Parlamentskorrespondenz Nr. 1335 vom 26.11.2015

Schelling im Finale der Budgetdebatte für mehr Mut bei Reformen

Minister will Reformtempo steigern, Opposition bleibt kritisch

Wien (PK) - Bevor der Nationalrat den Budgetentwurf 2016 beschloss, erklärte Finanzminister Hans Jörg Schelling den Abgeordneten die insgesamt acht Budget-Untergliederungen seines Ressorts (UG 15,16,23,44,45,46,51,58). In der Debatte darüber wurde das weitgespannte Aufgabenspektrum des Finanzministers deutlich, es reicht von der Organisation der Steuerbehörden und der Zollverwaltung über die Finanzierung der Staatsaufgaben, das Finanzschuldenmanagement und den Finanzausgleich bis zur Stabilisierung des heimischen und europäischen Finanzmarkts.

Zunächst aber die Eckdaten im Budget des Finanzressorts für 2016: Die größten Auszahlungsbeträge sind 2016 mit 9,37 Mrd. € (2015: 9,29 Mrd. €) bei den Pensionen der BeamtInnen, mit 5,62 Mrd. € bei Finanzierungen und Währungstauschverträgen (2015: 6,56 Mrd. €), mit 1,17 Mrd. € bei der Finanzverwaltung (2015: 1,16 Mrd. €), mit 1,04 Mrd. € bei der Verwaltung des Bundesvermögens (2015: 1,02 Mrd. €), mit 772 Mio. € bei der Umsetzung des Bankenpakets (2015: 431 Mio. €) und mit 976 Mio. € beim Finanzausgleich (2015: 988,671 Mio. €) budgetiert.

An Einzahlungen erwartet der Finanzminister im Jahr 2016 49,38 Mrd. € aus öffentlichen Abgaben (2015: 49,2 Mrd. €), 2,26 Mrd. € aus Pensionsbeiträgen der BeamtInnen (2015: 2,3 Mrd.), 1,28 Mrd. € aus der Verwaltung des Bundesvermögens (2015: 1,11 Mrd. €), 1,41 Mrd. € aus der Kassenverwaltung (2015: 1,43 Mrd. €) und 2,04 Mio. € beim Bankenpaket (2015: 112,148 Mio. €).

FPÖ fordert Negativsteuer für Ausgleichzulagenbezieher

Als Contraredner eröffnete Hubert Fuchs von der FPÖ die Diskussion mit Klagen über Milliardenverluste bei Steuereinnahmen durch den Karussell-Betrug bei der Umsatzsteuer in der EU und verlangt die Einführung des Reverse-Charge-Systems. Da die EU dies bislang ablehne, sollte Österreich das System einführen und die Mehreinnahmen von 500 Mio. € für die Förderung kleiner Unternehmen einsetzen. Bei der Steuerreform würden kleine Einkommen und Frauen zu wenig und Ausgleichszulagenbezieher gar nicht entlastet, kritisiert Fuchs und drängte darauf, das Steuerrecht zu vereinfachen, das durch die Einführung der Registrierkassenpflicht noch komplizierter geworden sei. Mit zwei Entschließungsanträgen forderte Fuchs Maßnahmen gegen die Kalte Progression und eine Negativsteuer für Ausgleichszulagenbezieher. Fraktionskollege Gerald Hauser (F) kritisierte den abgestuften Bevölkerungsschlüssel im Finanzausgleich als ungerecht und forderte angesichts explodierender Kosten bei den Gemeinden bei Mindestsicherung, Schulerhaltung und Wasserversorgung einen gerechten Finanzausgleich zur Stärkung des ländlichen Raumes.

Für die FPÖ machte Josef Riemer weiters darauf aufmerksam, dass Spenden für den Tierschutz derzeit nur sehr eingeschränkt möglich seien. Daher schlug er in einem Entschließungsantrag eine umfassendere steuerliche Absetzbarkeit von Spenden für Tierschutzvereine vor. Fraktionskollege Roman Haider beantragte bei der Einführung der elektronischen Registrierkassen eine Entschärfung durch eine Umsatzfreigrenze von 30.000 € und eine höhere Barumsatzgrenze von 15.000 €. Dieses Anliegen entspreche wortgleich einem ÖVP-Antrag im Niederösterreichischen Landtag, sagte FPÖ-Mandatar Walter Rosenkranz und warb um Zustimmung der Volkspartei, was Johann Rädler (V) für seine Partei zurückwies. 

