Parlamentskorrespondenz Nr. 390 vom 23.04.2015

Vergaben im Bus- und Schienenverkehr: Stöger für Qualitätsoffensive

Öffentlicher Personenverkehr: Nationalrat verabschiedet Novellen im Verkehrsrecht und debattiert Oppositionsanträge

Wien (PK) – Die Zukunft des Personenverkehrs dominierte heute einen Teil der Verkehrsdebatte im Nationalrat. Neben der Schaffung einer Passagier- und Fahrgastrechteagentur (siehe Parlamentskorrespondenz Nr. 389/2015) wurden mit breiter Mehrheit Anpassungen an EU-Vorgaben im Verkehrsrecht verabschiedet. Durch die Änderung des Kraftfahrliniengesetzes erlangt die Erteilung von Konzessionen für Dienstleistungen im Busverkehr mehr Rechtssicherheit, außerdem sollen die bundesgesetzlichen Bestimmungen den effizienten Einsatz öffentlicher Mittel gewährleisten. Gleiches gilt für das Öffentliche Personennah- und Regionalverkehrsgesetz, und zwar in Bezug auf die Standards der Europäischen Union zur transparenten Gewährung von Ausgleichszahlungen der öffentlichen Hand. Hauptthema der Diskussion waren die Vergabepraktiken der Gebietskörperschaften, immer wieder ertönte der Ruf nach verbesserten Sozial- und Qualitätskriterien bei der Vergabe von öffentlichen Verkehrsdienstleistungen.

Verkehrsminister Alois Stöger kündigte in diesem Zusammenhang an, in Kürze werde ein Leitfaden mit Vergabekriterien fertiggestellt, sodass ausschreibende Stellen von Bund, Ländern und Gemeinden  qualitative und soziale Maßgaben für ihre Entscheidung haben. 

Gemeinsam mit den Gesetzesentwürfen verhandelte das Plenum mehrere Forderungen von Freiheitlichen und Grünen, der Großteil der Abgeordneten ließ sich von den Oppositionswünschen jedoch nicht überzeugen. Der FPÖ-Antrag auf der Tagesordnung warb um die Ermöglichung alternativer Verkehrsangebote, um vor allem in ländlichen Regionen die Mobilität sicherzustellen. Die Grünen wiederum schlugen vor, dass die Finanzierung des öffentlichen Verkehrs in allen Ballungsräumen Österreichs geregelt wird wie in Wien, wo der Bund einen Teil der Mittel beisteuert. Im Laufe der Sitzung brachten Grün-Abgeordnete drei weitere Entschließungsanträge ein, die auf Sicherung bzw. Ausweitung von Schienenverbindungen und ein österreichweites Öffi-Jugendticket für Studierende abzielten, von der FPÖ kam ein neuerlicher Vorstoß für flexible Verkehrsdienstleistungen am Land. Diese Anregungen wurden von der Nationalratsmehrheit aber ebenfalls abgelehnt. Mehrheitlich angenommen wurde indes ein auch in der Diskussion vorgelegter SPÖ-ÖVP-Antrag auf Weiterentwicklung der tariflichen Angebote für Studentinnen und Studenten.

Personennahverkehr darf Lohndumping nicht fördern

"Österreich ist beim öffentlichen Verkehr international gut aufgestellt", sagte Verkehrsminister Stöger im Nationalratsplenum. Von der Infrastruktur bis zur Qualität der Fahrzeuge gebe es wenig zu beanstanden. Dennoch werde er bis Ende April mit den VerkehrsreferentInnen der Bundesländer einen Katalog ausarbeiten, in dem qualitative und soziale Ansprüche bei Ausschreibungen und Vergaben im Personennahverkehr aufscheinen. Ziel sei bei allen verkehrspolitischen Maßnahmen, den Fahrgästen noch bessere Services anzubieten, nicht zuletzt in Hinblick auf die Netzdichte der öffentlichen Verkehrsmittel.

Die Zahlen sprächen in Österreich eindeutig für den öffentlichen Personennahverkehr, bekräftigte Anton Heinzl (S), immerhin verfügten mehr als 90 Prozent der Bevölkerung über Haltestellen im näheren Umkreis ihres Wohnorts, zudem steige gerade bei den Regionalbussen die Nutzerzahl stetig an. Vor diesem Hintergrund trete der Gesetzgeber für Qualität und Zuverlässigkeit des öffentlichen Verkehrsangebots ein; so habe der Verkehrsausschuss des Nationalrats die Beachtung von Sozial- und Qualitätskriterien bei Ausschreibungen der öffentlichen Hand eingemahnt. "Der Billigstbieter ist nicht immer der Bestbieter", das gilt laut Heinzl gerade für den öffentlichen Verkehr. Harry Buchmayer und Elisabeth Hakel (beide S) sprachen sich genauso deutlich für sozial qualitätsvolle Vergabestandards aus. Hakel nannte dazu einige Kriterien wie die Ortskenntnisse der FahrerInnen, umfassende Tarifauskunft oder faire Beschäftigungsverhältnisse. Johann Schmuckenschlager (V) stellte der dichten Infrastruktur im öffentlichen Verkehr die am Land häufig langen Intervalle von Buslinien gegenüber und schloss daraus ähnlich wie die SPÖ-Abgeordneten, die billigsten Anbieter böten oft nur mäßig gute Dienste an.

