Parlamentskorrespondenz Nr. 889 vom 05.10.2011

Unabhängiges Palästina, interreligiöser Dialog und mehr Demokratie

Aktuelle Aussprache im Außenpolitischen Ausschuss

Wien (PK) – An der Spitze der heutigen Sitzung des Außenpolitischen Ausschusses stand eine aktuelle Aussprache, in der die aktuellen Entwicklungen auf dem Globus thematisiert wurden. Die Bürgerinitiative (28/BI) betreffend eine österreichische Staatsbürgerschaft für Südtiroler wurde einstimmig dem bestehenden Südtirol-Unterausschuss zugewiesen. Neuer stellvertretender Obmann des Ausschusses ist nach einstimmiger Wahl Abgeordneter Reinhold Lopatka (V).

Staatssekretär Wolfgang Waldner bezeichnete die Außen-und Europapolitik primär als Vernetzungsarbeit, in die auch die anderen Ressorts, das Parlament und die Zivilgesellschaft eingebunden werden müssten. Ohne ein solches Netzwerk könne die Außenpolitik nicht funktionieren. Dazu brauche es auch ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Nachbarn, wozu man entsprechend präsent sein müsse.

Der Staatssekretär wies darauf hin, dass er gestern in Belgrad gewesen sei, morgen nach Ljubljana reise und sich nächste Woche in Bratislava aufhalten werde. Wie sein Ressortminister bekenne er sich zu einer verantwortungsvollen Europapolitik, zu der auch wechselseitige Solidarität gehöre, wobei die Rettung des Euro schließlich auch in österreichischem Interesse liege. Waldner schloss seine Einleitung mit einem Überblick über die nächsten Vorhaben des Außenministeriums.

Abgeordnete Christine Muttonen (S) erkundigte sich nach der österreichischen Haltung zur staatlichen Unabhängigkeit Palästinas und wollte wissen, wie es in der Kosovo-Frage weitergehe. Daran schloss sich eine Frage des Abgeordneten Reinhold Lopatka (V) bezüglich der Beitrittsperspektiven der Balkanstaaten. Abgeordneter Josef Riemer (F) verwies darauf, dass Maribor 2012 europäische Kulturhauptstadt sei und erkundigte sich nach der kulturpolitischen Zusammenarbeit Österreichs mit Slowenien. Abgeordnete Judith Schwendtner (G) betonte die Wichtigkeit einer österreichischen Positionierung in Sachen Palästina und fragte, ob es angesichts der massiven Menschenrechtsverletzungen durch die Aufständischen für den so genannten Übergangsrat in Libyen Konsequenzen geben werde.

Abgeordneter Herbert Scheibner (B) hielt fest, dass man nicht für eine Zweistaatenlösung eintreten und dann einem Staat, Palästina, die Anerkennung verweigern könne. Es wäre wünschenswert, dass Österreich hier klar Stellung beziehe. Kritik übte der Abgeordnete an den libyschen Rebellen, die sich zahlreicher Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht hätten und denen zudem tausende Lenkwaffen abhanden gekommen seien. Der Westen habe sich stark für diese Rebellen engagiert, nun solle er auch für eine Beendigung dieser nicht tolerierbaren Sachverhalte Sorge tragen.

Abgeordnete Petra Bayr (S) thematisierte die "Kohärenz in der Entwicklungspolitik",  Abgeordnete Karin Hakl (V) das in Wien geplante Zentrum für den interreligiösen Dialog, wobei sie bei dieser Gelegenheit festhielt, dass die Religionsfreiheit auch für Christen in Saudi-Arabien gelten und eine Vorbedingung für einen fairen Dialog sein müsse.  Abgeordneter Harald Vilimsky (F) meinte, der arabische Frühling sei eher ein arabisches Chaos, die Situation sei nicht kalkulierbar, Islamisten gewönnen überall die Oberhand, was auch in Israel für verstärkte Nervosität sorge, sodass man also nicht sagen könne, wohin die Reise vor diesem Hintergrund gehe. Der Abgeordnete erinnerte an die Rolle der Türkei und verwies auf deren Ziel einer "islamischen Union". Derartige Positionierungen seien mit Beitrittsambitionen zur EU nicht kompatibel.

