Parlamentskorrespondenz Nr. 555 vom 18.06.2013

Vorlagen: Soziales

Änderungen im Sozialversicherungsrecht, Überbrückungsgeld für Bauarbeiter, Entgeltfortzahlung bei Katastrophen, Oppositionsanträge

Mindestsicherung: Grüne gegen Anrechnung von Familienbeihilfe

Wien (PK) – Die Grünen haben eine Änderung des Familienlastenausgleichsgesetzes beantragt (2329/A). Sie wollen gesetzlich klarstellen, dass der Fortbezug der Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die aufgrund einer körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauerhaft außerstande sein werden, sich selbst Unterhalt zu verschaffen, nicht als Einkommen gilt. Hintergrund für die Initiative von Abgeordnetem Karl Öllinger ist der Umstand, dass einige Bundesländer, darunter Niederösterreich, in bestimmten Fällen die bedarfsorientierte Mindestsicherung um die Höhe der Familienbeihilfe reduzieren, obwohl dies Öllinger zufolge gemäß der zwischen dem Bund und den Ländern abgeschlossenen Vereinbarung zur Mindestsicherung nicht zulässig wäre.

FPÖ verlangt Begünstigungen für freiwillige HelferInnen

Um die Bedeutung von Freiwilligenarbeit zu unterstreichen und den Beitrag der Blaulichtorganisationen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt, zur Gesundheit und zur Sicherheit der Menschen in Österreich zu würdigen, verlangt die FPÖ verschiedene Begünstigungen für freiwillige HelferInnen (2332/A[E]). Unter anderem treten FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und seine FraktionskollegInnen dafür ein, jahrelange Freiwilligenarbeit für Blaulichtorganisationen beim Pensionsanspruch zu berücksichtigen, Freiwillige bei der Aufnahme in den Öffentlichen Dienst zu bevorzugen sowie freiwilligen HelferInnen bei Katastrophen Sonderurlaub und Entgeltfortzahlung zu gewähren und die Kosten dafür dem Arbeitgeber zu refundieren. Außerdem sollen Freiwillige, die im Gesundheitsbereich tätig sind, nach Meinung der FPÖ weniger Selbstbehalte für Gesundheitsleistungen zahlen müssen.

Koalition schlägt diverse Änderungen im Sozialversicherungsrecht vor

Die Koalitionsparteien schlagen diverse Änderungen im Sozialversicherungsrecht vor (2362/A). Unter anderem soll normiert werden, dass auch KursleiterInnen von AMS-Schulungen in den Genuss einer von der Sozialversicherungspflicht befreiten pauschalierten Aufwandsentschädigung kommen können, wenn ihre Lehrtätigkeit nicht ihren Hauptberuf bzw. ihre Haupteinnahmequelle bildet. Diese Regelung gilt unter anderem bereits im Bereich der Erwachsenenbildung, wobei nunmehr ausdrücklich klargestellt wird, dass als Einrichtung der Erwachsenenbildung nicht nur die jeweiligen Dachverbände, sondern jedes Mitgliedsinstitut, etwa einzelne Volkshochschulen oder Wifi-Zweigstellen, zu werten sind.

Neu geregelt werden auch die Voraussetzungen für die Aufnahme von Bauunternehmen in die Liste der haftungsfreistellenden Unternehmen (HFU-Liste), die im Zuge der Einführung der Generalunternehmerhaftung in der Baubranche geschaffen wurde. SPÖ und ÖVP wollen damit in Reaktion auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs sicherstellen, dass das Recht auf Aufnahme in diese Liste auch in Hinkunft nicht für Unternehmen ohne Beschäftigte gilt, da "Firmenmäntel", wie sie argumentieren, besonders gerne zur Verkürzung von Lohn- und Sozialabgaben herangezogen werden. Neu geöffnet wird die HFU-Liste hingegen für EinzelunternehmerInnen als natürliche Personen, unter der Voraussetzung, dass sie nach dem GSVG pflichtversichert sind und  weder persönlich noch als ehemalige DienstgeberInnen Beitragsrückstände haben.

Einzelne Bestimmungen im ASVG und in anderen Sozialversicherungsgesetzen müssen an die geplante Öffnung der Stiefkind-Adoption für eingetragene Partnerschaften und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften angepasst werden. Konkret geht es etwa um die Zuerkennung von Waisenrenten und die Höhe der Hinterbliebenenpension für Fälle, in denen adoptierte Stiefkinder vorhanden sind. Mit wesentlichen finanziellen Auswirkungen durch diese Maßnahmen rechnen die Koalitionsparteien nicht, da sie nur von ganz wenigen Einzelfällen im Jahr ausgehen.

