Parlamentskorrespondenz Nr. 1152 vom 28.10.2015

Brandstetter: Kein frisches Steuergeld für den Strafvollzug

Aktuelle Aussprache im Justizausschuss, Beschluss des Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes

Wien (PK) –  Für die Reform des Strafvollzugs braucht es keinen Ruf nach frischem Steuergeld. Justizminister Wolfgang Brandstetter bekräftigte heute auch gegenüber den Abgeordneten des Justizausschusses seine von den Medien kolportierte Aussage und bekannte sich vielmehr dazu, zunächst die "Hausaufgaben" zu machen und durch Strukturreformen den Eigenfinanzierungsgrad zu erhöhen. Bei der Reform des Maßnahmenvollzugs zeigte er sich überdies zuversichtlich, dass es gelingen werde, die Vorschläge der diesbezüglichen Expertengruppe zu verwirklichen.

Verabschiedet wurde in der heutigen Sitzung schließlich ein Hypothekar- und Immobilienkreditgesetz, das die österreichischen Bestimmungen in diesem Bereich an die entsprechenden EU-Richtlinien anpasst. Auf der Tagesordnung standen zudem auch eine Reihe von Oppositionsanträgen zu Themen wie Konsumentenschutz oder Vorratsdatenspeicherung, die die Ausschussmehrheit allerdings jeweils vertagte.

Strukturreformen sollen Eigenfinanzierungsgrad erhöhen

Breiten Raum in der Aussprache des Ausschusses mit dem Minister nahmen die Themenbereiche Straf- und Maßnahmenvollzug und Jugendstrafrecht ein. Was den Finanzierungsbedarf etwa bei den Reformvorhaben im Strafvollzug betrifft, betonte Justizminister Brandstetter den Abgeordneten Albert Steinhauser (G), Nikolaus Scherak (N) und Christoph Hagen (T) gegenüber, es gelte zunächst, vorhandene Rücklagen aufzulösen und darüber hinaus durch Optimierung der bestehenden Standorte eine größtmögliche Eigenfinanzierung zu erzielen. Man werde einige Liegenschaften veräußern, kündigte der Ressortchef an und zählte dabei auf die BIG als wichtigsten Partner. Priorität räumte er auch dem Ausbau der Haftanstalten Simmering, Hirtenberg oder Eisenstadt ein und merkte zudem an, die neue Haftanstalt im Großraum Wien gehöre für ihn jedenfalls zum Pflichtprogramm. Die Notwendigkeit der Erweiterung der Haftkapazitäten erschloss sich für Brandstetter allein schon aus der großen Zahl von inhaftierten Schleppern. Wie der Minister FPÖ-Abgeordnetem Johannes Hübner mitteilte, befinden sich derzeit 240 Schlepper in Strafhaft und 285 tatverdächtige Schlepper in U-Haft.

Was allgemein die Möglichkeit der Haftverbüßung von verurteilten Ausländern in deren Heimatstaaten betrifft, sah Brandstetter keinen zusätzlichen Regelungsbedarf und meinte, die bestehenden Bestimmungen auf europäischer Ebene würden ausreichen. Anderer Ansicht war FPÖ-Abgeordneter Christian Lausch, der auf den Abschluss von Staatsverträgen zur Übernahme von verurteilten Ausländern zwecks Haftverbüßung im Heimaltland drängte. Ein diesbezüglicher Entschließungsantrag (552/A(E)) der Freiheitlichen wurde allerdings im weiteren Verlauf der Sitzung mehrheitlich vertagt.

Bei der Reform des Maßnahmenvollzugs steht Brandstetter voll hinter den Vorschlägen der dazu eingesetzten Expertengruppe und bekannte sich vor allem mit Nachdruck zur Trennung von MaßnahmenpatientInnen und Häftlingen des normalen Strafvollzugs. Als langfristiges Ziel kündigte er in diesem Zusammenhang die Schaffung von sozialtherapeutischen Zentren für die Betreuung der MaßnahmenpatientInnen an.

Volle Unterstützung des Ministers findet auch der Grundsatz der Regierungsvorlage des Jugendgerichtsgesetzes, bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Haft weitgehend durch alternative Maßnahmen zu ersetzen. Brandstetter teilte die positive Einstellung von SPÖ-Abgeordneter Katharina Kucharowits bezüglich der Sozialnetzkonferenzen und unterstrich, bisherige Erfahrungen in Modellversuchen hätten gezeigt, dass man sich damit auf dem richtigen Weg befindet. Über die Zukunft des Bewährungshilfevereins Neustart müsse man sich keine Sorgen machen, versicherte der Minister den Abgeordneten Nikolaus Scherak (N) und Albert Steinhauser (G). Wenn eine Finanzierung aus dem Budget nicht gelingt, werde man Rücklagen auflösen.

