Parlamentskorrespondenz Nr. 781 vom 18.10.2010

Vorlagen: Justiz

Transparenz bei Vorstandsvergütungen ist ein Gebot der Stunde

Inwieweit börsenotierte Gesellschaften bereits der Vorgabe der Regel 31 des Österreichischen Corporate Governance Kodex entsprechen, darüber informiert der nun vorliegende Bericht zur Funktionalität des Corporate Governance Kodex (III-185 d.B.). Außerdem enthält das Konvolut, wie vom Nationalrat gefordert, Vorschläge zur Verbesserung der Transparenz von Aktienoptionen und anderen erfolgsabhängigen Gehaltsbestandteilen und informiert über die europäische Entwicklung im Bereich der Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat unter dem Aspekt der nachhaltigen Unternehmensführung. Darüber hinaus gibt der Bericht Auskunft darüber, inwiefern eine erfolgsabhängige Honorierung von Aufsichtsratsmitgliedern deren Kontrollfunktion beeinträchtigen kann.

Der Corporate Governance Kodex als Ordnungsrahmen für AGs

Der 2002 erstmals öffentlich vorgestellte Corporate Governance Kodex stellt österreichischen Aktiengesellschaften einen Ordnungsrahmen für Leitung und Überwachung ihres Unternehmens zur Verfügung und soll das Vertrauen der AktionärInnen stärken. In Geltung gelangt er zwar nur durch die freiwillige Selbstverpflichtung der jeweiligen Aktiengesellschaft, seit 2004 ist die Abgabe einer Verpflichtungserklärung zur Einhaltung des Kodex aber Voraussetzung für die Aufnahme von Aktien in den Prime Market der Wiener Börse.

Der Corporate Governance Kodex umfasst drei verschiedene Regelkategorien: Regeln, die auf Rechtsvorschriften beruhen; Regeln, von denen abzuweichen eine begründende Erklärung erfordert ("comply or explain"-Regeln); sowie Regeln mit Empfehlungscharakter.

Die eingangs erwähnte Regel 31 gehört dem zweiten Typ an und befasst sich mit der Vergütung von Vorstandsmitgliedern. Sie sieht (in der Fassung vom Jänner 2009) vor, dass die im Geschäftsjahr gewährten fixen und erfolgsabhängigen Vergütungen im Corporate Governance-Bericht für jedes Vorstandsmitglied einzeln veröffentlicht werden. Die Kodex-Fassung 2009 kam jedoch nur auf jene börsenotierten Unternehmen zur Anwendung, deren Geschäftsjahr nach dem 31. Dezember 2008 begonnen hatte. Dies führte dazu, dass 22 von insgesamt 76 Aktiengesellschaften bei Erstellung des letzten Corporate Governance-Berichts von der Offenlegungsverpflichtung ausgenommen blieben. 10 der ausständigen 22 Unternehmen legten einen diesbezüglichen Bericht bis zum für die Auswertung gewählten Stichtag (30. Juni 2010) vor, acht bekennen sich generell nicht zum Kodex, sodass der vorgenommenen Untersuchung die Daten von 56 Aktiengesellschaften zugrundeliegen.

Was die Einhaltung von Regel 31 betrifft, so lag der Kapitalisierungsanteil aller Aktiengesellschaften, die dieser Pflicht nachgekommen sind, bei 57,95 % der gesamten Kapitalisierung aller zur Aufstellung eines Corporate Governance-Berichts verpflichteten Unternehmen.

Da es sich um eine "comply or explain"-Regelung handelt, hatten Aktiengesellschaften außerdem die Möglichkeit, der Verpflichtung unter Angabe von Gründen nicht nachzukommen. Die börsenotierten Unternehmen, die sich für diese Variante entschieden, begründeten dies damit, dass eine Einzelveröffentlichung keinen Mehrwert für die AktionärInnen biete, der damit vorgenommene Eingriff in die Privatsphäre in keinem angemessenem Verhältnis zum Nutzen stehe, die Einzelveröffentlichung aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht angezeigt sei und ein solches Vorgehen branchenspezifischen Wettbewerbsüberlegungen zuwiderlaufe.

Angesichts der erst einjährigen Beobachtungsphase gelangt der Bericht zu dem Schluss, dass ein Eingreifen des Gesetzgebers noch nicht erforderlich ist. Es sei schließlich anzunehmen, dass weitere Aktiengesellschaft im nächsten Berichtsjahr der Forderung nach individueller Veröffentlichung der Vorstandsbezüge nachkommen werden. Den, laut Bericht, teilweise lapidar ausgefallenen Abweichungserklärungen könnte man u. a. durch Vornahme einer anonymisierten Einzelaufstellung begegnen.

Mehr Transparenz in erfolgsabhängige Gehaltsbestandteile bringen

Die Darstellung von Aktienoptionen und anderen erfolgsabhängigen Gehaltsbestandteilen ist für die VerfasserInnen des Berichts ein wesentlicher Baustein einer nachvollziehbaren Vergütungspolitik. Einer diesbezüglichen Entschließung des Nationalrats vom Juli 2009 wurde mit den Kodexänderungen 2010, die Verschärfungen mit sich gebracht haben, auch Rechnung getragen.

