Parlamentskorrespondenz Nr. 602 vom 16.06.2011

Wahlrechtsänderung: Kein Taktieren mehr bei der Briefwahl

Habsburger dürfen künftig für die Hofburg kandidieren

Wien (PK) – Nach der Fragestunde mit Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger gab Nationalratspräsidentin Barbara Prammer das Verlangen des BZÖ bekannt, seine Anfrage "Genug gezahlt – Steuern senken jetzt!" dringlich zu behandeln. Die Anfrage wurde um 15 Uhr aufgerufen.

Im Rahmen der Tagesordnung der 110. Plenarsitzung verhandelte der Nationalrat zunächst ein Wahlrechtsänderungsgesetz und eine damit in Zusammenhang stehende Novellierung des Strafregistergesetzes. Bei bundesweiten Wahlen wird es künftig nicht mehr möglich sein, Stimmen nach Wahlschluss abzugeben. Das Verbot für Mitglieder des Hauses Habsburg, bei Bundespräsidentenwahlen zu kandidieren, wird aufgehoben. In Zukunft soll auch nicht mehr jede Verurteilung zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe automatisch den Verlust des aktiven Wahlrechts nach sich ziehen. Die RichterInnen werden künftig bei vorsätzlichen Straftaten zu mehr als fünf Jahren Haft oder bei Delikten wie Landesverrat, Wahlbetrug, Amtsmissbrauch, NS-Wiederbetätigung, Terror oder organisierter Kriminalität in jedem einzelnen Fall über einen Wahlausschluss zu entscheiden haben. Das Gesetzespaket wurde nach Ablehnung oppositioneller Abänderungswünsche in Dritter Lesung mehrheitlich verabschiedet.  

Auf Empfehlung des Verfassungsausschusses sprach sich die Mehrheit der Abgeordneten in Entschließungen für eine raschere Bereitstellung von Wahlkarten und für einen Bericht der Innenministerin über die Verletzung von Briefwahlvorschriften aus. Bei Bedarf soll die Ministerin Vorschläge für schärfere Sanktionen vorlegen. Oppositionsanträge zum Wahlrecht wurden miterledigt (914/A, 1001/A, 1002/A, 1098/A, 1398/A[E]). Mehrheitlich abgelehnt wurde das Verlangen des BZÖ (600/A), die Veröffentlichung von Wahlprognosen und Meinungsumfragen in den letzten zwei Wochen vor der Wahl zu verbieten.

Abgeordneter Harald STEFAN (F) zeigte sich eingangs der Debatte erfreut darüber, dass der Kritik seiner Fraktion an der Briefwahl Rechnung getragen worden sei. Damit werde das "Schummel-Wählen" endlich abgeschafft, wie generell das System der Wahlkarten optimiert werde. Zufrieden sei er auch damit, dass das Kuriosum endlich abgeschafft werde, dass Mitglieder der Familie Habsburg nicht passiv für das Amt des Bundespräsidenten wahlberechtigt seien.

Sodann erläuterte der Redner erneut die Vorbehalte seiner Fraktion gegenüber der Briefwahl. Wenn man das Wahlrecht so ernstnehme, wie man es ernstnehmen müsse, dann sei es unabdingbar, bei der Briefwahl überaus sensibel vorzugehen, erklärte der Redner, denn die Bevölkerung müsse auch weiterhin davon überzeugt sein, dass Wahlergebnisse ordnungsgemäß zustande kommen.

Abgeordneter Josef CAP (S) erinnerte daran, dass die SPÖ jahrelang vor Missbrauch bei der Briefwahl gewarnt habe, und so sei es erfreulich, dass man an dieser Stelle heute endlich nachjustiere.

Auch sei es eine zeitgemäße Maßnahme gewesen, das passive Wahlrecht für die Familie Habsburg auch auf das Präsidentenamt auszudehnen. Gleichzeitig rief der Redner jedoch die Mitverantwortung der Habsburger am Ausbruch des Ersten Weltkriegs in Erinnerung, weshalb allfällige Vermögensfragen von der heute vorzunehmenden Korrektur völlig unbenommen blieben. Man dürfe diese Maßnahme nämlich nicht mit einer Verklärung der Habsburgerzeit verwechseln, hielt Cap fest, denn bei den geschichtlichen Entwicklungen müsse man sehr präzise sein. Verklärende Betrachtungsweisen der Habsburgerzeit seien nach wie vor fehl am Platz, denn mit den politischen Verfehlungen der Habsburger werde seine Fraktion sich nie versöhnen.

