Parlamentskorrespondenz Nr. 20 vom 12.01.2011

Rechnungshofpräsident hofft auf mehr Dynamik in der Verwaltungsreform

Öffentliche Finanzkontrolle wird zum Thema des Völkerrechts

Wien (PK) – Rechnungshofpräsident Josef Moser hat dem Rechnungshofausschuss heute im Rahmen einer Aktuellen Aussprache über den XX. Internationalen Kongress der Obersten Rechnungskontrollbehörden (INCOSAI) berichtet, der vom 20. bis 27. November 2010 in Johannesburg stattfand. Präsident Moser, der auch als Generalsekretär der INTOSAI, des internationalen Zusammenschlusses von Obersten Rechnungskontrollbehörden (ORKB) fungiert, informierte die Abgeordneten über den neuen strategischen Plan der INTOSAI bis 2016, der in Johannesburg beschlossen wurde. Besondere Bedeutung maß Moser der Zielsetzung zu, die internationalen Prüfungsstandards, zu denen insbesondere auch die Unabhängigkeit der Kontrollbehörden zählt, in Form einer UN-Resolution in das Völkerrecht aufzunehmen. Im Prozess der Globalisierung sei dies insbesondere für Entwicklungsländer wichtig, wo die öffentliche Finanzkontrolle vielfach noch unter mangelnder Unabhängigkeit der dafür zuständigen Behörden leide, sagte Moser.

Im zweiten Teil der allgemeinen Aussprache, die Ausschussobmann Werner Kogler leitete, erteilte Präsident Moser Auskunft über aktuelle Arbeitsschwerpunkte des Rechnungshofes, erläuterte die Praxis des Rechnungshofes bei der erweiterten Prüfung von Gemeinden und mahnte angesichts der weiterhin ernsten Verschuldungsproblematik mehr Dynamik in der Verwaltungsreform ein. 

Öffentliche Finanzkontrolle wird zum Thema des Völkerrechts

Beim XX. Internationalen Kongress der Obersten Rechnungskontrollbehörden (INCOSAI = oberstes Organ der INTOSAI) vom 20. bis 27. November 2010 in Johannesburg nahmen 550 Teilnehmer aus 152 Ländern, 140 Oberste Kontrollbehörden und 54 Beobachter internationaler Organisationen (UNO, Weltbank, IFAC, IIA u.a.) teil. Die in der internationalen Presse stark beachtete Konferenz beschloss einen neuen Strategischen Plan der INTOSAI für 2011 bis 2016. Dieser zielt schwerpunktmäßig auf eine verstärkte öffentliche Darstellung von Wert und Nutzen der Rechnungskontrollbehörden für die Menschen, auf Kontrollen zugunsten von Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung sowie auf die Implementierung internationaler Prüfungsstandards im Völkerrecht. Letzteres bezeichnete Präsident Moser als Schwerpunktthema 2011, unterstrich die Bedeutung internationaler Normen für die Finanzkontrolle, begrüßte das zunehmende Interesse der Vereinten Nationen an diesem Thema und sprach die Hoffnung aus, dass es schon bald gelingen werde, eine entsprechende UN-Resolution zu verabschieden.

Zu den weiteren strategischen Prioritäten der INTOSAI zählen die Unabhängigkeit der Kontrollbehörden, die Anwendung von Prüfungsstandards, die Förderung des Kapazitätsaufbaus, die Korruptionsbekämpfung sowie die Verbesserung der INTOSAI-Kommunikation nach außen. Dazu kommt eine Qualifizierungsoffensive für ORKB in Entwicklungsländern, der Wissens- und Erfahrungsaustausch, die Schaffung von Benchmarks sowie die Partnerschaft mit Universitäten und internationalen Fachverbänden. Besonders wichtig sei es, die Arbeit der ORKB als Institutionen, die das Leben der Bürger verbessern, sichtbar zu machen und den Vorbildcharakter der ORKBA hervorzuheben.

In der Debatte begrüßte Abgeordnete Christine Lapp (S) das verstärkte Interesse der UNO an öffentlicher Finanzkontrolle und unterstrich die Notwendigkeit, die Kooperation mit Ländern zu verstärken, in denen die Haushaltskontrolle noch nicht ausreichend entwickelt sei.

Abgeordneter Konrad Steindl (V) erinnerte an die jüngste Finanzkrise und deren negativen Auswirkungen auf private Vermögen und plädierte dafür, auch für die Bankenaufsicht internationale Standards zu entwickeln.

Abgeordnete Gabriela Moser (G) befasste sich mit bilateralen Kooperationen des Rechnungshofs bei der Unterstützung öffentlicher Kontrollkapazitäten in Entwicklungsländern und mit dem internationalen Wissens- und Erfahrungsaustausch bei der öffentlichen Finanzkontrolle.