Außerdem könnte eine mehrjährige Ausrichtung der Leistungskritierien ein wesentliches Element zur nachhaltigen und langfristigen Entwicklung der Vorstandsvergütung darstellen. Eine Verlängerung des zu betrachtenden Zeitraums ermögliche nämlich eine umfassendere und bessere Beurteilung der tatsächlichen Leistungen eines Vorstandsmitglieds.

Schon jetzt sieht Regel 27 (in der Fassung 2010) vor, dass die variablen Vergütungskomponenten auch nicht-finanzielle Kriterien einbeziehen sollen. Das könnten Kundenzufriedenheit, Reputation, Mitarbeiterweiterbildung oder auch Einhaltung von Umweltstandards sein. Leistungskriterien müssten aber in jedem Fall messbar und im Vorhinein vereinbart sein und dürften kein Vorstandsmitglied dazu verleiten, unangemessene Risiken einzugehen, heißt es im Bericht.

Maßgeblich sei auch die "comply or explain"-Regel 28 (in der Fassung von 2010), die nun sowohl auf Aktienoptions-Programme als auch auf die begünstigte Übertragung von Aktien anzuwenden ist. Solche Programme müssten an vorher festgelegte, messbare, langfristige und nachhaltige Kriterien anknüpfen – das ausschließliche Anknüpfen an den Aktienkurs zu einem bestimmten einmaligen Stichtag sei schließlich nicht zielführend. Für die Programmdauer, längstens aber bis zur Beendigung der Vorstandstätigkeit, habe das jeweilige Vorstandsmitglied, so der Bericht, im eigenen Vermögen einen angemessenen Eigenanteil an Aktien des Unternehmens zu halten, um so gegebenenfalls auch ein tatsächliches Kursverlustrisiko mitzutragen und die Interessen der AktionärInnen nicht aus den Augen zu verlieren.

Vor dem Hintergrund dieser Verschärfungen wäre es, so der Tenor des Berichts, verfrüht zu beurteilen, ob weitere Regeln zu einem Mehr an Transparenz bei den Aktienoptionen beitragen könnten.

Vorstandsvergütung: Entwicklungstendenzen auf europäischer Ebene

Auch die Europäische Kommission (EK) beschäftigte sich aus Anlass der Wirtschafts- und Finanzkrise intensiv mit dem Thema der Vergütung von Vorständen und Direktoren. Ergebnis der Diskussionen und Beratungen war die am 30. April 2009 angenommene Empfehlung zur Regelung der Vergütung von Mitgliedern der Unternehmensleitung börsenotierter Gesellschaften (2009/385/EG), die die Nachhaltigkeit unternehmerischen Handelns in den Fokus stellt und u. a. eine Aufforderung zur Festlegung von Obergrenzen für Abfindungszahlungen beinhaltet. Entsprechend den Vorgaben der EK soll die Unternehmensleitung mit einer angemessenen Vergütungspolitik nach Leistung entlohnt und dazu angehalten werden, die mittel- und langfristige Tätigkeit des Unternehmens zu gewährleisten. Außerdem wurde von Seiten der Kommission eine eigene Empfehlung zur Vergütungspolitik im Finanzdienstleistungssektor angenommen. Darüber hinaus nahm der Rat am 13. Juli 2010 eine Richtlinie an, mit der u. a. Bonuszahlungen für Bankmanager begrenzt werden. Diese ist bis Jahresende 2010 in nationales Recht umzusetzen.

Den Empfehlungen der EK kam Österreich, so das Fazit des Berichts, mit der Revision des Corporate Governance-Kodex äußerst genau nach. Deutschland setzte außerdem zeitgleich mit der Annahme der EK-Empfehlung betreffend Direktorenvergütung ein Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) um. Eine solche legistische Lösung wurde von der überwiegenden Mehrheit der EU-Mitgliedsstaaten (inkl. Österreich), die "Comply or Explain"-Regelungen im Rahmen eines Kodex für ausreichend erachten, nicht gewählt. Ähnliche Gesetze sollten ohne längere Beobachtung der deutschen Rechtslage nicht beschlossen werden, da damit ein Nachteil für den Wirtschaftsstandort verbunden sein könnte, heißt es im Bericht.

Kontrollfunktion und erfolgsabhängige Honorierung von Aufsichtsräten

Die erfolgsabhängige Honorierung sei in Österreich eine grundsätzlich zulässige, in der Unternehmenspraxis aber selten eingesetzte Vergütungsform für Aufsichtsratsmitglieder. Als wesentlich gebräuchlichere Form benennt der Bericht die gestaffelte Fixvergütung. Der österreichische Gesetzgeber hatte bisher offenbar keine Bedenken, dass Aufsichtsratsmitglieder erfolgsbezogen entlohnt und ihnen sogar Aktienoptionen eingeräumt werden können.

Laut Bericht sei hier aber zu prüfen, ob die dadurch gesetzten Anreize der Aufgabenstellung eines Aufsichtsrats tatsächlich adäquat sind. Man müsse es durchaus kritisch betrachten, wenn für Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder gleichlaufende Verhaltensanreize gesetzt werden, so der Bericht. Eine erfolgsabhängige Vergütung des Aufsichtsrats laufe der Erfüllung seiner Kontrollfunktion jedoch nicht grundsätzlich zuwider, so das Fazit des Berichts.