Parlamentskorrespondenz Nr. 401 vom 23.04.2015

Opposition vermisst Fortschritte der Gesundheitsreform

Ärzteausbildung im Fokus des Nationalrats

Wien (PK) – Vielfältige gesundheitspolitische Themen folgten heute in der Sitzung des Nationalrats auf den umfangreichen Sozialblock. Während unter den Abgeordneten Konsens bestand über eine legistische Klarstellung im Ärztegesetz, traten etwa beim Punkt Ärzteausbildung die gegensätzlichen Auffassungen der Parteien zutage. FPÖ und Grüne steuerten eigene Anträge zur medizinischen Ausbildung bei, blieben mit ihren Forderungen nach verpflichtendem Lehrpraxisjahr für angehende HausärztInnen ((103/A(E)) bzw. interdisziplinärer Qualifizierung im Rahmen der Gesundheitsreform (691/A(E)) aber in der Minderheit. Seitens der Regierungsfraktionen hieß es, dank der reformierten Ärzteausbildung sei für Allgemeinmedizin bereits eine Lehrpraxisschulung vorgesehen, um langfristig die Ausbildungsqualität sicherzustellen

Grün-Anträge betreffend Schmerztherapie (785/A(E), 768/A(E)) wurden nur im Hinblick auf die Schaffung einer Bundesqualitätsleitlinie für die Behandlung von SchmerzpatientInnen mehrheitlich mitgetragen. Eine weitere Initiative der Grünen zur statistischen Erhebung der Versorgung psychisch kranker Personen blieb dagegen in der Minderheit. Auf wenig Zustimmung stieß auch das Team Stronach mit seiner Anregung, den Begriff "Embryo" gesetzlich klar zu definieren, löste damit aber eine Grundsatzdebatte über Fragen der Menschwerdung aus.

Der Dokumentationsaufwand in Spitälern beschäftigte die Abgeordneten außerdem, wobei ein Antrag des Team Stronach auf medizinische DokumentationassistentInnen wegen der Sorge über eine resultierende Bürokratiezunahme vom Großteil des Nationalrats abgelehnt wurde.

Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser erhielt von mehreren Seiten Genesungswünsche, da sie an der heutigen Sitzung nicht teilnehmen konnte.

Gesundheitswesen: Verbesserungsvorschläge der Opposition weitgehend abgelehnt

Während FPÖ, Grüne und NEOS nicht mit Kritik am Gesundheitswesen sparten und mehrere Schwächen, gerade in Verbindung mit der Ärzteausbildung, aufzeigten, wiesen die Regierungsfraktionen auf deutliche Fortschritte der laufenden Gesundheitsreform hin. So betonte Erwin Spindelberger (S), durch die neu geschaffenen Gesundheitsplattformen in den Bundesländern verbessere sich die medizinische Versorgung, insbesondere in ländlichen Regionen. Die Bevölkerung wolle keine anonymen Gesundheitszentren, hielt Andreas Karlsböck (F) dagegen und warnte, der niedergelassene Bereich werde gegenüber den Ambulatorien der Gebietskrankenkassen laufend ausgedünnt. Dabei sollte die Primärversorgung gestärkt werden, wies der Freiheitliche auf die Grundsätze der Gesundheitsreform hin und seine Parteikollegin Dagmar Belakowitsch-Jenewein empfahl dringend, die Lehrpraxisausbildung angehender AllgemeinmedizinerInnen auszudehnen. Die staatlichen Kosten dieser praxisorientierten Ausbildung wären mit jenen der Turnusarztausbildung im Spital vergleichbar, so die Freiheitliche Gesundheitssprecherin.

Geht es nach der FPÖ, sollten TurnusärztInnen mit Interesse an der Allgemeinmedizin ein Jahr Praxisausbildung in einer Ordination absolvieren, um ihren Fachbereich vor Ort kennenzulernen. Die Grünen wollen ebenfalls in der Ärzteausbildung der Primärversorgung mehr Gewicht beimessen und pochen überdies darauf, JungärztInnen mit umfassenden Kenntnissen über andere Gesundheitsberufe auszustatten. Aus Sicht der Grünen Gesundheitssprecherin Eva Mückstein fehlt bei der jetzigen Ärzteausbildung vielfach die Verbindung zur Gesundheitsreform. Ihr Verbesserungsvorschlag zielt unter anderem darauf ab, das interdisziplinäre Zusammenspiel im Gesundheitsbereich zu vereinfachen, was auch ihr Bereichskollege der NEOS, Gerald Loacker, als nötige Grundlage der Gesundheitsreform wertete.

  

Die Förderung der Lehrpraxisausbildung in der Allgemeinmedizin sei im Ärztegesetz bereits mit sechs Monaten und Aussicht auf Verlängerung vorgeschrieben, informierten daraufhin Johann Hechtl (S) und Martina Diesner-Wais (V); Letztere fügte an, die Krankenversicherungen übernähmen einen Teil der Ausbildungskosten. Spindelberger (S) stieß sich beim FPÖ-Antrag besonders an der vorgeschlagenen Kostenübernahme durch den Bund und stellte entgegen des Protests von Belakowitsch-Jenewein eine Übertragung der Lehrkosten auf die AusbildnerInnen in den Raum.

