Parlamentskorrespondenz Nr. 475 vom 10.05.2022

Nationales Reformprogramm 2022 und Österreichisches Stabilitätsprogramm

Bundesregierung und Finanzminister legen jährliche Berichte vor

Wien (PK) - Das Nationale Reformprogramm 2022 der Bundesregierung (III-635 d.B.), das dem Parlament vorliegt, nimmt auf die länderspezifischen Empfehlungen der Europäischen Kommission Bezug und behandelt aktuelle Reform- und Investitionsprojekte. Zudem hat der Finanzminister die Fortschreibung des Österreichischen Stabilitätsprogramms 2021 bis 2025 (III-634 d.B.) an das Parlament übermittelt, worin die wirtschaftlichen Prognosen für die kommenden Jahre erläutert werden.

Österreichisches Stabilitätsprogramm für die Jahre 2021 bis 2025

Mit dem Wegfall pandemiebedingter Maßnahmen konnte sich die heimische Wirtschaft im ersten Quartal 2022 rasch erholen. Ein Indikator des WIFO zeigt, dass die österreichische Wirtschaftsleistung zwischen Ende 2021 und März 2022 stets über dem Vor-Pandemie-Niveau lag. Zudem signalisiere der österreichische Arbeitsmarkt aktuell eine Hochkonjunkturphase. Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine belaste aber die Weltwirtschaft und bremse damit auch den Aufschwung der heimischen Wirtschaft. Der Krieg und die damit verbundene herrschende Unsicherheit hätten die bereits hohen Rohstoff- und Energiepreise weiter angefacht. Zudem dürfte sich die Lieferkettenproblematik wieder verschärfen, heißt es in dem Bericht.

Finanzministerium rechnet mit BIP-Anstieg um 3,9%

Im Jahr 2022 rechnet das Finanzministerium nun mit einem Steigen des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 3,9%. Die Unsicherheit dieser Prognose ist jedoch aufgrund des Kriegs und der Pandemie sehr hoch. Die steigenden Verbraucherpreise dürften den privaten Konsum 2022 bremsen, berichtet Finanzminister Magnus Brunner. Die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt habe sich fortgesetzt. Ende März 2022 lag die Arbeitslosenquote nach nationaler Definition bereits deutlich unter dem Niveau vor der Pandemie. Gleichzeitig gebe es bedeutend mehr offene Stellen als vor der Pandemie. Der krisenbedingte Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit konnte weitgehend abgebaut werden. Der Ukraine-Krieg soll zu einem zusätzlichen Arbeitsangebot aus der Ukraine von etwa 37.500 Personen in den Jahren 2022 und 2023 führen, so der Bericht mit Bezug auf die Analyse des WIFO. Trotzdem soll die Arbeitslosenquote gemäß nationaler Definition 2022 von 8,0% auf 6,7% sinken und bis 2025 sukzessive auf 6,1% zurückgehen.

Verbraucherpreise sollen um 5,8% steigen

Der Preisanstieg habe sich Anfang 2022 weiter beschleunigt und laut WIFO-Prognose sollen die Verbraucherpreise dieses Jahr um 5,8% steigen. Obwohl der Bereich der Energie nur einen relativ geringen Anteil am Warenkorb hat, wird die Hälfte des Verbraucherpreisanstiegs auf die hohen Energiepreise zurückgeführt.

Mit 3,2% bleibe die Inflationsrate auch im Jahr 2023 über dem Durchschnitt. Für die Jahre 2024 und 2025 erwartet das Finanzministerium einen jährlichen Verbraucherpreisanstieg von 2,5 bzw. 2,3%.

Als mögliche Risiken betrachtet das BMF eine Ausweitung des Ukraine-Krieges, Stagflation, eine mögliche Beendigung der russischen Energielieferungen, eine russische Finanzmarktkrise sowie anhaltend hohe Energie- und Rohstoffpreise. Auch weitere COVID-19 Infektionswellen, Angebotsbeschränkungen durch Material- und Arbeitskräfteengpässe, ansteigende Inflationserwartungen und eine mögliche Lohn-Preis-Spirale werden genannt.

Ab 2023 positiver kurzfristiger Zinssatz erwartet

Die kurz- und langfristigen Zinsen befanden sich in Österreich seit 2008 auf einem Abwärtstrend. Als Grund dafür nennt das Finanzministerium die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie die gute Bonität Österreichs. Die kurzfristigen Zinsen sind seit 2015 negativ und auch für 2022 werde ein  kurzfristiger Negativ-Zins erwartet. Für 2023 werde aber wieder ein positiver kurzfristiger Zins angenommen und bis 2025 dürfte dieser auf 0,8% ansteigen. Bei den langfristigen Zinsen wird bereits für das Jahr 2022 wieder von einem positiven Zins ausgegangen. Bis 2025 geht das Finanzministerium von einem Anstieg auf 1,6% aus.

