Parlamentskorrespondenz Nr. 327 vom 25.04.2013

Syrien: Spindelegger gegen Aufhebung des Waffenembargos

Aktuelle Stunde im Nationalrat zum Konfliktherd Naher Osten

Wien (PK) – Die Folgen des so genannten Arabischen Frühlings, die krisenhafte Entwicklung in der gesamten Region des Nahen Ostens und die möglichen bzw. notwendigen Reaktionen der EU und der internationalen Staatengemeinschaft waren heute Thema der Aktuellen Stunde im Nationalrat. Die ÖVP, die das entsprechende Verlangen für die Diskussion unter dem Titel "Aktuelle Entwicklungen im Nahen Osten und die Auswirkungen auf Österreich" gestellt hatte, wollte den Fokus auch auf die innerstaatliche Betroffenheit legen.

Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger sah dabei drei wesentliche Herausforderungen auch für die heimiische Außenpolitik. So engagiere sich Österreich insbesondere, durch humanitäre Hilfe das Leid der Zivilbevölkerung zu lindern. Die Dimension des Bürgerkriegs in Syrien greife aber auch auf die Situation der 377 österreichischen UNO-SoldatInnen auf dem Golan über. Der UNO Einsatz in der Region sei ein "tatsächlicher Friedensdienst", sagte Spindelegger und machte unmissverständlich klar, dass sich Österreich die Option offenlasse, die SoldatInneen aus Sicherheitsinteressen auch abzuziehen, sollte es die Lage erfordern. Grundsätzlich sei es aber innerhalb der UNO wichtig, dass Österreich diesen Dienst weiter versehe, gab er zu bedenken.

Dezidiert sprach sich der Außenminister gegen die Aufhebung des Waffenembargos und die Aufrüstung der syrischen Opposition, wie dies einige EU-Staaten fordern, aus. Waffenlieferungen würden nicht zu einem Ende des Konflikts führen, war er überzeugt, vielmehr würde der Konflikt eine neue Dimension erhalten, die Eskalationsspirale würde sich weiter drehen, warnte er. Auch im Nationalen Sicherheitsrat gebe es große Übereinstimmung über die von ihm skizzierte Linie, hier eine politische Lösung zu forcieren.

Komplizierte Mandatsrochade, Dringlicher Antrag, Kurzdebatte

Am Beginn gab Nationalratspräsidentin Barbara Prammer bekannt, dass laut Auskunft der Wahlbehörde die Abgeordnete Elisabeth Kaufmann-Bruckberger (T) auf ihr Mandat verzichtet hat. An ihrer Stelle wurde Gernot Darmann (F) angelobt.

Kaufmann-Bruckberger, die zunächst auf einem BZÖ-Ticket in den Nationalrat kam und dann zum Team Stronach wechselte, wird nach dem Erfolg der Neo-Partei bei der niederösterreichischen Landtagswahl nunmehr in die Landesregierung einziehen. Ihr musste daher jemand von der BZÖ-Liste nachrücken. Gernot Darmann, ursprünglich BZÖ, schloss sich aber dem FPÖ-Parlamentsklub an.

Des Weiteren wird um 15.00 Uhr ein Dringlicher Antrag des BZÖ auf Steuersenkung ("Steuern runter – deutliche Reduktion statt kalter Progression) behandelt. Danach steht auf Verlangen der Grünen eine Kurzdebatte über die Anfragebeantwortung der Innenministerin zur Anfrage betreffend wissenschaftliche Begleitung des Bündnisses gegen Gewalt an.

Spindelegger: Friedensdienst am Golan fortsetzen so lange es geht

Als erster Redner in der Aktuellen Stunde war Abgeordneter Werner AMON (V) gemeldet. Österreich habe seit den 70er Jahren eine sehr positive Außenpolitik im Nahen Osten betrieben, sagte er, wobei man bis heute außerordentlich erfolgreich agiere und dementsprechend anerkannt sei. Als Beispiel führte er das seit 1974 bestehende Peace-Keeping-Engagement auf dem Golan an, wo das österreichische Kontingent eine ganz entscheidende Rolle bei der Überwachung des Waffenstillstands spiele. Erst vor kurzem habe Außenminister Spindeleggen die SoldatInnen dort besucht und ihnen für ihren großen Einsatz auch in sehr kritischen Situationen gedankt, erinnerte Amon. Angesichts der aktuellen Entwicklungen werde die Sicherheitslage vor Ort ständig überprüft und neu beurteilt. Seiner Ansicht nach wäre es aber inakzeptabel, gerade jetzt, wo die Lage sehr schwierig und schwer abschätzbar ist, das Kontingent abzuziehen und davonzulaufen. Allerdings solle sehr wohl an die Staatengemeinschaft und die Vereinten Nationen appelliert werden, alles zu tun, um die Sicherheit der dort stationierten SoldatInnen so weit wie möglich zu garantieren. Deshalb könne man auch nicht einer Lockerung des Waffenembargos, wie von manchen Seiten gefordert, beitreten, unterstrich Amon. Schließlich dankte er Außenminister Spindelegger für dessen Engagement im Nahen Osten, das u.a. dazu beigetragen habe, dass die Palästinenser innerhalb der UNO einen neuen Status erhalten haben.

