Parlamentskorrespondenz Nr. 783 vom 03.07.2015

Die Parlamentswoche vom 6.7. - 10.7.2015

Drei Plenartage des Nationalrats mit Steuerreform, Strafrechtsänderung, Rauchverbot, Sozialbetrugsbekämpfung und GVO-Anbauverbot

Wien (PK) – Noch vor dem Sommer stehen im Plenum des Nationalrats wichtige Gesetzesbeschlüsse an. Finanzminister Schelling hat das Steuerreformpaket vorgelegt, verhandelt wird darüber bis zur letzten Minute. Das Strafrechtsänderungsgesetz und die Novelle zum Erbrecht sowie Neuerungen im Urheberrecht diskutieren die Abgeordneten mit Justizminister Brandstetter. Eine hitzige Debatte mit Gesundheitsministerin Oberhauser ist über das Rauchverbot zu erwarten. Dem Sozialbetrug sagt ein Gesetzesvorschlag von Sozialminister Hundstorfer den Kampf an, außerdem wird die Teilpension eingeführt. Ob Landwirtschaftsminister Rupprechter für die nationale Umsetzung des Selbstbestimmungsrechts im Hinblick auf das Anbauverbot von gentechnisch veränderten Organismen die nötige Zweidrittel-Mehrheit bekommt, bleibt abzuwarten. Insgesamt umfasst das Programm der drei Plenartage 70 Tagesordnungspunkte.

Dienstag, 7. Juli

8.00 Uhr:

Der Ministerrat tagt im Parlament. Im Anschluss daran findet das Pressefoyer im Empfangssalon statt.

09.00 Uhr:

Der Nationalrat startet mit einer Aktuellen Stunde unter dem Titel "Diese Steuerreform befeuert Arbeitslosigkeit" in die Sitzungswoche. Das Thema haben diesmal die NEOS vorgeschlagen.

Die Debatte beginnt mit der Steuerreform, die auf eine Steuersenkung im Ausmaß von 5 Mrd. € abzielt. Die von der Koalition angepeilte Gegenfinanzierung hat bereits in den vergangenen Monaten zu kontroversen Debatten in der Öffentlichkeit geführt, eine heftige steuer- und budgetpolitische Diskussion wird es daher auch im Plenum geben. Zwei dieser Gegenfinanzierungsmaßnahmen erfordern im Nationalrat eine Zweidrittelmehrheit und damit oppositionelle Unterstützung der Regierungsparteien, sie stehen daher an der Spitze der Tagesordnung. Die Verhandlungen zum Endbesteuerungsgesetz, das die verfassungsrechtliche Grundlage zur unterschiedlichen Besteuerung von Kapitalerträgen schafft – Kapitalerträge mit Ausnahme der Sparbücher sollen ab 2016 mit 27,5% besteuert werden – sind noch im Gange. Mit Zweidrittelmehrheit muss der Nationalrat auch die Einschränkung des Bankgeheimnisses in Finanzverfahren beschließen. Die diesbezüglichen Änderungen finden sich im Bankwesengesetz und in den Entwürfen für ein Kontenregister- und Konteneinschaugesetz sowie einem Kapitalzu- und -abfluss-Meldegesetz samt EU-Anpassungen beim internationalen Informationsaustausch. Zum Thema liegt auch ein Oppositionsvorschlag vor, der eine ökologische Steuerreform in zwei Etappen vorsieht.

Darüber hinaus werden künftig durch ein Gesetz über Einlagensicherung und Anlegerentschädigung Einlagen bei Kreditinstituten stärker geschützt. Änderungen im Börsegesetz, im Kapitalmarktgesetz und im Rechnungslegungs-Kontrollgesetz dienen der Umsetzung von EU-Richtlinien. Zu den Lehren aus dem "Madoff-Skandal" im Jahr 2008 zählt die Änderung einer EU-Richtlinie über Vorschriften für Depotbanken, die das Vermögen von Investmentfonds verwahren. Diese Änderung führt in Österreich zu Anpassungen im Investmentfondsgesetz und im Immobilien-Investmentfondsgesetz. Diskutiert wird auch ein Abkommen mit Mauritius über den Informationsaustausch in Steuersachen.

Vom Wirtschaftsausschuss liegt eine einstimmige Empfehlung für ein Alternativfinanzierungsgesetz (Crowdfunding) vor.