Um Leistungslücken zu vermeiden, sollen Krankengeld-BezieherInnen in Hinkunft von den Krankenversicherungsträgern rechtzeitig informiert werden, wenn der Wegfall dieser Leistung wegen Erreichens der Bezugshöchstdauer bevorsteht. Dabei sollen sie auch auf weitere sozialversicherungsrechtliche Möglichkeiten, etwa den Bezug eines Pensionsvorschusses, hingewiesen werden. Zudem soll eine Härtefallregelung im Arbeitslosenversicherungsgesetz dafür sorgen, dass Personen, die sich im Krankenhaus bzw. in stationärer Pflege befinden oder die noch ein aufrechtes Dienstverhältnis – ohne Entgeltfortzahlung – haben, de facto aber arbeitsunfähig sind, auch nach Auslaufen des Krankengeldanspruchs sozial abgesichert bleiben. Neu formuliert wird die 2011 im Bereich der Invaliditätspension eingeführte Härtefallregelung für Personen, die grundsätzlich nur noch sitzende Tätigkeiten ausüben können.

Weitere Bestimmungen des 2. Sozialversicherungs-Änderungsgesetzes 2013 betreffen die Beteiligung fachkundiger LaienrichterInnen an Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts in Verwaltungssachen nach dem ASVG sowie die Befreiung von EinzelunternehmerInnen und Angehörigen der Ärztekammer mit niedrigen Einkünften von der Pflichtversicherung während pensionsversicherungsrechtlich anerkannter Zeiten der Kindererziehung.

BauarbeiterInnen erhalten künftig Überbrückungsgeld vor Pensionsantritt

Ein weiterer Antrag der Koalitionsparteien enthält eine Reihe neuer Bestimmungen für ArbeitnehmerInnen, die unter das Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz fallen (2363/A). Insbesondere geht es um den Verbrauch von Urlaubsansprüchen und die Einführung eines Überbrückungsgelds, das kurz vor dem Pensionsantritt stehende arbeitslose BauarbeiterInnen künftig erhalten sollen. Außerdem wird die Baubranche auf Dauer von der im Falle der Kündigung eines Arbeitnehmers fälligen Auflösungsabgabe befreit.

Konkret sieht der Gesetzesantrag vor, dass Urlaubsansprüche von BauarbeiterInnen künftig nach dreieinviertel Jahren – also mit 31. März des drittfolgenden Anspruchsjahres – definitiv verfallen. Eine Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über eine Fristerstreckung ist nicht zulässig, gegebenenfalls ist ein einseitiger Urlaubsantritt möglich. Mit diesen Maßnahmen will man verhindern, dass, wie derzeit, Alturlaube in übermäßigem Ausmaß gesammelt werden. Damit Urlaub rechtzeitig vereinbart werden kann, ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer regelmäßig darauf hinzuweisen, welche Anwartschaften in den nächsten zwölf Monaten verfallen würden.

Wird das Arbeitsverhältnis beendet und bestehen noch offene, nicht verbrauchte Urlaubsansprüche, kann der Arbeitnehmer gegenüber der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) eine Urlaubsersatzleistung in der Höhe des Urlaubsgelds beantragen, wobei der solchermaßen bezahlte Ersatzurlaub als Beschäftigungs- und damit auch als Versicherungszeit gilt. Aus diesem Grund unterliegt die Urlaubsersatzleistung auch der Sozialversicherungspflicht. Inkrafttreten sollen diese Bestimmungen ab 1. Jänner 2015, eine Abfindung älterer Urlaubsansprüche ist grundsätzlich nur noch bis Ende 2014 bzw. – für das Jahr 2012 – bis 31. März 2015 möglich. Eine analoge Regelung zum Urlaubsverfall wird auch für die Winterfeiertagsvergütung gelten.

Neu ist weiters, dass Abfertigungsansprüche nach der Abfertigung Alt in Hinkunft im Todesfall je zur Hälfte dem Ehepartner bzw. der Ehepartnerin und den Kindern ausgezahlt werden.

BauarbeiterInnen, die kurz vor Pensionsantritt stehen und keine Beschäftigung finden, erhalten künftig bis zu einem Jahr Überbrückungsgeld in Höhe des Kollektivlohns aus der BUAK. Voraussetzung dafür ist, dass sie älter als 58 sind, nach Vollendung des 40. Lebensjahres mindestens 520 Beschäftigungswochen in einem BUAG-Betrieb vorweisen können und in den letzten zwei Jahren zumindest 30 Wochen beschäftigt waren. Ab 2017 wird diese finanzielle Unterstützung außerdem nur noch dann gewährt, wenn der bzw. die Betroffene zuvor an einem gesundheitlichen Rehabilitationsprogramm teilgenommen hat. Erlaubt es die finanzielle Lage der BUAK, kann der Sozialminister die Anspruchsdauer auf Überbrückungsgeld auf bis zu zwei Jahre und von zunächst 12 auf 14 Monatsentgelte jährlich ausdehnen.

