Hilfseinsätze im Katastrophenfall: ArbeitnehmerInnen erhalten Rechtsanspruch auf Entgeltfortzahlung
Dienstfreistellung kann vom Arbeitgeber allerdings verwehrt werden
Wien (PK) – Mitglieder freiwilliger Feuerwehren und ehrenamtliche Mitglieder von Rettungs- und Katastrophenhilfe-Organisationen werden künftig einen Rechtsanspruch auf Entgeltfortzahlung haben, wenn sie während ihrer Arbeitszeit bei Katastrophen oder anderen Großschadensereignissen im Einsatz sind. Allerdings muss die Dienstfreistellung zuvor mit dem Arbeitgeber vereinbart werden. Das heißt, dieser kann eine Freistellung auch verwehren. Auf diesen Kompromiss haben sich SPÖ, ÖVP und FPÖ heute im Nationalrat geeinigt. Gleichzeitig winkt Unternehmen, die ArbeitnehmerInnen für Hilfseinsätze abstellen, ein Bonus von 200 € pro Tag. Diese Mittel sollen aus dem Katastrophenfonds kommen und vom Bund bereitgestellt werden. Der Beschluss fiel schließlich einhellig, nachdem auch JETZT und NEOS für die Initiative stimmten.
Keine Mehrheit fand ein Entschließungsantrag der SPÖ. Er zielte darauf ab, die vergangenes Jahr beschlossenen Bestimmungen zum 12-Stunden-Tag und zur 60-Stunden-Woche wieder rückgängig zu machen und durch arbeitnehmerfreundlichere Arbeitszeitregelungen zu ersetzen.
Gemeinsamer Abänderungsantrag zur SPÖ-Initiative
Basis für den Gesetzesbeschluss bildete eine Initiative der SPÖ, zu der heute ein gemeinsamer Abänderungsantrag von SPÖ, ÖVP und FPÖ eingebracht wurde. Ursprünglich hatte SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch vorgeschlagen, freiwilligen HelferInnen zu ermöglichen, bis zu fünf Tage pro Jahr ohne Gehaltseinbußen von ihrem Arbeitsplatz fernzubleiben und die den Unternehmen dadurch entstehenden Kosten aus dem Katastrophenfonds abzugelten.
Eine entsprechende gesetzliche Regelung hätte nach Meinung von Andreas Hanger (ÖVP) und Hannes Amesbauer (FPÖ) allerdings nach hinten losgehen können. Schließlich hätte die Gefahr bestanden, dass Personen, die bei Freiwilligen Feuerwehren oder anderen Organisationen engagiert sind, am Arbeitsmarkt benachteiligt wären. Zudem sei der SPÖ-Antrag so unklar formuliert gewesen, dass nicht einmal der Budgetdienst des Parlaments in der Lage gewesen sei, die Folgekosten abzuschätzen, erklärte Hanger. Bei einer weiten Auslegung hätten diese in die hunderte Millionen Euro gehen können.
In diesem Sinn zeigten sich ÖVP und FPÖ darüber erfreut, "dass die SPÖ zur Vernunft gekommen ist" und vom ursprünglichen Antrag so gut wie nichts übrig geblieben sei. Dieser sei ein "Rohrkrepierer" gewesen und hätte die ehrenamtliche Arbeit "aus den Fugen gerissen", ist ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger überzeugt. Nicht einmal die Feuerwehren und andere Einsatzorganisationen hätten diesen gewollt. Nun wird seiner Ansicht nach aber eine sinnvolle Gesetzesnovelle beschlossen. Wie Hanger betonte, gilt die neue Regelung auch für Rettungsorganisationen wie die Bergrettung und die Wasserrettung.
Begrüßt wurde der nunmehrige Kompromiss auch von den FPÖ-Abgeordneten Hannes Amesbauer, Erwin Angerer und Sandra Wassermann. Es sei ein guter Tag für das Ehrenamt und den Katastrophenschutz in Österreich, hielt etwa Amesbauer fest. Ehrenamt müsse Ehrenamt bleiben, meinte Angerer. Wassermann hob hervor, dass damit eine langjährige Forderung der FPÖ umgesetzt werde und für beide Seiten – HelferInnen und Arbeitgeber – eine gute Lösung gefunden worden sei.
SPÖ fordert neue Arbeitszeitregeln
Seitens der SPÖ widersprach Sozialsprecher Josef Muchitsch der Darstellung von ÖVP und FPÖ. Ohne die Initiative der SPÖ wäre es zu keinem Beschluss gekommen, bekräftigte er. Anlass für den Gesetzesantrag der SPÖ seien die Wetterkapriolen des vergangenen Jahres gewesen, der Antrag sei von der alten Koaliton aber immer wieder vertagt worden. Letztendlich sei der Druck aber zu groß geworden, glaubt Muchitsch und sprach von einem guten Tag für alle Einsatzorganisationen und alle freiwilligen HelferInnen. Dem schloss sich auch sein Fraktionskollege Alois Stöger an.
Muchitsch nutzte die Diskussion über die Freistellung freiwilliger HelferInnen außerdem dazu, um eine Rücknahme der im vergangenen Jahr beschlossenen neuen Arbeitszeitregelungen – Stichwort 12-Stunden-Tag – zu fordern. Stattdessen sollte man seiner Ansicht nach in Sachen Arbeitszeitflexibilisierung der Fokus stärker auf die Bedürfnisse von ArbeitnehmerInnen legen. Ein von ihm eingebrachter Entschließungsantrag fand bei der Abstimmung jedoch keine Mehrheit. Konkret plädiert die SPÖ etwa dafür, die Wochenarbeitszeit zu reduzieren, die Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche zu erleichtern sowie einen Rechtsanspruch auf eine 4-Tage-Woche und den einseitigen Verbrauch von Zeitguthaben einzuführen. Ebenso schlägt sie einen Flexibilitätszuschlag bei Unterschreitung der 14-tägigen Ankündigungsfrist von Überstunden vor. (Fortsetzung Nationalrat) gs