Parlamentskorrespondenz Nr. 1193 vom 10.12.2014

Pflegegeld: Abstimmungspanne erzwingt neuen Gesetzesbeschluss

Hundstorfer: Notwendige Anpassungen, um Finanzierbarkeit des Gesamtsystems zu sichern

Wien (PK) – Die geplante Novelle zum Bundespflegegeldgesetz muss neu eingebracht und beschlossen werden. Bei der namentlichen Abstimmung im Nationalrat stimmte zwar eine Mehrheit - 89 pro- und 56 contra-Stimmen – für das umstrittene Gesetz, der Beschluss ist aber einer Entscheidung der Präsidiale zufolge ungültig, weil ein Feueralarm und eine damit einhergehende Torsperre einige Abgeordnete daran gehindert hat, rechtzeitig zur Abstimmung zu kommen. Der vorsitzführende Zweite Präsident des Nationalrats verfügte jedoch über keinerlei diesbezügliche Informationen, weshalb er die Abstimmung durchführte. Nun muss das Gesetz, wie Nationalratspräsidentin Doris Bures bekannt gab, neu eingebracht und im Sozialausschuss beraten werden. Dieser wird noch heute tagen. Morgen wird die Tagesordnung des Plenums um diesen Punkt ergänzt.

Abgelehnt wurden der Entschließungsantrag der FPÖ betreffend die Einführung eines Mindestlohns von 1.600 € und einer Mindestpension von 1.200 € wie der Entschließungsantrag der Grünen, der darauf abzielte, auf den erschwerten Zugang zu den Pflegestufen 1 und 2 zu verzichten.

Vom Nationalrat verabschiedet wurde darüber hinaus ein Gesetzespaket mit zahlreichen Detailänderungen im Sozialversicherungsrecht sowie eine Änderung des Notarversicherungsgesetzes. Anträge der Opposition, etwa zum Pensionsrecht, erhielten keine Mehrheit. Allerdings wurden einige Oppositionsanliegen mit den Gesetzesbeschlüssen miterledigt.

Zugang zu den Pflegestufen 1 und 2 wird erschwert, Pflegegeld ab 2016 erhöht

Die Änderung des Bundespflegegeldgesetzes sieht nicht nur einen erschwerten Zugang zu den Pflegestufen 1 und 2 ab dem kommenden Jahr, sondern auch eine Erhöhung des Pflegegeldes ab dem Jahr 2016 um 2 % vor. Künftig müssen 65 bzw. 95 Stunden Pflegebedarf pro Monat nachgewiesen werden, um Pflegegeld zu erhalten, das sind fünf bzw. zehn Stunden mehr als bisher. Damit wollen die Regierungsparteien die stetig steigenden Ausgaben der öffentlichen Hand für den Bereich Pflege dämpfen. Nur so sei es möglich, das Pflegesystem in Österreich auch langfristig stabil zu halten, sind sie überzeugt. Vor allem die Förderung der 24-Stunden-Betreuung hat sich zuletzt budgetär stärker als erwartet niedergeschlagen, auch für den Pflegefonds und die Unterstützung pflegender Angehöriger wird laut Sozialminister Rudolf Hundstorfer mehr Geld benötigt.

In der Pflegestufe 1 werden ab dann monatlich 157,3 € zur Verfügung stehen, in der höchsten Pflegestufe, der Pflegestufe 7, sind es 1.688,9 €. Außerdem wird mit der Gesetzesnovelle das Informations- und Beratungsangebot für PflegegeldbezieherInnen und ihre Angehörigen verbessert und die Abwicklung von Förderanträgen im Bereich der 24-Stunden-Betreuung vereinfacht.

In der Diskussion blieb die Opposition bei ihrer Kritik, FPÖ-Mandatar Herbert Kickl sprach sogar vom "sozialpolitischen Schandfleck des Jahres 2014". Durch den heutigen Beschluss werde ab 1. Jänner 2015 tausenden Menschen, die bisher Zugang zum Pflegegeld hatten, der Zugang zu dieser wichtigen Sozialleistung gestrichen. Das Geld werde dabei den Ärmsten der Armen, die sich nicht wehren können, weggenommen. Auf der anderen Seite habe die Republik im Zuge des Hypo-Debakels aber Milliarden aus dem Fenster geschmissen; dies sei eine Schande. Vor allem die SPÖ, die immer eine Millionärsabgabe fordere, sei völlig unglaubwürdig, wenn sie nun eine Art Armensteuer einführe, beklagte Kickl. Außerdem werde es in ein paar Jahren zu weiteren Kürzungen beim Pflegegeld kommen, wenn nicht endlich echte Strukturreformen gemacht werden, warnte Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F). Auch die Erhöhung des Pflegegelds im Jahr 2016 könne nur als Verhöhnung bezeichnet werden, da bis dahin der Wertverlust bei 35 % liegen wird, meinte auch ihr Fraktionskollege Rupert Doppler.