Der Bezug von Überbrückungsgeld soll laut Gesetzentwurf einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis entsprechen, wobei die BUAK in die Rolle des Arbeitgebers schlüpft und auch sämtliche Versicherungsbeiträge übernimmt. Während einer Erwerbstätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze oder des Bezugs einer Urlaubsersatzleistung ruht das Überbrückungsgeld. Zudem sind Rückforderungen vorgesehen, sollte der Bezieher bzw. die Bezieherin von Überbrückungsgeld bei "Schwarzarbeit" ertappt werden. Unternehmen, die wiederholt wegen Schwarzarbeit bestraft wurden, verlieren den Anspruch auf Überbrückungsabgeltung für fünf Jahre.

Um ältere ArbeitnehmerInnen zu motivieren, trotz Anspruchs auf Überbrückungsgeld im Erwerbsleben zu bleiben, wird als Bonus eine einmalige Überbrückungsabgeltung in der Höhe von 35 % des ansonsten zustehenden Überbrückungsgeldes in Aussicht gestellt. Diese Überbrückungsabgeltung ist für Beschäftigte ab dem Geburtsjahrgang 1957 vorgesehen und soll mit dem Pensionsantritt ausgezahlt werden. Gleichzeitig erhält der Arbeitgeber 20 % des Grundbetrags. In beiden Fällen kann der Sozialminister den Prozentsatz, je nach finanziellen Gegebenheiten, abändern.

Finanziert werden soll das Überbrückungsgeld, das ab dem Jahr 2015 gewährt werden soll, primär durch Zuschläge, die der Arbeitgeber zu leisten hat. Sie werden mit dem eineinhalbfachen des kollektivvertraglichen Stundenlohns festgesetzt, wobei für das Jahr 2014, in denen noch keine Leistungen erbracht werden, ein ermäßigter Satz von 80 % des Stundenlohns gilt. Im Gegenzug wird die Bemessungsgrundlage für den Urlaubszuschlag von 125 % auf 120 % des Kollektivlohns gesenkt. Außerdem ist eine Mitfinanzierung des Modells durch die Pensionsversicherungsanstalt vorgesehen: Sie soll 2014 6,5 Mio. € und ab 2015 jährlich bis zu 13 Mio. € an die BUAK überweisen.

Baubranche wird auf Dauer von Entrichtung der Auflösungsabgabe befreit

Als Zuckerl für die Baubranche sieht der Gesetzentwurf darüber hinaus eine dauerhafte Befreiung für BUAG-Betriebe von der Entrichtung der bei Kündigungen fällig werdenden Auflösungsabgabe vor. Stattdessen soll die BUAK für alle betroffenen Betriebe einen entsprechenden Ersatzbeitrag leisten. Er wird für das zweite Halbjahr 2013 pauschal mit 8,2 Mio. € festgelegt, ab 2014 erfolgt die Berechnung nach der tatsächlichen Anzahl der Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen.

Der Missbrauchseindämmung dient die neue Pflicht für Bauunternehmen, das Ausmaß und die Lage der Arbeitszeit von Teilzeitbechäftigten einschließlich aller Änderungen zu melden.

Entgeltfortzahlung bei Katastrophen: Arbeiter und Angestellte werden gleichgestellt

Ein Antrag der Koalitionsparteien auf Änderung des ABGB zielt darauf ab, Arbeiter und Angestellte in Bezug auf die Entgeltfortzahlung im Katastrophenfall gleichzustellen (2366/A). Derzeit haben nur Angestellte einen gesetzlichen Anspruch auf Fortzahlung ihres Gehalts, wenn sie persönlich von einer Katastrophe wie Hochwasser, Lawinen, Sturm oder Muren betroffen sind und aus diesem Grund nicht am Arbeitsplatz erscheinen können. Für Arbeiter gelten die jeweiligen Kollektivverträge, das soll nun geändert werden.

Als Katastrophe gelten den Erläuterungen zufolge Ereignisse größeren Ausmaßes, die das Leben oder die Gesundheit von Menschen, die Umwelt, das Eigentum oder die Versorgung der Bevölkerung gefährden. Für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung müssen entweder der bzw. die Beschäftigte selbst oder nahe Angehörige von einer Katastrophe betroffen sein. (Schluss) gs