Parlamentskorrespondenz Nr. 1066 vom 08.10.2015

Sozialausschuss befasst sich mit breiter Themenpalette

Oppositionsanträge zu den Themenbereichen Pflege, Mindestsicherung, Behindertenpolitik und Arbeitsmarkt

Wien (PK) – Abseits der Diskussion mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer über aktuelle Fragen nahm der Sozialausschuss des Nationalrats heute eine Reihe von Oppositionsanträgen in Verhandlung. Unter anderem ging es dabei um die Themenbereiche Pflege, Mindestsicherung und Arbeit. So stand etwa auf Basis von Anträgen der FPÖ, der NEOS und der Grünen erneut der Zugang von AsylwerberInnen zum Arbeitsmarkt zur Diskussion. Die Grünen sprachen sich außerdem für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes aus, dem Team Stronach geht es nicht zuletzt um eine Erhöhung des nicht pfändbaren Existenzminimums und einen bundesweit einheitlichen Personalschlüssel für Pflegeheime. Die FPÖ pocht weiter auf Zugangsbeschränkungen zum österreichischen Arbeitsmarkt auch für EU-BürgerInnen. Inhaltliche Beschlüsse wurden vom Ausschuss nicht gefasst, die Anträge wurden entweder vertagt, abgelehnt oder an einen anderen Ausschuss weitergeleitet.

Pflege: Opposition fordert Gesamtstrategie und ausreichend Personal

Der erste Diskussionsblock im Ausschuss widmete sich dem Thema Pflege. Die NEOS mahnen eine Gesamtstrategie der Regierung für diesen Bereich ein (845/A(E)) und wollen auch die Möglichkeit der Umwandlung von Akutbetten in "Übergangspflegebetten" prüfen(844/A(E)). Ein Antrag des Team Stronach zur Pflege zielt vorrangig auf einen bundesweit einheitlichen Personalschlüssel für Pflegeheime zur Sicherstellung einer qualitätsvollen Betreuung ab (1236/A(E)). Dieser Antrag des Team Stronachs wurde vertagt, die anderen Anträge erhielten nur die Unterstützung von NEOS, den Freiheitlichen und des Team Stronach und wurden damit abgelehnt.

Anhand der Anträge entzündete sich eine lebhafte Debatte über den Zustand des österreichischen Pflegesystems. Auf der Seite der Opposition stimmten Norbert Hofer (F), Judith Schwentner (G), Gerald Loacker und Waltraud Dietrich (T) darin überein, dass bundesweit einheitliche Standards der Pflege notwendig sind und es weiterer Anstrengungen in dieser Richtung bedürfe. SPÖ-Abgeordneter Dietmar Keck verwies auf die Verhandlungen zum Finanzausgleich, dort werde das Thema intensive diskutiert werden, sagte er. Michael Hammer (V) verwies darauf, dass man gewachsene Strukturen der Länder "nicht über einen Kamm scheren" könne. Er sah zudem die Gefahr, dass eine von den NEOS geforderte "Zielsteuerungsgruppe Gesundheit" nur neue Bürokratie schaffen würde.

Bundesminister Rudolf Hundstorfer stellte fest, dass er aus den ihm zur Verfügung stehenden Zahlen die von der Opposition befürchtete Zunahme der teuren stationären Pflege nicht entnehmen könne. Der Anteil der BezieherInnen von Pflegegeld in stationärer Betreuung liege seit Jahren mehr oder weniger konstant bei 16 %. Das Angebot Pflegebetten sei regional unterschiedlich, konstatierte der Minister, insgesamt erachte er es aber als ausreichend. Zweifellos müsse die Frage der 24-Stunden-Betreuung neu geregelt werden, doch bleibe auch hier der Anteil der Personen in Pflege konstant bei etwa 4 %. Hundstorfer wies auch den Vorwurf von FPÖ-Abgeordnetem Werner Neubauer zurück, dass keine Konsequenzen aus der parlamentarischen Enquete zum Thema Pflege gezogen seien worden. Seit dem Ende der Enquete habe man eine Reihe von Maßnahmen gesetzt. Im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen setze man nächste Schritte zu einheitlichen Qualitätsstandards, die Einrichtung einer eigenen Untergruppe Pflege zeige, wie ernst dieses Thema genommen werde.