Judith Schwentner von den Grünen zeigte sich enttäuscht über die Vorgangsweise der Regierungsparteien. Der erschwerte Zugang zu den Pflegegeldstufen 1 und 2 werde ihrer Meinung nach dazu führen, dass noch mehr Menschen, vor allem Frauen, gefordert sind, ihre Angehörigen selbst zu pflegen. Auch die Valorisierung des Pflegegelds sei keine großartige Leistung, da der Staat aufgrund der Verschärfungen bis zum Jahr 2016 sowieso Geld einspart, das er dann wieder auszahlen kann. Schwentner brachte noch einen Entschließungsantrag ein, in dem sie die Forderung aufstellt, die Anhebung des Mindestpflegebedarfs in den Stufen 1 und 2 wieder rückgängig zu machen. 

Es stehe außer Zweifel, dass das Pflegegeld eine der größten sozialpolitischen Errungenschaften ist, urteilte Waltraud Dietrich vom Team Stronach. Seit seiner Einführung im Jahr 1993 sei es aber zu einem Wertverlust im Ausmaß von 33 % gekommen, zeigte die Rednerin auf. Auch die Einschränkung des Zugangs zu den ersten zwei Pflegegeldstufen, der heute beschlossen werden soll, sei ihrer Meinung nach ein völlig falscher Weg. Dietrich befürchtet, dass dadurch die Menschen noch rascher in höhere Pflegestufen kommen, weil sie nicht mehr ordentlich versorgt werden. Ebenso wie Schwentner war sie der Meinung, dass die Valorisierung durch jene bezahlt werde, die nun nicht mehr in die Pflegegeldstufe 1 oder 2 kommen werden. Ihre Partei wünsche sich klare und transparente Finanzströme in diesem Bereich sowie die Einführung einer staatlichen Pflegeversicherung.

Gerald Loacker von den NEOS stimmte mit seinen Vorrednern darin überein, dass die Erhöhung des Pflegegelds durch einen erschwerten Zugang zu den ersten Pflegegeldstufen finanziert wird. Dass die Menschen spüren, hier werde keine ehrliche Sachpolitik gemacht, könne man an den zahlreichen negativen Reaktionen zur Regierungsvorlage erkennen. Außerdem habe er aufgrund von zahlreichen Gesprächen mit Betroffenen den Eindruck, dass es noch viele Unklarheiten gibt, vor allem was Menschen mit Behinderungen angeht. Völlig vergessen werde in der Debatte auch auf die Situation der pflegenden Angehörigen, bei denen es sich in erster Linie um Frauen handelt.

Koalitionsparteien verteidigen Anpassungen im Sinne der Aufrechterhaltung des Gesamtsystems

Den Sozialdemokraten gehe es in erster Linie darum, das bestehende gute Pflegesystem in einem bedarfs- und bedürfnisorientierten Zustand zu erhalten, betonte Ulrike Königsberger-Ludwig (S). Aus diesem Grund müsse man sich auch in verantwortungsvoller Weise mit dem Thema Finanzierbarkeit auseinandersetzen und kontinuierlich prüfen, wo Verbesserungen möglich und Nachschärfungen erforderlich sind. Mit Nachdruck wies die Rednerin die Kritik der Freiheitlichen zurück, es werde in diesem Bereich zu wenig getan. Derzeit beziehen 455.284 Menschen Pflegegeld, unterstrich Königsberger-Ludwig, insgesamt werden 3 Mrd. € dafür ausgeschüttet. Sie wies zudem – ebenso wie ihre Fraktionskollegen Johann Hechtl und Wolfgang Knes - darauf hin, dass ab dem Jahr 2016 das Pflegegeld um 2 % erhöht wird. Dadurch werden den Betroffenen zusätzlich 50 Mio. € zur Verfügung gestellt.

