Parlamentskorrespondenz Nr. 633 vom 21.06.2011

Menschenrechte im Kontext der österreichischen Auslandsbeziehungen

Aktuelle Aussprache im Menschenrechtsausschuss

Wien (PK) – Die heutige Sitzung des Menschenrechtsausschusses wurde mit einer Aussprache über aktuelle Fragen aus dem Arbeitsbereich des Ausschusses mit Vizekanzler und Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten Michael Spindelegger eröffnet. Nachdem er die Linie Österreichs in Menschenrechtsfragen, welche in den internationalen Beziehungen Österreichs relevant sind, debattiert hatte, wandte sich der Ausschuss der Diskussion mehrerer Anträge zu, welche von Abgeordneten der Koalitionsparteien sowie von BZÖ und Grünen eingebracht worden waren.

Vertagt wurde ein Entschließungsantrag (1073/A[E]), in dem BZÖ-Abgeordnete die "Aufarbeitung der Verbrechen wider die Menschlichkeit in Slowenien", welche nach Ende des Zweiten Weltkriegs verübt wurden, einfordern. Mehrheitlich abgelehnt wurde hingegen ein weiterer Antrag (1404/A[E]), in dem das BZÖ einen stärkeren Einsatz Österreichs zugunsten von christlichen Minderheiten im Nahen Osten wünschte.

Mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ nahm der Ausschuss eine Entschließung an, die generell Menschenrechtsverletzungen an Minderheiten anprangert. Nach Meinung einer Mehrheit der Abgeordneten geht diese Entschließung weiter als die Anträge der Grünen, an die sie angelehnt ist. Abgeordnete Alev Korun (G) hatte sich für mehr Einsatz der österreichische Außenpolitik für religiöse Minderheiten in Afghanistan ausgesprochen (1261 A[E]). Die G-Abgeordnete setzte sich außerdem für eine aktivere Rolle Österreichs und der EU im Einsatz für die Wahrung der Menschenrechte und für gefährdete Minderheiten ein (1437/A[E]).

Mehrheitlich beschlossen wurde ein gemeinsamer Entschließungsantrag (1387/A[E]) von SPÖ und ÖVP für eine aktive Rolle Österreichs im Kampf gegen die Anwendung der Todesstrafe.

Spindelegger: Menschenrechtsverletzungen immer wieder thematisieren

Die aktuelle Aussprache mit den Abgeordneten wurde durch eine kurze Stellungnahme von Außenminister Michael Spindelegger eingeleitet. Der Vizekanzler erläuterte die Schwerpunkte, die Österreich in seinen drei Jahren im UN-Menschenrechtsbeirat setzen wolle. Dies seien in erster Linie die Religionsfreiheit, wobei Angehörige christlicher Bekenntnisse die größte Gruppe der aus religiösen Gründen Verfolgten darstellten. Weiters werde man sich für den Schutz der Kinderrechte und für die Medienfreiheit einsetzen. Gemeinsam mit dem in Wien ansässigen International Press Institute (IPI) seien zudem Aktionen und Veranstaltungen geplant, um auf die Gefährdung von Journalisten und Journalistinnen in vielen Ländern der Erde hinzuweisen. Die Wahl Österreichs in den Menschenrechtsbeirat der UNO interpretierte Spindelegger als Zeichen der Anerkennung im Anschluss an die Durchführung der Universellen Menschenrechtsprüfung, der sich Österreich Anfang des Jahres erstmals mit Erfolg unterzogen habe. Diese Überprüfung habe zu insgesamt 161 Empfehlungen geführt, von denen der Ministerrat 131 anerkannt habe. In etwa zwei Jahren werde man einen Bericht über den Stand der Umsetzung vorlegen, kündigte Spindelegger an.

