Parlamentskorrespondenz Nr. 557 vom 28.06.2012

Unterrichtsausschuss: Nachholen des Pflichtschulabschlusses möglich

Fortführung der Sprachförderkurse in den Schulen beschlossen

Wien (PK) – Im weiteren Verlauf der Sitzung des Unterrichtsausschusses befassten sich die Abgeordneten mit einer – einstimmig angenommenen - Regierungsvorlage, die das Nachholen des Pflichtschulabschlusses für Jugendliche ab 16 Jahren und für Erwachsene zum Inhalt hatte. Bundesministerin Claudia Schmied freute sich über die allgemeine Zustimmung zu diesem wichtigen Gesetz, weil dadurch eine Lücke im Bildungssystem geschlossen werden kann. Eine weitere Regierungsvorlage betraf die Verlängerung der Sprachförderkurse an den Schulen um zwei Jahre. In diesem Zusammenhang wurde auch ein S-V-Entschließungsantrag eingebracht, der eine Evaluierung dieser Maßnahme vorsieht; beide Materien fanden die einhellige Zustimmung aller Fraktionen.

Schließlich standen noch zahlreiche Anträge der Opposition auf der Tagesordnung, die von der Absicherung des HTL-Standortes in Deutschlandsberg (FPÖ), der Erstellung eines Kriterienkatalogs für SchulleiterInnenbestellungen (Grüne), der grundlegenden Reform der Schulverwaltung bis hin zur Neuordnung der Schulsprengel (beide BZÖ) reichten; diese Anträge wurden alle vertagt. In den Unterausschuss zugewiesen wurde hingegen der BZÖ-Antrag betreffend die Änderung der Maßzahl für den sonderpädagogischen Reformbedarf. Diese Frage soll noch näher mit Experten diskutiert werden.

Nachholen des Pflichtschul-Abschlusses für Jugendliche und Erwachsene ermöglicht

Um Jugendlichen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr sowie Erwachsenen einen altersgerechten Pflichtschulabschluss zu ermöglichen, auch wenn sie diesen im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht nicht erreicht haben, schlug die Regierung eine neue Form der Externistenprüfung vor. Dieses Modell der "Pflichtschulabschluss-Prüfung" basiert auf einer zielgruppenadäquaten Zusammenstellung der Kompetenzanforderungen, wobei die Prüfungsvorbereitung analog zur Berufsreifeprüfung im Rahmen der Erwachsenenbildung erfolgen soll. Dieser Schritt wurde von den Vertretern aller Parteien ausdrücklich begrüßt. Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill (G) wünschte sich noch eine Modernisierung der dualen Ausbildung, die auch mehr Augenmerk auf die Fremdsprachen legen sollte.

Abgeordneter Franz Riepl (S) brachte noch eine Ausschussfeststellung ein. Der Unterrichtsausschuss geht davon aus, dass die positiv absolvierte Pflichtschulabschluss-Prüfung jedenfalls für all jene weiterführenden Ausbildungen als Kriterium gleichwertig ist, die bisher die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht bzw. den Abschluss der 9. Schulstufe voraussetzen. Dies betreffe beispielsweise die Ausbildung zum Pflegehelfer oder für einen medizinischen Assistenzberuf.

Bundesministerin Claudia Schmied sprach von einer wichtigen Maßnahme, die dazu führe, dass eine Lücke im Bildungssystem geschlossen werden kann. Was die Finanzierung angeht, so werden von Bund und Ländern 32,8 Mio. € bis 2014 bereit gestellt. Derzeit gibt es 900 Personen, die einen Pflichtschulabschluss nachholen wollen; der Interessentenkreis könnte auf etwa 1.500 Personen erweitert werden. Zur Ausschussfeststellung merkte die Unterrichtsministerin noch an, es werde damit klar gestellt, dass durch die Prüfung auch der Zugang zu den genannten Pflege- und Sozialberufen ermöglicht wird, ohne dass die Betroffenen vorher noch ein Jahr den Polytechnischen Lehrgang besuchen müssen. In Richtung der G-Mandatarin Windbüchler-Souschill stellte die Ressortchefin fest, dass das österreichische duale Ausbildungsmodell international höchst anerkannt sei; man bemühe sich aber ständig um eine qualitative Weiterentwicklung in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, betonte sie.

Die Regierungsvorlage wurde ebenso wie die Ausschussfeststellung einstimmig angenommen.

