Parlamentskorrespondenz Nr. 591 vom 03.06.2015

Konjunkturkrise ließ Vorjahrestourismus schwächeln

Tourismusbericht 2014: Gäste wollen kürzer und billiger reisen

Wien (PK) – Die weltweit ungünstige Wirtschaftslage hat im österreichischen Tourismus Spuren hinterlassen, geht aus dem Tourismusbericht 2014 (III-178 d.B. und III-554-BR/2015 d.B.) hervor. Im Vorjahr verzeichnete demnach die heimische Tourismuswirtschaft mit einem realen Umsatz von 20,4 Mrd. € Einbußen von 2,1% im Vergleich zu 2013. Die Zahl an Übernachtungen nahm um 0,6% ab, wobei die Nachfrage bei ausländischen Gästen insgesamt stärker zurückging (-0,7%) als bei inländischen (-0,3%). Neben einer "Kaufzurückhaltung" bei TouristInnen als Folge der labilen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung werden im Bericht die schwächelnde Nachfrage im Qualitätstourismus und wetterbedingte Nachteile wie Schneemangel und verregnete Sommermonate als zusätzliche negative Impulse angeführt.  Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner erwähnt im Vorwort zudem die rückläufigen Entwicklungen bei den russischen Gästen aufgrund der Russland-Ukraine-Krise.

Trotz dieser ungünstigen Rahmenbedingungen, hebt Mitterlehner allerdings hervor, sei gemessen an den Ankünften die Gästezahl 2014 mit 37,6 Millionen auf einen neuen Rekordwert gestiegen. Nicht zuletzt dank einer "signifikanten" Zunahme von TouristInnen aus Zentral- und Osteuropa und des Aufschwungs im Städtetourismus. Der Vizekanzler nennt zudem die guten Zahlen der letzten Wintersaison – die im vorliegenden Bericht nicht behandelt wird – als Hoffnungsschimmer für die touristische Zukunft Österreichs.

Generell habe sich der Tourismussektor auch im vergangenen Jahr als "Stütze der heimischen Wirtschaft" bewiesen; immerhin generierte er 7,7% des österreichischen Bruttoinlandsprodukts und bot rund 200.000 Beschäftigten Arbeit, so Mitterlehner. Als "außergewöhnliche Chancen" der internationalen Vermarktung des Tourismuslands Österreich wertet der Minister 2015 die EXPO in Mailand und den Eurovision Song Contest in Wien, durch den im Mai eine Woche lang Bilder aus Österreich bis nach Australien gelangten. Die Österreich Werbung habe in diesem Zusammenhang ein Sonderbudget erhalten.

Sinkende Ausgaben der UrlauberInnen trüben Tourismusbilanz

Noch kritischer als den vorjährigen Rückgang realer Einnahmen aus dem Tourismus sieht das Wirtschaftsministerium die seit 2008 registrierte stärkere Abwärtsbewegung des realen Aufwands je Nacht. Die Verminderung dieser Kennziffer, mit der die qualitative Zusammensetzung der Nachfrage pro Übernachtung ausgedrückt wird, deutet darauf hin, dass Gäste ihre Reisen vermehrt nach "massentouristischen" Parametern planen – sprich nach dem Angebot billiger "Packages" sowie mit Preisvergleichen im Internet. Die heimischen Tourismusbetriebe sind folglich einem wachsenden Kosten- und Gewinndruck ausgesetzt, der ihre Investitionskraft und somit ihre Wettbewerbsfähigkeit schwächt. Zur Abfederung der Situation stellte die Österreichische Hotel- und Tourismusbank (ÖHT) im Vorjahr insgesamt 42,4 Mio. € (2013: 34,2 Mio. €) an langfristigen, zinsgünstigen Kredite den Beherbergungsbetrieben zur Verfügung; durch die Politik wurde diese Maßnahme mit der Umwidmung des Haftungsrahmens im Ausmaß von 250 Mio. € unterstützt, wie Wirtschaftsminister Mitterlehner betont.

