten 2001 mit einem Wert 423 das bisherige Maximum, fielen 2007 aber auf 360 zurück, was dem international beobachtbaren Trend bei autologen Transplantationen entspricht. Bei den allogenen Transplantationen wurde hingegen ein Anstieg um 6,6 % verzeichnet.

Seit 1. Jänner 2000 werden die Kosten der In-vitro-Fertilisation vom Bund getragen. Im Berichtszeitraum unterstützte der hierzu eingerichtete Fonds 14.013 Versuche zur künstlichen Befruchtung von 12.390 Paaren.

Was den Bereich Blutversorgung anbelangt, so zeigt sich ein über die Jahre konstanter Blutverbrauch. Mit rund 50 transfundierten Erythozytenkonzentraten pro 1.000 EinwohnerInnen befindet sich Österreich sogar im europäischen Spitzenfeld. Außerdem ergriff man im Berichtszeitraum legistische Maßnahmen zur Verbesserung des SpenderInnen- und EmpfängerInnenschutzes. Auf dem Arzneimittelsektor sind die Deckelung der Rezeptgebühr mit 2 % des Jahreseinkommens und die Halbierung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel auf 10 % als wesentliche Schritte zu nennen, heißt es im Bericht. Neben der Preisregelung setzte das Gesundheitsressort außerdem verstärkt auf Maßnahmen zur Mengensteuerung sowie zum vernünftigen Einsatz von Arzneimitteln. Die operativen Agenden im Medizinproduktbereich wurden dem neu eingerichteten Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) übertragen.

Besonderes Augenmerk werde auch auf den Präventionsbereich gelegt, heißt es im Bericht, wobei sich Österreich am diesbezüglichen Konzept der WHO orientiere. Die Umsetzung der Vorsorgeuntersuchung Neu und eines qualitätsgesicherten Mammographie-Screening-Programms sowie die Sicherstellung von beinahe flächendeckend durchgeführten Kariesprophylaxeaktivitäten für Kinder sind dabei nur einige wenige Schritte, die Österreich im Präventionsbereich setzt.

(Ausbildungs-)Reformen im Gesundheitssektor

Im Berichtszeitraum trat eine Vielzahl von Änderungen und Neuerungen in Bezug auf Berufsausübung und Ausbildung von Personen in Gesundheitsberufen in Kraft. So erlangte 2007 etwa eine neue ÄrztInnenausbildungsordnung Gültigkeit, in der u. a. die Verpflichtung zu dokumentierenden Ausbildungsevaluationsgesprächen zwischen Ausbildungsverantwortlichen und TurnusärztInnen festgeschrieben wird. Außerdem habe man, so der Bericht, das Sonderfach Kinder- und Jugendpsychiatrie inklusive diverser Additivfächer eingeführt, um eine Optimierung der psychiatrischen Versorgung dieser Gruppen sicherzustellen.

Zu Veränderungen kam es aber auch im Bereich der Zahnmedizin: Mit dem Inkrafttreten des Zahnärztegesetzes wurde diese Berufsgruppe aus dem Ärztegesetz herausgelöst und die Zahnärztekammer als neue Standesvertretung beschlossen. Die ehemalige Ausbildung zum Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde im Rahmen eines postpromotiellen Lehrgangs wurde durch das eigenständige Studium der Zahnheilkunde abgelöst.

Was die nichtärztlichen Gesundheitsberufe anbelangt, so machte eine EU-Richtlinie betreffend Anerkennung von Berufsqualifikationen die Vorbereitung von Novellen der Gesundheitsberufe-Gesetzgebung notwendig, die im Gesundheitsberufe-Rechtsänderungsgesetz 2007 verlautbart wurden. (Schluss)