August Wöginger (V) wies eingangs darauf hin, dass in Österreich 5,3 % der Gesamtbevölkerung Pflegegeld beziehen. Der Anteil sei damit doppelt so hoch wie in Deutschland. Man könne daher in keiner Weise davon sprechen, dass es ein schlechtes System gebe oder dass den Menschen etwas weggenommen werde. Es werde nämlich immer vergessen, zu erwähnen, dass sich für die über 450.000 PflegegeldbezieherInnen gar nichts ändere, sondern nur Neuanträge betroffen sind. Außerdem sind die Änderungen, die gering ausfallen, aus seiner Sicht vertretbar, da ein Gesamtpaket abgesichert werden müsse. Die Freiheitlichen hingegen fielen nur mit populistischen Forderungen auf, die bis zu 10 Mrd. € kosten würden. Wie das finanziert werden soll, sage aber niemand, so Wöginger. Es falle niemandem leicht, Anpassungen im Pflegebereich vorzunehmen, erklärte Franz-Joseph Huainigg (V), aber er trage sie mit, weil das Gesamtsystem erhalten werden müsse. Ebenso wie Gertrude Aubauer (V) sprach er noch die geplante Erhöhung des Pflegegelds um 2 % ab dem Jahr 2016, den Ausbau des Beratungsangebots sowie die Erleichterungen bei der 24-Stunden-Pflege an; an einer umfassenden Strukturreform werde bereits gearbeitet. 

Sozialminister: Trotz Adaptierungen werde weiterhin mehr Geld für die Pflege ausgegeben

Sozialminister Rudolf Hundstorfer wiederholte die bereits erwähnten Kenndaten im Bereich Pflege und merkte noch an, dass in Österreich 20 % der über 60-Jährigen Pflegegeld erhalten. Natürlich kümmere man sich auch um pflegende Angehörige, hielt der Sozialminister den Kritikern entgegen, heuer werden für diesen Bereich alleine 41 Mio. € ausgegeben. Neu eingeführt wurden zudem die Pflegekarenz und die Pflegeteilzeit, erinnerte er. Hundstorfer versicherte zudem den MandatarInnen, dass in der Frage der behinderten Menschen sehr intensive Gespräche mit den jeweiligen Organisationen geführt und gemeinsame Lösungen entwickelt wurden.

Wenn man sich vor Augen halte, dass der Bund etwa 3 Mrd. € und die Länder und Gemeinden ca. 1,5 Mrd. € für die Pflege bereitstellen, dann sei man wohl ziemlich gut unterwegs. Es sei richtig, dass der Zugang zu den ersten beiden Stufen nun "gedämpft" wird, räumte der Minister ein, aber er sei auch verantwortlich dafür, dass die nachhaltige Finanzierbarkeit des Gesamtsystems gewährleistet wird. Auch wenn es unangenehm sei, stehe er persönlich dafür, den Menschen die Wahrheit zu sagen, betonte Hundstorfer. Die Vorgangsweise der Freiheitlichen, ständig völlig unfinanzierbare Versprechen abzugeben, lehne er nämlich ab.

Breite Mehrheit gegen gesetzliche Pflegeversicherung

Mitverhandelt mit der Regierungsvorlage wurde ein Antrag des Team Stronach betreffend Einführung einer gesetzlichen Pflegeversicherung und ein Antrag der Grünen betreffend die Erstellung einer Studie zur Situation pflegender Angehöriger. Beide Anträge wurden entsprechend den Empfehlungen des Sozialausschusses abgelehnt. Eine Pflegeversicherung sei kein geeignetes Instrument, um die Finanzierung des Pflegegeldes langfristig sicherzustellen, zudem würden dadurch die Lohnnebenkosten steigen, so die Argumente von Seiten der SPÖ und der ÖVP in der Debatte. Was die Initiative der Grünen anbelangt, so gab Johann Hechtl (S) zu bedenken, dass schon einige Studien in diesem Bereich vorliegen und dass es vor allem um die Umsetzung der bereits vorliegenden Erkenntnisse geht. Dies sei dem Sozialminister bisher auch sehr gut gelungen, war der Redner überzeugt.

Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz bringt Verbesserungen für Eltern behinderter Kinder

Mehrheitlich verabschiedete der Nationalrat ein Gesetzespaket, das zahlreiche Detailänderungen im Sozialversicherungsrecht bringt. So werden Eltern, die behinderte Kinder pflegen, pensionsrechtlich schrittweise mit jenen Personen gleichgestellt, die nahe Angehörige betreuen. Zudem können sie künftig einer beschränkten Erwerbstätigkeit nachgehen, ohne die Möglichkeit zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung zu verlieren. GSVG-Versicherten wird die Möglichkeit eingeräumt, freiwillig höhere vorläufige Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen, wenn absehbar ist, dass ihre Einkünfte im laufenden Jahr erheblich steigen werden. Im Bauern-Sozialversicherungsgesetz (BSVG) werden jene Bestimmungen neu gefasst, die regeln, wann am Hof mitarbeitende Kinder eigenständig versichert sind. Verschiedene Änderungen werden auch beim Rehabilitationsgeld vorgenommen.

Aufgegriffen wurde auch ein Anliegen der Grünen: Die Bestimmungen im ASVG, wonach im Falle eines längeren Auslandsaufenthalts unter bestimmten Umständen Pensionsleistungen und Dauerrenten aus der Unfallversicherung ruhen, werden ersatzlos gestrichen.

Opposition sieht positive und negative Punkte im Gesetz

Im Rahmen der Debatte kündigte Abgeordnete Carmen Schimanek die Ablehnung des Gesetzespakets durch die FPÖ an, auch wenn dieses, wie sie festhielt, etliche positive Punkte enthalte. Sie bedauerte jedoch unter anderem, dass Eltern, die behinderte Kinder pflegen, auch in Zukunft nicht in allen Belangen jenen Personen gleichgestellt sind, die nahe Angehörige betreuen.

Auch die Grünen sehen im Gesetzentwurf sowohl positive als auch negative Punkte. So begrüßte Abgeordnete Judith Schwentner zwar, dass Eltern, die behinderte Kinder pflegen, künftig einer Nebenbeschäftigung nachgehen können, kritisierte aber, dass es nicht möglich sei, sich rückwirkend kostenlos selbst zu versichern. Dass die Grünen dem Gesetzespaket insgesamt nicht zustimmen, begründete Schwentner damit, dass Rehabilitationsgeld in Zukunft ruhend gestellt werden kann, wenn die BezieherInnen den Anordnungen der Krankenkassen nicht folgen. Es handle sich um eine sehr unklare Regelung, meinte sie. Schwentner fürchtet, dass Tausende von dieser Bestimmung betroffen sein werden.

Positiv wurde die Gesetzesnovelle von den Abgeordneten Johann Singer (V), Johann Hell (S) und Michael Hammer (V) bewertet. Es handle sich in Summe um positive Regelungen, betonte Singer und hob wie die anderen beiden Abgeordneten etwa die Besserstellung von Eltern hervor, die behinderte Kinder pflegen. Singer verteidigte außerdem die neue Möglichkeit, Rehabilitationsgeld bei einer wiederholten Verletzung der Mitwirkungspflichten des Beziehers bzw. der Bezieherin ruhend zu stellen. Für ihn ist es wichtig, dass die LeistungsbezieherInnen daran mitwirken, gesund zu werden.

Weitgehend zustimmend zum Gesetz äußerte sich auch NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker. Kein Verständnis zeigte er allerdings dafür, dass innerhalb des BSVG weiter Mehrfachversicherungen möglich sein werden. Für Loacker sind doppelte und mehrfache Pflichtversicherungen insgesamt ein Problem, er sprach sich in diesem Sinn dafür aus, Einkommen aus verschiedenen Erwerbstätigkeiten zusammenzuzählen und die betroffene Person jenem Sozialversicherungsträger zuzuordnen, bei dem der überwiegende Teil der Sozialversicherungsbeiträge anfällt.

Matthias Köchl von den Grünen machte sich dafür stark, die Mindestbeitragsgrundlage für die Kranken- und die Pensionsversicherung im GSVG abzuschaffen bzw. sie auf die Geringfügigkeitsgrenze nach dem ASVG abzusenken. Gerade für viele Einpersonenunternehmen seien die Pflichtversicherungsbeiträge eine enorme Belastung, argumentierte er.

FPÖ-Abgeordneter Werner Neubauer wies darauf hin, dass viele ÖsterreicherInnen armutsgefährdet bzw. manifest arm seien. Immer mehr würden mit ihrem Einkommen nicht mehr auskommen, klagte er. Statt die Menschen zu entlasten, würde die Bevölkerung aber immer stärker belastet. In einem Entschließungsantrag plädierte Neubauer dafür, die Pensionssicherungskommission zu reformieren und inhaltlich neu auszurichten.

