Parlamentskorrespondenz Nr. 758 vom 28.06.2016

Brandstetter: Gerichtsgebühren nach Möglichkeit senken

Justizausschuss: Opposition thematisiert Gebühren, Sexualstrafrecht, Hassdelikte, Richterausbildung, Gerichtsgutachten

Wien (PK) – Wenn sozial Schwächere durch Gerichtsgebühren belastet werden, sei dies besonders ärgerlich, so Justizminister Wolfgang Brandstetter in der heutigen Sitzung des Justizausschusses . Das Justizressort habe daher im Rahmen des Möglichen, konkret im Familienrecht, Gebührensenkungen vorgenommen; weitergehende Erleichterungen würden vom Finanzministerium abhängen. Allerdings sehe sich die Justiz vom Strafvollzug bis zum Opferschutz mit stetig wachsenden Aufwendungen konfrontiert. Der Ressortchef reagierte damit auf eine Reihe von Entschließungsanträgen, in denen die NEOS ihre Kritik an der Höhe der Gerichtsgebühren zum Ausdruck brachten.

Ein breit gefächertes Themenspektrum sprach die Opposition in weiteren Initiativen an, die dem Ausschuss zur Beratung vorlagen, bei der Abstimmung aber durchwegs vertagt bzw. abgelehnt wurden. So forderten die Freiheitlichen einen besseren Schutz der Kinder vor sexuellem Missbrauch und erneuerten ihren Ruf nach einem Tätigkeitsverbot in Schule, Ausbildung und Betreuung für einschlägig vorbestrafte Sexualtäter. Detailliertere Informationen über Hassdelikte wollen die Grünen, die zudem in einem weiteren Antrag auf stringentere Regelungen für Gerichtssachverständige drängten. Das Team Stronach wiederum trat für eine obligatorische praktische Ausbildung von RichterInnen und StaatsanwältInnen bei der Exekutive ein.

NEOS: Die Gerichtsgebühren sind zu hoch

Österreich habe EU-weit die höchste Gebührenbelastung, stellte Nikolaus Scherak (N) fest und gab damit den Anstoß zu einer Debatte über die Höhe der heimischen Gerichtsgebühren. Zum einen verlangte der Justizsprecher der NEOS die Abschaffung der Gebühren für den Abschluss von Rechtsgeschäften wie Miet- und Kaufverträgen (1777/A), die seiner Einschätzung nach eine finanziell hohe Belastung darstellen und überdies Wettbewerbs- und Standortnachteile nach sich ziehen. Als in einem modernen Rechtsstaat nicht mehr nachvollziehbar lehnte er zudem die Gebühr für die Errichtung von Eheverträgen ab. In einer weiteren Initiative (1779/A(E)) drängt Scherak auf die Deckelung der Gerichtsgebühren auf ein, wie er sagt, sozial verträgliches und dem internationalem Wettbewerb Rechnung tragendes Ausmaß. Inhaltlich erhielten die NEOS Zustimmung von allen Fraktionen, zumal die Gebühren bei Gericht über den tatsächlichen Aufwand hinausgingen, wie Albert Steinhauser (G) sagte, und abhängig von der jeweiligen Bemessungsgrundlage oft unabsehbar seien, so Harald Stefan (F).

Peter Wittmann (S) meinte überhaupt, Gewinne aus Gerichtsgebühren seien verfassungsrechtlich bedenklich, vor allem wenn sie nicht im Justizbereich zum Einsatz kommen, sondern in das allgemeine Budget fließen. Sein Parteikollege Johannes Jarolim führte als Argument für die Gebührensenkung noch das internationale Schiedsgerichtswesen an. Aufgrund der heimischen Gebühren würden Schiedsverfahren häufig an anderen Orten als Wien abgehalten. Einer stufenweisen Senkung der Gebühren, wie von Scherak vorgeschlagen, konnten die Regierungsfraktionen einiges abgewinnen – wiewohl das Justizministerium in gewissen Bereichen, etwa Verfahren mit Minderjährigen, Friedrich Ofenauer (V) zufolge schon eine sozial verträgliche Gebührenpolitik fährt. SPÖ und ÖVP vertagten aber das Anliegen, vor allem wegen der Zuständigkeit des Finanzministers, und gegen den Protest von Team Stronach-Mandatar Christoph Hagen, der für eine Zuweisung des Antrags zum Finanzausschuss plädierte.

FPÖ: Besserer Schutz von Kindern gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch

Die Freiheitlichen wollen Kinder besser gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch schützen und schlagen ein Kinderschutzgesetz (1031/A(E)) vor. Demnach soll eine Anhebung des Strafrahmens für Sexualdelikte sowie ein Verbot von Hafterleichterungen und vorzeitigen Entlassungen und bedingter Strafen für verurteilte Sexualtäter enthalten. Verlangt wird weiters eine unbedingte Anzeigepflicht für Personen, die beruflich mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, bei begründetem Verdacht eines sexuellen Missbrauchs. Komplettiert wird der Forderungskatalog durch einen Vorstoß (1397/A) Harald Stefans (F) in Richtung eines lebenslangen Tätigkeitsverbots im Rahmen von Erziehung, Ausbildung und Beaufsichtigung für einschlägig verurteilte Sexualtäter. Kein Verständnis hat der FPÖ-Justizsprecher für eine Regelung im Strafgesetzbuch, die für verurteilte Sexualtäter ein Tätigkeitsverbot von einem bis zu fünf Jahren vorsieht, wenn die sexuellen Übergriffe bloß leichte Folgen haben. Eine Differenzierung des Schweregrads bei Sexualvergehen gegenüber Minderjährigen sei äußerst problematisch. Schließlich urgiert die FPÖ in einer weiteren Initiative (1032/A(E)) eine Studie über Rückfallsquoten und Resozialisierung von Sexualtätern. Sowohl Christoph Hagen (T) als auch Albert Steinhauser (G) hießen diesen Vorschlag grundsätzlich gut, jedoch führte der Grüne Justizsprecher ins Treffen, die hohe Dunkelziffer bei Sexualstraftaten – bis zu 85% würden nie angezeigt - werde in der gesamten Diskussion viel zu wenig thematisiert. Nur mit einer öffentlichen Sensibilisierung kämen mehr Opfer zu ihrem Recht. 