Abgeordneter Wolfgang Zanger (F) trat dafür ein, auch den EU-Rettungsschirm für den Euro öffentlich zu kontrollieren.  

Auch China zeige starkes Interesse an öffentlicher Finanzkontrolle, erfuhr Abgeordneter Michael Schickhofer (S) in der Debatte von Präsident Moser, der auch Auskunft über die Einrichtung einer internationalen Taskforce unter US-Vorsitz zur Analyse des Verlaufs der Finanzkrise berichtete. Ein Papier liege bereits vor, nun gelte es, daraus Konsequenzen für künftiges Handeln abzuleiten.  

Im Generalsekretariat der in Wien angesiedelten INTOSAI seien 15 Mitarbeiter tätig, informierte Moser, sie repräsentieren Österreich nicht nur international, sondern sorgen auch für Know how-Transfer nach Österreich. Für die Prüfung der Gemeinden bestehen etwa in einigen Nachbarländern Best practice-Modelle, lautete ein Hinweis des Rechnungshofpräsidenten an den Ausschuss.

Hauptproblem der öffentlichen Finanzkontrolle in Entwicklungsländern sei oft deren ungenügende Unabhängigkeit. Um dieses Problem zu lösen, kooperiere die INTOSAI auch mit der Internationalen Parlamentarischen Union, gemeinsames Ziel sei es, zugleich die Kontrollrechte der Parlamente und der obersten Finanzkontrollbehörden auszubauen.

Beim Thema Obergrenzen für Managergehälter, eine Frage der Abgeordneten Martina Schenk (B), kündigte der Rechnungshofpräsident schon für die nächste Zeit einen aktuellen neuen Bericht an.

Zur Frage des Abgeordneten Walter Rosenkranz (F), wie es möglich gewesen sei, dass Griechenland jahrelang falsche Budgetzahlen an die EU übermittelt habe, stellte RH-Präsident Josef Moser fest, die oberste Rechnungskontrollbehörde in Griechenland habe im Rahmen eines internen Kontrollverfahrens nur die Plausibilität der von der Regierung gelieferten Daten prüfen können. Er trete daher grundsätzlich für unabhängige Ex post-Kontrollen von außen ein, führte Moser an dieser Stelle aus.

Rechnungshof will alle Gemeinden prüfen und in Finanzfragen beraten

Im zweiten Teil der allgemeinen Aussprache antwortete Rechnungshofpräsident Josef Moser auf Fragen der Ausschussmitglieder nach den aktuellen Arbeitsschwerpunkten des Rechnungshofes. Im Mittelpunkt des Interesses der Abgeordneten stand dabei die Umsetzung der Empfehlungen des Rechnungshofes zur Verwaltungsreform und die Praxis des Rechnungshofes bei der erweiterten Prüfkompetenz bei den Gemeinden.

Die erweiterte Prüfkompetenz des Rechnungshofes bei den Gemeinden werde im Jahr 2011 zu einer großen Querschnittsprüfung führen, kündigte Moser an. Im Hinblick auf den neuen Finanzausgleich im Jahr 2013 sei zu überprüfen, ob und inwiefern Gemeinden mit den vielen neuen Aufgaben überfordert seien. Dazu komme die Überprüfung von Gebühren und Quersubventionierungen. Positiv sah es der Rechungshofpräsident, dass sich zahlreiche Bürgermeister bereits mit dem Ersuchen an den Rechnungshof wenden, ihre Gemeinden zu prüfen und in Finanzierungsfragen zu beraten.

Fragen der Abgeordneten Wolfgang Zanger und Walter Rosenkranz (beide F), ob es nicht sinnvoll wäre, statt der "Ex post-Kontrolle" durch den Rechnungshof auch eine begleitende Kontrolle vorzusehen, beantwortete der Rechnungshofpräsident mit dem Hinweis darauf, dass der Rechnungshof nicht erst nach Abschluss eines Projekts prüfen könne, sondern auch schon bei abgeschlossenen Teilschritten, etwa schon beim Vorliegen einer Machbarkeitsstudie. In diesem Sinne sei der Rechnungshof beim Projekt Brenner Basistunnel und beim Wiener Zentralbahnhof tätig geworden. Wichtig sei es auch, interne Kontrollmechanismen zu prüfen und dabei auf mögliche Befangenheiten zu achten, etwa wenn Organe, die für die Durchführung von Projekten zuständig sind, nachträglich als Kontrollorgane fungierten. Wo Landesrechnungshöfe prüfen, prüfe der Rechnungshof aus Effizienzgründen grundsätzlich nicht, sondern ergänze allenfalls die Prüfergebnisse der Länder.

