Parlamentskorrespondenz Nr. 1037 vom 05.10.2016

Landwirtschaftsausschuss vertagt Oppositionsanträge

FPÖ, Grüne, NEOS, Team Stronach bekräftigen ihre agrarpolitischen Ziele

Wien (PK) – Nach seiner Entscheidung, den Grünen Bericht auch in der großen Öffentlichkeit des Nationalratsplenums zu debattieren, wandte sich der Landwirtschaftsausschuss Anträgen der Oppositionsparteien zu. Die NEOS verlangten eine stärker touristische Ausrichtung des "Netzwerks Kulinarik", die FPÖ trat für Gentechnikfreiheit in Lebens- und Futtermitteln mit AMA-Gütesiegel ein und die Grünen schlugen ein EU-Importverbot für Eier aus nicht artgerechter Tierhaltung vor. Beharrlich vertraten Abgeordnete der Opposition neuerlich auch Anträge, die die Ausschussmehrheit bereits in der Vergangenheit vertagt hatte. So kritisierte die FPÖ einmal mehr die EU-Sanktionen gegen Russland und klagte über russische Retorsionsmaßnahmen, die Exporte heimischer BäuerInnen treffen. Die Grünen warnten neuerlich vor dem Einsatz von Glyphosat und Neonicotinoiden im Ackerbau. Das Team Stronach forderte die Wiedereinführung der Steuerbegünstigung für Agrardiesel und riet angesichts möglicher Engpässe bei der Lebensmittelversorgung zur Krisenvorsorge. Team Stronach-Agrarsprecher Leopold Steinbichler blieb bei seinem Verlangen nach einem Qualitätsgütesiegel für alle in Österreich angebotenen Lebensmittel, das Auskunft über Herkunft, Erzeugungsart, Verarbeitung, Transport und Lagerung gibt und sicherstellt, "dass Österreich drinnen ist, wo Österreich draufsteht". Die Initiativen der Opposition wurden von der SPÖ-ÖVP-Mehrheit des Ausschusses neuerlich vertagt.

NEOS betonen touristischen Aspekt beim "Netzwerk Kulinarik"

NEOS-Mandatar Josef Schellhorn will Österreich verstärkt als ein Urlaubsland bewerben, wo sich nachhaltige Erholung mit regionaler kulinarischer Vielfalt verbinden lässt. Konkret fordert Schellhorn die bessere Vernetzung von Landwirtschaft, Gastronomie und Tourismus beim Projekt "Netzwerk Kulinarik", wobei er den Aspekt der Tourismuswerbung stärken möchte (1825/A(E)).

Der Antragsteller zeigte sich überzeugt, dass eine nachhaltige Einkommensentwicklung für die BäuerInnen in vielen Regionen Österreichs nur durch den Tourismus möglich sei. Bedauerlich seien  Kompetenzstreitigkeiten, die einer besseren Vernetzung agrarischer und touristischer Initiativen im Wege stehen. An diesem Thema will auch Hermann Schultes (V) dranbleiben, wies auf dazu laufenden Gespräche hin und begründete damit seinen Vertagungsantrag.

Gegen die Vertagung traten nachdrücklich der Antragsteller sowie Georg Willi (G) und Gerald Hauser (F) auf. Willi verlangte eine Durchforstung des Markendschungels, weil dieser die KonsumentInnen verunsichere. Leopold Steinbichler (T) nützte die Debatte, um davor zu warnen, Tiroler Speck aus niederländischen Importschweinen herzustellen und Gästen Fleisch aus Brasilien und Argentinien als regionale Produkte zu servieren.

Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter informierte über die Umsetzung der einstimmig entschlossenen Entschließung zum Thema des Antrags. Er bekannte sich dazu, mit dem "Netzwerk Kulinarik" die gesamte Wertschöpfungskette abzudecken und versprach Detailinformationen darüber in einer der nächsten Ausschusssitzungen. Wolfgang Pirklhuber (G) und Jakob Auer (V) stimmten in der Zielsetzung überein, einen gemeinsamen Entschließungsantrag zu formulieren, in dem es um die bestmögliche Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte im Tourismus gehen soll.

FPÖ: AMA-Produkte sollen 100% gentechnikfrei sein

Die meisten der mit dem AMA-Gütesiegel ausgezeichneten Produkte seien weder bio noch gentechnikfrei, kritisierte Harald Jannach (F). Außerdem lande Gentechnik häufig durch die Hintertür auf unseren Tellern, zumal importiertes Gentechnik-Soja im Rahmen des AMA-Gütesiegelprogramms verfüttert wird, stellt der Agrarsprecher der Freiheitlichen fest. Jannachs Antrag (1807/A(E)) auf Überarbeitung der Richtlinien für das AMA-Gütesiegel zielen auf 100% gentechnikfreie Lebens- und Futtermittel ab.

