Parlamentskorrespondenz Nr. 143 vom 22.02.2016

Was plant die Europäische Union im Jahr 2016?

Wachstum und Beschäftigung im Fokus der EU-Finanzpolitik

Wien (PK) – "Jetzt ist nicht die Zeit für Business as usual" schreibt die EU-Kommission und stellt angesichts "inakzeptabel" hoher Arbeitslosigkeit in Europa gemeinsam mit der niederländischen und der slowakischen Ratspräsidentschaften im Arbeitsprogramm für 2016 die Förderung von Wachstum und Beschäftigung in den Mittelpunkt aktueller europäischer Politik. Rasche Umsetzung der Investitionsoffensive für Europa, Verbesserung des Investitionsumfelds und Stärkung des Binnenmarkts heißt es aus Brüssel. Auch die Halbzeitüberprüfung des Mehrjährigen Finanzrahmens bis 2020 soll den Einsatz europäischer Finanzmittel auf Wachstum und Beschäftigung ausrichten, steht in der EU-Jahresvorschau für 2016 zu lesen (III-246 d.B. und III-583-BR/2016 d.B. ). Außerdem planen die höchsten EU-Organe weitere Fortschritte auf dem Weg zur Banken- und Kapitalmarktunion sowie bei der Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion, bei der Zusammenarbeit in Steuerfragen und eine stärkere Vertretung gemeinsamer europäischer Interessen im internationalen System. Eine Einigung über das wichtige Thema Finanztransaktionssteuer soll bis Ende Juni 2016 gefunden werden.

Förderung von Wachstum und Beschäftigung

Zunächst die wirtschaftlichen Aussichten: Die EU-Kommission sagt der Union eine schrittweise Erholung der Wirtschaft in den kommenden Jahren voraus. Niedrige Rohstoffpreise und Zinsen sowie ein günstiger Euro-Wechselkurs beeinflussen Exporte und Privatkonsum positiv. Die Euro-Zone kann 2016 mit einem realen Wachstum von 1,7% und 2017 mit einem BIP-Plus von 1,9% rechnen. Die EU-Wirtschaft insgesamt wächst 2016 mit 1,9% und 2017 mit 2%, prognostiziert die Kommission. Das nominelle Defizit in der Euro-Zone wird 2016 auf 1,9% und 2017 auf 1,6% und in der EU auf 2,2% und 1,8% des BIP sinken. Die Gesamtverschuldung wird 2016 in der Eurozone auf 92,7% und 2017 auf 91,3% des BIP zurückgehen und in der EU auf 86,9% und 2017 auf 85,7%. Schulden und wirtschaftliche Unsicherheiten dämpfen aber weiterhin die Investitionen. Banken stehen weiterhin unter Druck und sehen sich wegen notleidender Kredite in ihrer Kreditvergabe beeinträchtigt. Dazu kommen ein nur langsames Wachstum der Schwellenstaaten und geopolitische Spannungen, was den internationalen Handel schwächt. Die Arbeitslosigkeit sinkt zwar, ist aber inakzeptabel hoch, stellt die Kommission fest.

Die Rezepte der EU-Kommission lauten auf verantwortungsvolle Budgetpolitik, wachstumsfördernde Reformen und Investitionen. Sie will die steuerliche Entlastung der Arbeit und den Kampf gegen aggressive Steuerplanung, Steuerbetrug und Steuerumgehung fortsetzen sich um eine bessere Tragfähigkeit der Pensions-, Gesundheits- und Pflegesysteme bemühen. Am Arbeitsmarkt sollen "Sicherheit" und "Flexibilität" besser miteinander verknüpft werden. Das Umfeld für Unternehmer und die Konvergenz zwischen Mitgliedstaaten soll besser werden. Die EU-Investitionsoffensive soll rasch umgesetzt, Finanzierungen in der Realwirtschaft erleichtert und das Humankapital gestärkt werden. Länder der Euro-Zone sollen die wirtschaftliche Erholung unterstützen und makroökonomische Ungleichgewichte korrigieren. Staaten mit Leistungsbilanzüberschüssen sollen die Inlandsnachfrage stärken und ihr Wachstumspotential realisieren, Länder mit hohen Schulden hingegen Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit stärken.