Abgeordneter Ewald STADLER (B) meinte, man müsse auch den Beitrag der Habsburger zur österreichischen Geschichte sehen, weshalb es nötig sei, den Anachronismus des Wahlverbots für die Habsburger aufzuheben. Die vorliegende Novelle behebe Mängel bei der Briefwahl, die von der Bevölkerung gewünscht werde, sodass es nötig sei, Missbrauchsmöglichkeiten hintanzuhalten.

Man dürfe aber auch nicht vergessen, dass es mancherorts nach wie vor am demokratischen Bewusstsein mangle, wie das Beispiel eines Bürgermeisters gezeigt habe. Nun werde taktisches Wählen verunmöglicht, und das sei zu begrüßen. Schließlich müsse ein Entzug des Wahlrechts in einem Zusammenhang mit dem jeweiligen Delikt gesehen werden.

Abgeordneter Wilhelm MOLTERER (V) bezeichnete die Gestaltung des Wahlrechts als eine der Kernaufgaben dieses Hauses. Seine Fraktion stehe nach wie vor zur Einführung der Briefwahl, die ein echter Erfolg für die Demokratie sei. Und daher sei es auch begrüßenswert, dass diese nun missbrauchssicher gemacht werde. Ebenso erfreulich sei es, diese Reform im breiten Konsens erzielt zu haben. Froh zeigte sich der Redner schließlich darüber, dass Habsburger nun auch für das Amt des Bundespräsidenten kandidieren dürften, werde damit doch ein Verbot beseitigt, das mittlerweile anachronistisch geworden sei.

Der Abgeordnete erklärte sodann, dass dies seine letzte Rede im Hohen Haus gewesen sei, und es stimme ihn froh, dass er diese zu einem eminenten Grundrecht halten konnte. Der Redner zog sodann Bilanz über seine politische Laufbahn und schloss mit den besten Wünschen für die Zukunft.

Molterer appellierte an die Abgeordneten, den gegenseitigen Respekt zu wahren und den Mut zu haben, auch große Themen und heiße Eisen anzufassen, denn nur dann würden auch die BürgerInnen den PolitikerInnen Respekt zollen. Politik könne sich nicht

auf reines Verwalten beschränken, Politik bedeute Verantwortung übernehmen und gestalten, sagte Molterer. In diesem Sinne reiche es auch nicht aus, einfach in der EU dabei zu sein, man sei vielmehr gefordert, Position zu beziehen. Europa dürfe man nicht den DemagogInnen überlassen, warnte er. Auch Österreich selbst stehe im Hinblick auf die Sanierung der Staatsfinanzen vor einer Herkulesaufgabe und die werde nur dann gelingen, wenn man die Fakten berücksichtige und die demographische Falle bewältige, betonte Molterer, der auch auf große Aufgaben im Bereich Integration und Umwelt hinwies.

Abgeordneter Peter FICHTENBAUER (F) drückte seine Anerkennung gegenüber Abgeordnetem Molterer aus und meinte, es tue gut, wenn jemand seiner Qualität nach Europa gehe. Was die Wahlrechtsreform betrifft, so ging Fichtenbauer zunächst auf den Habsburgerparagrafen ein und hielt im historischen Rückblick fest, dass die Gesetzgeber am Beginn der Republik eine erstaunlich hohe legistischen Fähigkeit trotz der damaligen dramatischen und ungewissen Zeit entwickelt hätten und diese auch mit der Familie Habsburg fair umgegangen seien. Die FPÖ habe stets eine entkrampfte Haltung gegenüber den Habsburgern eingenommen, unterstrich Fichtenbauer und kritisierte die diesbezüglichen Äußerungen von Klubobmann Cap. Der F-Mandatar wiederholte schließlich die grundrechtlichen Bedenken seiner Fraktion gegen die Briefwahl und vertrat die Auffassung, diese sei zu einem Instrument der Möglichkeit für Wahlfälschung geworden. Die Briefwahl verletzte die Grundprinzipien der geheimen, unmittelbaren und persönlichen Wahl, diese Grundprinzipien habe der Staat zu gewährleisten, deren Einhaltung dürfe er nicht auf die Schulter des Wahlsubjekts überwälzen, formulierte Fichtenbauer. Gleichzeitig räumte er jedoch ein, dass die vorliegende Reform zu wesentlichen Verbesserungen geführt habe, die jedoch an den grundsätzlichen Bedenken gegen die Briefwahl nichts änderten.