Anschließend an dieses Statement hatten die Abgeordneten des Menschenrechtsausschuss Gelegenheit, Detailfragen an den Außenminister zu richten. Abgeordneter Franz Kirchgatterer (S) begrüßte die Schwerpunkte, die Österreich im Menschenrechtsbeirat setzen wolle, sowie den Durchbruch in der Ortstafelfrage. In diesem Zusammenhang wollte er wissen, ob man sich auch der Frage der deutschsprachigen Minderheit in Slowenien annehmen werde. Dieser Frage schloss sich auch Abgeordneter Josef Riemer (F) an.

Abgeordneter Albert Steinhauser (G) erkundigte sich, wie man auf die bedenkliche Menschenrechtslage im Iran reagieren werde. Er thematisierte speziell die Ermordung der iranischen Oppositionellen Haleh Sahabi und die Lage im Flüchtlingslager der Volksmudschaheddin im Camp Ashraf im Irak. Abgeordnete Claudia Durchschlag (V) fragte nach der Relevanz der Mitgliedschaft Österreichs im Menschenrechtsbeirat.

Abgeordnete Petra Bayr (S) sprach die Lage im Südsudan, die Entschuldung des Sudan und die Situation der Frauen nach dem Arabischen Frühling an. Sie wünschte sich zudem eine stärkere Fokussierung der Menschenrechtsdebatte auf soziale und kulturelle Rechte und kritisierte ein geplantes Fischereiabkommen der EU mit Marokko, das auch eine implizite Anerkennung der Okkupation der Westsahara bedeuten würde.

Abgeordneter Harry Rudolf Buchmayr (S) thematisierte die Vereinbarkeit von Wirtschaftsinteressen mit dem Einsatz für Menschenrechte. Abgeordnete Judith Schwentner (G) sprach die Lage der religiösen Minderheiten und die Frauenrechte in Afghanistan an.  Sie erkundigte sich nach der Stellung der Menschenrechte im Ausbau der Beziehungen zur Schwarzmeerregion, zu Aserbaidschan und zu China.

Die Abgeordneten Renate Csörgits (S) und Heidemarie Unterreiner (F) thematisierten die massive Beeinflussung der Wahlen in den Kurdengebieten der Türkei bei den zuletzt stattgefundenen Wahlen. Ausschussvorsitzende Alev Korun (G) äußerte sich kritisch zur Menschenrechtssituation und zur fehlenden Demokratie in Aserbaidschan. Sie fragte, welchen Inhalts die Empfehlungen der Menschenrechtsprüfung seien und wollte zudem wissen, wie man auf die Situation in Syrien reagieren könne. Abgeordneter Gerhard Huber (B) erkundigte sich nach der Grundlage der Anerkennung des nationalen Übergangsrates in Bengasi und der Möglichkeit einer Begnadigung der fünf noch in Italien in Haft befindlichen Südtirol-Aktivisten.

Außenminister Michael Spindelegger nahm zu den angesprochenen Themen allgemein Stellung, indem er unterstrich, dass es notwendig sei, Probleme im Menschenrechtsbereich mit anderen Staaten immer wieder anzusprechen. Das gelte für die Frage der Kinderrechte, welche in weiten Teilen der Welt immer noch missachtet würden, oder auch für die Beziehungen zu Ländern wie China und dem Iran. Es sei einerseits wichtig, durch Handelsbeziehungen den Kontakt mit diesen Ländern zu pflegen. Diese wirtschaftlichen Kontakte müssten aber stets mit den Grundwerten verbunden werden, zu denen wir uns bekennen. Das werde von der Gegenseite nicht immer erfreut aufgenommen, zeitige aber Ergebnisse. Er habe etwa gegenüber China klar gemacht, dass man das Vorgehen gegen den Künstler Ai Wei Wei sehr genau verfolgen werde. Gegenüber dem Iran habe er sich für die Abschaffung der Todesstrafe eingesetzt. Es habe den Anschein, als ob der Iran bereit sei, zumindest extrem grausame Varianten des Vollzug der Todesstrafe, etwa die Steinigung, demnächst gänzlich abzuschaffen. Im Fall von Haleh Sahabi habe die Europäische Union im Namen aller Mitgliedsstaaten protestiert.