Als die derzeit größte außenpolitische Herausforderung bezeichnete Außenminister Michael SPINDELEGGER den Krieg in Syrien, der mittlerweile bis zu 100.000 Menschen das Leben gekostet und Millionen SyrerInnen zu Flüchtlingen gemacht hat. Zur Linderung der humanitären Katastrophe habe Österreich bereits über 5 Mio. € bereitgestellt, u.a. für Nahrungsmittel und für die Flüchtlingslager, informierte der Vizekanzler. Auswirkungen habe dieser Konflikt aber auch auf die 377 österreichischen UNO-SoldatInnen am Golan, die dort seit 39 Jahren einen wichtigen Friedensdienst leisten. Erst kürzlich habe er in Gesprächen mit politischen Vertretern in Israel und dem Libanon erfahren, wie sehr die Arbeit der ÖsterreicherInnen am Golan geschätzt werde, und darauf könne man stolz sein. Spindelegger hielt die Aufrechterhaltung des Einsatzes für sehr wichtig, da es auch darum gehe, die Gefahr zu dämmen, dass auch Israel in den Konflikt miteinbezogen wird. Gleichzeitig müsse aber auch alles getan werden, um die Sicherheit der ÖsterreichInnen so gut wie möglich zu gewährleisten, unterstrich der Außenminister, dies sei eine schwierige Gratwanderung. Man habe sich mit diesen Fragen auch im Nationalen Sicherheitsrat sehr ausführlich beschäftigt. Entschieden sprach sich Spindelegger auch gegen die Aufhebung des Waffenembargos gegenüber ganz Syrien aus, da dies dem Konflikt eine noch viel gefährlichere Dimension geben würde und es überdies ein sehr breites Spektrum an oppositionellen Gruppen im Land gibt. Es müsse vielmehr alle Kräfte unterstützt werden, die eine politische Lösung in Syrien anstreben.

SPÖ-ÖVP-Unterstützung für die Linie des Außenministers

Klubobmann Josef CAP (S) schloss sich dem Dank des Außenministers gegenüber den österreichischen SoldatInnen am Golan an, die in einer sehr gefährlichen Zone ihren Dienst versehen. Positiv beurteilte der SPÖ-Mandatar auch die Bemühungen des Außenministers, Lösungen für die Palästinenser, vor allem im Hinblick auf ein Zweistaatenmodell, zu finden. Was den Krieg in Syrien anbelangt, so war Cap ebenfalls der Meinung, dass man bei aller Ablehnung des Assad-Regimes kritisch hinterfragen müsse, wer eigentlich die Opposition im Land ist und welche Gruppen sich dort beteiligen. Ein Appell sollte auch an die israelische Regierung gerichtet werden, endlich mit dem weiteren Siedlungsbau aufzuhören, weil damit nicht nur die Zweistaatenlösung unterminiert werde, sondern weil man damit auch zu den krisenhaften Entwicklungen im Nahen Osten beitrage. Jedenfalls müsse die Staatengemeinschaft alles daran setzen, dass aus dem so genannten Arabischen Frühling ein echter Frühling wird, forderte Cap.

Auch Abgeordneter Oswald KLIKOVITS (V) forderte eine bestmögliche Unterstützung für die rund 380 österreichischen SoldatInnen, die auf dem Golan professionell, kompetent und noch immer motiviert ihren Dienst versehen. Er sei froh darüber, dass die Sicherheitslage in dieser Region in der letzten Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats ausführlich diskutiert wurde, da man rechtzeitig Maßnahmen vorbereiten müsse, falls die Lage dort einmal eskaliert. Wie seine Vorredner trat auch Klikovits gegen die Aufhebung des Waffenembargos gegenüber Syrien ein, da es nicht im Sinne einer friedvollen Lösung wäre, die Streitparteien noch zusätzlich mit Munition zu versorgen.