Abgeordnete Alev Korun (G) kritisierte, dass man ausgerechnet mit Saudi Arabien in einen "interreligiösen" Dialog eintrete, womit man diesem undemokratischen Staat, der meilenweit von Religionsfreiheit entfernt sei, eine Bühne zur Selbstdarstellung biete. Zudem sprach Korun die "Cuban five" an, die nach einem unfairen Prozess zu Unrecht in den USA inhaftiert sind. Zudem votierte sie dafür, an den Diskussionen um den "Durban 3" teilzunehmen, um diese nicht fragwürdigen Kräften zu überlassen. Weiters thematisierte sie die Verfolgung der Bahai im Iran und das Agieren der syrischen Behörden Oppositionellen gegenüber.

Abgeordneter Gerhard Huber (B) plädierte für eine Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler, Abgeordneter Wolfgang Großruck (V) beschäftigte sich mit den Entwicklungen in Berg-Karabach, und Abgeordnete Heidemarie Unterrainer (F) wies auf massive Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen in der Türkei hin. Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager (V) erkundigte sich nach allfälligen Fortschritten bei der Umsetzung der Donauraum-Schwarzmeerregion-Strategie, Abgeordneter Christian Lausch (F) monierte verbesserten Schutz für die koptischen Christen in Ägypten. Schließlich begehrte Abgeordnete Elisabeth Hakel (S) Informationen hinsichtlich des neuen Auslandskulturkonzeptes und wies darauf hin, dass es Versuche gebe, die internationalen Abkommen zur Ächtung von Streumunition aufzuweichen, wogegen man entschieden Stellung beziehen müsse.

Staatssekretär Waldner erklärte, Österreich warte hinsichtlich seiner Entscheidung, die Anerkennung der Unabhängigkeit Palästina betreffend, noch ab, der Siedlungsbau durch Israel werde von Österreich jedoch als völkerrechtswidrig kritisiert.

Er gehe davon aus, dass Kroatien, wie vereinbart, 2013 Vollmitglied der EU werde, eine konkrete diesbezügliche Perspektive hätten gegenwärtig jedoch nur Serbien und Montenegro, bei allen anderen Staaten gebe es jedoch individuell unterschiedliche Gründe, weshalb die Aussichten auf einen Beitritt momentan getrübt seien. Der Kosovo müsse jedenfalls den auf seinem Gebiet lebenden Serben eine konkrete Perspektive geben.

Österreich plädiere dafür, Libyen einen Partnerstatus in der OSZE zu geben, wäre dies doch eine Gelegenheit, dem Land zu mehr Demokratie und Rechtstaatlichkeit zu verhelfen. Die österreichische Botschaft in Tripolis werde jedenfalls in Kürze wieder geöffnet, und die eingefroren Gelder würden in Akkordanz mit dem Sanktionenkommitee der UN freigegeben, wobei diese für humanitäre Einsätze, Stipendien und dergleichen aufgewendet würden. Zudem gebe Österreich Libyen logistische Hilfe.

Wien solle ein Zentrum des Dialogs sein, und dazu gehöre auch die Auseinandersetzung mit politisch bzw. religiös anders Denkenden. Das Zentrum sei aber so angelegt, dass wirklich ein echter Dialog entstehen könne, und die Involvierung von Vertretern aller wichtigen Religionen garantiere, dass dieses Zentrum nicht missbraucht werden könne.

Zur Türkei merkte Waldner an, hinsichtlich der Beitrittsverhandlungen gebe es nichts Neues, die Haltung der Türkei gegenüber Zypern sei jedoch nicht sonderlich hilfreich. Dennoch betrachte er den Prozess weiterhin als ergebnisoffen.

Der Schutz religiöser Minderheiten sei ein Schwerpunkt Österreichs und daher auch bei jeder Gelegenheit Thema, so auch in Bezug auf die Bahai und die Kopten. Österreich sei bei "Durban 3" auf Expertenebene vertreten, wobei man sicherstellen wolle, dass diese Konferenz nicht fragwürdigen Ansätzen überlassen werde. Er hoffe, dass die Oslo-Konvention zur Streumunition nicht abgeschwächt werde, man arbeite mit anderen Staaten wie Norwegen oder Mexiko an einer diesbezüglichen Resolution.

Das neue Auslandskulturkonzept lege einen Schwerpunkt auf den Westbalkan, den Donauraum und die Schwarzmeerregion, der globale Anspruch bleibe aber erhalten, schloss Waldner. (Schluss)