Abgeordnete Daniela MUSIOL (G) zeigte sich erfreut über die längst fällige Reform. Das Ergebnis könne sich sehen lassen und sei auch deshalb positiv zu bewerten, weil es im Vorfeld der Beschlussfassung eine breite Diskussion und die Anhörung von ExpertInnen sowie verschiedenen Stellen gegeben habe. Auch sei man bereit gewesen, auf die Argumente anderer einzugehen. Bei der Briefwahl sei es gelungen, die Missbrauchsmöglichkeiten möglichst auszuschließen, stellte Musiol fest und wies darauf hin, dass das Problem nicht mangelnde Mündigkeit der BürgerInnen gewesen sei, sondern das Vorgehen mancher demokratischer Institutionen, wobei die Rednerin BürgermeisterInnen, andere AmtsträgerInnen sowie Pflegeheime nannte. Man werde die Durchführung der Briefwahl aber auch in Zukunft weiter beobachten müssen, zeigte sich Musiol überzeugt und sprach sich für die Einführung eines vorgezogenen Wahltags aus. Dazu legte sie auch einen Abänderungsantrag vor, der darüber hinaus auf eine weitere Einengung der Wahlausschließungsgründe für Strafgefangene abzielt. Den Grünen wäre es lieber, wenn es keine Ausschließungsgründe gebe, die nun vorgenommenen Verbesserungen seien aber zu begrüßen, da die Ausschließung eines individuellen Richterspruchs bedarf. Damit sei man von der bisherigen Automatik abgegangen. Die Verfassungssprecherin der Grünen befürwortete weiters die Streichung des Habsburger-Paragrafen, denn in der Demokratie sollte jeder mitreden können, der von Entscheidungen betroffen ist. Außerdem sei es befremdlich, wenn man beim Wahlausschluss auf eine ganze Familie abstellt, denn dies sage nichts über die demokratiepolitische Haltung ihrer einzelnen Mitglieder aus.

Die Ausführungen von Bundesministerin Johanna MIKL-LEITNER wiesen diese als große Befürworterin der Briefwahl aus. Die Briefwahl nehme auf die steigende Mobilität der BürgerInnen Rücksicht, betonte sie, sie ermögliche aber auch jenen das Wahlrecht, die aus gesundheitlichen Gründen nicht selbst das Wahllokal aufsuchen können. Die Briefwahl sei eine wahre Erfolgsgeschichte, so Mikl-Leitner, das machten die rund 375.000 WählerInnen deutlich, die davon Gebrauch gemacht haben. Nach der Einführung der Briefwahl habe sich die Notwendigkeit herausgestellt nachzujustieren, um Missbrauch bei Antragsstellung und Stimmabgabe ebenso zu verhindern wie die Wahlmanipulation durch die Streichung der Nachfrist. Die Briefwahl sei mit der nunmehrigen Reform sicherer geworden, aber nicht komplizierter, sie sei vielmehr praxistauglich geblieben. Die Innenministerin sprach sich dezidiert für das Beibehalten von Wahlausschlussgründen bei StraftäterInnen aus und widersprach damit der Auffassung der Grünen. Es müsse einen Unterschied zwischen jenen geben, die straffällig geworden sind, und jenen, die anständig und fleißig seien, stellte sie fest. Kritische reagierte die Ministerin auch auf die Äußerungen von Klubobmann Cap zur Familie Habsburg und bezeichnete diese als einen "Sarkasmus".