Von österreichischer Seite werde die weitere Entwicklung im Südsudan, die in letzter Zeit sehr besorgniserregend sei, genau im Auge behalten. Österreich sei schließlich einer der größten Kreditgeber des Sudan. Die angesprochene Entschuldung werde sich in der Größenordnung von 300 bis 400 Mio. Euro bewegen, es handle sich also um eine schwerwiegende Frage, deren Lösung auch von der Bereitschaft der Regierung in Karthum zu Zugeständnissen abhängig sei. Im Falle der Verlängerung der Fischereirechte vor der Küste Marokkos werde man diese davon abhängig machen, ob die Bevölkerung der Westsahara daraus einen Nutzen ziehen könne.

Zur Frage der Südtirol-Aktivisten erläuterte Spindelegger, es handle sich konkret um drei Fälle, in denen eine Begnadigung durch den italienischen Staatspräsidenten zur Diskussion stehe. Nach italienischem Recht könne eine solche aber nur aufgrund eines formellen Antrags erfolgen. Ein solcher sei aber noch nicht erfolgt. Hier müsste es also ein Entgegenkommen auf beiden Seiten geben. Der Außenminister führte zudem aus, dass man mit Slowenien Gespräche über die Lage der dort lebenden Minderheiten führe. Es sei jedoch schwer, für die altösterreichische Minderheit in Slowenien ein auf bestimmte Regionen konzentriertes Förderungsmodell zu entwickeln, da diese kleine Minderheit sehr verstreut lebe. Man fördere sie daher punktuell und erhalte dabei auch Unterstützung von slowenischer Seite.

Was die Empfehlungen der Menschenrechtsüberprüfungen anbelangte, hob Spindelegger jene hervor, die den Bereich der Integration betreffen, in dem Österreich tatsächlich gewisse Defizite aufweise. Man nehme auch die Hinweise, dass Österreich mehr gegen fremdenfeindliche und rassistische Hetze unternehmen sollte, sehr ernst.

Zur Lage von ArbeitnehmerInnen und der kurdischen Minderheit in der Türkei meinte der Außenminister, die Türkei sei im Zuge der Beitrittsverhandlungen internationale Verpflichtungen eingegangen, auf deren Einhaltung Österreich auch bestehe. Er plane demnächst eine Reise in den Irak und wolle dabei auch die Kurdengebiete bereisen. Auch die Lage im Camp Ashraf werde von Österreich sehr genau beobachtet, ebenso die Situation in Syrien, wo die Menschenrechtsverletzungen riesige Ausmaße angenommen haben. Die Entwicklung sei unüberschaubar geworden, da das Regime offenbar die Situation nicht mehr im Griff habe. Die internationale Gemeinschaft habe die Gewalttaten verurteilt und überlege Sanktionen gegen Syrien.

In Nordafrika helfe Österreich im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftshilfe. Die früher bestehende Mediterrane Union habe sich leider nicht bewährt. Im Falle Libyens sehe er keine andere Möglichkeit, als sich an jene zu wenden, denen man am ehesten eine positive Entwicklung zutraue. Zur Anerkennung des Übergangsrates hielt Spindelegger fest, dass man von europäischer Seite die Situation über längere Zeit beobachtet habe und nunmehr die Frage nach der Legitimität des Übergangsrates positiv beantworte. Was den regulären Ablauf der Wahlen in der Türkei betreffe, so habe es zwar zweifellos Fälle von Gewalt gegeben, die OSZE vertrete aber die Auffassung, dass es sich um eine legitime Wahl gehandelt habe.