In weiterer Folge diskutierte der Ausschuss auch neuerlich über die Forderung der FPÖ nach einer regelmäßigen Valorisierung des Pflegegelds (1178/A(E)). Zustimmung fand dieser Antrag nur seitens der Freiheitlichen, der Grünen und des Team Stronach, er blieb damit in der Minderheit. Dagmar Belakowitisch-Jenewein (F) kündigte an, die FPÖ werde bei diesem Thema nicht locker lassen. Ulrike Königsberger-Ludwig (S) äußerte grundsätzlich Verständnis für das Anliegen, verwies aber auf Einschränkungen, die durch die Budgetlage vorgegeben seien.

Mindestsicherung: FPÖ für Prüfung von Anspruchsvoraussetzungen

Was die Frage der bedarfsorientierten Mindestsicherung betrifft, spricht sich die FPÖ dafür aus, ein aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur deutschen Arbeitslosenhilfe "Hartz IV" zum Anlass zu nehmen, die Anspruchsvoraussetzungen von Nicht-ÖsterreicherInnen für den Erhalt der Mindestsicherung zu überprüfen (1343/A(E)). Werner Groiß (V) sagte, die Umsetzung des Urteils sei Sache der Länder, mit denen gerade Verhandlungen in Fragen der Mindestsicherung im Gange seien, er stelle daher einen Vertagungsantrag.

Die NEOS sehen es als Problem, dass BezieherInnen von Mindestsicherung derzeit oft wenig Anreiz haben, eine Teilzeitbeschäftigung aufzunehmen, da die Mindestsicherung aliquot zum selbst verdienten Einkommen sinkt, sobald bestimmte Freibeträge überschritten werden. Sie fordern daher dynamischere Einschleifregelungen (864/A(E)). Judith Schwentner (G) und Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) stimmten mit Gerald Loacker (N) überein, dass es bessere Anreize geben müsse, um Menschen zu motivieren, die Mindestsicherung wieder zu verlassen. Michael Hammer (V) meinte, der Antrag gehe in die richtige Richtung, das Thema falle aber ebenfalls in die Zuständigkeit der Länder. Da der Bund bereits im Gespräch mit ihnen sei, sei eine Vertagung gerechtfertigt.

Das Team Stronach setzt, um Armut zu bekämpfen, beim Existenzminimum an und fordert eine Erhöhung des nicht pfändbaren Grundbetrags von derzeit 857 € (488/A(E)). Diesen Ansatz hielt ÖVP-Mandatar Groiß für nicht zielführend, er sprach sich auch hier für die Vertagung aus.

Alle drei Anträge wurden mit Mehrheit von SPÖ und ÖVP vertagt.

"Smart Meter": FPÖ will Ausnahmen für private Durchschnittshaushalte

Aufs Tapet brachte die FPÖ auch die geplante Umrüstung sämtlicher Stromzähler auf so genannte "Smart Meter". Geht es nach FPÖ-Abgeordnetem Peter Wurm, sollen die neuen intelligenten Stromzähler nicht flächendeckend eingeführt werden. Vielmehr will er Privathaushalte mit einem jährlichen Stromverbrauch unter 6.000 kWh ausgenommen wissen, um finanzielle Mehrbelastungen der StromkundInnen zu vermeiden (1133/A(E)). Markus Vogl (S) hielt ihm entgegen, die Einführung des Smart Meter sei Teil des technischen Fortschritts, der in Richtung der Schaffung intelligenter Stromnetze gehe.