Abgeordneter Stefan PETZNER (B) begrüßte die Reform der Briefwahl, da dadurch Missbrauchsmöglichkeiten eingeschränkt würden. Die Wahlbeteiligung hängt nach Auffassung Petzners jedoch nicht allein von der Ausgestaltung des Wahlrechts ab, sondern vor allem auch von einer guten und seriösen Politik. Scharf kritisierte der BZÖ-Abgeordnete die Volksbefragung in Kärnten als eine "illegale Brief-Volksbefragung". Das BZÖ befürworte Volksbefragungen dann, wenn sie auf der Grundlage geltender Gesetze durchgeführt werden, machte er klar. Weiters warf er der FPÖ vor, sie verbünde sich nunmehr mit der ultra-nationalistischen rechtsradikalen Partei in Serbien und zog daraus den Schluss, die FPÖ sei zu einer "Jugo-Partei" herabgekommen.

Abgeordneter Peter WITTMANN (S) replizierte auf die Ausführungen der Innenministerin und warf ihr vor, gegenüber Klubobmann Cap als "Oberlehrerin" aufgetreten zu sein. Dessen Haltung zur Familie Habsburg sei zu akzeptieren und im Parlament sei eine freie Rede möglich. Er unterstrich überdies, dass es sich beim vorliegenden Wahlrechtsänderungsgesetz um eine Gesetzinitiative des Parlaments handelt. Wittmann respektierte die grundsätzliche Haltung der FPÖ zur Briefwahl, meinte jedoch, dass 6 % der WählerInnen, die dieses Instrument in Anspruch genommen haben, eine Marke darstellen, die diese Briefwahl rechtfertige. Die Politik habe daher eine Güterabwägung vorgenommen, in dem Bewusstsein, dass die Wahrung des geheimen Wahlrechts weiter ein Problem darstelle. Die philosophische Frage, ob die Briefwahl eine Ausnahme bleiben oder Regelfall sein solle, beantwortete Wittmann klar mit der Feststellung, diese müsse Ausnahme bleiben. Der Verfassungssprecher der SPÖ wandte sich dezidiert gegen eine elektronische Wahl, da sie derzeit nicht sicher sei. Seiner Meinung nach gehe es dabei aber auch um eine bestimmte Bewusstseinsbildlung, denn es müsse ein Unterschied sein, ob man etwa für Teilnehmer bei Dancing Stars votiert, oder ob man von seinem Wahlrecht Gebrauch macht, wo es um die Geschicke des Landes geht. Was die Ausschließungsgründe für StraftäterInnen betrifft, so zeigte sich Wittmann überzeugt davon, die Kriterien des Menschengerichtshofs zu erfüllen, da man nun auf einen individuellen Richterspruch zurückgreift, der die Schwere der Straftat und die Höhe der Strafe zu berücksichtigen hat. Wittmann brachte schließlich einen Entschließungsantrag ein, in dem die Justizministerin aufgefordert wird, bis Ende 2011 einen Bericht vorzulegen, in dem dargelegt wird, welche Strafverfahren und welche Verurteilungen es im Bereich der Briefwahl gegeben hat. Außerdem sollte dieser Bericht einen Katalog enthalten, welche Straftatbestände bei der Verletzung der Briefwahl anzuwenden wären, und ob eventuell neue Straftatbestände in diesem Zusammenhang eingeführt werden müssen.

Abgeordneter Ernest WINDHOLZ (B) hielt fest, das vorliegende Gesetzespaket habe den großen Vorteil, dass "taktisches Wählen" künftig nicht mehr möglich sei. Für die Wahlbehörden werde die Abwicklung der Wahlen aber nicht einfacher, meinte er. Windholz sprach sich für härtere Konsequenzen bei einem Missbrauch der Briefwahl und für ein Veröffentlichungsverbot von Meinungsumfragen unmittelbar vor der Wahl aus. Es gehe nicht an, dass "übereifrige Funktionäre" stellvertretend Wahlkarten besorgten und die WählerInnen bei der Stimmabgabe beeinflussten.

Abgeordneter Reinhold LOPATKA (V) bekräftigte, die ÖVP sehe die Briefwahl als etwas Positives. Sie erleichtere den Menschen die Teilnahme an der Wahl, betonte er. Bei den letzten Nationalratswahlen seien schließlich 586.451 Briefwahlstimmen abgegeben worden. Man könne dieser Gruppe, so Lopatka, nicht pauschal einen Hang zur Wahlfälschung unterstellen, wie die FPÖ das tue.