Von den Abgeordneten Eva-Maria Himmelbauer (V) und Walter Rosenkranz (F) auf Maßnahmen gegen die islamistische Radikalisierung in den Haftanstalten angesprochen, gab Brandstetter zu bedenken, es genüge nicht, bloß den Kontakt mit einem jeweiligen Vertreter der eigenen Religion zu ermöglichen. Auch die bloße Separierung von Häftlingen reiche nicht aus, es brauche vielmehr ein Bündel von Maßnahmen. Österreich stimme sich jedenfalls mit anderen Staaten ab und stütze sich auf im Ausland gemachte Erfahrungen, teilte der Minister unter Hinweis auf ein jüngst abgehaltenes Treffen in Brüssel mit.

Sammelklage: Brandstetter will sich an Best-Practice-Modellen orientieren

Bezüglich der Sammelklagen teilte Brandstetter die Einschätzung von SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim, wonach es notwendig sei, entsprechende Instrumentarien zu schaffen, um Rechtsverfahren mit einer großen Zahl von Geschädigten zu erleichtern. Der Regierungsentwurf aus dem Jahr 2007 sei dabei allerdings aus heutiger Sicht schon obsolet, gelte es doch auch, über neuartige Formen von Großverfahren nachzudenken und dabei auch Best-Practice-Modelle aus dem Ausland zu berücksichtigen. Die Ankündigung Brandstetters, zur Ausarbeitung von Regelungsvorschlägen eine Expertengruppe einzusetzen, war für die Regierungsparteien Anlass, einen Initiativantrag (1365/A) von Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser auf Einführung eines Gruppenverfahrens zur kollektiven Rechtsdurchsetzung zu vertagen.

Weitere Themen: Mietrecht, Würde am Ende des Lebens

Bei der Mietrechtsreform, die von den Abgeordneten Klaus Uwe Feichtinger (S) und Philipp Schrangl (F) aufs Tapet gebracht wurde, wartet Brandstetter nach wie vor auf eine Einigung zwischen den Bautensprechern der Regierungsparteien. Wenn es einen mehrheitsfähigen Vorschlag gibt, dann werde man diesen in gesetzliche Formen gießen. Brandstetter unterstrich schließlich auch einmal mehr seinen Standpunkt zu den Ergebnissen der Enquetekommission "Würde am Ende des Lebens" und meinte, Instrumente wie Patiententverfügung oder Vorsorgevollmacht hätten seine volle Sympathie. Vorsicht sei allerdings in Bezug auf eine Lockerung des strafrechtlichen Schutzes am Ende des Lebens geboten. Der Minister verwies in diesem Zusammenhang auf Erfahrungen aus dem Ausland und stellte gegenüber SPÖ-Mandatar Johannes Jarolim klar, für derartige strafrechtliche Liberalisierungen sei er nicht zu gewinnen.

EU-Harmonisierung bei Hypothekar- und Immobilienkrediten

Die Anpassung der österreichischen Bestimmungen an den Rechtsbestand der EU ist Gegenstand eines Hypothekar- und Immobilienkreditgesetzes (843 d.B.), das die Abgeordneten mit S-V-G-T-Mehrheit verabschiedeten. Die neuen Bestimmungen sehen nun vor allem Informationspflichten des Kreditgebers, eine verpflichtende Kreditwürdigkeitsprüfung sowie eine Bedenkzeit für den Verbraucher nach Abgabe der Vertragserklärung vor, orientieren sich dabei aber weitgehend an den geltenden innerstaatlichen Regelungen. Zudem erhält der Verbraucher nun eine Bedenkzeit von mindestens sieben Tagen nach Erhalt des Kreditangebots. Auch steht dem Verbraucher in Hinkunft ein Rücktrittsrecht zu, wenn er seine Vertragserklärung kurz nach Eingang der vorvertraglichen Informationen abgegeben hat.

Während Andreas Ottenschläger (V) von einer sinnvollen Anpassung im Sinne des Kreditnehmerschutzes und der Transparenz sprach, erachtete Harald Stefan von den Freiheitlichen das in der Novelle neu geschaffene Rücktrittsrecht als problematisch, zumal damit aus seiner Sicht ein Graubereich etwa für Treuhänder sowie Rechtsunsicherheit geschaffen werde. Das Rücktrittsrecht müsse so formuliert sein, dass nicht in Rechte Dritter eingegriffen wird, so sein Appell. Bedenken, die laut Ausschussobfrau Michaela Steinacker (V) bis zum Plenum erneut diskutiert werden sollen, um eine praktikable Lösung zu finden, wie sie meinte. Prinzipiell gegen neue Rücktrittsfristen wandte sich Johannes Jarolim (S). Georg Vetter (V) konnte keine möglichen Nachteile für Treuhänder erkennen. Der Justizminister signalisierte grundsätzliches Verständnis für die Bedenken der FPÖ, die Vorteile der Regelung würden dennoch überwiegen.