Ähnlich argumentierten Elisabeth Grossmann (S) und Berivan Aygül Aslan (G), denen die Prävention ein großes Anliegen ist. Konkret wünschen sie sich ein verstärktes Einbeziehen des Umfelds der betroffenen Kinder und entsprechende Schulungen, vor allem der PädagogInnen, aber auch bei Polizei, Justiz und im medizinischen Feld. Zum FPÖ-Eintreten für ein Berufsverbot verurteilter Sexualtäter in bestimmten Bereichen meinte Grossmann, viele pädagogische Berufe würden die Vorlage eines Strafregisterauszugs voraussetzen. An die letzte Strafrechtsnovelle erinnerte Beatrix Karl (V), als sie auf die angehobene Strafdrohung inklusiver längerer Verjährungsfrist einging. Mit der Aussicht auf eine BMJ-Zusammenfassung der Studien über Rückfallstäter empfahl Karl die Vertagung der Anträge, worin ihr SPÖ und ÖVP folgten.

Grüne mahnen detaillierte Informationen über Hassdelikte ein…

Die Zunahme der Zahl von Hassdelikten im Internet nahm Grünen-Abgeordnete Alev Korun zum Anlass für ihre Forderung (539/A(E)) nach einer Aufschlüsselung dieser Delikte als separate Kategorie im jährlichen Sicherheitsbericht, wobei sie argumentierte, derzeit würde es diesbezüglich keinerlei aussagekräftige Daten geben. Grundsätzliche Sympathie für die Intention der Initiative äußerten die Abgeordneten Eva Maria Himmelbauer (V) und Johannes Jarolim (S), die sich aber dafür aussprachen, noch bis zum Herbst über die technische Aufarbeitung der Daten nachzudenken, worauf der Ausschuss mehrheitlich auf Vertagung entschied.

Hassdelikte in all ihren Facetten müssen im Auge behalten werden, mahnte auch Justizminister Wolfgang Brandstetter, der das Anliegen der Grünen ebenfalls als legitim bezeichnete. Eine statistische Ausweisung einzelner Erschwernisgründe, wie dies im Antrag verlangt wird, könnte aber zu übermäßig hohem bürokratischen Aufwand führen und Staatsanwaltschaften und Gerichte überfrachten.

…und mehr Qualität bei Gerichtsgutachten

Außerdem unzufrieden zeigen sich die Grünen mit der faktischen Position von Unfallopfern in Gerichtsverfahren, wobei Albert Steinhauser mit seiner Kritik bei den Sachverständigen ansetzt. In einem Entschließungsantrag (1691/A(E)) schlägt der Justizsprecher die Schaffung einer unabhängigen Kontrolleinrichtung zur fachlichen Überprüfung von Sachverständigengutachten sowie die Verbesserung der Ausbildung und Zertifizierung von Gerichtsgutachtern nach internationalen Qualitätsstandards vor. Tatsächlich stelle die Steigerung der Zufriedenheit in die Sachverständigentätigkeit einen wichtigen Faktor für das Vertrauen in die Justiz dar, räumte Justizminister Brandstetter ein. Sein Ressort setze sich daher für eine Indexierung der Gutachterhonorare ein, man führe derzeit Gespräche darüber mit der Ärztekammer. Ähnlich wie Abgeordnete Michaela Steinacker (V) fand Brandestetter aber wenig Gefallen an dem Gedanken, eine neue Institution zur Qualitätssicherung ins Leben zu rufen; besser sei es, bestehende Stellen zu nutzen. Der Antrag wurde mit SPÖ-ÖVP-Mehrheit vertagt.

Team Stronach: RichterInnen und StaatsanwältInnen brauchen Praxiserfahrung bei der Exekutive

Christoph Hagen (T) will angehende RicherInnen und StaatsanwältInnen dazu verpflichten, einen Teil ihrer Ausbildungszeit auch bei der Exekutive zu absolvieren (1422/A(E)). Derzeit hätten Gerichte und Staatsanwaltschaften nur wenig Bezug zur Polizei, was nach Ansicht des Team Stronach-Justizsprechers dazu führt, dass Gerichtsurteile und staatsanwaltschaftliche Entscheidungen oft sowohl von der Bevölkerung als auch von den Exekutivkräften als ungerecht oder überschießend empfunden werden. Eine verstärkte Kooperation von Polizei und Justiz befürwortet Bundesminister Brandstetter ausdrücklich. Deswegen erhielten RichteramtsanwärterInnen jetzt Möglichkeiten, die Polizeiarbeit vor Ort kennenzulernen. Eine Verpflichtung solcher Polizeiseminare ginge indes zu Lasten anderer Bereiche in der Ausbildung schloss Brandstetter eine diesbezügliche Ausbildungsänderung aus, ehe die Regierungsparteien die Initiative vertagten. (Schluss Justizausschuss) rei