Lopatka will in diesem Sinn nicht über die Abschaffung der Briefwahl diskutieren, sondern vielmehr darüber, ob die Briefwahl auch künftig als Ausnahme in der Bundesverfassung verankert bleiben oder ob man sie dem Wähler nicht lieber freistellen solle. Die Einräumung des passiven Wahlrechts für Mitglieder der Familie Habsburg bei Bundespräsidentenwahlen nannte er "einen Schritt zur Realität", der schon längst umgesetzt werden hätte sollen.

Abgeordneter Gerhard HUBER (B) zeigte sich über den breiten Konsens zum vorliegenden Gesetzespaket erfreut. Er verteidigte die Briefwahl und meinte, wenn der Wähler diese wolle, müsse man sie ihm auch anbieten. Es gelte aber alles zu tun, um Missbrauch zu verhindern. Huber verwies etwa auf grobe Unregelmäßigkeiten bei der Gemeinderatswahl in Lienz, die der Verfassungsgerichtshof aufgrund einer Wahlanfechtung des BZÖ schließlich aufgehoben habe.

Abgeordneter Albert STEINHAUSER (G) kündigte die Zustimmung der Grünen zur vorliegenden Gesetzesnovelle in Dritter Lesung an. Sie ist für ihn ein sinnvoller Schritt zur Eindämmung von Missbrauch bei der Briefwahl. Steinhauser zufolge gibt es gerade auf lokaler Ebene einen "schlampigen Umgang" mit dem Wahlrecht, Wahlfälschungen und Wahlmanipulationen würden vielfach als "Kavaliersdelikt" gesehen. Er begrüßte daher auch, dass nunmehr geprüft werden soll, ob Wahlmanipulationen vom österreichischen Strafrecht ausreichend sanktioniert sind. Strenge Strafen würden seiner Meinung nach präventiv wirken.

Was das Wahlrecht für Strafgefangene betrifft, stellte Steinhauser generell die Sinnhaftigkeit des Entzugs des Wahlrechts in Frage. Er hält diesen für eine ungeeignete Nebenstrafe, die keine einzige Straftat verhindere. Ihm sei es, betonte Steinhauser, lieber, wenn etwa jemand, der nach dem NS-Verbotsgesetz verurteilt worden sei, sich mit demokratischen Parteien auseinandersetze und an der Wahl teilnehme. Ausdrücklich begrüßt wurde von ihm die Streichung des so genannten Habsburg-Passus, er will diesen Schritt aber nicht als politische Rehabilitierung der Familie Habsburg sehen.

Abgeordnete Angela LUEGER (S) wies darauf hin, dass zahlreiche Anregungen von ExpertInnen und der Opposition in den vorliegenden Gesetzesentwurf eingearbeitet worden seien. Sie selbst begrüßte insbesondere die Neuerungen bei der Briefwahl, die sie als gelungenen Kompromiss zwischen Sicherheit und Praktikabilität sieht. Lueger machte unter anderem darauf aufmerksam, dass Wahlkarten künftig nicht mehr telefonisch beantragt werden können und Personen in Pflegeheimen persönlich zugestellt werden müssten. Ein Bote dürfe Wahlkarten außerdem nicht gleich wieder mitnehmen, um Beeinflussungen auszuschließen. All jene, die eine eingeschrieben zugeschickte Wahlkarte nicht rechtzeitig von der Post abholen könnten, erhielten durch die Abholung und Bereitstellung der Wahlkarten von den Wahlbehörden eine "zweite Chance" zum Wählen.

Abgeordneter Karl DONABAUER (V) zeigte kein Verständnis für die Ausführungen von Abgeordnetem Cap zur Familie Habsburg und zitierte aus der "Kleinen Zeitung", wonach Bundespräsident Heinz Fischer Ulrich Habsburg zugesagt habe, bei der Unterzeichnung des Wahlrechtsänderungsgesetzes dabei sein zu können. Zur Briefwahl merkte er an, diese sei ursprünglich für AuslandsösterreicherInnen gedacht gewesen, hätte sich angesichts geänderter Lebensumstände aber auch im Inland als sinnvoll erwiesen. Für die generell sinkende Wahlbeteiligung machte Donabauer nicht zuletzt "Hetzkampagnen" verantwortlich, die das Ansehen der Politik untergraben würden.

