Parlamentskorrespondenz Nr. 909 vom 14.10.2014

Justizausschuss steigt in Diskussion über StGB-Reform ein

Arbeitsgruppe will Strafrelationen zwischen Vermögensdelikten und Delikten gegen Leib und Leben überdenken

Wien (PK) – Das Strafgesetzbuch (StGB) soll modernisiert und an die geänderten gesellschaftlichen Realitäten angepasst werden. Nachdem die aus VertreterInnen von Lehre und Praxis zusammengesetzte Reformgruppe ihre Arbeit beendet hatte, lag dem Justizausschuss heute ein Bericht mit konkreten Empfehlungen vor, die von dem Grundtenor getragen sind, Delikte gegen Leib und Leben tendenziell strenger zu bestrafen und bei Vermögensdelikten hingegen die Strafen abzusenken. In einer ersten Diskussion, der die beiden Universitätsprofessoren Manfred Burgstaller und Alois Birklbauer beigezogen wurden, steckten die Fraktionen ihre Anliegen für eine Reform des StGB ab. Einig war man sich dabei in der Auffassung, dass das Strafgesetzbuch nach 40 Jahren in vielen Punkten nicht mehr zeitgemäß ist.

Burgstaller: Strafrelationen entsprechen nicht mehr den heutigen Wertvorstellungen

Manfred Burgstaller, der selbst an dem Reformpapier mitgearbeitet hatte, schickte voraus, man habe aufgrund des knappen Zeitrahmens nur selektiv einige Punkte herausgegriffen. Von einem großen Wurf könne daher keine Rede sein. So war es zum Beispiel nicht möglich, den Bereich des Wirtschaftsstrafrechts zu behandeln. Ausgangspunkt der Arbeiten sei die Erkenntnis gewesen, dass die Relation der Strafdrohungen nicht mehr ganz den heutigen Wertvorstellungen entspricht. So sollten grundsätzlich die Strafdrohungen bei Vermögensdelikten abgesenkt, bei Delikten gegen Leib und Leben erhöht werden, umriss Burgstaller den Leitgedanken des Reformpapiers. Als einen der Kernvorschläge nannte er in diesem Sinn die Abstufung der Wertgrenzen und damit auch der Strafandrohung bei Diebstahlsdelikten und erklärte, durch die Festsetzung der ersten Wertgrenze auf 5.000 € würde nunmehr eine breite Palette an Delikten nur noch mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bedroht. Bei Delikten gegen Leib und Leben hingegen schlage die Reformgruppe eine Umgestaltung der vorsätzlichen Körperverletzungsdelikte und eine wesentliche Erhöhung der Strafdrohung vor. Von der Einführung der groben Fahrlässigkeit ins StGB wiederum erwartet sich Burgstaller eine größere Treffsicherheit. Positiv wertete er auch den Vorschlag der Reformgruppe, die Voraussetzungen für das Vorliegen einer gewerbsmäßigen Begehung der Tat enger zu fassen.

Birklbauer: StGB von nicht mehr zeitgemäßen Tatbeständen entrümpeln

Das StGB sei als Wertekatalog der Gesellschaft nunmehr in eine "Midlife-Crisis" gekommen, stellte Alois Birklbauer fest, der das Reformpapier als Ausgangspunkt für einen guten Start in eine breite Diskussion begrüßte. Der Professor von der Universität Linz konnte sich vor allem eine Entrümpelung einiger nicht mehr zeitgemäßer Bestimmungen vorstellen und nannte in diesem Zusammenhang etwa die Tatbestände "Verringerung des Münzabfalls", "Aufruf zu unzüchtigem Verkehr", "Heiratsschwindel", "Verbreitung falscher, beunruhigender Gerüchte" oder etwa "Aufforderung zu Ungehorsam gegenüber Gesetzen". Insgesamt sollte seine Meinung nach aber die Strafrechtsreform als Ganzes gesehen werden und sich nicht nur auf die Strafen beschränken, sondern auch alternative Maßnahmen sowie die Diversion miteinbeziehen. Auch wäre es angebracht, verschiedene Bereiche aus Nebengesetzen in das StGB hinein zu holen. Für überzogen hielt Birklbauer die von der Reformgruppe empfohlenen höheren Strafen bei schwerer Körperverletzung. Grob fahrlässige Tötung mit mehreren Opfern, so etwa das Verursachen eines Verkehrsunfalls durch einen Geisterfahrer, sollte seiner Ansicht nach hingegen stärker bestraft werden.

