Parlamentskorrespondenz Nr. 1003 vom 28.11.2012

Justizausschuss verabschiedet Neuregelung der Obsorge

Weiterer Beschluss: Strengere Kriterien bei Fußfessel für Sexualtäter

Wien (PK) – Das Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetz, das in seinem Kernbereich eine Neuregelung der Obsorge vorsieht, wurde heute vom Justizausschuss mit den Stimmen der Regierungsparteien verabschiedet. Auf den Weg ins Plenum schickten die Abgeordneten auch Änderungen im Strafvollzugsgesetz, die vor allem zusätzliche und strengere Kriterien für die Bewilligung der elektronischen Fußfessel bei Sexualtätern bringen. Nicht durchsetzen konnten sich dabei FPÖ und BZÖ, die in Anträgen einen Ausschluss für Sexualtäter von der Möglichkeit des elektronisch überwachten Hausarrests gefordert hatten.

S-V-Mehrheit für Neuregelung der Obsorge

Zentraler Punkt des Kindschafts- und Namensrechts-Änderungsgesetzes (2004 d.B.) ist die Neuregelung der Obsorge, wobei die Novelle ausdrücklich auf das Wohl des Kindes abstellt, für Konfliktfälle eine Entscheidung des Familiengerichts vorsieht und Familiengerichtshilfe und Besuchsmittler rechtlich verankert. Im Namensrecht wiederum wird die Bildung von Doppelnamen für ganze Familien erleichtert. Die Abgeordneten konnten in der Debatte auf die Ergebnisse des Hearings vom 20.11.2012 zurückgreifen, bei dem sich Expertinnen und Experten u.a. mit der im Gesetz vorgesehenen sechsmonatigen Phase der vorläufigen elterlichen Verantwortung und der damit im Zusammenhang stehenden Unterhaltsfrage auseinandergesetzt hatten. 

Die Vorlage wurde in der Fassung eines S-V-Abänderungsantrags, der vor allem redaktionelle Anpassungen enthält, mit den Stimmen der Regierungsparteien angenommen. Stimmenmehrheit ergab sich auch für einen Entschließungsantrag der Regierungsparteien mit der an die Justizministerin gerichteten Forderung, einen Bericht über die Auswirkungen der Neuregelungen im Kindschaftsrecht bis Ende 2016 vorzulegen.

Mehrheitlich verabschiedet wurde zudem ein Entschließungsantrag der FPÖ (1776/A(E)), in dem Abgeordneter Peter Fichtenbauer Mittel für die Fortbildung der Familienrichter im Zusammenhang mit Obsorgefragen urgierte. Die Initiative seiner Fraktionskollegin Carmen Gartelgruber betreffend Erleichterungen beim Besuchsrecht für Großeltern (2086/A(E)) wiederum galt mit der Beschlussfassung der Novelle als miterledigt.

Sowohl Abgeordnete Gisela Wurm (S) als auch Abgeordnete Ridi Steibl (V) begrüßten die Novelle und hoben insbesondere den Gedanken des Kindeswohls, aber auch die sechsmonatige Phase der gemeinsamen elterlichen Verantwortung, die Regelung des Kontaktrechts, Familiengerichtshilfe und Besuchsmittler als wesentliche Fortschritte hervor. Wurm brachte darüber hinaus ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass die Ziele des Gesetzes – kürzere Verfahren, weniger Konflikte nach Scheidungen, Durchsetzung des Kindeswohls – auch tatsächlich erreicht werden. Abgeordnete Sonja Steßl-Mühlbacher (S) sah die Änderungen im Namensrecht vor allem unter dem Aspekt der freien Wahlmöglichkeit und unterstützte insbesondere die Möglichkeit des Erwerbs des Vaternamens durch uneheliche Kinder.

Kritik kam hingegen von der Opposition: Abgeordneter Harald Stefan (F) warnte etwa, ein Umzug eines Elternteils mit dem Kind ins Ausland sei nun auch ohne gerichtliche Bewilligung möglich, die Änderungen im Namensrecht wiederum würden zu Unklarheiten und Verunsicherung führen, die Obsorgeregelung sei von Misstrauen gegenüber den Eltern getragen.

