Parlamentskorrespondenz Nr. 605 vom 24.06.2014

Heinisch-Hosek will mit Bundesländern an Schulreform feilen

Unterrichtsausschuss: Inklusivpädagogik, Stärkung der Volksschulen, Schuldemokratie kommen in einen Unterausschuss

Wien (PK) – Bei der Schulverwaltungsreform will Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek die Bundesländer eng einbinden. Da Österreichs Bildungssystem nun einmal föderal organisiert sei, so die Ministerin heute im Unterrichtsausschuss des Nationalrats, suche sie das Gespräch mit allen betroffenen Gruppen und Gebietskörperschaften. In Arbeitspaketen würden nun von den Ländern eingeforderte Themen wie Schulautonomie oder Verwaltungsvereinfachung detailliert erörtert. Sie habe bei den Bundesländern auch bereits ihren Wunsch deponiert, an den kommenden Finanzausgleichsverhandlungen zu Beratungen über die Mittelverteilung im Bildungsbereich teilzunehmen, erklärte die Ministerin.

Ebenso gesprächsbereit zeigte sich die Bundesministerin zur Frage einer geänderten Ferienordnung: diese sollte in ihren Augen vorrangig nach pädagogischen Gesichtspunkten neu gestaltet werden. So sei mit ErziehungswissenschaftlerInnen und Schulpartnern zu überlegen, ob die derzeit neunwöchige Sommerpause wirklich hilfreich bei der Lernentwicklung der SchülerInnen ist.

Nach Sitzungsende konstituierten die Ausschussmitglieder einen Unterausschuss, dessen erste Debatten sich mit den Themenkomplexen Inklusiv- und Sonderpädagogik, Stärkung der Volksschule sowie SchülerInnen-Mitbestimmung bzw. Politische Bildung befassen werden. Die Einladung von FachexpertInnen und VertreterInnen des Bundesrats zu diesem Unterausschuss beschlossen die Abgeordneten ebenfalls.

Heinisch-Hosek: Schulreform nur mit Ländern machbar

In der Aussprache mit Bildungsministerin Heinisch-Hosek warfen die Abgeordneten zahleiche Aspekte der Schulreform auf, die oftmals zur Aufgaben- und Finanzierungsverteilung im Schulwesen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden führten. Als Schwerpunkte der Reform fordern die Länder Heinisch-Hosek zufolge eine objektivere Postenbesetzung an den Schulen, eine Neugestaltung der Lehrerverwaltung, Schulautonomie, Verwaltungsvereinfachung und die Auseinandersetzung mit der Stellung der Gemeinden als Pflichtschulerhalter. Die Unterredungen der dazu eingesetzten Arbeitskreise würden nun beginnen. An den Finanzausgleichsverhandlungen mit den Bundesländern wolle sie überdies teilnehmen, merkte Heinisch-Hosek an, um die Ressourcenverteilung mit den Ländern neu zu regeln. Konkret sollten Überschreitungen im Dienststellenplan bei LandeslehrerInnen von den Bundesländern korrekt abgerechnet und dem Bund refundiert werden. Abgeordneter Gerald Hauser (F) nutzte das Stichwort Finanzausgleich, um auf die finanzielle Last hinzuweisen, die Gemeinden als Pflichtschulerhalter zu tragen hätten. Heinisch-Hosek versicherte ihm, sie werde die Interessen von Städtebund und Gemeindebund natürlich im Sinne einer bedarfsgerechten Mittelaufteilung beachten.

Generell strebe sie eine effektivere Art der Mittelzuteilung an, ergänzte die Ministerin, nämlich bemessen nach sozialen und regionalen Kriterien der Schulstandorte. Damit solle speziell der Bildungsbenachteiligung von SchülerInnen zielgerichtet entgegengewirkt werden.

Anvisiert sei weiters die Durchforstung des historisch gewachsenen und daher recht komplex gewordenen Schulrechts mit den Schulpartnergremien, erläuterte Heinisch-Hosek. Das nächste Treffen dazu sei bereits Ende des Monats angesetzt. Im Fluss sei auch die Neugestaltung des Bildungsinstituts BIFIE: Ein Lenkungsausschuss nehme sich über den Sommer die Überarbeitung des BIFIE-Gesetzes vor, sodass ab nächstem Jahr eine Novelle zu Struktur und Aufgabenbereich des Bildungsforschungsinstituts vorliegen dürfte. Ebenfalls für 2015 vorbereitet würden in Absprache mit Kindergarten- und VolksschulpädagogInnen Maßnahmen zur sanfteren Gestaltung des Übergangs vom Kindergarten in die Volksschule, erfuhr SPÖ-Bildungssprecherin Elisabeth Grossmann. Neben organisatorischen Initiativen wie gemeinsamen Schuleintrittsfesten werde hier vor allem bei der Sprach- und Leseförderung sowie bei alternativen Arten der Leistungsbeurteilung angesetzt, skizzierte die Bildungsministerin.