Der Antrag soll laut einem mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit gefassten Beschluss dem Wirtschaftsausschuss zugewiesen werden. Bundesminister Hundstorfer meinte allerdings, das Thema sei allenfalls im Ausschuss für Konsumentenschutz zu behandeln. Was die technische und wirtschaftliche Seite der Smart Meter betreffe, so habe Österreich die Umrüstung sehr sorgfältig vorbereitet, um eine für die KundInnen kostenneutrale Umsetzung zu erreichen.

FPÖ fordert gesetzliche Maßnahmen gegen Lebensmittelvernichtung

Ein weiterer Antrag der FPÖ (1199/A(E)), in dem gesetzliche Maßnahmen gegen die Vernichtung von Lebensmitteln gefordert werden, wurde vertagt, nachdem der Gesundheitsausschuss sich bereits in der vergangenen Woche auf Basis eines gleichlautenden FPÖ-Antrags mit dem Thema befasst hatte. Der FPÖ ist es ein Dorn im Auge, dass Lebensmittel in Österreich tonnenweise im Müll landen, nicht nur in den Haushalten, sondern in erster Linie im Lebensmittelhandel und in der Gastronomie. Hier sah Wurm die Schuld bei unsinnigen EU-Vorgaben bzw. deren überschießende Umsetzung. ÖVP-Abgeordnete Angela Fichtinger stand gesetzlichen Vorgaben für Handel und Gastronomie hingegen skeptisch gegenüber. Man müsse vielmehr auf Anreize und Bewusstseinsbildung setzen, sagte sie.

Opposition macht sich für Anliegen behinderter Menschen stark

In mehreren Anträgen machten sich die Oppositionsparteien auch für die Anliegen behinderter Menschen stark. So fordert das Team Stronach eine Reduktion der ORF-Gebühren für blinde und hochgradig sehbeeinträchtigte Menschen (639/A(E)), da diese nicht das gesamte Programm nutzen könnten. Hauptantragsteller Marcus Franz ist inzwischen in den ÖVP-Klub gewechselt, der Antrag erhielt dennoch keine Mehrheit im Ausschuss. Vielmehr soll sich der Finanzausschuss mit dem Thema befassen. ÖVP-Behindertensprecher Franz-Joseph Huainigg meinte, eine generelle Befreiung wäre das falsche Signal, denn sehbeeinträchtigte und gehörlose Menschen seien ebenso KundInnen des ORF. Das Anliegen müsse daher lauten, dass dieser ein besseres Angebot für sie schafft. Bundesminister Hundstorfer schloss sich dieser Sichtweise an.

Abgelehnt wurde ein Antrag der FPÖ (1227/A(E)), der darauf abzielt, "Halsatmern" automatisch einen Eintrag in den Behindertenpass gemäß §29b Straßenverkehrsordnung zu gewähren, um ihnen die Nutzung von Behindertenparkplätzen und das Halten in Halteverbotszonen zu ermöglichen. HalsatmerInnen seien schwer kranke Personen, denen eine Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel mit Entschleimungs- und Reinigungsutensilien kaum zumutbar sei, begründet Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein ihre Initiative. Franz-Joseph Huainigg (V) sieht allerdings keinen Handlungsbedarf. In den meisten der angesprochenen Fälle habe jemand, der ein Fahrzeug selbständig lenke könne, keinen Bedarf an einem Behindertenparkplatz. Sozialminister Hundstorfer erläuterte, durch eine neue gesetzliche Regelung gebe es die Möglichkeit auch für diese Personengruppe, einen Antrag auf einen Behindertenpass zu stellen. Dieser werde für jeden Einzelfall nach dem Kriterium der Zumutbarkeit beurteilt.

Allgemeinere Anliegen haben die Grünen formuliert. Behindertensprecherin Helene Jarmer geht es unter anderem um die Herstellung österreichweit einheitlicher Bestimmungen für Menschen mit Behinderung (784/A(E)), etwa was den Bereich der persönlichen Assistenz (994/A(E)) betrifft. Zudem fordert sie einen verbindlichen Stufenplan für eine sukzessive Schließung großer Einrichtungen für Menschen mit Behinderung (997/A(E)) sowie die Verankerung eines Beseitigungs- und Unterlassungsanspruchs zur effektiven Durchsetzung der gesetzlich verankerten Barrierefreiheit im Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (133/A(E)).