Fortschritte auf dem Weg zur Banken- und Kapitalmarktunion

Beschlossen wurde die Bankenunion 2012, um die Abhängigkeit zwischen Banken und Staat zu durchbrechen. Sie regelt Eigenkapital, Anlegerschutz sowie Sanierung- und Abwicklung maroder Banken in der EU und enthält zusätzliche Bestimmungen für Euro-Staaten und andere Teilnehmer an der Bankenunion: Einheitliche Europäische Aufsicht, Einheitlicher Abwicklungsmechanismus samt zwischenstaatlichem Abwicklungsfonds. In der Bankenunion werden Anteilseigner und Gläubiger von Banken an den Kosten von Sanierungen oder –abwicklungen beteiligt, damit Bankenprobleme in Zukunft weniger negative Auswirkungen auf Staaten haben. Dazu schlägt die Kommission eine Europäische Einlagensicherung und den Aufbau eines von Banken zu dotierenden kostenneutralen Europäischen Einlagensicherungsfonds vor. Die niederländische Präsidentschaft möchte bei der europäischen Einlagensicherung Fortschritte erzielen, die Risiken im Bankensektor weiter verringern und gleiche Wettbewerbsbedingungen für Banken sicherstellen.

Eine Kapitalmarktunion soll – so der Wunsch der EU-Kommission - die traditionelle Finanzierung von Unternehmen durch Banken ergänzen und stärken und der Fragmentierung des europäischen Finanzmarktes entgegenwirken. Vor allem die Kapitalbeschaffung von KMU und Start-ups soll leichter werden. Wiederbelebung der Verbriefungsmärkte, Überarbeitung der ProspektrichtlinieFörderung von Eigen- und Risikokapital, Crowdfunding oder Privatplatzierungen sowie die Überwindung von Hindernissen grenzüberschreitender Investitionen heißen die Projekte. Konkret will die niederländische Präsidentschaft mit dem EU-Parlament über eine Verordnung mit gemeinsamen Vorschriften für Verbriefungen und eine Änderung der Verordnung über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen verhandeln. Über eine Änderung der Prospektrichtlinie, ein Trennbankensystem, eine Bankenreform-Verordnung und über eine Richtlinie für die betriebliche Altersversorgung und über eine Verordnung zur Erhöhung der Liquidität von Geldmarktfonds wird bereits verhandelt. Zum Thema Sicherheit liegen Vorschläge für einen Aktionsplan zum Aufspüren von Terroristen an Hand von Finanztransaktionen, insbesondere aus Hochrisikoländern, für ein Bank- und Zahlungskonten-Register sowie Maßnahmen zur Sicherung von virtuellen Währungen und Prepaid-Karten sowie zur Verschärfungen der Geldwäsche-Richtlinie vor.

Vertiefte Zusammenarbeit bei Steuerfragen

Für den Kampf gegen den Mehrwertsteuerbetrug wird die Kommission 2016 einen Aktionsplan vorlegen, über den die niederländische Präsidentschaft einen Meinungsaustausch starten will. Auf der Agenda von Kommission und Ratsvorsitz stehen auch Initiativen zu Steuersätzen, zum elektronischen Geschäftsverkehr, der Kampf gegen Steuervermeidung durch Unternehmen, mehr Transparenz und Mindestbesteuerungsstandards. Beim Thema Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage wird auf die Umsetzung des von der OECD vorgeschlagenen Aktionsplans zur Bekämpfung der Gewinn- und Gewinnverlagerung (Base Erosion and Profit Shifting - BEPS) hingewiesen. Die Kommission will sicherstellen, dass Unternehmen ihre Steuern dort bezahlen, wo sie ihre Gewinne erwirtschaften und für Steuertransparenz sorgen. Daher soll die Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden geändert und ein automatischer Informationsaustausch eingeführt werden. Bis Sommer 2016 plant die Kommission, einen Aktionsplan für ein einfacheres, robusteren und weniger betrugsanfälliges Mehrwertsteuersystem auszuarbeiten. Eine der Optionen ist die Umkehrung der Steuerschuld (Reverse Charge Verfahren).

Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion im Jahr 2025

Im Sommer 2016 werden ExpertInnen mit der Arbeit an einem Weißbuch für die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion in zwei Phasen beginnen. Kurzfristig sollen bestehende Regeln verbessert und mittel- bis längerfristig auch Verträge zur Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion ab 2025 geändert werden. Bereits Mitte 2017 soll das Weißbuch vorliegen. Konkret schlägt die Kommission Verbesserungen beim Europäischen Semester und beim Verfahren wegen makroökonomischer Ungleichgewichte, die Errichtung nationaler Wettbewerbsfähigkeitsräte und eines beratenden Europäischen Fiskalrates sowie eine einheitlichere Vertretung des Euro-Raums bei internationalen Einrichtungen vor. Ein Europäischer Fiskalrat soll die nationalen Fiskalräte koordinieren und die Kommission im EU-Semester beraten.

Stärkung der EU-Außenvertretung

Die internationale Rolle Europas soll gestärkt, die Kohärenz ihrer Außenpolitik verbessert und multilaterale Institutionen bei der Bewältigung globaler Konflikte unterstützt werden. In Partnerstaaten der EU sollen politische und wirtschaftliche Reformen, der Aufbau funktionierender Institutionen und die Beitrittsperspektive der Kandidatenländer gestärkt werden. Kommission und Rat wollen die Globalisierung durch eine aktive Handelspolitik sozial- und umweltverträglich nutzen und die Klimapolitik durch Umsetzung des Energie- und Klimapakets 2030 unterstützen.  

Auf internationaler Ebene stehen für Euro-Gruppe und ECOFIN-Rat die Arbeiten in G-20, G-7 und IWF im Vordergrund. Die Hauptthemen von G-20 und G-7 heißen 2016 wirtschaftliche Entwicklung, Wachstumsstrategien, internationale Finanzarchitektur und Reform der Finanzmärkte. Die G20-Wachstumsstrategien sollen durch Halbzeitüberprüfungen, Leitlinien für Reformen und die Aufnahme nationaler Investitionsstrategien gestärkt werden. Zur Verbesserung des Investitionsumfeldes plant China die Erstellung eines Aktionsplans. In der internationalen Finanzarchitektur soll das Risiko durch volatile Kapitalströme verringert, ein globales Finanzsicherheitsnetz eingerichtet und die Schuldentragfähigkeit verbessert werden. Dazu kommt die nächste IWF-Quotenreform, die Erarbeitung von Koordinationsmechanismen für grenzüberschreitende Bankenabwicklungen, die Finalisierung der Eigenkapitalvorschriften für globale systemrelevante Versicherungen sowie die Weiterführung der Arbeiten im Bereich "Schattenbanken".

Mehr Stabilität für Europa

Auf ihren Weg aus der globalen Finanzkrise hat die EU acht Krisenstaaten unterstützt, ihre makrofinanzielle Stabilität erhöht und die Voraussetzungen für Wachstum und Beschäftigung verbessert. Krisenvorsorge, wirtschaftliche Governance und Finanzmarktaufsicht wurden reformiert, makroökonomische Ungleichgewichte verringert und das Vertrauen in die gemeinsame Währung wiederhergestellt. Die Hilfsprogramme für Spanien, Portugal und Irland wurden erfolgreich abgeschlossen. Diese Länder erwarten 2016 und 2017 eine relativ günstige Wirtschaftsentwicklung, Irlands Wachstum etwa liegt deutlich über dem Durchschnitt der Euro-Zone und das Rückzahlungsrisiko wird in diesen Ländern als sehr gering eingeschätzt. Auch Zypern setzt sein Programm bisher planmäßig um und verhandelt derzeit über die Auszahlung der letzten Tranche aus dem ESM. In Griechenland wird aufgrund der Ergebnisse der ersten Prüfmission zum neuen, dritten Hilfspaket über die weitere Programmumsetzung entschieden werden. In 18 Mitgliedstaaten, darunter Österreich, führt die EU eine makroökonomische Tiefenanalyse durch, Ergebnisse werden demnächst vorliegen. In Österreich geht es vor allem um das Exposure heimischer Banken in Osteuropa. (Schluss) fru