FPÖ fordert Beweislastumkehr bei Verfahren wegen Marktmissbrauchs

Eine Umkehr der Beweislast bei Verdacht des Marktmissbrauchs durch Energieversorgungsunternehmen sowie Unternehmen des Lebensmittel- und Mineralölsektors schlägt FPÖ-Abgeordneter Herbert Kickl in einem Entschließungsantrag (249/A(E)) vor und stützt sich dabei auch auf eine entsprechende Regierungsvorlage aus der vorangegangenen Gesetzgebungsperiode. Ziel der Initiative ist es dabei, sachlich nicht gerechtfertigte Preiserhöhungen durch marktbeherrschende Unternehmen zu verhindern. Aufgrund seltsamer Entwicklungen in der Preisgestaltung liege der Verdacht nahe, dass sich "monopolartige große Unternehmen" zu Lasten der EndverbraucherInnen und KonsumentInnen ein "Körberlgeld" verdienen, sagte Kickl. Es wäre auch nicht der erste Bereich, in dem die Beweislastumkehr eingeführt wird, wie er Johannes Jarolim (S), der den Vorschlag als rechtlich problematisch bewertete, sowie Werner Groiß (V), für den mit der Umkehrung der Beweislast in "Grundfeste der österreichischen Rechtslage" eingegriffen würde, entgegnete. Kritik äußerte Albert Steinhauser (G) gegenüber den Regierungsfraktionen. Es sei nicht nachvollziehbar, die Beweislastumkehr bereits vor Jahren in einen Ministerialentwurf zu gießen sowie erneut in das Regierungsübereinkommen einzubauen, das Vorhaben dann aber nicht umzusetzen. Der Antrag wurde schließlich mit Verweis auf die effiziente Arbeit der Bundeswettbewerbsbehörde vertagt.

Grüne wollen finanzielle Unabhängigkeit für den VKI

Zum Thema Konsumentenschutz lag den Abgeordneten ein Antrag der Grünen (1367/A(E)) vor, in dem Albert Steinhauser auf die finanziellen Probleme des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) verweist und eine Zweckbindung von Geldbußen aus Kartellverfahren an den Verein vorschlägt. Als besonders wichtig erachten es die Grünen, dass der VKI in Zukunft finanziell unabhängig ist. Ein Aspekt, für den sich auch Justizminister Brandstetter aussprach. Deswegen habe er sich bei der Budgeterstellung auch für Direktmittel für den VKI eingesetzt, wie er sagte. Der VKI soll gesichert bleiben, um Menschen auch weiterhin eine unentgeltliche Rechtsberatung sicherstellen zu können und einen vereinfachten Zugang zu ihrem Recht zu geben, wie Berivan Aslan (G) klar machte. Mit Verweis auf die geplante finanzielle Erhöhung von rund 2 Mio. € für den VKI im kommenden Budget wurde der Antrag vertagt. Christoph Hagen vom Team Stronach sah damit den finanziellen Fortbestand nicht gesichert.

NEOS wünschen mehr Tempo bei der Reform des Maßnahmenvollzugs

Druck hinsichtlich einer Reform des Maßnahmenvollzugs machen die NEOS, wobei sie in einem Entschließungsantrag (893/A(E)) vor allem darauf drängen, die Vorschläge der diesbezüglichen Expertenkommission zu berücksichtigen. Wichtig ist für die NEOS jedenfalls die Einbindung des Gesundheitsministeriums, eine Verankerung von Qualitätsstandards sowie eine strengere Trennung von Häftlingen und im Maßnahmenvollzug untergebrachten Personen. Die Initiative wurde unter Hinweis der gestern von Brandstetter vorgestellten Maßnahmen zur Reform des Straf- und Maßnahmenvollzugs vertagt.

NEOS gegen Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung

Auf Basis eines Entschließungsantrags (956/A(E)) deponierte NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak das Nein seiner Fraktion zu einer Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung im Justizausschuss, zeigte sich aber gesprächsbereit in Bezug auf eine grundrechtskonforme Nachfolgeregelung. In Frage kommt für die NEOS dabei das so genannte Quick-Freeze-Modell, das die Datenspeicherung anlässlich eines konkreten Verdachts zulässt, den Abruf aber nur nach richterlicher Überprüfung gestattet. Die Oppositionspartei schlug nun in einer Initiative (664/A(E)) vor, diese Variante hinsichtlich ihrer Grundrechtskonformität von ExpertInnen prüfen zu lassen. Schließlich wurden auch diese beiden Anträge vertagt. Es gebe hier noch großen Diskussionsbedarf, wie Eva-Maria Himmelbauer für die ÖVP sagte. (Schluss) hof/keg