Christoph Hagen (T) und Gerhard Deimek (F) erklärten ihre Zustimmung zu den bundesweiten EU-Anpassungen damit, dass die Novellierungen zur mehr Rechtssicherheit im öffentlichen Verkehr beitragen und voraussichtlich die Transparenz der Ausschreibungen bzw. des Mitteleinsatzes erhöhen würden. Besonders auf Länderebene sei dies nötig, zeigte Deimek auf. Elisabeth Pfurtscheller (V) skizzierte daraufhin den von Deimek angesprochenen neuen Passus zur Vergabepraxis, wonach zukünftig eigene Stellen in den Bundesländern die Ausgaben für den öffentlichen Verkehr auf Länderebene erfassen werden.

Johann Singer (V) erhofft mit den Novellen auch mehr Klarheit über die qualitative Situation des öffentlichen Personennahverkehrs im ländlichen Raum. Dort führe ein Fehlen attraktiver Bus- oder Bahnverbindungen nämlich häufig zur Abwanderung. Überdies warb Singer für günstigere Studierenden-Tarife und Asdin El Habbassi (V) nahm diesen Faden auf. Die Bundesregierung sollte mit den Verkehrsverbünden Gespräche über ein preisgünstiges Studierendenticket im öffentlichen Verkehr beginnen, unterstützte er mit einem Antrag der Regierungsfraktionen dieses, wie er sagte, parteiübergreifende Anliegen der JugendsprecherInnen. Von den Grünen preschte Julian Schmid dennoch mit einem eigenen Antrag auf ein österreichweites Öffi-Jugendticket auch für Studentinnen und Studenten bis 26 Jahre vor; unverbindliche Unterredungen mit Verkehrsunternehmen hätten nur begrenzte Erfolgschancen, so seine Argumentation. Sowohl Habbassi als auch Schmid wiesen aber darauf hin, dass der Grundstein für umweltfreundliche Mobilität bereits in Jugendjahren gelegt werde und im Regierungsprogramm daher eine Ausweitung des Jugendtickets vorgesehen sei.

Georg Willi (G) verlangte überhaupt eine "fundamentale Strukturreform" im öffentlichen Verkehr Österreichs. Konkret bezog sich der Grüne Verkehrssprecher auf Bundeshilfen für öffentliche Verkehrsverbindungen in sämtlichen Ballungsräumen, wie sie die Regierung 2008 beschlossen aber nie realisiert habe. Ablehnend zeigte sich Willi zu den Änderungen im Kraftfahrliniengesetz und im Personennah- und Regionalverkehrsgesetz: diese "minimalistischen Anpassungen" würden mangels gesetzlicher Qualitätsbestimmungen nicht per se das Lohndumping bei der Anbieterwahl verhindern. Obwohl es "noch Luft nach oben gibt", kündigte Michael Pock (N) die grundsätzliche Annahme der Novellen seitens der NEOS an. Dorn im Auge ist ihm allerdings die den EU-Grundsätzen entgegengestellte Praxis der Direktvergabe in Österreich. Wie von der Europäischen Union vorgesehen, solle der freie Wettbewerb im Verkehrssektor die Regel sein.

Regionale Verkehrsverbindungen zentrale Anliegen der Abgeordneten

Christiane Brunner (G) brachte in die Diskussion zwei Entschließungsanträge ein, mit denen zum einen die "Öffi-Notstandsregion" Südburgenland mehr öffentliche Verkehrsangebote erhalten sollte und zum anderen die Stilllegung der Bahnstrecke Friedberg-Oberwart angeprangert wird. Unverständlich ist für die Grüne Umweltsprecherin, weswegen die Regierung das Transitstraßenprojekt S7 durch das Burgenland heuer in Angriff nehmen will, aus Kostengründen aber eine Ausweitung des Grundangebots im öffentlichen Verkehr verweigere. Für die regionale Wirtschaft seien zeitgemäße Schienenverbindungen essentiell, unterstrich Brunner und nannte einen Ausbau der Bahnverbindung vom steirischen Friedberg bis nach Ungarn als Beispiel. Fritz Grillitsch (V) griff als "Stiefkind" der heimischen Verkehrspolitik speziell die Obersteiermark heraus, die als boomende Region zur Sicherstellung des Wohlstands dringend erweiterte Anbindungen, etwa mittels einer Schnellbahn nach Graz, benötige.

Damit beispielsweise auch Pkw für Verkehrsdienste herangezogen werden können, startete Erwin Angerer (F) einen erneuten Anlauf für alternative Bedienungsformen in ländlichen Gebieten. Das würde auch die Finanzierung von Verkehrsverbindungen, die nicht zuletzt wegen sinkender Schülerzahlen am Land bedroht sei, sicherstellen, meinte der Freiheitliche anhand eines neuen Entschließungsantrags zur Verstärkung jenes auf der Tagesordnung. (Fortsetzung Nationalrat) rei