Ausschuss für aktive Rolle Österreichs im Kampf gegen Todesstrafe

Mehr Druck Österreichs zur Ächtung der Todesstrafe – diese Stoßrichtung verfolgt ein mit S-V-G-Mehrheit beschlossener Entschließungsantrag der Regierungsparteien. Die Abgeordneten Franz Kirchgatterer (S) und Wolfgang Großruck (V) sprechen sich darin für eine aktive Mitwirkung Österreichs bei der weltweiten Abschaffung der Todesstrafe aus und fordern die Bundesregierung auf, sich in allen damit befassten Gremien auf internationaler Ebene dafür einzusetzen, wobei die Initiative vor allem China, den Iran, die USA, Saudi-Arabien und – hinsichtlich der Ratifikation der entsprechenden Zusatzprotokolle zur EMRK – Russland ins Auge fasst.

Unterschiedlich war dabei die Reaktion der Opposition: Während sich Abgeordnete Judith Schwentner (G) ausdrücklich zustimmend äußerte, lehnten die Abgeordneten Christian Lausch (F) und Gerald Huber (B) die Initiative als "zu weich, halbherzig und vage" ab.

Aufarbeitung von Verbrechen in Slowenien: B-Antrag vertagt

Vertagt wurde hingegen ein Entschließungsantrag (1073/A(E)) des BZÖ, in dem Abgeordneter Gerald Huber eine Aufarbeitung der Verbrechen wider die Menschlichkeit in Slowenien im Gefolge des Zweiten Weltkriegs verlangt und dabei auch das Schicksal zahlreicher verschleppter KärntnerInnen anspricht. Abgeordneter Franz Glaser (V), der den Vertagungsantrag einbrachte, hielt das Anliegen als solches zwar für grundsätzlich gerechtfertigt, meinte jedoch, Slowenien bekenne sich zu einer Aufklärung. Es gelte daher zunächst, die Ergebnisse der von Laibach eingesetzten Kommission abzuwarten.

Einsatz für Menschenrechte und Minderheiten: Appell an Regierung

Obwohl sich die Grünen mit ihren Anträgen (1261/A[E] und 1437/A[E]) betreffend stärkeres Engagement gegen die Verfolgung religiöser, ethnischer und sprachlicher Minderheiten unter besonderer Berücksichtigung der Situation in Afghanistan nicht durchsetzen konnten, kam es in der Sache doch zu einem positiven Beschluss. SPÖ und ÖVP nahmen die beiden Initiativen zum Anlass für einen § 27-Antrag, der eine ähnliche Richtung verfolgt, aber breiter gefasst ist und generell Menschenrechtsverletzungen an Minderheiten anprangert.

FPÖ und BZÖ trugen diese Initiative mit, während Abgeordnete Alev Korun (G) ein eindeutiges Signal in Richtung Afghanistan vermisste.

Terror gegen Kopten: Keine Mehrheit für BZÖ-Antrag

Das BZÖ scheiterte schließlich mit seiner an die Bundesregierung gerichteten Forderung (1404/A(E)), im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit auf die gegen koptische Christen gerichteten Terroranschläge in Ägypten zu reagieren. Generell trat Abgeordneter Gerhard Huber (B) dafür ein, in den Beziehungen zu anderen Staaten strengstens darauf zu achten, wie christliche Minderheiten behandelt werden, und für den Fall, dass von einem Staat islamistische Übergriffe oder sonstige menschenrechtswidrige Vorgängen geduldet oder gar unterstützt werden, als Sanktion für solche Menschenrechtsverletzungen umgehend alle EZA-Mittel und -Projekte zu sistieren.

Kein Verständnis fand der Antrag bei SPÖ, ÖVP und den Grünen, die vor allem Kritik an der Formulierung übten, die sie als polemisch einstuften. Die Abgeordneten Petra Bayr (S) und Judith Schwentner (G) betonten, es gebe keine EZA in Ägypten, Österreich habe nie Regime finanziert, die Terrorakte unterstützen. Abgeordneter Franz Glaser (V) qualifizierte die Initiative als "populistischen Unfug, um irgendetwas gegen EZA sagen zu können". Es gebe keinerlei Zusammenhang zwischen Entwicklungszusammenarbeit und Terrorismus, EZA diene vielmehr dazu, Terrorismus hintanzuhalten, stellte er klar. (Schluss)