Parlamentskorrespondenz Nr. 911 vom 14.10.2014

Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts passiert Justizausschuss

Brandstetter kündigt rasches Handeln im Fall neuer Vorwürfe gegenüber Justizanstalten an

Wien (PK) – Nach 200 Jahren sind die Regelungen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GesbR) nun reif für eine Reform. Eine heute vom Justizausschuss einstimmig verabschiedete gänzliche Neufassung der noch weitgehend auf der Stammfassung des ABGB aus dem Jahr 1811 beruhenden Bestimmungen bezweckt vor allem die Wiederherstellung der Deckungsgleichheit zwischen Gesetz und richterlicher Praxis.

Durch eine ergänzende Ausschussfeststellung, die ebenfalls einstimmig verabschiedet wurde, soll vor allem Sicherheit für Banken bei Konsortialkrediten hergestellt werden. Weiters sprachen sich die Abgeordneten mehrheitlich für die Beibehaltung der für die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bezirksgerichten und Landesgerichten bei Zivilprozessen relevanten Streitwertgrenze der Jurisdiktionsnorm von 15.000 € und damit gegen geplante weitere Anhebungsschritte aus.

Die Oppositionsparteien wiederum brachten in ihren Anträgen, die bei der Abstimmung sämtliche vertagt wurden, ein Themenspektrum zur Sprache, das von der Vorratsdatenspeicherung über ein Doppelresidenzmodell für getrennt lebende Eltern bis hin zum so genannten Elternentfremdungssyndrom reichte. 

Neue Regeln für die Gesellschaft bürgerlichen Rechts

Mit dem einstimmigen Beschluss der Reform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (270 d.B.) tragen die Abgeordneten vor allem dem Umstand Rechnung, dass die noch auf die Stammfassung des ABGB zurückreichenden Bestimmungen nunmehr in die Jahre gekommen sind und durch die Entwicklung von Rechtsprechung und Lehre mittlerweile in vieler Hinsicht überholt wurden. Eine gänzliche Neutextierung soll nun die Deckungsgleichheit zwischen Gesetz und Judikatur wieder herstellen, erläuterte ÖVP-Abgeordnete Eva-Maria Himmelbauer.

Abgeordneter Werner Groiß (V) brachte eine Ausschussfeststellung ein, mit der weitere Klarstellungen für die Vollziehung des Gesetzes hinzugefügt werden. Diese erfolgen besonders mit Rücksicht auf die österreichischen Banken, die für Kreditvergaben oft Verbände in Form von Gesellschaften bürgerlichen Rechts eingehen. Kreditsicherungen, mit denen solche Konsortialkredite unterlegt werden, behalten auch nach Ausscheiden eines Gesellschafters ihre Gültigkeit für die anderen Teilnehmer. Eine solche Klarstellung war in Hinblick auf das Bankenpaket Basel III, in dem höhere Absicherungen von Kreditvergaben verlangt werden, von der Finanzmarktaufsicht (FMA) eingefordert worden, erläuterte Abgeordneter Groiß. Auch diese Ausschussfeststellung wurde einstimmig beschlossen.

Keine weiteren Anhebungsschritte bei der Wertgrenze in der Jurisdiktionsnorm

Zu einer weiteren Anhebung der für die Abgrenzung der sachlichen Zuständigkeit zwischen Bezirksgericht und Landesgericht für Zivilprozesse erster Instanz maßgeblichen Wertgrenze in der Jurisdiktionsnorm wird es nun doch nicht kommen. Nachdem durch das 2. Stabilitätsgesetz ursprünglich eine stufenweise Erhöhung auf 20.000 € mit 1.1.2015 und 25.000 € mit 1.1.2016 geplant war, rudern die Regierungsparteien jetzt zurück und sprechen sich in einem gemeinsamen Initiativantrag (607/A) dafür aus, bei der seit 1.1.2013 geltenden Wertgrenze von 15.000 € zu bleiben und von weiteren Anhebungsschritten Abstand zu nehmen.

Wie Abgeordneter Friedrich Ofenauer (V) erklärte, ist das vom Gesetzgeber angestrebte Ziel eines Ausgleichs der unterschiedlichen Auslastung zwischen Bezirks- und Landesgerichten bereits durch die 2013 in Kraft getretene Wertgrenzenerhöhung erreicht worden. Weitere Schritte erscheinen daher nicht mehr notwendig, sagte er. Der Antrag wurde mehrheitlich, ohne Zustimmung der Freiheitlichen, angenommen.

Grüne wollen zentrales landesweites Kontenregister

Nicht durchsetzen konnten sich die Grünen mit ihrer Forderung nach Schaffungen eines österreichweiten zentralen Kontenregisters, von dem sich Justizsprecher Albert Steinhauser vor allem eine Beschleunigung der bisher sehr langwierigen Verfahren im Bereich der Wirtschaftskriminalität verspricht. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwalt beklage, dass Anträge auf Kontoöffnungen für sie einen Hürdenlauf darstellten und fordere Vereinfachungen, sagte er. Sein Entschließungsantrag (315/A(E)) wurde jedoch von SPÖ und ÖVP vertagt.