Schulische Sprachförderkurse werden evaluiert und um weitere zwei Jahre verlängert

Sprachförderkurse an Österreichs Schulen sollen auch nach dem Jahr 2012 fortgesetzt werden. Dazu hat die Regierung dem Nationalrat einen Novellenentwurf des Schulorganisationsgesetzes vorgelegt, der nun im Ausschuss einstimmig angenommen wurde. Derzeit sind Sprachfördermaßnahmen für SchülerInnen mit nichtdeutscher Muttersprache beziehungsweise aus sozio-ökonomisch benachteiligten Bevölkerungsteilen gesetzlich nur bis Ende des Schuljahres 2011/12 vorgesehen. Da SchülerInnen durch die sprachliche Förderung ein qualitativ höherwertiger Schulabschluss ermöglicht wird und dies gesamtgesellschaftliche Vorteile bringt, ist in der Regierungsvorlage eine neuerliche zweijährige Verlängerung der Kurse geplant.

Abgeordnete Katharina Cortolezis-Schlager (V) brachte zudem einen S-V-Entschließungsantrag ein, der eine Evaluierung dieser Sprachförderkurse vorsah. - Die verpflichtende Fortbildung der Lehrer in diesem Bereich war ein großes Anliegen der Abgeordneten Ursula Haubner (B), die grundsätzlich von einem sehr begrüßenswerten Projekt sprach. - Abgeordneter Harald Walser (G) stellte die Sinnhaftigkeit einer neuerlichen Untersuchung der Sprachförderkurse in Frage, zumal bereits eine Evaluierung vorliege.

Es gebe die allgemeine Übereinstimmung, dass die sprachliche Förderung der Kinder, und zwar so früh wie möglich, sehr wesentlich zum Bildungserfolg beitrage, konstatierte Bundesministerin Claudia Schmied. Es sei richtig, dass die Sprachförderkurse bezüglich ihrer Wirksamkeit und der Akzeptanz bereits analysiert wurden. Basierend auf diesen Erhebungen soll die Thematik nun aber von allen Seiten gründlich beleuchtet werden, um daraus entsprechende Rückschlüsse, z.B. für die PädagogInnenausbildung oder die Gestaltung der Förderkonzepte an den Schulen etc., ziehen zu können. Schmied pflichtete den Abgeordneten Walser (G) und Kitzmüller (F) bei, wonach eine unbefristete Verlängerung der Maßnahme wünschenswert gewesen wäre; dagegen habe sich aber das Finanzministerium ausgesprochen. Der Entschließungsantrag wurde ebenso wie die Regierungsvorlage einstimmig angenommen.

FPÖ: HTL BULME in Deutschlandsberg soll erhalten bleiben

In zwei Entschließungsanträgen setzen sich die Freiheitlichen für die Sanierung des Bundesschulzentrums Deutschlandsberg sowie für den Fortbestand der HTL BULME Deutschlandsberg ein (1835/A[E] und 1836/A[E]). Da die Gemeinde die Kosten für den Schulerhalt der HTL BULME (= Bundeslehranstalt für Maschinenbau und Elektrotechnik) nicht mehr gänzlich tragen kann, schlägt Antragsteller Walter Rosenkranz (F) vor, die  BULME-Klassen auf das ebenfalls in Deutschlandsberg ansässige Bundesschulzentrum und die örtliche Hauptschule aufzuteilen. Nach einem Beobachtungszeitraum von vier Jahren könne dann über einen Zubau oder eine bloße Sanierung des Bundesschulzentrums entschieden werden. Die große regionale Bedeutung der Schule zeige sich u.a. an den auf die lokale Wirtschaft abgestimmten Ausbildungsinhalten der Schule, argumentierte Rosenkranz, wodurch die Absolventen viel leichter einen Job vor Ort finden können.

Abgeordneter Elmar Mayer (S) wies auf die rückläufigen Schülerzahlen im Bundesschulzentum hin, die es eventuell sogar möglich machen, dass die gesamte HTL dort untergebracht werden kann. Grundsätzlich sei er für den Erhalt der HTL, betonte er, die damit zusammenhängenden Fragen müssen allerdings noch geprüft werden. Aus diesem Grund stellte er einen Vertagungsantrag, der mit S-V-Mehrheit angenommen wurde.