In der Nächtigungsentwicklung waren 2014 die größten Rückgänge bei TouristInnen aus Österreichs wichtigstem Herkunftsland Deutschland zu verzeichnen (-2,6%) sowie aus Japan (-3,5%) und Russland (-7,9%). Leicht rückläufige Tendenzen gab es am niederländischen (-1,4%) und französischen (-1,8%) Markt. Positiv hervorgehoben werden im Bericht dagegen klare Zuwächse bei den Übernachtungen von Gästen aus China (+17,9%), den USA (+9%), Polen (+7%), der Slowakei (+6,2%), Koratien (+6,1%), Spanien (+6%) und der Tschechischen Republik (+3,2%). Insgesamt überstieg das Nächtigungsvolumen letztes Jahr trotz des leichten Rückgangs auf 131,8  Millionen (-0,6% verglichen mit 2013) immer noch den historischen Höchstwert von 1992 um 1,1%.

Im internationalen Vergleich liegt der österreichische Marktanteil im Tourismusgewerbe allerdings – gemessen an den nominellen Tourismusexporten der EU 15 – bei 5,5%, somit nur noch 0,1 Prozentpunkte über dem historischen Tiefstwert des Jahres 2000; auch der Einnahmenvergleich mit 32 europäischen Ländern ergab ein Marktanteilsverlust auf 4,25%. Grund für Sparsamkeit im Reiseverhalten, die sich in der Auswahl kostengünstiger Quartiere und durch verkürzte Aufenthaltsdauern (2014: -2,4%) ausdrücken, sind vor allem die relativ hohen wirtschaftlichen Unsicherheiten, vor allem in der Eurozone, analysiert die Tourismusforschung.

Gesundheitstourismus als Jobmotor in den Regionen

Regional divergierte die Tourismusentwicklung Österreichs 2014 stark. Die meisten Nächtigungen verzeichneten Wien, Niederösterreich und das Burgenland, geringfügig wuchs die Nachfrage in der Steirischen Freizeitwirtschaft, die restlichen Bundesländer fielen dagegen zurück. Am deutlichesten war die Wachstumsdifferenz zwischen Landeshauptstädten und ländlichen Gebieten; nur in St. Pölten und Linz sank bzw. stagnierte die Nächtigungsnachfrage. Generell profitieren die Städte im Tourismus von ihren strukturellen Vorteilen im Angebotsbereich und der Infrastruktur – das zeigt sich dem Bericht zufolge nicht nur in Österreich, sondern auch international. Vor allem in Wien stieg die Zahl der Nächtigungen seit 2003 mit 5% pro Jahr stetig an, 2014 im Vorjahresvergleich sogar um 6,3%. Im saisonalen Vergleich schnitt die Wintersaison 2013/14 wegen Schneemangels bei den Nächtigungen schlechter ab (-1,6%) als die Sommersaison, wobei vom Wirtschaftsressort die – im Vergleich zu anderen Ländern - überdurchschnittlichen Spezialisierung auf Wintersport beim heimischen Wintertourismus hervorgehoben wird.

Neben dem Städtetourismus steht der Gesundheitstourismus vermehrt im Fokus der Tourismuswirtschaft: Saisonunabhängig eröffne dieser Bereich auch in den Regionen touristische Zukunftschancen, nicht zuletzt aufgrund der demographischen Entwicklung und der steigenden Bedeutung von Gesundheitsvorsorge in Europa. Derzeit sind österreichweit rund 20 Millionen bzw. 15% aller Nächtigungen verschiedenen Arten des Wellness-Tourismus zuzuordnen, eine qualitativen Vertiefung entsprechender Angebote würde sich für die heimischen Betriebe rentieren, lautet eine Schlussfolgerung der Tourismuskonferenz 2014. Dazu beschreibt der Bericht das Projekt RegioVitalis als erfolgreichen Jobmotor der gesundheitstouristischen Branche in der Steiermark sowie in den slowenischen Regionen Podravje und Pomurje.

