Parlamentskorrespondenz Nr. 802 vom 12.09.2011

Vorlagen: Umwelt

EU-Klimaschutz ab 2013 mit harmonisiertem Emissionszertifikatehandel

Da aufgrund weltweit anerkannter Expertengutachten davon auszugehen ist, dass die Emission von Treibhausgasen die globale Mitteltemperatur gegenüber vorindustriellen Werten bis 2100 um 1,4 bis 5,8 °C erhöhen wird, strebt die Staatengemeinschaft eine Stabilisierung des Anstiegs der globalen Mitteltemperatur auf nicht mehr als 2 °C an. Dafür müssen die weltweiten Emissionen bis 2050 gegenüber 1990 um zumindest 50 % gesenkt werden. Zentrales Element der EU-Klimapolitik ist seit 2005 der Handel mit Emissionszertifikaten, der in Österreich auf Basis des Emissionszertifikatehandelsgesetzes erfolgt. Probleme infolge übermäßiger Zertifikatzuteilungen an einzelne Länder und Sektoren, mangelnde ökologische Effizienz und Wettbewerbsverzerrungen in der bisherigen Handelspraxis sowie die Notwendigkeit, Grundlagen für die EU-Klimapolitik nach dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls ab 2013 zu schaffen, haben die EU unter anderem veranlasst, die Emissionshandels-Richtlinie vollständig zu überarbeiten. Im Sinne einer weitestgehenden Harmonisierung sieht die Richtlinienänderung ab 2013 unionsweit geltende einheitliche Vorschriften für die Zuteilung von Emissionszertifikaten und eine jährlich sinkende Höchstmenge für Emissionszertifikate vor.

Zur Umsetzung dieser Richtlinie in Österreich hat die Bundesregierung nun einen Entwurf zur Änderung des Emissionszertifikategesetzes (1393 d.B.) vorgelegt. Die Neuerungen sollen einen maßgeblichen Beitrag zur Verringerung von Treibhausgasemissionen in Österreich und in der EU leisten und die Emissionen bis 2020 im Vergleich zu 2005 um 21 % senken.

Hinsichtlich der finanziellen Auswirkungen werden die einmaligen Kosten für den Bundeshaushalt in den Erläuterungen mit 193.484 € angegeben. Aus den Versteigerungen von Emissionszertifikaten sind zusätzliche Einnahmen zu erwarten, die diese Ausgaben aber um ein Vielfaches übersteigen werden. Je nach Entwicklung des Zertifikatepreises ist ab 2013 mit Einnahmen zwischen 210 Mio. € und 350 Mio. € pro Jahr zu rechnen. Andere Gebietskörperschaften haben einmalige Kosten von 69.647 € und jährliche Kosten von 46.316 € zu erwarten. An den Verwaltungslasten für Unternehmen ändert sich gegenüber den bisherigen Handelsperioden gemäß Erläuterungen nichts.

Bisher waren die europäischen Reduktionsziele für sämtliche Treibhausgasemissionen auf die einzelnen EU-Mitgliedstaaten aufgeteilt. Ab 2013 soll dies nur mehr für Emissionen gelten, die nicht in den Geltungsbereich des Emissionshandels fallen (Verkehr, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft, Raumwärme) fallen. Für Emissionen, die unter den Emissionshandel fallen (fossile Stromproduktion und große Industrien) gilt für 2013 eine Höchstmenge von 2,039152882 Mrd. Zertifikaten, die danach jährlich um den Faktor 1,74 % verringert wird. Damit ist ein Reduktionspfad und eine Grenze erlaubter Emissionen bis 2020 vorgegeben. Das Ziel lautet, die Emissionen in der Energieproduktion und in der großen Industrie in der Handelsperiode von 2013 bis 2020 im Vergleich zu 2005 unionsweit um 21 % zu reduzieren.

Waren Zertifikate bisher weitgehend gratis zu haben, müssen sie ab 2013 bei Versteigerungen erworben werden. Stromerzeuger müssen ab 2013 100 % ihrer Zertifikate ersteigern. Andere Anlagen erhalten zunächst weiterhin Gratiszertifikate, die nach den Bestimmungen des "Benchmark-Beschlusses" von 2011 zugeteilt werden. Maßgebend sind die effizientesten Anlagen und die Verlagerungsgefahr des jeweiligen Industriesektors ("carbon leakage"). Solche Anlagen können Gratiszertifikate im Ausmaß von 100 % erhalten, nicht verlagerungsgefährdete Sektoren erhalten 80 % Gratiszertifikate; dieser Wert wird bis 2020 auf 30 % verringert, 2027 endet die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten in der EU.

Die Zuteilung von Gratiszertifikaten erfolgt künftig nicht mehr durch "nationale Zuteilungspläne" der Mitgliedstaaten, sondern durch die EU-Kommission nach den Kriterien des Benchmark-Beschlusses. Die Kommission kann die ihr von den Mitgliedstaaten übermittelten Listen ablehnen und muss im Falle der Überschreitung der Höchstmenge einen sektorübergreifenden Korrekturfaktor für alle Anlagen mit Anspruch auf Gratiszuteilung aufgrund einer Formel berechnen. So wird sichergestellt, dass eine ausreichende Menge an Zertifikaten auch für den Versteigerungssektor zur Verfügung steht.

Für neue Marktteilnehmer oder für wesentliche Anlagenerweiterungen besteht künftig auf nationaler Ebene keine Reserve an Emissionszertifikaten mehr, wohl aber eine mit 5 % der unionsweiten Zertifikatemenge begrenzte EU-Reserve, die von der Kommission verwaltet wird.

Schließlich werden ab 2013 CO2-Emissionen der Petrochemie und N2O-Emissionen aus der Produktion von Salpetersäure, Adipinsäure und Glyoxalsäure sowie Emissionen von Ammoniak und perfluorierte Kohlenwasserstoffe aus dem Aluminiumsektor in den Emissionshandel einbezogen. Der Begriff "Feuerungsanlage" wird klargestellt und diverse Vollzugsprobleme bereinigt.