Abgeordneter Albert Steinhauser (G) meldete schwere Bedenken gegen gerichtliche Entscheidungen von Trennungskonflikten an und sprach von der Gefahr einer eskalierenden Wirkung. Besser wäre es seiner Meinung nach gewesen, in Konfliktfällen Lösungen im Wege einer Schlichtungsstelle anzustreben. Positiv bewertete Steinhauser allerdings die Einführung der Besuchsmittler sowie die Neuerungen im Namensrecht.

Enttäuscht zeigte sich Abgeordneter Herbert Scheibner (B). Die Neuregelung der Obsorge sei zwar besser als die bisher geltende, die Ungleichbehandlung der Lebensgemeinschaften im Verhältnis zur Ehe würde aber durch dieses Gesetz fortgeschrieben, gab er zu bedenken und stellte fest, ein Obsorgeautomatismus auch für unverheiratete Paare wäre die naheliegende Lösung gewesen.

Justizministerin Beatrix Karl betonte, das Kindeswohl sei nun Maßstab für alle Entscheidungen im Familienrecht, und sprach von einem Meilenstein. Das Gesetz trage zudem den Grundsätzen der Kontinuität und der Verfahrensbeschleunigung Rechnung. Die sechsmonatige Phase der gemeinsamen elterlichen Verantwortung sei in diesem Sinn wichtig, um eine Entfremdung zwischen einem Elternteil und dem Kind zu verhindern, unterstrich die Ministerin. Die Änderungen im Namensrecht führte Karl vor allem auf Forderungen aus der Gesellschaft zurück, wobei sie meinte, es obliege nicht dem Staat, über die Führung des Namens zu entscheiden. Die Möglichkeit, einen gemeinsamen Doppelnamen als Familiennamen zu wählen, fördere die Familienidentität, war sich die Ministerin sicher.

Strengere Kriterien bei Fußfessel für Sexualtäter

Der elektronisch überwachte Hausarrest ("Fußfessel") soll für Sexualstraftäter in Zukunft nur bei Vorliegen zusätzlicher und strengerer Kriterien bewilligt werden. Diese Hauptstoßrichtung verfolgen Änderungen des Strafvollzugsgesetzes und der Strafprozessordnung (1991 d.B.), die der Ausschuss mit den Stimmen der Regierungsparteien auf den Weg ins Plenum schickte. FPÖ und BZÖ brachten in diesem Zusammenhang ihre kritische Haltung in zwei Entschließungsanträgen (1761/A(E), 2065/A(E)) zum Ausdruck, in denen sie sich gegen den elektronisch überwachten Hausarrest für Sexualstraftäter aussprachen. Das BZÖ verlangte darüber hinaus namems des Abgeordneten Peter Westenthaler auch eine gerichtliche Beaufsichtigung von Sexualtätern nach der Haftentlassung (2055/A(E)) sowie ein lebenslanges Tätigkeitsverbot für Missbrauchstäter in Bezug auf sämtliche Beschäftigungen im Zusammenhang mit Minderjährigen (2064/A(E)). Bei der Abstimmung blieben die Anträge der Opposition allerdings in der Minderheit.

Ein S-V-Abänderungsantrag zur Regierungsvorlage wiederum bringt Klarstellungen hinsichtlich der Videoüberwachung in Strafvollzugsanstalten. Demnach wird der Anstaltsleiter zum Einsatz der Videoüberwachung in Bereichen ermächtigt, die nicht dem höchstpersönlichen Lebensbereich dienen. Die Speicherung der Daten ist bis zu 72 Stunden möglich. Ausdrücklich verboten ist die Videoüberwachung jedenfalls zum Zweck der Leistungskontrolle der Strafvollzugsbediensteten. 

Im Einzelnen geht es bei der Fußfessel-Regelung um eine Verschärfung der Bewilligungsvoraussetzungen für den elektronisch überwachten Hausarrest bei Sexualstraftätern. Die neuen Bestimmungen stellen nun klar, dass Sexualdelinquenten jedenfalls die Hälfte ihrer Freiheitsstrafe, mindestens jedoch drei Monate in der Vollzugsanstalt verbüßt haben müssen, bevor ein elektronisch überwachter Hausarrest überhaupt in Betracht kommt. Weitere Voraussetzung ist eine qualifiziert günstige Prognose, zudem wird auch den Opfern ein Äußerungsrecht eingeräumt.

