Parlamentskorrespondenz Nr. 656 vom 28.06.2011

Bundesrat will Vorschläge des Österreich-Konvents wiederbeleben

Fiedler, Moser, Kostelka und Bußjäger im Bundesratsausschuss

Wien (PK) – Einen neuen Anlauf, die Ergebnisse des Österreich-Konvents wieder aufzugreifen und auszuloten, welche Vorschläge umgesetzt werden können, nahm heute der Bundesrat. Dazu lud er in seinen Ausschuss für Verfassung und Föderalismus den ehemaligen Präsidenten des Rechnungshofs und Vorsitzenden des Österreich-Konvents, Franz Fiedler, weiters Volksanwalt Peter Kostelka, den damaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Konvents und Mitglied der Arbeitsgruppe Verfassungsreform im Bundeskanzleramt, sowie Rechnungshofpräsident Josef Moser, der ebenfalls Konventsmitglied war und auch in der Arbeitsgruppe Verwaltung Neu mitarbeitet, und schließlich Peter Bußjäger, Landtagsdirektor in Vorarlberg und Direktor des Instituts für Föderalismus.

Die vier Experten begrüßten unisono die Initiative der Länderkammer und waren sich darin einig, dass es realistischer Weise eine große Verwaltungs- und Verfassungsreform nicht geben werde, und dass dies nur in Teilschritten möglich sein könne. Übereinstimmend hielten sie die Reform der Schulverwaltung und des Gesundheitssektors für dringend erforderlich. Ebenso traten sie für die Neuordnung der Verwaltungsgerichtsbarkeit ein. Präsident Moser machte in seinem Statement auf die dramatische Verschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden aufmerksam und hielt ein Aufschieben von Reformen für "grob fahrlässig".

Fiedler: Bundesrat sollte aufgewertet werden

Präsident Franz Fiedler unterstrich in seiner Stellungnahme, das Mandat des Konvents sei es gewesen, Vorschläge für eine grundlegende Staats- und Verfassungsreform als Voraussetzung für eine effiziente Verwaltung zu erarbeiten, das bedeute, die Reform sollte zu einer Verwaltungsvereinfachung führen. Für ihn ist es vor allem erforderlich, eine neue Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern zu erreichen, und zwar in Form von "sinnvoll abgerundeten Kompetenzfeldern".

Er machte sich insbesondere für die Aufwertung des Bundesrats stark. Diesem sollte ihm zufolge das Recht der Mitberatung in Ausschüssen und Unterausschüssen des Nationalrats eingeräumt werden. Fiedler regte auch an, den Bundesrat nach deutschem Modell umzustrukturieren, wo die Abstimmung nach Bundesländern erfolgt.

Weiters sprach sich Fiedler für die Erstellung eines geschlossenen Grundrechtskatalogs aus und meinte, die noch immer zahlreich bestehenden Verfassungsbestimmungen in einfachen Gesetzen seien entweder in das B-VG zu inkorporieren oder aufzuheben oder zu einfachen Gesetzen umzufunktionieren. Ein weiterer Wildwuchs müsse auf alle Fälle verhindert werden, forderte er.

Kostelka: Parallele Schulverwaltung ist unerträglich

Volksanwalt Peter Kostelka schloss sich der Forderung nach eine neuen Kompetenzverteilung voll inhaltlich an. Besonders unerträglich  befand er die Parallelität zwischen Bundes- und Landesschulverwaltung als ein "Überbleibsel eines ehemaligen Kulturkampfs". Seiner Meinung nach sollten Bezirks- und Landesschulräte abgeschafft und Bildungsdirektionen installiert werden. Auch bei der Gesundheitsreform seien baldige Schritte notwendig, meinte Kostelka, und wie auch auf den nächsten Finanzausgleich hin.

Die Einrichtung einer Landesverwaltungsgerichtsbarkeit hätte ihm zufolge den positiven Effekt, dass die zweite Instanz völlig entpolitisiert wird.

Aus seiner Erfahrung als Volksanwalt plädierte er vor allem für die Vereinheitlichung von sozialen Leistungsansprüchen, etwa in Bezug auf die Mindestsicherung, im Bereich der Jugendwohlfahrt und im Zusammenhang mit der Unterstützung behinderter Menschen. Trotz der 15a-Verträge würden sich die Leistungsansprüche immer weiter auseinanderentwickeln, kritisierte er scharf und fügte hinzu, in diesem Zusammenhang von einem Wettbewerb der Ideen zu sprechen, sei mehr als zynisch.

Bußjäger: Gesundheitsplattformen zu Entscheidungsträgern aufwerten

Auch Peter Bußjäger trat vehement für die Abschaffung der Doppelgleisigkeit in der Schulverwaltung ein und teilte die Forderung nach Abschaffung der Bezirks- und Landesschulräte und nach Einrichtung von Bildungsdirektionen. Was die Gesundheitsreform betrifft, so sollten seiner Meinung nach die Gesundheitsplattformen zu Entscheidungsträgern aufgewertet werden. Bußjäger konnte sich auch vorstellen, dass der Bund die Kompetenz übertragen bekommt, bestimmte Bereiche des Gesundheitssystems durchgehend zu regeln.

Um Synergien nutzen zu können, schlug Bußjäger in weiterer Folge vor, die Vielzahl bestimmter Bundes- und Landesbehörden zusammenzufassen und in die Bezirksverwaltung oder in die Ämter der Landesregierung zu integrieren. Durch die mittelbare Bundesverwaltung bliebe dem Bund die Steuerung erhalten, erklärte er. Ebenso sollte seiner Ansicht nach die Vielzahl der Sonderbehörden in neun Landesverwaltungsgerichte und in ein bis maximal zwei Bundesverwaltungsgerichte zusammengeführt werden.

Grundsätzlich stellte Bußjäger fest, Österreich benötige keine neue Verfassung, das B-VG bilde eine gute Grundlage für die Republik, es sei aber "renovierungsbedürftig".

Moser: Der Aufschub von Reformen wäre grob fahrlässig

Angesichts der Schuldenentwicklung der einzelnen Gebietskörperschaften hielt Rechnungshofpräsident Josef Moser ein eindringliches Plädoyer für eine Verfassungs- und Verwaltungsreform. Seit 2007 hätten sich die Gesamtverschuldung, die Haftungen des Bundes und die Belastungen für kommende Finanzjahre drastisch erhöht. Wenn sich der Trend fortsetze, müsse man in zehn Jahren mit einer Neuverschuldung von 90 Mrd. Euro rechnen, was man sich nicht leisten könne. Die Zunahme der Verschuldung betrage bei den Ländern 89% und bei den Gemeinden 61%, rechnete Moser vor, wobei einige Länder gut wirtschafteten, andere jedoch vor ernsthaften Problemen stünden.

Als eine tickende Bombe bezeichnete Moser die Budgets der Gemeinden, da aufgrund der zahlreichen Auslagerungen nicht sofort ersichtlich sei, wie die finanzielle Situation der einzelnen Gemeinden tatsächlich aussieht. Große Einsparungspotenziale sah der Rechnungshofpräsident ebenfalls in der Schulverwaltung und im Gesundheitsbereich und bezeichnete die Entwicklung der Pensionen als bedenklich. Die Leistung des Bundes komme nicht bei den PatientInnen an, sondern versickere in der Struktur, kritisierte er.

"Wir haben enorme Probleme, für diese liegen jedoch Lösungsansätze am Tisch", betonte Moser mit Nachdruck, es fehle aber am politischen Willen. Keine Reformen in die Wege zu leiten, sei "grob fahrlässig", so sein Befund. (Schluss)


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