Der Antragsteller mahnte mehr Ehrlichkeit beim AMA-Gütesiegel ein und stieß damit auf Kritik bei Manfred Hofinger (V), der davor warnte, die KonsumentInnen beim wichtigsten agrarischen Qualitätsgütesiegel in Österreich zu verunsichern. Hofinger beantragte die Vertagung des Antrags und machte damit aufmerksam, dass Österreich Soja importieren müsse, weil nicht genügend gentechnikfreie Futtermittel zur Verfügung stehen. Auch Josef Schellhorn (N) warnte vor einer Verteuerung der Agrarproduktion. Demgegenüber plädierte Wolfgang Pirklhuber dafür, eine Qualitätsstrategie umzusetzen, die den Erwartungen der KonsumentInnen entspricht und Preisprobleme durch Zuschläge zu lösen. Einigkeit herrschte im Ausschuss darin, dass Dumpingangebote bei hochwertigen Lebensmitteln abzulehnen seien.

Beim Thema Sojamangel schlug Leopold Steinbichler (T) vor, derzeit zur Biogasproduktion genutzte Flächen für den Eiweißanbau einzusetzen und die Möglichkeit zu nutzen, gentechnikfreies Futter zu importieren. Gentechnikfreiheit könne auch im Export als Argument dienen, zeigte sich Steinbichler überzeugt. Jakob Auer (V) führte demgegenüber aus, die Sojaproduktion könne zwar gesteigert, der Eiweißfuttermittelimport aber nicht gänzlich substituiert werden. Auch Auer warnte vor einer weiteren Verteuerung der Fleischproduktion und gab zu bedenken, dass die Investitionen der Schweinemäster zuletzt zum Erliegen kamen. Auers Dank galt dem Landwirtschaftsminister, der mit seiner Exportinitiative ein Ventil für die Märkte geschaffen habe. In einer überaus emotionalen Debatte unterstrich Erwin Preiner (S) die Bedeutung der Gentechnikfreiheit und Wolfgang Pirklhuber (G) mahnte Wertschätzung gegenüber Tieren als Mitgeschöpfen des Menschen ein.

Grüne fordern Herkunftskennzeichnung bei verarbeiteten Eiern

Kritik am Import billiger Eier aus Drittländern, etwa aus der Ukraine, in die EU sowie an Verarbeitern, die damit die EU-Kennzeichnungspflicht bei Frischeiern ("Schaleneiern") umgehen, bekräftigte Wolfgang Pirklhuber (G). Er verlangte eine Kennzeichnungspflicht und ein EU-Importverbot für Eier aus Haltungsformen, die nicht den EU-Standards entsprechen (1612/A).

Josef Schellhorn unterstützte die Initiative der Grünen und plädierte dafür, die Ukraine an europäische Qualitätsstandards heranzuführen. Die Vertagung des Antrags schlug Markus Vogl (S) vor, der weiteren Diskussionsbedarf ortete. Leopold Steinbichler (T) kritisierte, dass Produktionsanlagen, die nicht den Tierhaltungsvorschriften der EU entsprechen, mit EU-Fördermitteln in der Ukraine errichtet werden. Dazu schlug Hermann Schultes (V) vor, die KonsumentInnen darüber zu informieren, aus welchen Haltungsformen tierische Lebensmittel stammen. Schultes unterstützte die Vertagung. Seiner Initiative, einen umfassenden Antrag zum Thema vorzubereiten, schloss sich Wolfgang Pirklhuber an.

Oppositionelle Kritik an Russland-Sanktionen und TTIP

Die FPÖ verlangt weiterhin die Aufhebung der EU-Wirtschaftssanktionen gegen Russland und begründet dies mit negativen Auswirkungen auf die heimische Landwirtschaft, deren Exporte unter russischen Gegenmaßnahmen leiden. Der konkrete Antrag (1340/A(E)) Harald Jannachs wurde auch diesmal wieder vertagt. Die Grünen erneuerten ihre Kritik an TTIP und forderten volle Transparenz bei den Verhandlungen über den Grünen Bericht, die Einbindung der nationalen Parlamente sowie die Ausklammerung der Verhandlungskapitel Landwirtschaft und Lebensmittelsicherheit (230/A(E)).

In der Debatte fasste Hermann Gahr (V) die Fortschritte auf dem Weg zu mehr Transparenz in den Verhandlungen sowie die klaren Positionierungen für Produktionsstandards und für "rote Linien" zusammen. Der Antrag sei zu vertagen, weil ein rascher Abschluss von TTIP nicht realistisch sei. Wolfgang Pirklhuber kündigte an, diesen Antrag immer wieder auf die Tagesordnung des Ausschusses zu bringen weil nur 1% der BäuerInnen TTIP positiv sehen. Die Vertagung des FPÖ-Antrags begründete Manfred Hofinger (V) mit dem Hinweis auf die Bemühungen von Landwirtschaftsminister Rupprechter, die Tür für österreichische Agrarexporte nach Russland wieder zu öffnen.

Grüne warnen vor Neonicotionoiden 

Aufrecht hielten die Grünen auch ihre Warnung vor Neonicotinoiden, wobei Wolfgang Pirklhuber an Studien erinnerte, die die Gefährlichkeit dieser Wirkstoffe für Bienenvölker belegen. Auf ein vom Landwirtschaftssprecher der Grünen vorgelegtes Bienenschutzpaket (1145/A(E)) mit der zentralen Forderung nach einem dauerhaften Ersatz von Neonicotinoiden durch alternative Methoden reagierte Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter mit einem Bericht über positive Auswirkungen des Bienenschutzprogramms, das Bienenverluste zuletzt reduziert habe.