ÖVP nimmt Reformappell Schellings bei den Pensionen ernst

Andreas Zakostelsky führte die Reihe der ÖVP-Redner an und rief eingangs dazu auf, das Wort Reform bei den Pensionen ernst zu nehmen. Das enorme Ausmaß der Staatsschulden und das Defizit 2016 seien nicht erfreulich, im Rahmen seiner Möglichkeiten und angesichts der Flüchtlingskosten habe der Finanzminister aber ein sehr respektables Budget vorgelegt, sagte der Redner. Gemessen an den Maastricht-Kriterien verbessere sich 2016 das Budget gegenüber 2015, die Staatsschuldenquote sinke, das strukturelle Nulldefizit werde erreicht und die Wirtschaft wachse um 1,4%. Ziel der kommenden Jahre müsse ein echtes Nulldefizit sein, um kommenden Generationen einen gesunden Haushalt zu übergeben. ÖVP-Abgeordneter Jakob Auer warnte vor den falschen Prophezeiungen Bruno Rossmanns, die sich noch bei jedem Budget als falsch herausgestellt hätten. Vermögenssteuern seien abzulehnen, weil sie leistungsbereite Menschen bestraften. Beim Finanzausgleich warnte Auer vor Benachteiligung kleiner Gemeinden durch Beibehaltung ungleicher Einwohnerwerte - Jahrzehnte nach dem Krieg habe der ungleiche Bevölkerungsschlüssel keine Berechtigung mehr.

Es sei notwendig, "Bewegung in die Wirtschaft zu bringen", sagte Hermann Schultes (V), der eine diesbezügliche Diskussion der Aufgabenverteilung im Zuge der Finanzausgleichsverhandlungen begrüßte. Über die Wirkungsziele beim Finanzausgleich sprach Werner Groiß (V) und unterstrich die Bedeutung eines gerechten Finanzausgleichs bei der Entwicklung des ländlichen Raums. Gabriele Tamandl (V) ging am Ende der Budgetdebatte noch einmal auf die Steuerreform ein und betonte die damit erreichte Steuerentlastung von mehr als 5 Mrd. €, wobei sie die Einkommensteuersenkung und die Erhöhung der Negativsteuer erwähnte. Dazu komme die Senkung der Lohnnebenkosten und die Förderung älterer ArbeitnehmerInnen.

Grüne: Setzten wir dem Steuerdumping in Europa ein Ende

Für die Grünen klagte Bruno Rossmann über verpasste Chancen zur Einführung einer Vermögensbesteuerung und vermisste Maßnahmen zugunsten von Frauen, Bildung und Wissenschaft. Budgetrisiken sah Rossmann bei den Banken und bei der Gegenfinanzierung der Steuerreform. Ob die Betrugsbekämpfung tatsächlich 1,9 Mrd. € bringe, sei die zentrale Frage. Zusätzliche Sozialkürzungen zur Erreichung der Budgetziele 2016 lehnt Rossmann jedenfalls ab, weil dies negative Konjunktureffekte nach sich ziehen würde. Rossmanns Vorschlag lautet auf Besteuerung von Vermögen und einmal mehr plädiert er für eine aufkommensneutrale ökosoziale Steuerreform. Dieses Konzept der Grünen, das die Regierung bislang ignoriert habe, brachte Rossmann neuerlich als Entschließungsantrag ein und warb insbesondere mit dem Hinweis dafür, dass es die Lohnnebenkosten deutlich stärker senke als die Regierung. Schließlich kritisierte der Grüne Budgetsprecher, dass Großkonzerne Steuern im Milliardenausmaß - nach wie vor legal – vermeiden können. Dabei erinnerte Rossmann an Entschließungen des Nationalrats zum Thema Körperschaftssteuer und Mindeststeuersätze. "Setzten wir dem Steuerdumping in Europa ein Ende!", sagte Rossmann. Sein Fraktionskollege Werner Kogler (G) befasste sich mit dem Green Climate Fund und verlangte in einem Entschließungsantrag, den Fonds um ein Vielfaches aufzustocken. Damit in Paris ein globaler Klimavertrag beschlossen werden könne, müsse noch vor der Klimakonferenz ein angemessener Beitrag Österreichs festgelegt werden. Umwelt, Bildung und globale Gerechtigkeit mahnte Werner Kogler in der Budgetpolitik ein.