Abgeordneter Dieter BROSZ (G) wies darauf hin, dass durch das vorliegende Gesetz viele bisher bestehende Missbrauchsmöglichkeiten bei der Briefwahl beseitigen würden. Er kann sich als Alternative zur Briefwahl in Hinkunft aber auch so genanntes "Early Voting", also einen zweiten Wahltag ein paar Tage vor der Wahl, vorstellen. Scharfe Kritik übte Brosz am Wahlrecht in Niederösterreich, wobei er insbesondere das Fehlen eines amtlichen Stimmzettels und die Möglichkeit zur Mehrfachwahl bemängelte. Ihm zufolge sind bei den letzten niederösterreichischen Landtagswahlen 20.000 Menschen doppelt wahlberechtigt gewesen.

Abgeordneter Stefan PRÄHAUSER (S) gab zu bedenken, dass es nicht nur bei der Briefwahl Wahlbetrug gebe, sondern auch bei der konventionellen Stimmabgabe und bei der Stimmauszählung. Er wertete es als sinnvoll, dass künftig der Wahlschluss gleichzeitig auch Briefwahlschluss ist.

Abgeordneter Johann SINGER (V) erklärte, er persönlich halte die Briefwahl für eine Errungenschaft. Sie gehört seiner Ansicht nach zu einer modernen, bürgerfreundlichen Demokratie. Man brauche aber Maßnahmen, um taktisches Wählen zu verhindern. Pauschalkritik an den Bürgermeistern in Zusammenhang mit der Wahlabwicklung wies er strikt zurück.

Singer ging auf etliche Details des vorliegenden Gesetzentwurfs ein und begrüßte u.a., dass das Wählerverzeichnis künftig auch an Feiertagen, wie schon jetzt an Sonntagen, nicht mehr zur öffentlichen Einsichtnahme aufliegen müsse. Ebenso wertete er die Erhöhung des Wahlkostenersatzes des Bundes an die Gemeinden um 10% als positiv. Seiner Meinung nach könnte man weitere Kosten sparen, wenn die Eintragungsmöglichkeit für Volksbegehren am Wochenende gestrichen würde.

Abgeordneter Günther KRÄUTER (S) betonte, es gehe nicht darum, die Briefwahl abzuschaffen, sondern Missbrauch so weit wie möglich auszuschließen. Schließlich sei die Briefwahl international etabliert, auch in Österreich eindeutig verfassungskonform und trage zur Erhöhung der Wahlbeteiligung bei. Eine noch bessere Alternative zur Briefwahl wäre seiner Auffassung nach allerdings die Möglichkeit, bereits vor dem Wahltag seine Stimme bei der Wahlbehörde abzugeben, wie dies etwa in der Steiermark mit einem zweiten Wahltag neun Tage vor der Wahl möglich gewesen sei. Strikt abgelehnt wurde von Kräuter "E-Voting", dieses Thema solle, wie er sagte, "in der Mottenkiste bleiben". Beim Habsburg-Passus sei es ihm darum gegangen, einen "Schnellschuss" vor den Bundespräsidentenwahlen zu verhindern.

Abgeordneter Martin BARTENSTEIN (V) hielt gegenüber seinem Vorredner fest, in Zeiten von E-Banking und Facebook werde man sich dem Thema E-Voting nicht entziehen können. Elektronisches Wählen in die "Mottenkiste" zu verbannen, sei jedenfalls nicht angebracht. Ausdrücklich begrüßte Bartenstein auch die Möglichkeit der Briefwahl und wies darauf hin, dass dieses Instrument bei den letzten bundesweiten Wahlen von mehr als 500.000 Menschen genutzt wurde. In Deutschland habe es zuletzt sogar einen Briefwahlanteil von 20% gegeben, ohne dass das Bundesverfassungsgericht Bedenken geltend gemacht hätte. Generell bekannte Bartenstein, ein Verfechter von "mehr Mehrheitswahlrecht und mehr Persönlichkeitswahlrecht" zu sein.