Als großes Problem im Spitalsbereich nannten sowohl Erwin Rasinger (V) als auch Rupert Doppler (F) den anwachsenden Dokumentationsaufwand – ihre Bewertung von Marcus Franz' Antrag auf Einrichtung von Assistenzstellen zur medizinischen Dokumentation fiel dennoch differenziert aus. Doppler zeigte durchaus Wohlwollen für die Anregung zwecks Entlastung der SpitalsärzteInnen, Rasinger dagegen vermutete, zur Überprüfung der Arbeit von DokumentationsassistentInnen müssten Krankenhäuser noch mehr administrative Aufgaben stemmen. Ziel sollte schließlich sein, die Dokumentationsvorgaben abzubauen, zeigte der ÖVP-Gesundheitssprecher auf und fand sich dabei grundsätzlich einer Meinung mit Belakowitsch-Jenewein.

Die Situation der Hausärzte und Hausärztinnen thematisierte Loacker (N) erneut, als er auf die vermehrte Verschiebung von medizinischen Leistungen vom öffentlichen in den privaten Bereich hinwies, weil der Beruf Kassenarzt immer unattraktiver werde. Dadurch entstehe eine Zwei-Klassen-Medizin, urteilte er. Insgesamt vermisste der NEOS-Mandatar nachhaltige Veränderungen im Sinne der Gesundheitsreform.

Schmerztherapie: Bundesqualitätsleitlinie findet breite Unterstützung

Eine bessere stationäre Versorgung von SchmerzpatientInnen forderte Eva Mückstein (G) in der Debatte ebenso wie die Einführung einer Bundesqualitätsleitlinie für Schmerztherapie. Neben eigenen Schmerzbetten in den Spitälern brauche Österreich auch mehr qualitativ hochwertige Schmerztherapiezentren, um geordnete und unbürokratische Wege zur Schmerzbehandlung sicherzustellen. Überdies will Mückstein die 2011 abgeschafften Statistiken über die Versorgung psychisch kranker Personen wieder eingeführt sehen, weil derzeit akute Mangelversorgung herrsche – von Gesundheitsministerin Oberhauser seien immerhin derartige Erhebungen ab 2016 angekündigt worden, räumte die Grüne Gesundheitssprecherin ein.

Die Regierungsfraktionen trugen die Idee eines bundesweiten Leitfadens für Schmerztherapie zwar mit, ÖVP-Abgeordneter Erwin Rasinger gab jedoch zu bedenken, derartige Standards müssten auch gelebt werden. Tatsächliches Hauptproblem bei der Schmerzbehandlung ist ihm zufolge, dass Schmerzmittel im ambulanten Bereich nicht einfach zu erhalten seien. Hier gelte es, SchmerzpatientInnen nicht mit unnötigen Auflagen zu belasten, wie auch Martina Diesner-Wais (V) mit Hinweis auf Vorgaben einiger Krankenkassen wie chefärztliche Bewilligungen sagte. Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) beklagte generell eine Unterversorgung von SchmerzpatientInnen.

Menschwerdung: Eine Frage der Definition

Mit Verweis auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs in einem spezifischen Fall machte Marcus Franz vom Team Stronach sich stark für eine per Gesetz geregelte Beschreibung, zu welchem Zeitpunkt ein Embryo entsteht. In seinem Antrag plädiert Franz für die Anerkennung des Embryos bereits bei Befruchtung der Eizelle und nicht erst ab Einnistung der Eizelle in den Uterus. Eine solche Neudefinition würde angesichts der Stammzellenforschung die Würde des menschlichen Lebens bewahren, meinte der Gesundheitssprecher des Team Stronach. Bei der namentlichen Abstimmung sprachen sich von 153 Abgeordneten im Plenum allerdings nur 37 für eine gesetzliche Definition des Embryos aus. Die Frage, wann entsteht der Mensch, werde aus diversen ethischen, religiösen, gesellschaftspolitischen und wissenschaftlichen Blickwinkeln unterschiedlich beantwortet, erklärten Eva Mückstein (G), Ulrike Königsberger-Ludwig (S)  und Nurten Yilmaz (S) die Ablehnung ihrer Fraktionen. Es sei daher nicht am Gesetzgeber, gleichsam eine österreichische Definition von Embryo festzuschreiben.

Ärztegesetz: Nationalrat klärt Verwaltung der Ärzteliste

Zustimmend zeigten sich die Abgeordneten indes fraktionsübergreifend zur von SPÖ und ÖVP angestoßenen Änderung des Ärztegesetzes, wodurch der Nationalrat einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs im Zusammenhang mit der Ärzteliste Folge leistet. Klargestellt wird damit im Gesetz, dass die Ärztekammer bei der Verwaltung der Ärzteliste in ihrem eigenen und nicht im übertragenen Wirkungsbereich agiert, wodurch es keinen Instanzenzug bei Entscheidungen über Aufnahmen in oder Streichungen aus der Ärzteliste gibt. Einen SPÖ-ÖVP-Abänderungsantrag, mit dem ausreichend Ausbildungsstätten für zukünftige Ärztinnen und Ärzte gewährleistet sein sollen und das heurige Inkrafttreten des Gesetzes fixiert wird, nahmen die MandatarInnen mehrheitlich an. (Fortsetzung Nationalrat) rei