Kritische Analyse des Arabischen Frühlinge

Klubobmann Heinz-Christian STRACHE (F) setzte sich kritisch mit dem sogenannten Arabischen Frühling auseinander. Dieser habe bedauerlicherweise weniger Frieden und Demokratisierung als erwartet gebracht, sondern eher mehr Radikalisierung und kriegerische Entwicklungen führte er aus. Damit verbunden seien leider auch Vertreibungen von Andersgläubigen, wie etwa der Christen in manchen Ländern. Als besonders erschreckend wertete Strache die Tatsache, dass über 60 Dschihadisten, die in Österreich angeblich Asylverfahren laufen haben, in das Kriegsgebiet aufgebrochen sind, um dort als radikale Islamisten und Terroristen ihr Unwesen zu treiben. Dies seien leider keine Einzelfälle, sagte er, zumal bereits knapp vor einem Jahr aufgedeckt worden sei, dass neun tschetschenische Asylwerber an der russisch-georgischen Grenze gekämpft haben. Was die außenpolitische Linie Österreichs angeht, so wünschte sich Strache, dass an frühere Traditionen angeknüpft und wieder stärker die Rolle des neutralen Vermittlers eingenommen wird. Für unverantwortlich hielt es der FPÖ-Klubobmann, die österreichischen SoldatInnen weiterhin am Golan zu lassen, weil dort mittlerweile ein Kriegszustand herrsche.

Abgeordneter Peter PILZ (G) warf seinem Vorredner vor, die so wichtige Diskussion über globale Sicherheit am Beispiel Syriens und Golan zu einer Asylwerberdebatte zu missbrauchen. In diesem Zusammenhang erinnerte er u.a. daran, dass es nur eine einzige Partei in der gesamten EU gebe, die enge freundschaftliche Beziehungen zum terroristischen Regime in Tschetschenien unterhält, nämlich die FPÖ. Außerdem hätten die Freiheitlichen seit dem Arabischen Frühling mit Saddam Hussein und Muammar Al-Gaddafi zwei ihrer wichtigsten Financiers verloren, so der weitere Angriff von Pilz in Richtung FPÖ. Außenminister Spindelegger forderte Pilz auf, in Brüssel klarzumachen, dass nach dem Auslaufen des Waffenembargos Ende Mai die österreichische Beteiligung am UN-Mandat am Golan nicht mehr weitergeführt werden könne.

Es sei gut und richtig, dass sich Österreich endlich aus dem Mainstream der letzten zwei Jahre, den so genannten Arabischen Frühling als ausschließlich heil- und glückbringend für diese Region darzustellen, ausgeschert ist, hielt Abgeordneter Herbert SCHEIBNER (B) aus seiner Sicht fest. Heute sei nämlich völlig klar, dass die von außen organisierten Revolutionen nicht dazu geführt haben, dass es den Menschen in den jeweiligen Ländern besser geht als früher. Besonders betrüblich sei die Entwicklung in Syrien, das zwar eine Diktatur war, aber wo die Bevölkerung in der Vergangenheit zumindest in Sicherheit leben konnte und wo es auch eine Religionsfreiheit sowie eine weitgehende Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen gegeben habe. Außerdem ist man nach Auffassung von Scheibner auch einer Schwarz-Weiß-Berichterstattung auf den Leim gegangen, die jede Gräueltat, auch wenn sie von den Rebellen inszeniert wurde, dem Assad-Regime zugerechnet habe. Die einzige Möglichkeit für eine Befriedung in dieser Region bestehe darin, die vernünftigen Kräfte in der Baath-Partei und in der innersyrischen Opposition zu fördern und an einen Tisch zu bringen, urteilte Scheibner.

Der Arabischen Frühling sei längst zu einem arabischen Winter geworden merkte Abgeordneter Christoph HAGEN (T) an, wobei er schmerzlich eine gemeinsame Außenpolitik der EU für den Nahen Osten vermisste. Hagen verlangte auch, weiterhin nachdrücklich gegen Waffenlieferungen an die Rebellen in Syrien aufzutreten. Im Einzelnen schilderte Hagen den Vormarsch des islamischen Extremismus in Tunesien, den Versuch der neuen ägyptischen Führung, einen "Gottesstaat" aufzubauen, während die Wirtschaft schrumpfe, die Staatsverschuldung zunehme, die Arbeitslosigkeit wachse und Christen in Ägypten unter Verfolgung litten. Der Redner wies ferner auf tschetschenische Asylwerber in Österreich hin, die sich im syrischen Bürgerkrieg engagierten, und meinte, es liege nicht im Interesse der ÖsterreicherInnen, "Gotteskrieger" in Syrien mit Steuergeldern zu finanzieren. 