Bei der Prüfung von Gemeinden sehe er den Rechnungshof als einen Ratgeber zur Steigerung der Effizienz in den Gemeinden, sagte Moser auf eine diesbezügliche Frage des Abgeordneten Kurt Gaßner (S) sowie der Abgeordneten Dorotheas Schittenhelm, Konrad Steindl (V), Peter Hackl (F) und Schönpass (S). Im Hinblick auf den neuen Finanzausgleich 2013 sprach sich der Rechnungshofpräsident dafür aus, die Finanzierungsströme zwischen den Gebietskörperschaften zu analysieren und dabei auf allfällige Ungleichgewichte infolge neuer Aufgaben für die Gemeinden zu achten.

Eine eigene Steuerhoheit haben die Bundesländer abgelehnt, er halte es aber für wichtig, die Ausgaben- und Finanzierungsveranwortung zusammenzuführen, insbesondere in den Bereichen Bildung und Nahverkehr, teilte Moser Abgeordnetem Walter Rosenkranz (F) mit.

Außerdem informierte Rechnungshofpräsident Josef Moser Abgeordnete Martina Schenk (B) darüber, dass der Prüfbericht zum Thema ÖBB-Containerstapler im kommenden Februar erscheinen werde.  

Da die Schuldenentwicklung nach wie vor dramatisch sei und in den Bereichen Spitäler, Gesundheit und Bildung Problemfelder bestehen, drängte der Rechnungshofpräsident darauf, die Arbeit an der Verwaltungsreform (Frage der Abgeordneten Gabriela Moser, G) dynamisch fortzusetzen. Bei den Gemeinden laute sein Ziel, alle Gemeinden in das Prüfungsverfahren aufzunehmen, das sei aber eine politische Entscheidung.

Da auch der Rechnungshof von der Budgetkonsolidierung betroffen sei, wurde sein Personalstand reduziert. Zugleich wurden die Arbeitsabläufe weiter optimiert, um die Prüfungsdauer ohne Qualitätsverlust weiter verkürzen zu können, teilte RH-Präsident Josef Moser Abgeordneter Christine Lapp (S) mit.

Rechnungshof warnt vor "Rückstau" bei Nutzung der EU-Fördermittel

Im Anschluss an die Aussprache setzte sich der Ausschuss mit dem EU-Finanzbericht 2009 auseinander, den Rechnungshofpräsident Josef Moser präsentierte. Österreich lag demnach im Jahr 2008 mit seinem Nettobeitrag von 356 Mill. € an neunter Stelle der zwölf Nettozahler der EU und führte in Summe weniger an den EU-Haushalt ab als beispielsweise Belgien oder Dänemark. Im Gegenzug erhielt Österreich 1,7 Mrd. € an Mitteln aus Brüssel, wobei eine Evaluierung der Förderungsprogramme ergab, dass der Landwirtschaftssektor, in den rund 70 % aller Rückflüsse gingen, am stärksten von den EU-Förderungen profitierte.

Die Inanspruchnahme der zur Verfügung stehenden EU-Mittel war nach den Worten Mosers uneinheitlich. Während Förderungen für die Entwicklung des ländlichen Raums zu 100 % genützt wurden, kam es im Bereich der Strukturprogramme hingegen zu einem "Rückstau", da aufgrund von Verzögerungen bei der Beschreibung und Bewertung der Verwaltungs- und Kontrollsysteme in den Jahren 2007 und 2008 noch keine Zwischenzahlungen erfolgen konnten. Dies führte dazu, dass, wie Moser zu bedenken gab, von elf eingereichten Programmen bis Ende 2008 nur fünf genehmigt wurden. Die Vorausschätzung des Mittelbedarfs bis 2008 funktionierte im internationalen Vergleich jedenfalls schlecht, hieß es dazu im Rechungshofbericht.

Der Bericht erinnerte auch an das Defizitverfahren gegen Österreich und an die Empfehlung der EU, spätestens 2011 mit einem Konsolidierungsprozess zu beginnen, um das Defizit bis 2013 wieder unter den Referenzwert von 3 % des BIP zu drücken. Moser sah das Defizitverfahren vor allem auch als Auftrag, die "Hausaufgaben" zu lösen und eine Verwaltungsreform in die Wege zum leiten.

Seitens der Abgeordneten wurden insbesondere die Verzögerungen bei den Strukturprogrammen kritisiert. So prangerte Abgeordneter Heinz-Peter Hackl (F) mangelnde Effizienz bei Bewertung und Beschreibung an und stellte überdies ebenso wie Abgeordneter Konrad Steindl (V) die Frage in den Raum, ob es nicht etwa auch an der Kofinanzierung scheitere. Abgeordnete Martina Schenk (B) sah Handlungsbedarf, um zu verhindern, dass die Österreich zustehenden EU-Mittel verfallen. Abgeordneter Michael Schickhofer (S) wiederum sprach die Problematik des hohen Verwaltungsaufwandes und der Kosten auch im Zusammenhang mit der Kontrolle an. - Der Bericht wurde bei der Abstimmung einstimmig vertagt. (Schluss)