Die Abgeordneten Beate Meinl-Reisinger (N), Werner Groiß (V) und Johannes Jarolim (S) unterstützten zwar die Stoßrichtung des Antrags, sahen aber Probleme für den Datenschutz und die Rechte von Beschuldigten. Justizminister Wolfgang Brandstetter meinte, er sei sicherlich diskussionsbereit, was Vorschläge für eine Beschleunigung von Verfahren betreffe. Der Antrag der Grünen bringe aber nicht die gewünschte Lösung. Bei Grundrechtseingriffen, wie sie hier gefordert würden, müsste die Ausgewogenheit beachtet werden, sagte der Justizminister. Der Antrag wurde schließlich mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP vertagt.

NEOS schlagen Doppelresidenzmodell für Kinder getrennt lebender Eltern vor

Bedenken gegen die derzeitige Regelung der Leistung des Unterhalts für Kinder von getrennt lebenden Eltern meldete NEOS-Abgeordnete Beate Meinl-Reisinger (N) an. Demnach müssen Eltern, die nicht in häuslicher Gemeinschaft leben, denjenigen Haushalt festlegen, in dem das Kind hauptsächlich betreut wird. Dies führt dann in weiterer Folge zur Verpflichtung des anderen Elternteils, seinen Unterhalt in Geld zu leisten. Das Gesetz nehme nicht auf die Möglichkeit Bedacht, dass Kinder de facto bei beiden Elternteilen gleich viel Zeit verbringen und die Eltern dementsprechenden gleichmäßig Naturalunterhalt leisten, gab Meinl-Reisinger zu bedenken, obwohl die Gerichte dies in der Praxis bereits sehr wohl tun. In einem Entschließungsantrag (270/A(E)) forderte sie deshalb, die Möglichkeit eines Doppelresidenzmodells für Kinder auch gesetzlich zu verankern.

Abgeordneter Klaus Uwe Feichtinger (S) meinte, bei der letzten Familienrechtsreform habe man aus guten Gründen von einem solchen Doppelresidenzmodell abgesehen. Da es nur um wenige Fälle gehe, die in der Praxis offenbar bereits gelöst werden können, sehe er bis zur Evaluierung der Novelle eine Vertagung des Antrags als gerechtfertigt an. Dieser Vertagungsantrag wurde von SPÖ und ÖVP unterstützt.

NEOS rufen zu Toleranz gegenüber Kinderlärm auf

Durch eine "Sonderstellung von Kinderlärm" und höhere Toleranz für diese Form von Lärm wollen die NEOS der besonderen gesellschaftlichen Bedeutung von Kindern und ihren Bedürfnissen Rechnung tragen. Eine von Jugendsprecher Nikolaus Scherak in einem Initiativantrag (496/A) vorgeschlagene Ergänzung zu den Nachbarschaftsregeln des ABGB enthält die Klarstellung, dass Kinderlärm, selbst wenn er das ortsübliche Maß überschreitet, im Unterschied zu anderen Immissionen nur dann untersagt werden kann, wenn die Nutzung des eigenen Grundstücks bzw. der eigenen Wohnung in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird.

Ihre Fraktion verspreche sich vor allem Signalwirkung auch auf andere Regelungsmaterien, wie etwa Genehmigungsverfahren für Kinderspielplätze oder bauliche Lärmschutzvorschriften, erläuterte NEOS-Abgeordnete Beate Meinl-Reisinger. Abgeordneter Friedrich Ofenauer (S) sowie die SPÖ-Abgeordneten Angela Lueger und Johannes Jarolim hielten fest, dass die Judikatur in Österreich dem Anliegen bereits Rechnung trage. Die Bauordnung einiger Bundesländer nehme bereits explizit Bezug auf Kinderlärm und gebe ihm eine Sonderstellung in der Bewertung, unterstrich auch Justizminister Wolfgang Brandstätter. Der Antrag der NEOS wurde von den Koalitionsparteien vertagt.

FPÖ will Elterliche Entfremdung unter Strafe stellen

Das Problem der sogenannten Elterlichen Entfremdung thematisierte die FPÖ namens ihres Justizsprechers Harald Stefan. Wenn ein Elternteil das Kind als Besitz erklärt und die meist tief emotionale Beziehung des Kindes zum anderen Elternteil durch psychische Gewalt zu zerstören versucht, dann sei das kein Elternstreit oder Rosenkrieg. Vielmehr handle es sich beim "Parental Alienation Syndrom" (PSA) um eine spezifische Form von Gewalt an Kindern mit schwerwiegenden Folgen, warnte Stefan und forderte in einem Entschließungsantrag (572/A(E)) eine gesetzliche Regelung, die die Elterliche Entfremdung als Kindesmissbrauch unter Strafe stellt.

