Parlamentskorrespondenz Nr. 871 vom 07.11.2012

Verfassungsausschuss beschließt Änderung der Nationalratswahlordnung

Nur noch vier Regionalwahlkreise in der Steiermark

Wien (PK) – In der Steiermark wird es in Hinkunft nur noch vier statt acht Regionalwahlkreise geben. Eine entsprechende Änderung der Nationalrats-Wahlordnung hat heute mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ den Verfassungsausschuss des Nationalrats passiert. Hintergrund für diesen Schritt ist die bereits erfolgte bzw. noch geplante Zusammenlegung mehrerer steirischer Bezirke, die zum Teil verschiedenen Regionalwahlkreisen angehören. Überdies trägt das Wahlrechtsanpassungsgesetz dem Umstand Rechnung, dass die neue Bezirkseinteilung voraussichtlich genau zwischen dem Stichtag und dem Wahltag der Wehrpflicht-Volksbefragung wirksam wird.

Konkret wird es in Hinkunft in der Steiermark folgende vier Regionalwahlkreise geben: Graz und Umgebung (6A), Oststeiermark (6B), Weststeiermark (6C) und Obersteiermark (6D). Stimmkarten in den von einer Zusammenlegung betroffenen politischen Bezirken, die für die Volksbefragung ausgestellt werden, sollen von Anfang an die Anschriften der zukünftig eingerichteten Bezirkswahlbehörden tragen, auch wenn diese erst nach Druck der Karten tätig werden. Berücksichtigt wird in den Wahlgesetzen außerdem, dass in Folge der Zusammenlegung einiger steirischer Gemeinden vorübergehend ein von der Landesregierung bestellter Amtsverwalter die Aufgaben des Bürgermeisters übernimmt.

Um Kosten zu sparen, werden die Gemeinden von der Pflicht befreit, die Fragestellung einer Volksbefragung durchgehend 10 Tage vor dem Wahltag, also auch am Samstag und Sonntag, zur Einsicht aufzulegen. Stattdessen reicht ein Anschlag an der – zu Amtsstunden zugänglichen – Amtstafel. Die Grünen fürchten, dass dadurch die Bürgerinformation eingeschränkt wird, sie stimmten daher vorerst gegen das Gesetz.

Opposition drängt auf Reform des Wahlrechts

Im Rahmen der Diskussion bedauerte die Opposition, dass die Änderungen im Wahlrecht nicht dazu genutzt werden, die direkte Demokratie auszubauen und das Persönlichkeitselement bei Wahlen zu stärken. Nach Meinung von Abgeordnetem Harald Stefan (F) herrscht derzeit Stillstand in der Diskussion, obwohl grundsätzlich alle Fraktionen für eine Ausweitung direktdemokratischer Instrumente seien. Auch Abgeordneter Herbert Scheibner (B) fürchtet, dass es in dieser Legislaturperiode zu keiner Wahlrechtsreform mehr kommen wird. Er trat unter anderem für objektive Informationen von öffentlicher Seite bei Volksbefragungen ein.

Die Vorstellungen der Parteien über ein neues Wahlrecht liegen allerdings, wie die Diskussion zeigte, weit auseinander. So wandten sich etwa SPÖ und ÖVP strikt gegen den von Abgeordneter Daniela Musiol (G) vorgebrachten Vorschlag, die Regionalwahlkreise zur Gänze abzuschaffen. Wie Musiol erklärte, sehen die Grünen die Regionalwahlkreise als überholt an, die Bundespolitik werde dadurch zu stark von regionalen Interessen geprägt. Was den Ausbau der direkten Demokratie betrifft, sprach sich Musiol erneut für ein dreistufiges Modell aus. Die für Jänner anberaumte Volksbefragung zur Wehrpflicht wertete sie hingegen als "Beleidigung für die direkte Demokratie".

Generell plädierte Musiol für die Einberufung eines BürgerInnen-Konvents nach dem Vorbild Islands, sollten die politischen Parteien aufgrund von "Partikularinteressen" nicht zu einem Konsens über eine Wahlrechtsreform kommen.

Seitens der Koalitionsparteien wurde der Vorwurf des Diskussionsstillstands in Bezug auf die Wahlrechtsreform zurückgewiesen. SPÖ-Klubobmann Josef Cap warnte allerdings neuerlich vor "Schnellschüssen", die man, wie er meinte, hinterher nicht mehr rückgängig machen könne. Seiner Ansicht nach kann man Modelle nicht einfach "am Reißbrett konstruieren", die dann in der Praxis nicht funktionieren. In Reaktion auf die Forderung der Bevölkerung nach mehr direkter Demokratie sieht Cap sowohl die Koalition als auch die Opposition dazu aufgerufen, eine neue Politik zu machen. Den Ausbau der direkten Demokratie kann er sich vor allem auf regionaler Ebene vorstellen.

Abgeordneter Wolfgang Gerstl (V) äußerte sich zuversichtlich, dass einzelne, unstrittige Reformpunkte bald beschlossen werden können. Wie Abgeordneter Otto Pendl (S) kann er sich allerdings keine Abschaffung der Regionalwahlkreise vorstellen. Die Politik dürfe den Kontakt zu den BürgerInnen nicht verlieren, bekräftigte er.