Auch Abgeordnete für Streichung überholter Straftatbestände

Für eine Durchforstung des StGB und ein Hinterfragen der Strafrelationen trat auch ÖVP-Abgeordnete Beatrix Karl ein, die in ihrer Amtszeit als Justizministerin die Reformgruppe eingesetzt hatte. SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim pflichtete ihr bei und meinte, allein schon die Diskussion über den Tatbestand "Landfriedensbruch" im Zusammenhang mit Fußballfans zeige die Notwendigkeit einer Modernisierung auf. Die Reform müsse aber ihre Fortsetzung in der Strafprozessordnung und im Sicherheitspolizeigesetz finden, war er überzeugt. Auch sollte alles, was sich an strafbaren Tatbeständen in anderen Gesetzen befindet, im Sinne eines Sammelgesetzes in das StGB aufgenommen werden. Diesem Vorschlag Jarolims schloss sich auch ÖVP-Mandatar Werner Groiß an, der insbesondere für eine Zusammenführung der Strafbestimmungen des Wirtschaftsrechts in das StGB plädierte.

Die Streichung überholter Straftatbestände hielt auch Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser für angebracht, der aber ebenfalls für eine Gesamtsicht des Strafrechts plädierte. "Bauchweh" verursachte ihm die Empfehlung der Reformgruppe, die Strafen bei vorsätzlicher schwerer Körperverletzung zu erhöhen. In der Praxis könnte dies dazu führen, dass schon der Eventualvorsatz für die Erfüllung des Tatbestand ausreichen würde, gab er ebenso wie Beate Meinl-Reisinger von den NEOS zu bedenken. Ausdrücklich begrüßte Steinhauser allerdings strengere Strafen bei Wohnungseinbrüchen.

Bedarf für Entkriminalisierung ortete namens des Teams Stronach Georg Vetter, der in diesem Anliegen auch von Beate Meinl-Reisinger unterstützt wurde. Die NEOS-Justizsprecherin drängte auf die Streichung veralteter Tatbestände und eine tendenzielle Ausweitung der Diversion. Einer Meinung in ihrer Forderung nach einem großen Reformschritt war sie überdies mit Philipp Schrangl von der FPÖ, der ebenfalls von Entrümpelung sprach. Handlungsbedarf sah der FPÖ-Mandatar allerdings bei der Bekämpfung des Kriminaltourismus. Sein Fraktionskollege Gernot Darmann sprach sich wie SPÖ-Abgeordnete Gisela Wurm für ein Nachschärfen bei den Sexualdelikten und für die Verankerung eines Betätigungsverbots für Sexualstraftäter aus. Die von der Reformgruppe vorgeschlagenen Einschränkungen bei der Erwerbsmäßigkeit stießen auf Skepsis bei FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan, der überdies den Vorschlag in den Raum stellte, die teilbedingte Freiheitsstrafe auch bei höheren Strafdrohungen zu ermöglichen.

Justizminister Wolfgang Brandstetter begrüßte die Arbeit der Reformgruppe als gute Grundlage für die weitere Diskussion. Dass der Prozess noch ein langer sein wird, unterstrichen die Abgeordneten auch durch die einstimmige Vertagung des vorliegenden Berichts der Reformgruppe (III-104 d.B.). (Fortsetzung Justizausschuss) hof