Abgeordneter Gerald GROSZ (B) äußerte sich in seinem Debattenbeitrag zur Familie Habsburg-Lothringen und sprach von einem gestörten Verhältnis der Sozialdemokraten zur österreichischen Geschichte. Seit Jahrzehnten würde sich die SPÖ mit einer Vehemenz und "Präpotenz" an die Funktionen des Staates klammern, sodass niemand aus der Familie Habsburg-Lothringen jemals dort Platz fände. Historisches Faktum ist für Grosz, dass die Geschichte Österreichs jahrhundertelang vom Hause Habsburg geprägt wurde. Man sollte dazu stehen, genauso wie zu den furchtbaren Zeiten des Nationalsozialismus.

Zweiter Nationalratspräsident NEUGEBAUER erteilte Abgeordnetem Grosz für den verwendeten Begriff "Präpotenz" in die Richtung der SPÖ einen Ordnungsruf.

Abgeordnete Sonja STESSL-MÜHLBACHER (S) begrüßte die Änderung des Wahlrechtsänderungsgesetzes, damit taktisches Wählen und Missbrauch hintangehalten werden. Die Rednerin begründete in ihren weiteren Ausführungen den Antrag des BZÖ hinsichtlich Verbot der Veröffentlichung von Wahlprognosen und Meinungsumfragen in einem Zeitraum von zwei Wochen vor einer Wahl, wobei sie gesetzliche Maßnahmen als nicht für sinnvoll erachtete, sondern für die Einhaltung von Richtlinien und Mindestanforderungen plädierte. Außerdem müsse es eine deutliche Trennung zwischen den Umfrageergebnissen und der Kommentierung und Interpretation derselben geben. Zur Veröffentlichung von Teilergebnissen einer Wahl vor Wahlschluss hielt die Rednerin es für diskussionswert, sich zu überlegen, Teilergebnisse in eine spezielle Datenbank einzuspeisen und diese nur einem beschränktem Teilnehmerkreis zur Verfügung zu stellen bzw. eine bundesweit einheitliche Schließung der Wahllokale durchzuführen.

Abgeordneter Johann HÖFINGER (V) konstatierte, das Wahlrechtsänderungsgesetz bringe mehr Klarheit, mehr Sicherheit und sei auch praktikabler für die einzelnen Menschen. Man müsse das Wahlrecht so optimal wie möglich gestalten und den Menschen den Zugang zur Stimmabgabe erleichtern, so Höfinger. Die Briefwahl sei ein taugliches Instrument dafür, wobei jeglicher Missbrauch hintangehalten werden müsse. Dies werde durch die Ausweisleistung beim Ausstellen der Wahlkarte erreicht, durch die Veränderung der Fristen und durch die Bestätigung, dass das Wahlrecht persönlich, unbeeinflusst und unbeobachtet ausgeübt wurde. Als positiv hob Höfinger hervor, dass aufgrund der Einführung des Briefwahlrechts der Einsatz "fliegender Wahlbehörden" reduziert werden konnte.

Abgeordneter Otto PENDL (S) untermauerte die Notwendigkeit der Anpassung des Wahlrechts und der Vereinfachung von Regelungen. In diesem Zusammenhang brachte er die Wahlmöglichkeit für Strafgefangene zur Sprache und wies auf den notwendigen administrativen Aufwand hin, da die Gemeinde des Letztwohnsitzes die Wahlbehörde stelle und beantragte Wahlkarten in die Justizanstalt geschickt werden müssten, wo das vorgeschriebene Procedere zu beachten sei. Die Justizministerin rief Pendl daher auf, eine intelligente Lösung - vorzugsweise in Form einer Briefwahl - einzuführen.

Abgeordneter Franz-Joseph HUAINIGG (V) sah die Briefwahl als eine gute Wahlmöglichkeit für behinderte Menschen, die nicht das Haus verlassen könnten, um ins Wahllokal zu gehen. Trotzdem sei es notwendig, auch weiterhin die Wahllokale sukzessive barrierefrei umzugestalten. Kein Verständnis zeigte der Behindertensprecher der ÖVP dafür, dass der Verfassungsrechtler Prof. Heinz Mayer es im Hearing als schlecht bezeichnete, dass sogenannte geistig behinderte Menschen wählen gehen, denn die UN-Konvention für die Rechte behinderter Menschen sehe das Wahlrecht für alle behinderten Menschen vor und treffe keine Unterscheidung im Grad der Behinderung. Die Sachwalterschaft sei keine Entmündigung, sondern ein Unterstützungssystem, so Huainigg, deshalb finde er es für wichtig, dass behinderte Menschen auch wählen dürfen. Abschließend dankte Huainigg Abgeordnetem Molterer für dessen Offenheit, Menschlichkeit und Tatkraft.

