Parlamentskorrespondenz Nr. 613 vom 25.06.2014

Brandstetter: Kein Insolvenzrecht für Gebietskörperschaften geplant

Antrag auf Einsetzung eines Hypo-U-Ausschusses erneut abgelehnt

Wien (PK) – In die Verlängerung ging heute die Hypo-Debatte in der heutigen Sondersitzung des Nationalrats. Die NEOS brachten ein mögliches Insolvenzrecht für Gebietskörperschaften aufs Tapet, das sie als Konsequenz für die Kärntner Landeshaftungen in der Hypo-Causa einfordern. Anlass dazu gab das Verlangen der Oppositionspartei, eine Kurze Debatte über die Beantwortung der schriftlichen Anfrage von Abgeordnetem Gerald Loacker zum Thema "Rechtsklarheit durch ein Insolvenzrecht von Gebietskörperschaften" durch Justizminister Wolfgang Brandstetter durchzuführen. In der Anfrage haben die NEOS Auskunft über dementsprechende Gesetzesvorhaben und Informationen über zukünftige Maßnahmen von Seiten der Bundesregierung verlangt. Justizminister Brandstetter stellte klar, dass ein Insolvenzrecht für Gebietskörperschaften momentan nicht geplant sei. Es werde primär sicherzustellen sein, dass Bundesländer in Zukunft keine Haftungen in dieser Größenordnung mehr eingehen können, heißt es in der Anfragebeantwortung. Abgelehnt wurde überdies der mittlerweile 21. Versuch der Opposition, einen Untersuchungsausschuss zur Hypo-Causa einzusetzen.

Nicht zufrieden mit der Anfragebeantwortung von Seiten Brandstetters zeigte sich Gerald Loacker (N) und verwies darauf, dass der Bund keinen Überblick, aber auch keine Durchgriffsmöglichkeit bei den Haftungen oder Derivativgeschäften von Ländern oder Gemeinden habe. Man wisse schlichtweg nicht, um welche Summen es sich handle, am Ende stehe der Bund aber für alles gerade, konstatierte er. Aus diesem Grund sei seine Fraktion so hartnäckig darin, ein Insolvenzrecht für Gebietskörperschaften einzufordern. Der Kern des Übels liege aber auch darin, dass die Verantwortung für Einnahmen und Ausgaben in Österreich zwischen Bund und Ländern so weit auseinander liege. Das System führe dazu, dass Länder zur Verschwendung geradezu eingeladen würden, sagte Loacker und sprach sich für konkrete Regelungen aus, wie eine Insolvenz von Bundesländern durchgeführt werden könne. "Wenn die Bundesregierung jetzt nichts unternimmt, um ein Insolvenzrecht für Länder zu schaffen, nimmt sie ein riesiges Versäumnis in Kauf", mahnte der NEOS-Abgeordnete.

Justizminister Wolfgang Brandstetter erläuterte, dass ein Insolvenzrecht für Gebietskörperschaften momentan nicht geplant sei. Man habe sich aber selbstverständlich in seinem Haus umfassende Gedanken darüber gemacht, wie diese Möglichkeit aussehen könnte. Aus juristischer Sicht konnte er dieser Idee zu Beginn auch etwas abgewinnen, räumte der Minister ein, nach ausführlichen Überlegungen über die Konsequenzen für den Haftungsträger habe man sich schließlich entschlossen, eine Insolvenz in Kärnten zu vermeiden. Man dürfe nicht vergessen, dass man sich bei der Diskussion über die Insolvenzmöglichkeit einer Gebietskörperschaft in einem Grenzbereich zwischen Länderautonomie und Verfassungsrecht befinde. Brandstetter verwies auf verfassungsrechtliche Schwierigkeiten im Insolvenzfall, so wären etwa Bedienstete einer Gebietskörperschaft nicht abgesichert. Die Entscheidung habe man sich insofern nicht leicht gemacht, als dass auf sehr breiter Basis geprüft und begutachtet wurde, versicherte er. "Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass es keinen Bedarf danach gibt", unterstrich der Justizminister.

Den inhaltlichen Ausführungen der Anfragebeantwortung des Justizministers sei beizupflichten, obwohl diese sehr kurz ausgefallen seien, meinte Klaus Uwe Feichtinger (S). Damit aufgeworfen werde die grundsätzliche Frage, ob die Republik, der Gesetzgeber beziehungsweise die ÖsterreicherInnen die Möglichkeit eines Insolvenzrechts für Gebietskörperschaften gutheißen. Auch wichtig sei der Aspekt, ob sich diese darauf verlassen könnten, dass die Bundesländer vom Bund nicht in Stich gelassen werden, nachdem der Finanzminister heute ausgeführt habe, dass die Republik nicht automatisch für alle Haftungen der Länder eintrete. Auf jeden Fall müsse sichergestellt werden, dass die Länder in Zukunft keine Haftungen in dieser Größenordnung mehr eingehen können. Effektive Regelungen wie beispielsweise die Schaffung von einheitlichen Standards im Rechnungswesen und ein Spekulationsverbot für die Länder seien geeignetere Antworten auf die aufgeworfenen Fragen.