Fünf Gründe der SPÖ für das Budget 2016  

Als Erstredner der SPÖ lobte Franz Kirchgatterer – einvernehmlich mit Finanzminister Hans Jörg Schelling, Ausschussobfrau Gabriele Tamandl und seinem Fraktionskollegen Jan Krainer - die sachliche, engagierte und spannende Budgetdebatte im Ausschuss und im Plenum. Die große politische Herausforderung sah Kirchgatterer im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und begrüßte den großen Beitrag, den die Steuerreform dazu leiste. Kirchgatterer bekannte sich zu einem aufgabenorientierten Finanzausgleich sowie zur Erledigung öffentlicher Aufgaben von jener Gebietskörperschaft, wo dies am sinnvollsten sei. Zu beklagen sei die große Abhängigkeit der Städte und Gemeinden von den Ländern. Dem Budget 2016 attestierte Hermann Lipitsch (S) "Augenmaß" und signalisierte Zuversicht für eine planmäßige Umsetzung. Die Steuerreform bringe den österreichischen BürgerInnen "mehr netto im Geldbörsel", lobte auch Hannes Fazekas (S), der sich dafür aussprach, den rund 2.700 Zielpunkt-MitarbeiterInnen rasch und unkompliziert zu helfen. Petra Bayr (S) thematisierte das Ziel, 0,7% des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden. Kai Jan Krainer nannte als letzter Redner der SPÖ fünf gute Gründe, das vorliegende Budget 2016 zu beschließen: Senkung der Steuern auf Arbeit, höhere Beiträge von Kapital und Vermögen, eine sinkende Staatsschuldenquote, Investitionen in Arbeitsplätze, Forschung und Entwicklung sowie mehr Beschäftigung im kommenden Jahr.    

NEOS-Kritik am "Privilegienstadel" Pensionssystem  

Für die NEOS ortete Claudia Gamon einen "Privilegienstadl" im Pensionssystem und Ungerechtigkeiten bei den Beamtenpensionen, die im Durchschnitt über der ASVG-Höchstpension liegen. Gamon kritisierte auch den Missbrauchs der Dienstunfähigkeitspension, um missliebige Beamte vorzeitig in Pension zu schicken. In einem Entschließungsantrag verlangte die Rednerin, die Grenze für Sonderpensionsbeiträge nicht an der – zuletzt erhöhten - ASVG-Höchstpension zu bemessen und bei der Pensionsreform dafür zu sorgen, dass alle PensionistInnen einen Beitrag leisten. Fraktionskollege Rainer Hable lenkte die Aufmerksamkeit auf die Abwicklung von HBI und HETA und kritisierte die gegenüber dem Vorjahr um 200 Mio. € höhere Vorsorge für notleidende Banken. Außerdem verlangte Hable Informationen vom Finanzminister über Malversationen bei der HETA, die zulasten der SteuerzahlerInnen gingen.

Team Stronach empfiehlt Schelling mehr Mut gegenüber den Ländern

Kritisch betrachtete hingegen Robert Lugar (T) den Budgetentwurf, der Reformen vermissen lasse. Problematisch sah der Redner die Länder und appellierte an die Unabhängigkeit und den Mut von Finanzminister Schelling, gegen diese vorzugehen und bei den Finanzausgleichsverhandlungen klare Grenzen zu setzen. Als einen ersten Schritt in Richtung Veränderung schlug Lugar vor, die Budgetwochen im Parlament abzukürzen. Leopold Steinbichler appellierte an die Regierungspartien, die Vorschläge der Opposition künftig ernster zu nehmen. Steinbichlers besonders Anliegen war die Wiedereinführung des "Agrardiesels" zu Unterstützung der BäuerInnne im europäischen Wettbewerb. 

Schelling für straffen Budgetvollzug 2016 und höheres Reformtempo  

Finanzminister Hans Jörg Schelling erinnerte beim Thema Karussell-Betrug an das Angebot Österreichs, sich für einen Reverse-Charge-Pilotversuch zur Verfügung zu stellen. Die EU-Kommission werde aber wahrscheinlich einen anderen Vorschlag unterbreiten. Im Alleingang könne Österreich das Reverse-Charge-System aus rechtlichen Gründen jedenfalls nicht einführen, sagte Schelling. Über eine notwendigerweise einvernehmlich Lösung bei der Harmonisierung der Bemessungsgrundlage für die Körperschaftssteuer verhandle die EU intensiv, berichtete Schelling und wies "selektive Wahrnehmungen" Bruno Rossmanns bei den Budgetrisiken mit Hinweis darauf zurück, dass die EU-Kommission dies anders sehe und keine zusätzlichen Budgetmaßnahmen verlange. Die Steuerreform verwässere die Beiträge für Sonderpensionen nicht, rechnete der Finanzminister den NEOS vor und machte darauf aufmerksam, dass sich die Einnahmen im Budget auf mehrere Untergliederungen verteilten. Schelling kündigte einen straffen Vollzug des konservativ berechneten Budgets an, was gewährleiste, dass die Budgetziele erreicht werden. Bei der methodisch problematischen Berechnung des strukturellen Defizits werde die EU-Kommission 2016 ebenso irren wie bereits 2014 und 2015. Er setze sich für Klarstellung bei der Berechnung des strukturellen Defizits in der EU ein, teilte Finanzminister Schelling mit und trat im Übrigen für mehr Mut und mehr Tempo bei Reformen in den künftigen Jahren ein. (Fortsetzung Nationalrat) fru/gro