Grüne: Kriterienkatalog für SchulleiterInnenbestellungen

In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu öffentlich ausgetragenen Konflikten um die Bestellung und Definitivstellung von SchulleiterInnen, zeigte G-Abgeordneter Harald Walser in einem Entschließungsantrag seiner Fraktion auf, der mit S-V-Mehrheit vertagt wurde. Die Gründe waren durchaus unterschiedlich und reichten von der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes bis hin zu offensichtlichen Mängeln bei der Qualifikation der betreffenden Personen. Es gebe sogar Fälle jahrelanger interimistischer Leitung von Schulen, um die Frage der Bestellung und Definitivstellung von DirektorInnen zu umgehen. Zur Lösung dieses Problems tritt Walser daher vor allem für die Erstellung eines klaren Kriterienkatalogs ein. Dieser Meinung schlossen sich auch die Vertreter der beiden anderen Oppositionsparteien an. Während Abgeordneter Stefan Petzner (B) von einem sehr klugen Ansatz sprach, betonte Abgeordneter Walter Rosenkranz (F), dass es ihm vor allem auch um die Nachvollziehbarkeit und die Begründung von Personalentscheidungen geht.

BZÖ: Reform der Schulverwaltung und Neuordnung der Schulsprengel

Für eine moderne Schulverwaltung und gegen parteipolitisch motivierte Besetzungen im Bildungsbereich sprechen sich die Abgeordneten Ursula Haubner und Martina Schenk (beide BZÖ) in einem Entschließungsantrag aus. Ihrer Ansicht nach solle das Schulwesen in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache werden und anstatt der Landesschulräte sollen Bildungsdirektionen des Bundes geschaffen werden. Außerdem drängt das BZÖ auf die ersatzlose Abschaffung der Bezirksschulräte und des Parteiproporzes in den Kollegien der Schulbehörden sowie auf ein einheitliches Bundesdienstrecht für sämtliche LehrerInnen. Ein österreichweites Schulqualitätsmanagement soll die Aufgaben der bestehenden Schulaufsicht übernehmen und die Schulen müssten die Bestellung ihrer Leitung und das Personalmanagement autonom durchführen können, so die Antragstellerinnen. Ein weiterer BZÖ-Antrag, der ebenso von den beiden anderen Oppositionsparteien unterstützt wurde, zielte auf die Rücknahme der Einteilung des Bundesgebiets in standortgeschützte Schulsprengel ab. Dass schulpflichtige Kinder grundsätzlich zum Besuch jener Schule verpflichtet sind, in deren Sprengel sie wohnen, schränke nach Ansicht der Antragsteller die diesbezügliche Wahlfreiheit der Eltern unzulässig ein. Abgeordneter Josef Auer (S) brachte mit dem Hinweis darauf, dass auf Basis eines S—V-F-Entschließungsantrages bereits Verhandlungen mit den Bundesländern in den angesprochenen Fragen laufen, einen Vertagungsantrag ein.

Bundesministerin Claudia Schmied unterstützte die Forderung des BZÖ hinsichtlich der Schulsprengel, da die Wahlmöglichkeit der Eltern sowie der Wettbewerb zwischen den Schulen gefördert werden soll. Auch wenn die Kompetenz für die Festsetzung der Schulsprengel auf Landesebene liege, glaube sie, dass der Druck von Seiten der Eltern wachse, Veränderungen in diesem Bereich vorzunehmen. Beide Anträge wurden mit schließlich mit S-V-Mehrheit vertagt.

BZÖ: Änderung der Maßzahl für den sonderpädagogischen Förderbedarf

Die BZÖ-Abgeordneten Ursula Haubner und Stefan Petzner kritisieren in ihrem Antrag die vom Unterrichtsministerium festgelegte Maßzahl von 2,7% aller SchülerInnen, die zur Abdeckung des sonderpädagogischen Förderbedarfs an Österreichs Schulen dient. Bezugnehmend auf einen Rechnungshofbericht, der in einigen Bundesländern in den Schuljahren 2007/08 bis 2009/10 einen sonderpädagogischen Förderbedarf zwischen 3,61 % und 4,11 % feststellt, wird gefordert, die derzeitige Maßzahl zu evaluieren und dem tatsächlichen Bedarf anzupassen. Abgeordneter Walter Rosenkranz (F) bemängelte, dass die Mittel für den sonderpädagogischen Bereich in den letzten Jahren kontinuierlich gekürzt wurden. - Dieser Antrag wurde mit S-V-Mehrheit dem Unterausschuss zugewiesen. (Schluss)


Themen