Angesichts der nahenden Sommerferien brachten die Abgeordneten Grossmann (S), Harald Walser (G) und Walter Rosenkranz (F) die schon lange diskutierte Neugestaltung der Ferienordnung zur Sprache. Walser forderte in diesem Zusammenhang eine bessere Unterstützung berufstätiger Eltern ein und regte eine Finanzierungshilfe der Ferienbetreuung an. Rosenkranz betonte, in Abstimmung mit Eltern und Lehrkräften sei hier auf breiter Basis eine einheitliche, klare und vor allen kindgerechte Lösung zu finden. Für Heinisch-Hosek hat in der Debatte über geänderte Ferienzeiten der Lernrhythmus von Kindern oberste Priorität, wie sie im Ausschuss hervorhob. Speziell für die Festigung der Lerninhalte sei eine Verkürzung der langen Sommerpause anzudenken. Für die Finanzierung der Ferienbetreuung fehlten ihrem Ressort aber derzeit die Mittel, so Heinisch-Hosek, weil das Geld für den Ausbau ganztägiger Schulen benötigt werde. Verschränkte ganztägige Schulformen sind in ihren Augen nicht zuletzt deswegen sinnvoll, da so SchülerInnen der Nachhilfeunterricht eher erspart werde. Als Strategie zur Verminderung des Nachhilfebedarfs empfahl NEOS-Bildungssprecher Matthias Strolz eine Optimierung des Förderunterrichts, wobei er monierte, derzeit sei die schulische Förderung je nach Standort sehr unterschiedlich geregelt.

Debatte von Türkisch-Matura bis Bildungs-EZA

Türkisch-Matura, Ausbildung nach Pflichtschulabschluss, Finanzierung von Alternativschulen, integrativer Unterricht und Entwicklungzusammenarbeit (EZA) im Bildungsbereich schnitten die Abgeordneten bei der Aussprache mit der Ministerin in weiterer Folge an.

Türkisch als Maturafach werde es erst geben, wenn das dazu nötige Lehramtsstudium geschaffen ist, erwiderte Ministerin Heinisch-Hosek FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz. Der Freiheitliche hatte mit Hinblick auf die öffentliche Debatte gewarnt, eine Türkisch-Matura sei kontraproduktiv hinsichtlich der Integration von SchülerInnen mit türkischer Muttersprache.

Die Bildungssprecherin der ÖVP, Brigitte Jank, thematisierte das Problem des Schulabbruchs bzw. des Pflichtschulabschlusses ohne weitere Ausbildung. Sie forderte deswegen ausreichend niederschwellige Bildungsangebote ein. Zur Verhinderung des Schulabbruchs gebe es bereits in Zusammenarbeit mit Sozialministerium und Wirtschaftsministerium ein Programm für PflichtschülerInnen, führte Heinisch-Hosek aus. Tatsächlich habe man dadurch einen leichten Rückgang bei den SchulabbrecherInnen verzeichnen können. Sie sei aber offen etwa mittels Jobcoaching Jugendliche bereits in der Schulzeit noch besser auf den Arbeitsmarkt vorzubereiten.

Uneinig war die Ministerin indes mit Grünen-Bildungssprecher Harald Walser, ob die Subventionen für Schulen in freier Trägerschaft nun gekürzt werden. Walser kritisierte, durch die steigende Schülerzahl dieser nicht-konfessionellen Privatschulen ergebe sich faktisch eine Mittelkürzung bei Alternativschulen um 20%. Heinisch-Hosek wiederum unterstrich, die Summe der finanziellen Unterstützung solcher Schulen bleibe gleich, lediglich die Auszahlungsstellen hätten sich geändert, da jetzt die Bundesländer anstelle des Bundes die Zahlungen leisteten. Die Gelder flössen dabei immer nach Maßgabe der budgetären Möglichkeiten. Wichtig sei allerdings, dass die Unterstützungsleistungen an Alternativschulen nicht zu einer Benachteiligung des öffentlichen Schulwesens führen, wie die Bundesministerin festhielt.