Die Anträge wurden mit der Begründung vertagt, dass in all diesen Fragen bereits Gespräche laufen und Maßnahmen umgesetzt werden. Gerald Loacker (N) kritisierte, dass Österreich in der De-Institutionalisierung der Betreuung von Menschen mit Behinderung hinter der internationalen Entwicklung zurückbleibe. Ulrike Königsberger-Ludwig (S) meinte zum Thema Behindertengleichstellungsgesetze, es gebe zweifellos noch Handlungsbedarf im Bereich der Barrierefreiheit, doch sei in der derzeitigen politischen Konstellation die geforderte Novelle leider nicht durchsetzbar.

Sozialminister Hundstorfer unterstrich, dass es die von Jarmer geforderte Verbandsklage zur Durchsetzung der Barrierefreiheit rechtlich bereits gebe, sie faktisch von den Verbänden jedoch noch nicht eingesetzt wurde. Für die Herstellung bundesweit einheitlicher Standards der persönlichen Assistenz brauche man die Mitarbeit der Länder, da diese die finanzielle Grundlage bereitstellen müssen. Sein Ressort sei bemüht, diesen Bereich gemeinsam mit den Ländern optimal zu gestalten, versicherte der Minister, doch brauche das noch etwas Zeit.

Zugangsbeschränkungen zum Arbeitsmarkt: FPÖ lässt nicht locker

Die FPÖ hat schon in der Vergangenheit mehrfach gefordert, den Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt nicht nur für Drittstaatsangehörige, sondern auch für EU-BürgerInnen zu beschränken. Argumente, dass dies EU-rechtlich nicht zulässig ist und überdies auch viele ÖsterreicherInnen im EU-Ausland arbeiten, konnten die Freiheitlichen bisher nicht überzeugen. Abgeordnete Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) ist nach wie vor der Meinung, dass sektorale Zugangsbeschränkungen ein probates Mittel wären, um die Arbeitslosigkeit in bestimmten Branchen zu verringern. Ein entsprechender FPÖ-Antrag (1130/A(E)) fand allerdings erneut keine Mehrheit im Ausschuss, sondern wurde vertagt.

Vorerst kein leichterer Zugang für AsylwerberInnen zum Arbeitsmarkt

Neuerliche Vertagungsbeschlüsse fasste der Ausschuss auch in Bezug auf drei Anträge betreffend den Zugang von AsylwerberInnen zum Arbeitsmarkt. Während sich NEOS (740/A(E)) und Grüne (737/A(E)) für eine Lockerung der geltenden Restriktionen aussprechen, appelliert die FPÖ an Sozialminister Rudolf Hundstorfer, nicht von der bisherigen Linie abzurücken (1131/A(E)). Ebenso in die Warteschleife geschickt wurde eine von den Grünen beantragte Änderung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (693/A). Ziel dieser Initiative ist es, auch Studierenden aus Nicht-EWR-Ländern einen uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren. Derzeit dürfen sie neben ihrem Studium maximal 10 Wochenstunden, nach Abschluss des Bachelors 20 Wochenstunden arbeiten. Judith Schwentner von den Grünen erkennt darin eine eindeutige Ungleichbehandlung von Studierenden, immerhin sei der Großteil der Studentinnen und Studenten darauf angewiesen, neben ihrem Studium dazuzuverdienen.