Die Abgeordneten Sonja Steßl-Mühlbacher (S) und Karl Donabauer (V) begrüßten die vorliegende Gesetzesnovelle ausdrücklich.

Änderung des Bundesbezügegesetzes bringt rechtliche Klarstellung

Einstimmig nahm der Verfassungsausschuss einen Fünf-Parteien-Antrag zum Bundesbezügegesetz an, mit dem die Abgeordneten rechtliche Unklarheiten in Bezug auf die korrekte Zuweisung von Anrechnungsbeträgen im Rahmen der Pensionsversicherung für PolitikerInnen ausräumen wollen. Der Antrag wurde unter Berücksichtigung eines Abänderungsantrags beschlossen, dieser sieht unter anderem ein rückwirkendes Inkrafttreten der neuen Bestimmungen mit 1.1.2012 vor.

"Gesetzesbeschwerde": Verfassungsausschuss vertagt Beratungen

Im Zuge der Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit haben sich die fünf Fraktionen des Nationalrats darauf verständigt, Verfahrensparteien in Zivil- und Strafverfahren die Möglichkeit einzuräumen, sich direkt an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu wenden, wenn sie die Meinung vertreten, dass im Verfahren anzuwendende Gesetze bzw. Verordnungen verfassungswidrig sind. Dazu liegen seit Juli dieses Jahres zwei variierende Gesetzesanträge vor (2031/A, 2032/A), in beiden Fällen sind die Voraussetzungen für die so genannte "Gesetzesbeschwerde" eng gefasst.

Die Umsetzung des Vorhabens könnte dennoch eine Weile dauern, die Beratungen im Verfassungsausschuss wurden heute nach einer Generaldebatte einstimmig vertagt. Die vom Verfassungsausschuss eingeholten Stellungnahmen zu den vorliegenden Gesetzesanträgen fielen zum Teil äußerst kontrovers aus, außerdem haben sich mehrere Problemfelder herauskristallisiert, die einer noch eingehenderen und intensiven Diskussion bedürfen. Dazu will man auch Expertinnen und Experten heranziehen.

Die Ausschussmitglieder bekräftigten mehrmals, am Ziel der Gesetzesbeschwerde festhalten und eine gemeinsame Lösung finden zu wollen. Es bestand auch Konsens darin, wie die Abgeordneten Wolfgang Gerstl (V) und Johannes Jarolim (S) explizit unterstrichen, dass die Gleichwertigkeit der Höchstgerichte gewahrt werden müsse. "Keiner in diesem Raum wünscht sich ein deutsches Verfassungsgericht", formulierte Gerstl pointiert. Es gehe einzig darum, ob eine Norm verfassungswidrig ist oder nicht, Machtfragen seien nicht am Platz, stellte Jarolim unmissverständlich klar, eine übergeordnete Stellung des Verfassungsgerichtshofs wolle keiner. Übereinstimmung herrschte auch darin, dass der Rechtschutz gestärkt werden soll. Staatssekretär Josef Ostermayer, der sich dem anschloss, machte darauf aufmerksam, dass eine zusätzliche Beschwerdemöglichkeit zur Verlängerung von Verfahren führen kann.

Leise Kritik an den vorliegenden Textierungen übte Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F). Sie gehen ihm zu sehr in Richtung Urteilsbeschwerde, was keiner wolle. Fichtenbauer sprach sich dafür aus, nur am erstinstanzlichen Urteil anzuknüpfen und keineswegs an jenem der letzten Instanz. Abgeordneter Wolfgang Gerstl (V) hingegen sah diese Tendenz zur Urteilsbeschwerde in den zur Diskussion stehenden Anträgen nicht. Ausschussvorsitzender Peter Wittmann (S) gab zu bedenken, dass man auf eine einheitliche Interpretation einer Norm Bedacht nehmen müsse, was durch eine frühe Klärung gewährleistet sei.

Er hielt es auch für geboten, sich bei der Gesetzesbeschwerde ausschließlich auf den Begriff "Urteil" zu beschränken. Bleibe man beim Begriff "Entscheidung", dann seien Probleme etwa bei der Durchführung von Zwangsmaßnahmen oder bei einstweiligen Verfügungen vorprogrammiert. Abgeordneter Peter Fichtenbauer (F) wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass damit aber auch das gesamte Außerstreitverfahren ausgeklammert wird.

Die Notwendigkeit, die unterschiedliche Situation für die Beteiligten im Zivilrecht und im Strafrecht zu berücksichtigen, wurde von Abgeordnetem Herbert Scheibner (B) angeschnitten. In zivilrechtlichen Prozessen stehen einander zwei gleichberechtigte BürgerInnen gegenüber, sagte er. Es könne im Fall einer erfolgreichen Gesetzesbeschwerde aber nicht sein, dass eine Partei sich in gutem Glauben an ein Gesetz gehalten hat und dann mit einer völlig neuen Situation konfrontiert ist. Die BürgerInnen in solchen Verfahren dürfen nicht schlechter gestellt werden, forderte er. Abgeordnete Daniela Musion (G) thematisierte zudem den angedachten und mehrheitlich kritisierten Entfall des Artikel 144 B-VG, wo es um die Beschwerden gegen Bescheide der Verwaltungsbehörden beim Verfassungsgerichtshof geht. (Fortsetzung Verfassungsausschuss)