Bei Insolvenzverfahren für Gebietskörperschaften müsse auf andere Dinge wie bei einer herkömmlichen Insolvenz geachtet werden. Darauf machte Werner Groiß (V) aufmerksam und sprach in diesem Zusammenhang etwa die Sicherstellung der Versorgung an. Auch bedacht werden müsse, wie im Insolvenzfall mögliche Kettenreaktionen wie Steuerausfälle oder Änderungen in der Entscheidungsstruktur aussehen könnten. Es gehe am Rande der Demokratie vorbei, wenn vom Gericht gewählte VertreterInnen über VolksvertreterInnen entscheiden müssten. Aus diesem Grund sei eine Insolvenz ein Eingriff in die föderale Struktur, sagte Groiß und sah einen besseren Weg in einer transparenten Rechnungslegung.

"Das ist eine Diskussion, die man nicht einfach vom Tisch wischen sollte", sagte Harald Stefan (F). Er könne unterschreiben, dass gewährleistet sein muss, dass Bundesländer keine Haftungen in dieser Größenordnung mehr eingehen können. Dasselbe passiere jedoch mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus, kurz ESM, auf dem Rücken der SteuerzahlerInnen. Fragen über die nunmehrige Verantwortlichkeit, Transparenz und den Durchgriff bei Landeshaftungen gehören demnach aufgearbeitet, sagte Stefan und ortete großen Änderungsbedarf. Man müsse Möglichkeiten finden, um Ländern keinen Anreiz zu geben, Schulden zu machen, die andere abdecken müssen, appellierte der FPÖ-Mandatar. 

Bruno Rossmann (G) entgegnete Stefan, dass die Haftungen des ESM im Gegensatz zu den Haftungen des Landes Kärnten beschränkt seien. Er selbst sehe nicht ein, dass nur deshalb, weil es Schwierigkeiten gebe, kein Insolvenzrecht für Länder ermöglicht werde. Es könne nicht sein, dass diese Dinge weiterhin auf dem Rücken der SteuerzahlerInnen passieren, sagte er. "Länder können nicht Narrenfreiheit haben", meinte Rossmann und sah als möglichen ersten Schritt ein Haftungsverbot beziehungsweise einen Stopp für die Erhöhung der Haftungen für Bundesländer. Beginnen müsse die Diskussion in Wirklichkeit aber bei der Frage "Föderalismus neu".

Man wolle von Seiten der Regierungsfraktionen nur Angst schüren und etwa Raiffeisen schützen, konstatierte Robert Lugar (T). Umgehängt würden die falschen Entscheidungen in der Vergangenheit nun den SteuerzahlerInnen, bemängelte er. "Wenn ein Privater in Konkurs geht, hat er ein Problem, wenn Länder in Konkurs gehen, hat der Gläubiger ein Problem", zeigte der Team-Stronach-Mandatar überdies auf. Auch wer wie die SteuerzahlerInnen keine Lobby habe, werde zur Kassa gebeten, kritisierte er.

Rainer Hable (N) verwies darauf, dass es sich bei Landeshaftungen um Ausfallshaftungen handelt. Deswegen mache es einen wesentlichen Unterschied, ob man die Möglichkeit einer Insolvenz für Gebietskörperschaften habe. Die NEOS hätten vorgerechnet, dass eine Insolvenz zirka 2,9 Mrd. € kosten würde. Das Land Kärnten könnte letztlich nur für diesen Ausfall haften, nicht aber für die gesamten 12 Mrd. €, die die Regierung in den Raum stelle. "Wir brauchen das Insolvenzrecht, damit die Verantwortung auch von den Bundesländern übernommen wird", appellierte Hable erneut in Richtung Justizminister Brandstetter.

Der Antrag der Opposition auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Hypo Alpe Adria wurde in einer namentlichen Abstimmung bei 157 abgegebenen Stimmen mit 63 Ja-Stimmen und 94 Nein-Stimmen einmal mehr abgelehnt.

Im Anschluss an die Sondersitzung zur Hypo gab es noch eine Sitzung zur Zuweisung von Gesetzesinitiativen an die entsprechenden Ausschüsse. (Schluss Nationalrat) keg