Zur Öffnung des Arbeitsmarkts für AsylwerberInnen erläuterte Grün-Abgeordnete Alev Korun, nach der derzeitigen Gesetzeslage könnten diese Menschen nur in wenigen Branchen arbeiten, nämlich als ErntehelferInnen, als Saisonniers im Tourismus oder in der legalen Prostitution. Dadurch seien sie oft jahrelang zur Untätigkeit verdammt und von öffentlicher Unterstützung abhängig. Nicht nur sei dies ein menschenrechtliches, integrationspolitisches und volkwirtschaftliches Problem, so Korun, sondern entspreche auch nicht der EU-Richtlinie, wonach Asylwerbende spätestens nach neun Monaten Anspruch auf effektiven Arbeitsmarktzugang haben sollten. Ein Zugang zum regulären Arbeitsmarkt sei nicht nur ein wichtiger Beitrag zur Integration von Flüchtlingen, zog NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker nach, sondern bringe dem Land überdies zusätzliche Sozialversicherungsbeiträge und Steuereinnahmen. Ein gänzlicher "Wahnsinn" wäre eine Arbeitsmarktöffnung für AsylwerberInnen dagegen nach Ansicht von Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F), zumal etwa 80 % der momentan in Österreich befindlichen Asylsuchenden lediglich einen Pflichtschulabschluss hätten und somit schwer vermittelbar seien, wie sie sagte. Zu befürchten wäre folglich ein enormer Druck auf den heimischen Arbeitsmarkt.

Angesichts der diametral entgegengesetzten Forderungen von Grünen bzw. NEOS und FPÖ, wenn es um die Arbeitsmarktöffnung für Flüchtlinge, andere Drittstaatenangehörige und EU-BürgerInnen  in Österreich geht, befand Abgeordneter August Wöginger (V), die Regierungsposition zwischen diesen beiden Lagern sei genau richtig. Aufgrund des aktuellen Zustroms an Flüchtlingen befinde sich Österreich jedenfalls in einer Ausnahmesituation, die eine gänzliche Öffnung des Arbeitsmarkt für diese Personengruppe nicht erlaube.

Sozialminister Hundstorfer unterstrich, er werde beim Arbeitsmarktzugang für Asylsuchende nichts ändern, bis eine gerechte Aufteilung der Flüchtlinge unter den EU-Mitgliedsländern sichergestellt ist. Für die Personen in Grundversorgung setze man jedoch alles daran, ihre Asylverfahren möglichst rasch zu erledigen. Außerdem arbeite sein Ressort gemeinsam mit der Wirtschaft an Projekten, jugendliche AsylwerberInnen in offenen Lehrstellen unterzubringen. Zum Anliegen der Grünen, allen Studierenden gleichwertige Arbeitsmöglichkeiten zu bieten, meinte der Minister, grundsätzlich solle für fraglichen Personenkreis das Studium im Vordergrund stehen. Durchaus vorstellen konnte sich Hundstorfer aber, die derzeit zulässige Arbeitsdauer bereits im ersten Studienabschnitt auf 20 Wochenstunden zu erhöhen.

Grüne fordern Erhöhung des Arbeitslosengeldes

Vom Ausschuss vertagt wurde ein Antrag der Grünen auf Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, der auf eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes hinausläuft (1335/A). Konkret spricht sich Abgeordnete Judith Schwentner dafür aus, die Nettoersatzrate von 55% auf 70% zu erhöhen, das würde ihr zufolge auch dem Durchschnitt in der Europäischen Union entsprechen. Schwentners Vorwurf, die österreichische Nettoersatzrate für Arbeitslose sei im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich, wies SPÖ-Abgeordneter Johann Hechtl vehement zurück. Tatsächlich liege Österreich laut OSCD bei der Höhe des Arbeitslosengelds über dem EU-Durchschnitt, denn die gesetzliche Nettoersatzrate von 55 % könne auf bis zu 80 % des letzten Einkommens ansteigen. Hinzu komme oftmals ein Familienzuschlag, fügte Hechtl an.