Jungunternehmerförderung soll Nachfolgeschwierigkeiten abbauen

Die rückwirkend ab Juli 2014 gültige Tourismus-Förderungsrichtlinie von Bund und Ländern soll generell die Investitionsbereitschaft in der Tourismus- und Freizeitwirtschaft heben. Neben zinsgünstigen Krediten und Haftungen liegt das Augenmerk der Unterstützungen auf der Jungunternehmerförderung, wobei die Fortsetzung der Übernehmerinitiative ein wichtiges Element darstellt. Zur finanziellen Erleichterung von Unternehmensübergaben an Nachfolgegenrationen stellt die Republik mit Haftungen für JungunternehmerInnen nicht nur ihre Bonität zur Verfügung; die neuen Förderprogramme beinhalten auch kombinationsfähige Bundes- und Landesmittel, 15% Bargeldzuschuss und zinsfreie Kredite für Adaptierungen elterlicher Betriebe. Nicht zuletzt der Jungunternehmerförderung schreibt das Wirtschaftsministerium den letztjährigen Anstieg an Unternehmensgründungen ungeachtet der Wirtschaftsflaute  zu; 165 Förderanträge, also 95% mehr als im Jahr davor, wurden genehmigt, was die Schaffung von 860 zusätzlichen Arbeitsplätzen ermöglichte.

Mit forcierten Kreditvergaben und Haftungsübernahmen versucht die Tourismusbank (ÖHT) im Zuge der Förderstrategie die durch regulatorische Bestimmungen gebremste Finanzierungsbereitschaft der Banken zu kompensieren. Bei Übernahmen von Haftungen im Rahmen der Basisförderung entfallen bei der ÖHT die bankenrechtlich erforderlichen Eigenkapitalreserven, wodurch touristische Projekte leichter realisierbar werden. Gegenüber 2013 stieg das bewilligte Haftungsvolumen um rund 24% auf 42,4 Millionen, berichtet die ÖHT, die in dem Zusammenhang auf den höchsten jährlichen Zuwachs seit Einführung der Förderung 1999 verweist.

Verstärkt stellen die neuen Förderungsrichtlinien im Tourismusbereich zudem auf Förderungskredite ab, zumal die Finanzierungsschwelle der ÖHT auf Investitionskosten von 700.000 € gesenkt wurde. Gespeist wird das zusätzliche Fördervolumen von der Europäischen Investitionsbank. Da diese Mittel dank direkter Bundeshaftung sehr zinsgünstig angeboten werden, sind 250 Mio. € des für den Tourismus vorgesehenen Haftungsrahmens speziell für Kreditaufnahmen zur Umsetzung von Investitionsprojekten reserviert; man hofft, in den kommenden Jahren daraus mehr als 500 Mio. € an Investitionen zu generieren.

Die Zurückhaltung der Tourismuswirtschaft bei Investitionen hatte aber nicht nur negative Auswirkungen auf die Branche, sie sei gemeinsam mit niedrigen Zinsen und der Neubewertung von Aktiva mit ein Grund für die registrierte Bonitätsverbesserung bei der österreichischen Hotellerie, folgert die ÖHT. So gestalte sich nicht nur in der Vier- und Fünf-Sterne-Kategorie die Eigenkapitalquote positiv, bemerkenswerte Verbesserungen erreichten auch Unternehmen im Drei-Sterne-Bereich mit einem positiven Eigenkapital von mehr als 10%. Bei den Kennzahlen zur Bemessung der wirtschaftlichen Stabilität von Unternehmen haben Drei-Sterne-Hotels die Luxusbetriebe bereits überholt, verdeutlicht die ÖHT-Analyse, besonders hinsichtlich der verringerten Entschuldungsdauer.