Die drei größten Ratingagenturen bewerten die Bonität der Republik Österreich weiterhin mit der zweitbesten Note (AA+).

Wirtschafts- und budgetpolitische Herausforderungen

Die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine und der damit assoziierten Sanktionen gegen Russland würden zu neuen wirtschafts- und budgetpolitischen Herausforderungen führen. Die veränderte geo- und sicherheitspolitische Lage habe sowohl unmittelbare als auch mittelfristige Folgen und treffe Europa und Österreich inmitten der konjunkturellen Erholung nach der COVID-19-Pandemie. Kurzfristig gelte es, neben der Aufnahme und Versorgung der ukrainischen Vertriebenen, insbesondere die negativen Angebotsschocks abzufedern.

Lieferengpässe würden zu knappen Industriegütern und starken Preisanstiegen vor allem bei Energieträgern und Rohstoffen führen. Daraus folgend würden auch bei einer Vielzahl von Konsumgütern die Preise steigen. Insgesamt habe die wirtschaftliche Verflechtung Österreichs mit Russland in den letzten Jahren abgenommen, insbesondere die Exporte waren rückläufig. Abhängigkeiten gebe es, da vor allem Gaslieferungen aus Russland nicht kurzfristig durch Alternativen ersetzt werden könnten. Mittelfristig sei es das Ziel, die Energieunabhängigkeit Österreichs zu stärken und den Ausbau der erneuerbaren Energieträger zu beschleunigen.

Nationales Reformprogramm 2022: Fokus auf Reduktion der Treibhausgasemissionen und Klimaneutralität

Der Bundeskanzler berichtet im Nationalen Reformprogramm 2022 über ausgewählte Reformen und Investitionen, die Österreich zur Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen 2019 und 2020 der Europäischen Kommission gesetzt hat. Die diesjährigen Maßnahmen orientieren sich an den Zielen der Bundesregierung:  die Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere von Familien, die Bekämpfung des Klimawandels und die Einhaltung der Klimaziele sowie die Schaffung eines nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandortes . Weitere Punkte betreffen die soziale Sicherheit und die Armutsbekämpfung ebenso wie die "beste Bildung für alle" und eine sozial verträgliche Bewältigung anstehender Herausforderungen. Sodann werden nachhaltige Finanzen  mit der Senkung der Schuldenquote angestrebt, wobei davon unabhängig die notwendigen Klima- und Zukunftsinvestitionen sichergestellt werden sollen.

Der Fokus der öffentlichen Investitionen in den nächsten Jahren liegt in den Bereichen Reduktion der Treibhausgasemissionen und Klimaneutralität bis 2040 mit den Maßnahmen der Sanierungsoffensive, nachhaltige Mobilität, Biodiversität, Digitalisierung mit Investitionen in Breitband und in die Digitalisierung von Schulen, Forschung und Entwicklung.

Reformen: Steuerreform, Erneuerbaren-Ausbau Gesetz, Einführung eines nationalen Emissionshandels, etc.

Reformvorhaben betreffen unter anderem die ökosoziale Steuerreform, das Erneuerbaren-Ausbau Gesetz (EAG), die Einführung eines nationalen Emissionshandels, die österreichweite Bodenschutzstrategie, die österreichische Biodiversitätsstrategie, nachhaltige öffentliche Beschaffung oder die Modernisierung des Gesundheitssektors mit der Weiterentwicklung der Pflegevorsorge.

Mit der Aufbau- und Resilienzfazilität wurde auf EU-Ebene ein umfassendes Instrument geschaffen, um die wirtschaftliche Erholung nach  der COVID-19 Krise zu unterstützen, den grünen und digitalen Übergang zu fördern, soziale Auswirkungen der Krise abzufedern und die Resilienz der Mitgliedsstaaten zu erhöhen. Laut nationalem Reformprogramm ist die Umsetzung der nationalen Aufbau- und Resilienzpläne in den kommenden Jahren von zentraler Bedeutung. Der Erfolg werde daran zu messen sein, wie sehr die Mitgliedstaaten die Umsetzung der vereinbarten Reform- und Investitionsvorhaben bis 2026 vorantreiben, heißt es in dem vom Bundeskanzler Karl Nehammer vorgelegten Bericht. (Schluss) gla

HINWEIS: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen. Alle aktuellen Daten zum Budgetvollzug (Monatsberichte) finden Sie auf der Website des Finanzministeriums.