Vor wichtigen Reformen steht der Justizbereich. Dazu zählen das Erbrechts-Änderungsgesetz, das Strafrechtsänderungsgesetz und das Staatsanwaltschaftsgesetz. Eine der wesentlichen Neuerungen im Erbrecht ist die Möglichkeit, nahe Angehörige, die den Verstorbenen innerhalb der letzten drei Jahre gepflegt haben, erbrechtlich zu berücksichtigen. Im Strafrecht sind in Hinkunft strengere Strafen für Gewaltdelikte und teils mildere Strafen für Vermögensdelikte vorgesehen. Nachgeschärft wird im Sexualstrafrecht. Zum Themenkomplex Strafrecht liegen auch Anträge der Opposition sowie eine Petition und eine Bürgerinitiative vor. Das Staatsanwaltsgesetz bringt Neuerungen im Weisungsrecht durch die Installierung eines Weisungsrats. Demgegenüber schlagen Abgeordnete die Schaffung einer unabhängigen Bundesstaatsanwaltschaft vor. Auch das Urheberrecht soll geändert werden, womit die Vergütungspflicht für Privatkopien auf digitale Datenträger ("Speichermedienabgabe") ausgeweitet wird. Weitere Beschlüsse betreffen Auslieferungsabkommen mit Brasilien, die Zurückziehung der Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention sowie Präzisierungen und Klarstellungen in der Zivilprozessordnung und im Gerichtsorganisationsgesetz.

Den Abschluss dieser umfangreichen Tagesordnung bilden Vorlagen des Forschungsausschusses. Ziel der Wissenschaftsfonds-Novelle ist es, durch neue Entscheidungsstrukturen das Liquiditätsmanagement des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) zu verbessern. Außerdem soll eine "Open Innovation Strategie" zur Stärkung der Innovationskraft beschlossen werden.

Mittwoch, 8. Juli

09.00 Uhr:

Zu Beginn der Sitzung des Nationalrats nimmt Bundesminister Alois Stöger, zuständig für Verkehr, Innovation und Technologie, zu Fragen der Abgeordneten Stellung.

Im Mittelpunkt der Tagesordnung stehen gesundheits- und sozialpolitische Fragen, allen voran das generelle Rauchverbot. Im Ärztegesetz geht es um Ausnahmen, etwa Karenz, in Bezug auf die Streichung aus der Ärzteliste. Zudem liegen zahlreiche Anträge der Opposition vor. Die Themenpalette reicht von der Arbeitszeit von SpitalsärztInnen über Kontrolluntersuchungen für SexarbeiterInnen und Gratis-Zahnspange bis hin zur Forderung, das Blutspendeverbot aufgrund der sexuellen Orientierung aufzuheben. Diskussionspunkt wird auch die Forderung nach der Weiterentwicklung zentraler Steuerungsinstrumente im Gesundheitswesen sein. An diesem Tag steht auch der gesundheitspolitische Teil des Gentechnikgesetzes auf dem Programm, mit dem das Selbstbestimmungsrecht im Hinblick auf das Anbauverbot gentechnisch veränderter Organismen umgesetzt wird. Es dient dazu, zu gewährleisten, dass bereits bestehende EU-Marktzulassungen wie die Genmaissorten MON810 und T25 in Österreich weiter verboten bleiben. Dazu liegt auch ein Oppositionsantrag vor.

Eine Neuerung aus dem Sozialbereich stellt die Einführung der Teilpension im Arbeitslosenversicherungsgesetz dar. Zum Thema Pension werden auch zwei Anträge der Opposition verhandelt. Das Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz wiederum enthält die unterschiedlichsten Maßnahmen, um effektiv gegen Scheinfirmen vorgehen zu können. Darin enthalten ist auch das "Mystery-Shopping" bei ÄrztInnen. Ein weiterer Gesetzentwurf dient der Einrichtung eines flächendeckenden Netzes alternativer Streitschlichtungsstellen (AS), damit KonsumentInnen in der EU lückenlose Unterstützung zur Durchsetzung ihrer Rechte finden.

Auch die Außenpolitik kommt an diesem Tag zu Wort. Zur Diskussion stehen Assoziierungsabkommen der EU mit Georgien, der Republik Moldau und der Ukraine. Darüber hinaus wurde ein Abkommen zwischen Österreich und Bulgarien über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Kultur, Bildung, Wissenschaft und Jugend sowie ein Abkommen über die Rechtstellung von Angehörigen des österreichischen Bundesheeres während ihres Aufenthalts in der Französischen Gebietskörperschaft Guyana ausgearbeitet. Der Südtirol-Unterausschuss hat einen Antrag zur Unterstützung und Weiterentwicklung der Autonomie vorgelegt, ein weiterer Antrag spricht die Menschenrechtsverletzungen im Iran an.