Auf ein Forcieren des integrativen Unterrichts drängten die Abgeordneten Franz-Joseph Huainigg (V) und Helene Jarmer (G) die Bundesministerin, die hierzu einen Runden Tisch mit VertreterInnen der Behindertenverbände ankündigte. Huainigg sah besonders in den Sonderpädagogischen Zentren viel Potential, um Inklusionsunterricht im Regelschulwesen zu verankern. Jarmer erinnerte, die Grünen hätten dazu bereits den notwendigen Fahrplan als Antrag vorgelegt. Einen Blick über den österreichischen Tellerrand warf schließlich Huainigg, als er die heimischen Aktivitäten der Entwicklungszusammenarbeit im Sektor Bildung hinterfragte. Österreich soll seiner Meinung nach in Partnerländern bildungspolitische Impulse setzen, etwa im Bereich der Lehrerfortbildung. In EZA-Kooperationen und Austauschprogrammen werde das österreichische Know-how, besonders im berufsbildenden Schulwesen, schon genutzt, resümierte Heinisch-Hosek daraufhin die EZA-Initiativen der Bildungspolitik.

Unterausschuss zur Weiterentwicklung des Schulsystems

Als konkrete Arbeitsgrundlage wies der Unterrichtsausschuss heute seinem Unterausschuss einstimmig nicht nur zahlreiche Oppositionsanträge, sondern auch sieben Bürgerinitiativen zu. Zentrale Forderungen der UnterstützerInnen nämlicher Bürgerinitiativen sind die Stärkung der Schuldemokratie und der Mitbestimmungsrechte von SchülerInnen (3/BI), (4/BI), (11/BI), die Einführung der Pflichtfächer Barrierefreiheit (13/BI) und Politische Bildung (19/BI), bundesweite Mindeststandards für elementarpädagogische Einrichtungen (26/BI) und die finanzielle Gleichstellung von Schulen in freier Trägerschaft mit konfessionellen Privatschulen (2/BI).

Teilweise entsprechen diese Anliegen Forderungen der Opposition, über die das Spezialgremium Unterausschuss genauso beraten wird. So wollen auch Grüne und NEOS eine finanzielle Besserstellung von nicht-konfessionellen Privatschulen ((Grüne: 421/A[E]), (NEOS: 523/A[E])). Die NEOS verlangen zudem eine Ausweitung der Bundeskompetenz im Schulbereich inklusive Elementarpädagogik (380/A[E]). Zur Erleichterung des Übertritts vom Kindergarten in die Volksschule empfehlen die Grünen flexible Schuleingangsphasen (136/A[E]).

Eine Neuordnung der Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung im Schulbereich sehen die Bildungssprecher Harald Walser (G) und  Matthias Strolz (N) generell hoch an der Zeit. Walser drängt dazu auf Durchsetzung der geänderten Landeslehrer-Controllingverordnung (424/A[E]), Strolz pocht auf Umsetzung der Rechnungshof-Vorschläge zur Verwaltungsreform (379/A[E]). Im Sinne einer effektiven Finanzierung im Schulbereich empfiehlt Walser darüber hinaus, die Mittel bedarfsorientiert den Standorten zuzuweisen (427/A[E]), sodass Schulen in sozialökonomisch benachteiligten Regionen vermehrt gefördert werden.

Die Neue Mittelschule wird auf Basis eines FPÖ-Antrags Eingang in die Unterausschusssitzungen finden, wobei sich der Freiheitliche Bildungssprecher Walter Rosenkranz für einen Ausbaustopp und eine Evaluierung dieser Schulform stark macht (223/A[E]). Überhaupt abschaffen will Rosenkranz die verpflichtende vorwissenschaftliche Arbeit als Teil der Zentralmatura (482/A[E]), da hierzu keine akademische Vorbildung bestehe. Das Bildungsforschungsinstitut BIFIE soll seiner Meinung nach wenn schon nicht geschlossen, so doch nur mehr mit einem/r Geschäftsführer/in ausgestattet sein (441/A[E]).

Wie Walser empfiehlt Rosenkranz überdies die Einrichtung von weisungsfreien Schulombudsstellen für SchülerInnen und deren Eltern an allen Landesschulräten bzw. am Stadtschulrat Wien zur unbürokratischen Beilegung schulischer Konflikte ((Grüne: 324/A[E]), (FPÖ: 370/A[E]). Weitere Anträge auf der Unterausschuss-Agenda betreffen die Änderung der heimischen Ferienordnung (Grüne: 423/A[E]), die Verbesserung von Ausbildung und Auswahl der SchuldirektorInnen (NEOS: 515/A[E]) und eine verpflichtende Erhebung der Deutschkompetenz von Kindern mit Migrationshintergrund vor ihrem Schulstart (FPÖ: 518/A[E]). (Schluss) rei


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