Mit dem mehrheitlichen Beschluss des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes wurden auch zwei Anträge der Grünen (536/A(E), 604/A(E)) miterledigt. Ein weitergehender Antrag der FPÖ zur Selbstversicherung von Eltern behinderter Kinder fand keine Mehrheit. Auch verschiedene im Zuge der Debatte von der Opposition eingebrachte Entschließungsanträge blieben in der Minderheit. Im Konkreten geht es um die Forderung der FPÖ, die Pensionssicherungskommission zu reformieren und inhaltlich neu auszurichten, die Forderung der Grünen, die geltende Mindestbeitragsgrundlage für die Kranken- und die Pensionsversicherung im GSVG auf die Geringfügigkeitsgrenze nach dem ASVG abzusenken, sowie die Forderung der NEOS, Mehrfach-Pflichtversicherungen abzuschaffen.

Team Stronach will Freiwilligenarbeit für Pension anrechnen

Ebenfalls vom Nationalrat abgelehnt wurden ein Antrag der Grünen, für Rehabilitationsgeld eine Untergrenze in der Höhe der Ausgleichszulage zu verankern, sowie ein Antrag des Team Stronach, Freiwilligenarbeit in einem adäquaten Verhältnis für die Pension anzurechnen. Markus Vogl (S) wies darauf hin, dass Menschen, die das Freiwillige Soziale Jahr absolvieren, ohnehin pensionsversichert seien. Darüber hinaus solle Freiwilligenarbeit Freiwilligenarbeit bleiben, betonte er. Seitens der ÖVP machte Michael Hammer geltend, dass auf Bundes-, Länder- und Gemeindeebene laufend Maßnahmen gesetzt würden, um Freiwilligenarbeit zu fördern. Zum Antrag der Grünen hielt Vogl fest, niemand, der Rehabilitationsgeld erhalte, würde gegenüber der alten Rechtslage schlechter gestellt.

Kein Verständnis für die Ablehnung seines Antrags äußerte Team-Stronach-Abgeordneter Rouven Ertlschweiger. Seiner Meinung nach wird Freiwilligenarbeit in Österreich zu wenig gewürdigt. Er hält es daher für notwendig, konkrete Schritte zu setzen. Auch FPÖ-Abgeordneter Rupert Doppler schloss sich dem Anliegen des Team Stronach an und erinnerte daran, dass es sich dabei um eine alte Forderung der FPÖ handle.

NotarInnen können weiter mit 65 Jahren in Pension gehen

Einstimmig nahm der Nationalrat eine Novelle zum Notarversicherungsgesetz an. Sie soll unter anderem gewährleisten, dass Notarinnen und Notare weiter mit 65 Jahren in Pension gehen können. Allerdings drohen ihnen in diesem Fall Pensionsabschläge von bis zu 24%. Grundsätzlich ist für NotarInnen laut einem bereits im Jahr 2006 gefassten Beschluss ein Regelpensionsalter von 70 Jahren vorgesehen, bis zum Jahr 2027 gelten allerdings Übergangsfristen. Zu den Dutzenden weiteren Punkten der Gesetzesnovelle gehören auch die Anpassung des Gesetzes an das Eingetragene Partnerschafts-Gesetz, neue Vorschriften für Notar-Partnerschaften und restriktivere Vorgaben für die Versicherungsanstalt, was die Anlage von Vermögen betrifft.

Wie ÖVP-Abgeordnete Martina Diesner-Wais erläuterte, verfügen die NotarInnen über ein autonomes Versicherungssystem, das sich selbst finanziert. Dieses System funktioniere gut, betonte sie.

Krankenversicherung: Grüne fordern Entlastung von PensionistInnen

Zwei Anträge der Grünen wurden an den Gesundheitsausschuss weitergeleitet. Zum einen geht es um die Forderung von Abgeordneter Judith Schwentner, von PensionistInnen keinen Zusatzbeitrag zur Krankenversicherung einzuheben, wenn sie bei ihrem Partner bzw. ihrer Partnerin mitversichert sind (773/A). Zum anderen spricht sich Schwentner dafür aus, jene Bestimmung im Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) zu streichen, die normiert, dass Selbständige, die nach diesem Gesetz versichert sind, nur bis zur Vollendung des 60. Lebensjahrs eine Zusatzversicherung auf Krankengeld abschließen können (774/A).