Der Landwirtschaftsteil zur rechtlichen Umsetzung des Gentechnikverbots – das Gentechnik-Anbauverbots-Rahmengesetz – bedarf einer Zweidrittel-Mehrheit, die im zuständigen Ausschuss noch nicht gegeben war. Die Verhandlungen dazu sind daher bis zum Plenum noch abzuwarten. Ferner sind Änderung im Marktordnungsgesetz geplant, die es ermöglichen, Sachverhaltserhebungen in Marktordnungsverfahren an die AMA auszulagern. Zudem haben sich die Abgeordneten im Landwirtschaftsausschuss darauf geeinigt, dem Nationalrat jährlich einen Wildschadensbericht vorzulegen.

In der 36 Punkte umfassenden Tagesordnung sind auch Umweltmaterien enthalten. Zunächst soll durch Änderungen im Umweltinformationsgesetz der Rechtsschutz der Öffentlichkeit beim Zugang zu Umweltinformationen verbessert werden, dann stehen Änderungen des Emissionszertifikategesetzes, die Änderung des Protokolls von Kyoto sowie eine Vereinbarung auf dem Programm, wonach sich auch Island an der Fortsetzung des Kyoto-Prozesses beteiligt. Beraten wird überdies eine Initiative zu einem ambitionierteren Klimaschutzmaßnahmenprogramm. Zudem wird im Chemikaliengesetz das Giftrecht einfacher und transparenter. Ein Antrag zielt auf einen verbesserten Bienenschutz durch die Erhaltung von Wiesenflächen ab.

Mit der Änderung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes endet schließlich die Sitzung. Konkret geht es um die Zertifizierung und Evaluierung von Deutschkursen, deren Absolvierung Voraussetzung für die Erlangung eines Aufenthaltstitels für Drittstaatsangehörige ist.

Donnerstag, 9. Juli

09.00 Uhr:

Die Präsidentin der chinesischen Freundschaftsgruppe, Ministerin Li Xiaolin, trifft mit Zweitem Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf zu einem Gespräch zusammen.

09.00 Uhr:

Der dritte Plenartag beginnt ebenfalls mit einer Fragestunde, diesmal mit Justizminister Wolfgang Brandstetter.

Weitere Schritte zur Inklusion von SchülerInnen mit speziellen Bedürfnissen und zum Abbau von Diskriminierung dieser Personengruppe bringen Änderungen im Schulorganisations- und im Schulunterrichtsgesetz. Ab 2017 kann die standardisierte Reifeprüfung auch an Schulen für Berufstätige stattfinden, so sieht es eine weitere Vorlage der Bildungsministerin vor.

Die Bundestheater stehen dann im Mittelpunkt der Debatte. Durch die Änderung des Bundestheaterorganisationsgesetzes soll die Stellung der Bundestheater-Holding GmbH gegenüber ihren Tochtergesellschaften in wirtschaftlicher und koordinativer Hinsicht gestärkt und die Basisabgeltung für die Theater erhöht werden. Zudem liegt der Bericht des Rechnungshofausschusses über die Prüfung der Bundestheater-Holding GmbH vor. Ferner wird dem Bundeskanzler die Möglichkeit gegeben, die Sitzungsgelder für die Mitglieder von Beiräten und Jurys im Bereich der Kunstförderung festzusetzen.

Der Verfassungsausschuss hat ein kleines Medienpaket plenumsreif gemacht, das für den ORF und private Rundfunksender bürokratische Erleichterungen bringt. Anträge der Opposition zur Streichung des Anhörungsrechts des jeweiligen Landeshauptmanns bei der Bestellung der ORF-LandesdirektorInnen aus dem ORF-Gesetz sowie zur Senkung der Rundfunkgebühren auf ein bundeseinheitliches Niveau und Änderungen im Privatradiogesetz mit dem Ziel, Inhabern von Hörfunklizenzen künftig ein Jahr länger Zeit zu geben, das genehmigte Programm auf die Beine zu stellen, runden die Medienthemen ab.

Die Plenarwoche wird mit den Sammelberichten des Petitionsausschusses beendet. Dabei betreffen eine Petition und zwei Bürgerinitiativen die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA.

(Schluss) jan

HINWEIS: Aktualisierungen zu den Terminen finden Sie auf www.parlament.gv.at. MedienmitarbeiterInnen haben mit Presseausweis Zutritt zu Veranstaltungen. Ausschüsse sind allgemein nicht öffentlich.