Starke Skepsis gegenüber dem Antrag brachten die Abgeordneten Beatrix Karl (V), Wolfgang Zinggl (G), Angela Lueger (S) und Johannes Jarolim (S) zum Ausdruck. Es gebe nicht genug wissenschaftliche Grundlagen, um ein Syndrom wie das so genannte PSA diagnostizieren zu können, meinten etwa Zinggl und Lueger. Zudem sei fraglich, ob man hier mit strafgesetzlichen Regelungen agieren solle. Justizminister Wolfgang Brandstetter äußerte zwar Verständnis für das Anliegen, bezweifelte aber den Sinn einer zusätzlichen gesetzlichen Regelung. Es sei seiner Ansicht zudem nicht zielführend, eine Materie des Zivilgesetzes ins Strafgesetz zu überführen. Durch neue Bestimmungen im Familienrecht habe man bereits ein Instrumentarium geschaffen, um mit Konfliktfällen bei Scheidungen besser umgehen zu können. Die Familiengerichtshilfe erziele große Erfolge, sagte er. Auch dieser Antrag wurde mit Stimmen der SPÖ und ÖVP vertagt.

FPÖ will gesetzliche Klarstellung bei Zusatzflächen von Eigentumswohnungen

Als unbefriedigend bemängelte FPÖ-Abgeordneter Philipp Schrangl die derzeitige Rechtslage hinsichtlich der Flächen wie Keller, Gärten oder Autoabstellplätze zu Wohnungseigentumseinheiten. So sei es bisher üblich gewesen, diese nicht ins Eigentums-(B)-Blatt des Grundbuchs einzutragen. Der OGH habe nun aber festgestellt, dass in diesem Fall kein alleiniges Verfügungsrecht über derartige "Zubehöre" besteht. Schrangl forderte angesichts der Verunsicherung der vielen durch die oberstgerichtliche Entscheidung betroffenen Eigentümer eine Gesetzesreparatur und die Zustimmung zu einem diesbezüglichen Entschließungsantrag seiner Fraktion (673/A(E)). Es müsse klarstellt werden, dass im Nutzwertgutachten angeführtes Zubehör zu einer Wohnungseigentumseinheit auch dann als Bestandteil des Wohnungseigentums zählt, wenn es nicht im B-Blatt des Grundbuchs eingetragen ist. Abgeordnete Beatrix Karl (V) beantragte in Hinblick darauf, dass bereits Verhandlungen der Koalitionspartner über eine Regierungsvorlage zum Thema im Laufen sind, eine Vertagung des Antrags, die von SPÖ und ÖVP auch unterstützt wurde.

NEOS drängen auf Modernisierung des Jugendstrafrechts

Beate Meinl-Reisinger von den NEOS plädierte in einem Entschließungsantrag (582/A(E) ) für eine Modernisierung des Jugendstrafrechts, wie sie auch die Arbeitsgruppe "Jugend im Recht" fordere. Der darin enthaltene Katalog an Vorschlägen umfasst die Ausdehnung der gesamten Sanktionspalette des Jugendgerichtsgesetzes inklusive Diversion auf unter 21-Jährige, die Kombination von Bewährungshilfe mit jeder Art von Diversion oder etwa die Erstreckung der notwendigen Verteidigung für Jugendliche auf das gesamte Ermittlungsverfahren. Wichtig sind den NEOS überdies die Einführung einer österreichweit präsenten Jugendgerichtshilfe auch für junge Erwachsene und die Errichtung von Jugendkompetenzzentren in Wien und an zumindest einem westlichen Standort. Dort sollen Untersuchungshaft und kurze Freiheitsstrafen an Jugendlichen und jungen Erwachsenen vollzogen und eine Freigängerabteilung sowie eine Besucherzone eingerichtet werden.

Der Antrag wurde mit Mehrheit von SPÖ und ÖVP vertagt. In der Debatte dazu brachte Meinl-Reisinger auch die aktuellen Medienberichte über Missbrauchsfälle in der Justizanstalt Josefstadt zur Sprache. Auch die SPÖ-Abgeordneten Johannes Jarolim und Gisela Wurm forderten in Hinblick auf immer wiederkehrende Berichte über Gewalt in Justizanstalten eine rasche Aufklärung der Vorwürfe und ein konsequentes Abstellen der Missstände.

Justizminister Wolfgang Brandstetter erklärte dazu, er habe von den jüngsten Vorwürfen selbst zuerst durch die Medien erfahren. Selbstverständlich werde er alles tun, damit diese Vorfälle aufgeklärt und eindeutige Konsequenzen daraus gezogen werden. Er wies darauf hin, dass sein Ressort bereits zahlreiche Maßnahmen gesetzt habe, um den Strafvollzug in Österreich auf ein einheitlich hohes Niveau zu bringen. Besonders im Jugendstrafrecht gebe es große Fortschritte. Das sei daran erkennbar, dass die Zahl der Jugendlichen in Untersuchungshaft stark gesunken ist. In Zukunft werde man die Entscheidung über das weitere Vorgehen im Falle junger Untersuchungshäftlinge soweit beschleunigen, dass diese höchstens 14 Tage in der Justizanstalt Josefstadt verbringen müssen, kündigte er an. Der Strafvollzug in Österreich sei generell gut, betonte der Minister, noch bestehende Schwachstellen müssten natürlich rasch beseitigt werden. (Schluss Justizausschuss) hof/sox