Ausführliche Debatte über Pensionsrecht

Eine Reihe von Oppositionsanträgen bildete die Grundlage für eine ausführliche Debatte über Fragen des Pensionsrechts. Sowohl die NEOS (621/A(E)) als auch das Team Stronach (562/A(E)) fordern eine weitere Harmonisierung der pensionsrechtlichen Bestimmungen, da es ihrer Meinung nach immer noch eklatante Unterschiede bei der Berechnung von Beamtenpensionen und von ASVG-Pensionen gibt. Außerdem drängen die NEOS auf bessere Rahmenbedingungen für die betriebliche und die private Pensionsvorsorge (714/A(E)) sowie eine vorzeitige Anhebung des Frauenpensionsalters (739/A(E)). Die Grünen machen sich dafür stark, den Pensionssicherungsbeitrag für Beamtenpensionen und ÖBB-Pensionen unter der ASVG-Höchstgrenze zu streichen (472/A). Der Antrag der Grünen wurde dem Verfassungsausschuss zugewiesen, die anderen Anträge abgelehnt.

Auch ein im Zuge der Debatte von Abgeordneter Beate Meinl-Reisinger eingebrachter Entschließungsantrag, der auf die Einführung eines Pensionsautomatismus abzielt, fand keine Mehrheit. Konkret schlagen die NEOS vor, das Pensionsantrittsalter dynamisch an verschiedene demographische und wirtschaftliche Kennzahlen anzupassen. So sollen etwa die steigende Lebenserwartung, die Erwerbsbeteiligung älterer ArbeitnehmerInnen und die Produktivitätsentwicklung berücksichtigt werden. Man müsse heute die Weichen stellen, wolle man das Pensionssystem nachhaltig und generationengerecht absichern, begründete Abgeordnete Beate Meinl-Reisinger den Antrag und sprach sich in diesem Sinn ausdrücklich auch für eine vorzeitige Anhebung des Frauenpensionsalters aus. Defizite ortet die Abgeordnete auch bei der Pensionsharmonisierung, ihr zufolge werden bestehende Ungerechtigkeiten noch jahrzehntelang fortgeschrieben.

SPÖ-Abgeordneter Josef Muchitsch äußerte sich zu den Anträgen der NEOS ablehnend. Frauen hätten ein Recht darauf, auf die bestehende gesetzliche Regelung vertrauen zu können, meinte er. Zudem sei es jeder Frau unbenommen, länger zu arbeiten, wenn sie wolle und könne, viele würden nicht zuletzt aus gesundheitlichen Gründen ab einem gewissen Alter aber keinen Arbeitsplatz mehr bekommen. Eine Anhebung des Pensionsalters würde für sie de facto eine Kürzung der Pension bedeuten, machte Muchitsch deutlich. Er und sein Fraktionskollege Walter Schopf brachen darüber hinaus eine Lanze für das staatliche Pensionssystem. Wenn ein Pensionssystem sicher sei, dann sei es das staatliche, sagte Schopf.

Ähnlich wie Muchitsch argumentierte auch Grün-Abgeordnete Judith Schwentner. Sie machte darauf aufmerksam, dass ein Großteil der Frauen derzeit von der Arbeitslosigkeit bzw. dem Krankenstand in die Pension wechsle und nicht aus der Erwerbstätigkeit. Zudem seien Frauen am Arbeitsmarkt noch lange nicht gleichgestellt. Zur Forderung der NEOS nach einer Stärkung von Privat- und Betriebspensionen merkte Schwentner an, das einzige System, dem sie angesichts des wiederholten Zusammenbruchs der Kapitalmärkte vertraue, sei das staatliche Umlagesystem.

Auch nach Meinung von FPÖ-Abgeordnetem Ruppert Doppler muss es oberstes Gebot der Politik sein, das staatliche Pensionssystem abzusichern. Die zweite und die dritte Säule des Pensionssystems seien nichts anderes als ein Spielball von Versicherungen und Banken, erklärte er.

Dem gegenüber äußerte NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker erhebliche Zweifel daran, dass das staatliche Pensionssystem auch in Zukunft sicher sein wird. Er bekräftigte daher die Forderung der NEOS, Privat- und Betriebspensionen zu stärken. Konkret will Loacker jedem Erwerbstätigen die Möglichkeit geben, ein Elftel seines Einkommens steuerfrei in Pensionskassen einzuzahlen.