Abgeordneter Walter ROSENKRANZ (F) widersprach den Ausführungen seines Vorredners und meinte, Prof. Mayer hätte nicht davon gesprochen, dass Behinderte nicht wählen dürfen. Es dürften sehr wohl alle Behinderten wählen, weshalb auch geistig abnorme Rechtsbrecher wählen dürfen, weil sie zu keiner Strafe verurteilt wurden. Außerdem hätte Mayer die Auffassung vertreten, dass das Briefwahlrecht dem unmittelbaren, persönlichen und geheimen Wahlrecht widerspreche. Das Briefwahlrecht, so Rosenkranz, müsse die Ausnahme bleiben. Vor einer Kandidatur zur Präsidentschaftswahl von Mitgliedern der Familie Habsburg-Lothringen brauche man sich nicht zu fürchten, stellte Rosenkranz fest, denn in Österreich herrsche eine starke Demokratie.

Abgeordneter Johannes JAROLIM (S) unterstrich in seinen Ausführungen, dass zum Thema "Briefwahl" sehr lange diskutiert worden sei, ein gewisser Missbrauch nicht auszuschließen wäre, diese Möglichkeit aber ausdrücklich für den Verhinderungsfall gedacht ist. Ablehnend äußerte sich Jarolim zum Thema "E-Voting", da starke Manipulationen zu befürchten seien. Zur Familie Habsburg-Lothringen bekräftigte der Redner, dass dieses Gesetz ausdrücklich das Wahlrecht betreffe und keinerlei Relevanz für etwaige Restitutionsansprüche und Eigentumsverhältnisse habe. Die Änderungen im Strafvollzug wertete Jarolim als positiv und bezeichnete den Gesetzentwurf abschließend als sehr gut, wobei es an den Politikern liege sicherzustellen, dass es zu keinen Missbräuchen komme.

Abgeordneter Karlheinz KOPF (V) richtete Worte des Abschieds an den aus der Politik scheidenden Abgeordneten Wilhelm Molterer und würdigte dabei dessen Verhandlungsgeschick und menschliche Handschlagqualitäten, die er in politische Verhandlungen eingebracht hatte.

Abgeordneter Maximilian LINDER (F) meinte, es hätte viel Missbrauch bei der Briefwahl gegeben und solange es kein klares System gäbe, sollte sie ausgesetzt werden. Zu den in der Debatte vorkommenden kritischen Stimmen an den Bürgermeistern, räumte Linder ein, dass es zwar schwarze Schafe darunter gebe, dennoch seien sie die wahren Demokraten, die darauf achteten, dass es den Gemeinden gut gehe. Abschließend wünschte auch Linder dem Abgeordneten Molterer alles Gute für die Zukunft.

Bei der Abstimmung wurde das Wahlrechtsänderungsgesetz 2011 in Dritter Lesung mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Grünen und BZÖ verabschiedet. Einzelnen Punkten des Gesetzentwurfs hatte zuvor in Zweiter Lesung auch die FPÖ zugestimmt. Der Abänderungantrag der Grünen blieb in der Minderheit. Ebenfalls mit S-V-G-B-Mehrheit beschloss der Nationalrat die Novellierung des Strafregistergesetzes.

Die vom Verfassungsausschuss gefasste Entschließung betreffend frühestmögliche Ausgabe von Wahlkarten fand bei den Abgeordneten einhellige Zustimmung, die Entschließung betreffend Evaluierung der Strafbestimmungen im Wahlrecht wurde in adaptierter Form mit S-V-G-B-Mehrheit angenommen. Gegen die Stimmen des BZÖ nahm der Nationalrat den ablehnenden Bericht des Ausschusses über den Antrag 600/A zur Kenntnis. (Fortsetzung Nationalrat)