Religiöse Toleranz als Fundament zivilisierter Gesellschaft

Den erfolgreichen Einsatz österreichischer BundesheersoldatInnen für den Frieden auf den Golanhöhen würdigte auch Abgeordnete Christine MUTTONEN (S). Sie unterstrich die Stärkung der internationalen Gemeinschaft und das Bemühen um friedliche Konfliktlösung als Grundsätze der österreichischen Außenpolitik. Im Nahen Osten bedeute dies das Eintreten für das Existenzrecht Israels bei gleichzeitiger Wahrung legitimer Rechte der arabischen Nachbarn. Weiters sprach sich Muttonen für die Aufrechterhaltung des Waffenembargos aus und verlangte angesichts der zunehmenden Not der Menschen in Syrien und in den Nachbarländern, die unter dem Flüchtlingsstrom aus Syrien leiden, die humanitäre Hilfe zu verstärken: "Weg vom Waffenexport, hin zur Hilfe für die Menschen", schloss Muttonen.

Abgeordneter Franz GLASER (V) wies die Kritik von Abgeordnetem Pilz an Außenminister Spindelegger zurück und unterstrich dessen Eintreten gegen die Aufhebung des Waffenembargos. Spindelegger habe auch klar gemacht, dass die UNO-SoldatInnen auf dem Golan bleiben werden, solange dies möglich sei. Er habe zugleich aber auch Vorkehrungen für den Fall getroffen, dass die Sicherheit der SoldatInnen nicht mehr gewährleistet werden könne. Weiters befasste sich Glaser mit den Problemen des Libanon bei der Bewältigung des Flüchtlingsstroms aus Syrien und mit Repressalien gegen Christen in Ägypten, was ihn dazu veranlasste, religiöse Toleranz als ein Fundament jeder zivilisierten Gesellschaft einzumahnen. Die Menschen im Nahen Osten brauchen wirtschaftliche Perspektiven, sagte Glaser in weiterer Folge und wies dabei auf das Engagement Österreichs als Entwicklungspartner hin, insbesondere auch in Palästina.

Abgeordneter Johannes HÜBNER (F) problematisierte die Asylgewährung für tschetschenische Flüchtlinge, von denen tausende regelmäßig Urlaub in Tschetschenien machten. Weiters hinterfragte der Abgeordnete die Forderung nach dem Verbleib österreichischer SoldatInnen auf dem Golan, indem er darauf hinwies, dass deren Mission auf dem Golan historisch überholt sei, weil in Syrien Bürgerkrieg herrsche und es schon bisher nicht möglich gewesen sei, die Truppen an der Demarkationslinie zu trennen. Diese hätten Krieg geführt, wann immer sie das wollten. Auch er sei nicht für eine Aufhebung des Waffenembargos, hielt Hübner fest, bezeichnete es aber als fragwürdig, von den Rebellen in Syrien zu verlangen, auf gefährliche Waffen zu verzichten. Österreich sollte Partei für eine friedliche Lösung des Konflikts ergreifen und dabei an die Traditionen der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts anknüpfen.

Demgegenüber verlangte Abgeordnete Judith SCHWENTNER (G), die Probleme mit tschetschenischen Asylwerbern seriös zu diskutieren und problematisierte ihrerseits die Position der FPÖ gegenüber Tschetschenien. Die Kritik der Grünen an einem nicht ausreichenden Engagement des Außenministers für die Fortsetzung des Waffenembargos gegenüber Syrien hielt Schwentner aufrecht. Außerdem verlangte sie, von Seiten Österreichs die traditionelle Vermittlerrolle im Nahen Osten verstärkt wieder wahrzunehmen.

Abgeordneter Stefan PETZNER (B) begrüßte zwar die außenpolitischen Initiativen des Ressortleiters, sprach aber zugleich die Erwartung aus, dass es sich dabei nicht nur um ÖVP-Wahlwerbung im Hinblick auf den Nationalratswahlen im Herbst handle. Petzner erinnerte kritisch an die Jubelmeldungen von SPÖ und ÖVP angesichts des Arabischen Frühlings und machte einmal mehr darauf aufmerksam, dass nur Jörg Haider und das BZÖ die Entwicklung richtig eingeschätzt hätten. Falsch seien SPÖ und ÖVP auch bei der Beurteilung des Irakkriegs der USA gelegen, merkte Petzner an. Syrien brauche Unterstützung bei der Bildung einer Übergangsregierung, zeigte er sich überzeugt und verlangte, dass die Europäische Union gegenüber den Versuchen der USA, Frankreichs und Großbritanniens, die jeweils eigene Interessen verfolgen, zu einer europäischen Position im Nahen Osten findet. (Schluss Aktuelle Stunde/Fortsetzung Nationalrat) red