Seitens der ÖVP meinte Abgeordnete Gertrude Aubauer, es gebe eine Reihe von Gründen, das Frauenpensionsalter vorzeitig anzuheben. Man habe zwischen den Regierungsparteien aber vereinbart, zunächst einmal abzuwarten, ob die bisher gesetzten Maßnahmen zur Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters greifen. Unter anderem wies sie in diesem Zusammenhang auf die Abschaffung der Hacklerpension und die Reform der Invaliditätspension hin.

Aubauers Fraktionskollege Andreas Hanger hielt fest, wenn man von den Menschen verlange, später in Pension zu gehen, müsse man auch dafür sorgen, dass sie gesund seien. Für Hanger wäre es außerdem wichtig, den Übergang vom Erwerbsleben in die Pension flexibler zu gestalten, sowie die Einkommenskurven abzuflachen, um ältere ArbeitnehmerInnen für Unternehmen attraktiver zu machen.

Team-Stronach-Abgeordnete Waltraud Dietrich und FPÖ-Abgeordneter Axel Kassegger machten sich für eine gänzliche Abschaffung von Pensionsprivilegien stark. Dietrich stellte in diesem Zusammenhang die durchschnittliche Frauenpension Höchstpensionen bei der Nationalbank gegenüber. Gleichzeitig wandte sie sich ausdrücklich gegen eine vorzeitige Anhebung des Frauenpensionsalters. Nach Meinung von Team-Stronach-Klubobfrau Kathrin Nachbaur fehlen dafür derzeit die entsprechenden Rahmenbedingungen wie eine ausreichende Zahl an Arbeitsplätzen.

Gesundheitsminister Alois Stöger, der in der Debatte Sozialminister Rudolf Hundstorfer vertrat, hob die Notwendigkeit hervor, vorrangig das staatliche Pensionssystem zu stärken. Viele ArbeitnehmerInnen hätten gerne eine Betriebspension, der Mehrheit der ÖsterreicherInnen stehe eine solche aber nicht zur Verfügung, weil ihr Betrieb keine solche anbiete, konstatierte er.

Koalition lehnt Zusammenlegung von Sozialversicherungsträgern ab

Schließlich lehnte der Nationalrat mit Stimmenmehrheit einen Antrag der FPÖ ab, der auf eine Änderung der Organisationsstruktur der Sozialversicherung abzielt. Die Freiheitlichen sprechen sich für ein einheitliches System mit einheitlichen Beiträgen aus, nur so kann man ihrer Ansicht nach eine schlanke, effiziente und zeitgemäße Verwaltung gewährleisten. Die Forderung nach einer Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger sei schon uralt, meinte Abgeordneter Herbert Kickl in der Debatte, seine Fraktion werde aber nicht lockerlassen. Seiner Einschätzung nach kosten die derzeitigen "Reibungsverluste" Milliarden, auch sein Fraktionskollege Axel Kassegger ortet in diesem Bereich erhebliches Einsparungspotential.

Grüne und NEOS unterstützten ebenfalls die Initiative zur Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger. Für Abgeordnete Judith Schwentner ist es nicht einsichtig, dass je nachdem, bei welcher Krankenkasse jemand versichert ist, unterschiedliche Leistungen gewährt werden.

Dem gegenüber wies Abgeordneter Josef Muchitsch (S) auf den geringen Verwaltungsaufwand in den einzelnen Sozialversicherungsträgern hin. In der steirischen Gebietskrankenkasse betrage dieser etwa nur 1,7 %, unterstrich er.

Abgeordneter Nikolaus Alm macht (N) auf Probleme für Unternehmen aufmerksam, die dann entstehen, wenn Selbständige plötzlich zu unselbständig Beschäftigten erklärt werden. Er ortet in diesem Zusammenhang einen "verdeckten Kampf" der Sozialversicherungsträger um Versicherte. Damit die für solche Fälle beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger eingerichtete Schlichtungsstelle nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg entscheidet, forderte Alm die Einräumung einer Parteistellung für alle betroffenen Sozialversicherungsträger, Unternehmen und Versicherten. Er konnte sich mit einem entsprechenden Entschließungsantrag aber nicht durchsetzen. (Fortsetzung Nationalrat) sue/gs