Franz Eßl (V) und Wolfgang Pirklhuber (G) fragten nach Fortschritten bei den Bemühungen, den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß zu reduzieren. Der Landwirtschaftsminister berichtete über die Ausrichtung der österreichischen Agrarpolitik auf integrierten Pflanzenschutz, Fruchtfolge und Einsatz von Nützlingen. Rupprechter informierte auch über die Förderung alternativer Pflanzenschutzmittel und der biologischen Wirtschaftsweise durch das Österreichische Programm für eine umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL) und teilte mit, dass das geltende Neonicotinoidverbot aufrecht bleibe.

Grüne pochen auf Verbot von Glyphosat und Neonicotinoiden

Die Forderung nach einem Verbot glyphosathältiger Pflanzenschutzmitteln bleibt auf der politischen Agenda der Grünen (1060/A(E)). Wolfgang Pirklhuber referierte einmal mehr über mögliche gesundheitsschädliche Auswirkungen, über negative Auswirkungen von Glyphosat auf die Biodiversität und drängte auf eine Verwendungsbeschränkung dieses Pflanzenschutzmittels nach dem Vorbild der ÖBB. Hermann Schultes (V) verteidigte den Einsatz von Glyphosat und argumentierte, dass Glyphosat in Österreich nicht mit Ackerfrüchten in Kontakt komme.

Den Vertagungsantrag stellte Erwin Preiner (S), der dazu riet, die Ergebnisse der zum Thema Glyphosatlaufenden Untersuchungen abzuwarten. Hinsichtlich der Substanz Tallowamin erfuhren die Abgeordneten vom Landwirtschaftsminister, dass dieser als gefährlich geltende Beistoff in Österreich verboten werde. Tallowamine seien in Österreich ohne nennenswerte Bedeutung, sagte Schultes, der sich aber dagegen wandte, das Thema Tallowamine mit dem Thema Glyphosat zu vermischen.

Team Stronach will Agrardiesel von der Mineralölsteuer befreien 

Zum wiederholten Mal vertagt wurde schließlich auch die Forderung des Teams Stronach nach Wiedereinführung der Befreiung des Agrardiesels von der Mineralölsteuer (1673/A(E)). Leopold Steinbichler argumentierte mit dramatischen Einkommenseinbußen der BäuerInnen während der letzten Jahre und mit der Konkurrenz heimischer AgrarierInnen mit steuerlich begünstigten BäuerInnen auf dem Binnenmarkt.

Walter Schopf (S) hielt eine Steuerbefreiung von Agrardiesel gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen für nicht argumentierbar und schlug vor, den Antrag zu vertagen.

Team Stronach urgiert Lebensmittelkrisenplan …

Auch die Forderung nach Erstellung eines Lebensmittelkrisenplans (1425/A(E)), die Leopold Steinbichler (T) mit Sorgen wegen einer drohenden Lebensmittelknappheit untermauerte, vertagten die Regierungsfraktionen neuerlich. Während der Antragsteller nachdrücklich für Krisenpläne plädierte, die dafür sorgen, dass die Ernährung der Österreicher auch dann sichergestellt sei, wenn in einer Krisensituation notwendige Importe ausbleiben, wies Hermann Schultes (V) darauf hin, dass zu diesem Thema ein Regierungsentwurf vorliege. 

… und kämpft weiter für gesetzliches Qualitätsgütesiegel

Schließlich bekräftigte Team Stronach-Agrarsprecher Leopold Steinbichler mit Entschließungsanträgen (645/A und 158/A(E) ) die Forderung seiner Fraktion nach einem transparenten, rechtlich verbindlichen Qualitätsgütesiegel für alle in Österreich angebotenen Lebensmittel, das Klarheit über Herkunft, Erzeugungsart, Verarbeitung, Transport und Lagerung schafft. Zudem fordert Steinbichler, den Austria Stempel (AT) nur für Fleisch zu verwenden, das aus Österreich stammt. Die Vertagung erfolgte durch die Mehrheit von SPÖ und ÖVP, nachdem Erwin Preiner festgestellt hatte, dass auch zu diesem Anliegen Steinbichlers keine neuen Erkennnisse vorliegen.

Während Leopold Steinbichler mit Nachdruck verlangte, Konsumenteninteressen durch ein Gesetz zu schützen, das den Gütesiegeldschungel von 142 verschiedenen Kennzeichnungen in Österreich durchforste und dafür sorge, dass nur Fleisch als österreichisches Produkt verkauft werden könne, das tatsächlich aus Österreich stammt, wurden die Initiativen auf Antrag von Marianne Gusenbauer-Jäger und Erwin Preiner (beide SPÖ) mit dem Argument vertagt, seit der letzten Behandlung dieser Initiativen im Ausschuss lägen keine neuen Erkenntnisse vor. (Schluss) fru