Für die NEOS bieten die heimischen Arbeitslosenleistungen grundsätzlich zu wenig Anreize, in den Arbeitsmarkt zurückzukehren, besonders für Langzeitarbeitslose. Gerald Loacker (N) plädierte dementsprechend für eine regressive Leistungsentwicklung beim Arbeitslosengeld mit einer höher bemessenen Ausgangsposition. Dieser Einwurf rief einmal mehr den Bundesminister auf den Plan. Keinesfalls werde es Kürzungen beim Arbeitslosengeld geben, wies Hundstorfer den Gedankengang zurück, vielmehr sei alles daran zu setzen, Arbeitslose so rasch wie möglich zurück ins Berufsleben zu bringen. Zu diesem Zweck seien vorrangig die Gründe für eine Arbeitslosigkeit zu eruieren, die häufig regional bedingt oder branchenspezifisch seien.

Pensionsrecht: Grüne beantragen Änderung des ASVG

Vertagt wurde weiters eine von den Grünen beantragte Änderung des ASVG (1303/A). Abgeordnete Judith Schwentner sieht nicht ein, dass im neuen Pensionsrecht, das 2004 beschlossen wurde und für alle Geburtsjahrgänge ab 1955 gilt, Kinderbetreuungszeiten unterschiedlich behandelt werden, abhängig vom Geburtsjahr des Kindes. So müssen ihr zufolge etwa Frauen, die vor dem Jahr 2003 geborene Kinder haben, 15 Beitragsjahre aus Erwerbstätigkeit vorweisen, um einen Pensionsanspruch zu erlangen, während Frauen mit Kindern ab dem Geburtsjahr 2005 bis zu acht Jahre Kinderbetreuungszeiten angerechnet bekommen. Unterstützung für diesen Vorstoß signalisierten FPÖ und Team Stronach, da eine gesellschaftspolitische Ungerechtigkeit damit ausgeräumt würde, wie Carmen Schimanek (F) und Waltraud Dietrich (T) hervorhoben. Dem Einwand der NEOS, in Zeiten von Budgetknappheit seien Überlegungen zur Überarbeitung von Pensionsansprüchen fehl am Platz, wollten die Regierungsfraktionen nicht zustimmen, denn grundsätzlich sehen auch sie eine entsprechende Korrektur im Sozialrecht angebracht. Ungeachtet dessen sei zunächst der Gesamtumfang möglicher zusätzlicher Pensionsansprüche zu erheben, verdeutlichten die Abgeordneten Markus Vogl (S) und August Wöginger (V) im Einklang mit dem Sozialminister.

Team Stronach: Regionale Wertschöpfung bei Aufträgen berücksichtigen

Schließlich sprach sich der Sozialausschuss mit S-V-N-Mehrheit dafür aus, einen Entschließungsantrag des Team Stronach, der darauf abzielt, bei der Vergabe von Bauaufträgen durch die öffentliche Hand mehr Augenmerk auf regionale Wertschöpfung zu legen (487/A(E)), an den Verfassungsausschuss weiterzuleiten, da sich dieser mit Fragen des Vergaberechts beschäftigt. Ein Bestbieterprinzip unter Einbeziehung der regionalen Wertschöpfung würde nicht nur heimischen KMUs Vorteile gegenüber ausländischen Firmen mit Billigarbeitskräften bringen, sondern hätte auch für die Volkswirtschaft und für die Bevölkerung enorme Vorteile gegenüber dem Billigstbieterprinzip, ist Abgeordnete Waltraud Dietrich überzeugt.

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch berichtete in diesem Zusammenhang, bis Ende April 2016 sei zur Umsetzung einer EU-Richtlinie eine große Novelle im Vergaberecht in Planung, in der neben ökonomischen auch ökologische und soziale Kriterien maßgeblich sein sollten. Als ersten Schritt gegen Lohn- und Sozialdumping bei öffentlichen Ausschreibungen habe der Verfassungsausschuss als zuständiges Gremium bereits jetzt den Entwurf einer ersten Novelle des Bundesvergabegesetzes in Verhandlung genommen. (Schluss Sozialausschuss) gs/sox/rei


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