In der Debatte pochte Abgeordneter Peter Westenthaler (B) auf seine Forderung "Keine Fußfessel für Sexualtäter". Die Regierungsvorlage qualifizierte er zwar als Verbesserung der bisherigen Situation, meinte aber, all das sei immer noch ein Schritt zu wenig. Westenthaler stellte überdies die Forderung nach Strafverschärfungen für Sexualdelikte zur Diskussion und verlangte eine Erhöhung der Mindeststrafen und eine Ausweitung der Höchststrafen für diesen Deliktsbereich. Abgeordneter Christian Lausch (F) kritisierte die Fußfessel für Sexualtäter als Respektlosigkeit gegenüber den Opfern und meinte, die Bevölkerung habe für diese Maßnahme keinerlei Verständnis, im Hinblick auf die Generalprävention sei der Hausarrest ein absolut verheerendes Zeichen.

Abgeordneter Albert Steinhauser (G) bekannte sich grundsätzlich zum elektronisch überwachten Hausarrest, bezeichnete die nunmehr gefundene Regelung allerdings als Schnellschuss und argumentierte, angesichts der öffentlichen Diskussion wäre eine Gesamtlösung des Problems wohl besser gewesen.

Abgeordnete Anna Franz (V) erinnerte an die großen Einschränkungen für Sexualtäter bei der Bewilligung der Fußfessel und führte ins Treffen, ein Ausschluss von Sexualtätern von dieser Vollzugsform würde verfassungsrechtlich nicht halten. Seitens der SPÖ sprach Abgeordneter Hannes Fazekas von einer vernünftigen Regelung und begrüßte vor allem die Bedachtnahme auf die Opfer durch das Anhörungsrecht. Abgeordneter Otto Pendl (S) sprach sich für eine Neuordnung der Strafrahmen aus und bemerkte, es gehe nicht an, dass Vermögensdelikte strenger bestraft werden als Delikte gegen Leib und Leben, dies sei eine Verzerrung. Neuerungen wünschte er auch beim Maßnahmenvollzug.

Bundesministerin Beatrix Karl hielt eine Ausnahme von Tätergruppen von der Gewährung der Fußfessel für sachlich nicht gerechtfertigt und gleichheitswidrig. Die Fußfessel für Sexualtäter ermögliche die Erteilung von Auflagen und sichere dadurch eine bessere Kontrolle, replizierte sie auf die Kritik der Opposition. Eine gerichtliche Aufsicht nach der Tat sei aus Sicht der MRK fragwürdig, unbefristete Tätigkeitsverbote gebe es bereits, meinte Karl zu den Forderungen des BZÖ.

Zwingende Vertragsbestimmungen zugunsten der Kfz-Branche

Weiterer Tagesordnungspunkt der heutigen Sitzung war ein so genanntes Kraftfahrzeugsektor-Schutzgesetz (1990 d.B.), das vom Ausschuss einstimmig verabschiedet wurde. Ziel dieser Vorlage ist es, die auf der auslaufenden Kfz-Gruppenfreistellungsverordnung der EU basierenden Bestimmungen in bestehenden Vertragsbindungsverträgen der Kfz-Branche durch zwingendes Zivilrecht abzusichern. In diesem Sinn werden zwingende Vertragsbestimmungen zugunsten von gebundenen Unternehmen vorgeschlagen, so etwa das Erfordernis der Schriftlichkeit für die Kündigung von Vertriebsverträgen und eine zweijährige Kündigungsfrist, ein Rückverkaufsrecht für die der Vertriebsbindung unterliegenden Waren, die Möglichkeit der Übertragung der Rechte und Pflichten aus der Vertriebsbindungsvereinbarung an einen anderen gebundenen Unternehmer desselben Vertriebssystems, ein zwingender Aufwandersatz für Garantieleistungen, ein Anspruch auf die für Instandsetzung und Reparatur erforderlichen technischen Informationen zu angemessenen Bedingungen sowie eine Regelung zur außergerichtlichen Streitbeilegung.(Schluss)