Ausweitung der Lohnkontrolle durch neues Lohn- und Sozialdumpinggesetz

Im Beitrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zum Tourismusbericht wird betont, mit der seit Jahresbeginn gültigen Novelle im Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz werde die Lohnkontrolle auf das gesamte kollektivvertragliche Mindestentgelt ausgeweitet. Bislang war nur die Unterschreitung des Grundlohns sanktioniert worden. Die Neuregelung sei besonders für die Tourismus- und Freizeitwirtschaft von Bedeutung, wo per Kollektivvertrag vom September 2014 die Löhne um 2,2% angehoben worden sind. Die Kontrolleinrichtungen dürfen nunmehr die Übermittlung relevanter Unterlagen einfordern, sind die neuen Bestimmungen im Bericht beschrieben, wobei der Strafrahmen für "Kontrollvereitelung" jenem der Unterentlohnung angepasst worden ist. Im Gegenzug gibt es nunmehr eine praktikable Verjährungsfrist bei Unterentlohnung, die bereits mit dem Eintritt der Fälligkeit des ausstehenden Entgeltes zu laufen beginnt; bisher war das Vergehen erst mit erfolgter Nachzahlung verjährt.

2014 stieg die Anzahl unselbständig Beschäftigter im Tourismus um 0,9% auf 197.731 Personen. Ein Großteil davon war weiblich (58%), 44,5% ausländischer Herkunft. Dass im Vergleich zu 2013 die Beschäftigung von ausländischen Arbeitskräften um 5,2 % zugenommen hat, während um 2,3 % weniger InländerInnen in diesem Bereich beschäftigt waren, führt das Sozialministerium vorrangig auf die Liberalisierung des europäischen Arbeitsmarkts zurück, wodurch vor allem ArbeitnehmerInnen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten heimische Tourismusjobs besetzten. Vermerkt wird im Tourismusbericht überdies eine Zunahme an geringfügiger Beschäftigung in diesem Wirtschaftsfeld.

Mit 17,3% Arbeitslosen lag das Tourismusgewerbe weit über der nationalen Arbeitslosenquote von 8,4%, allerdings hatten von den 41.303 arbeitslos vorgemerkten Personen 26,4 % eine Arbeitsplatzzusage. Die Saisonalität im Tourismus spiegelt sich sowohl in den vergleichsweise geringen Beschäftigungsdauern als auch in relativ kurzen Arbeitslosigkeitsperioden wider; so war weniger als die Hälfte der DienstnehmerInnen ein Jahr durchgehend beschäftigt, dafür waren die meisten im Tourismus Beschäftigten nicht länger als drei Monate arbeitslos. Das Stellenangebot in der Tourismusbranche nahm im Vorjahr sogar leicht zu, an sofort verfügbaren offenen Stellen gab es im Jahresdurchschnittsbestand 3.892. Im Bereich der Lehre führt der Bericht 1.503 offene Lehrstellen an, denen 479 Lehrstellensuchende in Tourismusberufen gegenüberstanden. Zur Attraktivitätssteigerung von Lehre im Tourismus setzt die Regierung dem Bericht zufolge mehrere Initiativen, vor allem hinsichtlich Berufsorientierung an Schulen, aber auch zur Forcierung von Auslandspraktika von Tourismuslehrlingen im Rahmen des EU-Programms Erasmus+.  Für die vorübergehende Deckung zusätzlichen Arbeitskräftebedarfs erhalten Saisoniers aus Drittstaaten sowie bevorzugt neue EU-BürgerInnen (KroatInnen) und AsylwerberInnen Beschäftigungsbewilligungen.

Das Wirtschaftsministerium unterstreicht im Bericht die beschäftigungspolitische Bedeutung des Tourismus für die gesamte Europäische Union und will langfristig eine wettbewerbsfähige und nachhaltige Tourismusentwicklung in der EU unterstützen. Zum Aufbau europaweit gültiger Rahmenbedingungen setze die Europäische Kommission Maßnahmen, die Wissensaustausch und Kooperation zwischen europäischen Destinationen verbessern sollen. Überdies plant die Kommission laut Wirtschaftsministerium, zwecks Reiseerleichterung für BürgerInnen aus Wachstumsmärkten nach Europa den EU Visa Kodex zu überarbeiten. (Schluss) rei