Parlamentskorrespondenz Nr. 1124 vom 13.10.2022

Nationalrat setzt kontroverse Debatte über Budgetvoranschlag für das Jahr 2023 fort

Opposition vermisst "soziale Handschrift", kritisiert Geldverteilung "mit dem Gartenschlauch" und beklagt hohe Verschuldung

Wien (PK) – Auch im weiteren Verlauf der Nationalratsdebatte über den Bundesvoranschlag für das Jahr 2023 zeigte sich, dass die Regierungsfraktionen die Opposition nicht vom eingeschlagenen Budgetpfad überzeugen konnten. Während die SPÖ vor allem die "soziale Handschrift" vermisste, übte die FPÖ deutliche Kritik an der starken Zunahme der Verschuldung von 70% auf 80% des BIP.

Für die ÖVP stelle das Budget die richtigen Weichen für die Gestaltung der Zukunft, da es Investitionen in den Bereichen Familie, Kinderbetreuung, Bildung, Pflege und Sicherheit vorsehe. Budgetanalysen würden zudem zeigen, dass die Entlastungsmaßnahmen bei den am stärksten von der Teuerung betroffenen Haushalten ankommen, unterstrichen die Redner:innen der Grünen, von einer Politik mit der Gießkanne könne daher keine Rede sei.

SPÖ: Kritik am "Kniefall vor der Wirtschaft" und der fehlenden Treffsicherheit der Entlastungspakete

SPÖ-Budgetsprecher Kai Jan Krainer wies darauf hin, dass die Steuern- und Abgabenquote seit 2018 jährlich gestiegen sei. In den Jahren davor, als sozialdemokratische Kanzler im Amt waren, sei sie hingegen gesunken. Die Vertreter:innen der Regierungsfraktionen sollten sich daher die realen Zahlen ansehen und nicht die eigene Propaganda glauben, appellierte er. Unter "Schwarz-Blau I" sei sogar das Geld von den Arbeitnehmer:innen genommen worden, um die Steuern auf Kapital und Vermögen zu senken. Um dies in Zukunft zu verhindern, stehe die SPÖ auch der Abschaffung der kalten Progression grundsätzlich positiv gegenüber. Allerdings hätte diese Maßnahme in Form des im Jahr 2017 zwischen Kern und Mitterlehner ausverhandelten Modells umgesetzt werden sollen. Dadurch wäre verhindert worden, dass die Abgeordneten dreimal so viel erhalten wie die durchschnittlichen Österreicher:innen. Äußerst kritisch beurteilte die SPÖ auch die Senkung der Körperschaftssteuer, durch die den Konzernen über 2 Mrd. € "geschenkt" würden. Außerdem wurde die Spekulationssteuer abgeschafft, währenddessen die Bevölkerung nicht wisse, wie sie mit dem Geld auskommen soll, beklagte Rainer Wimmer (SPÖ), der dies als "Kniefall vor der Wirtschaft" bezeichnete. Er erneuerte daher die Forderungen seiner Fraktion nach Abschöpfung der Übergewinne, einer Senkung der Steuern auf Treibstoffe und Lebensmittel sowie einer Verschiebung der CO2-Bepreisung.

Man könne der Regierung nicht den Vorwurf ersparen, dass sie zu spät und zu langsam reagiere und immer auf der falschen Seite stehe, schlossen sich Karin Greiner und Philip Kucher (beide SPÖ) der Kritik ihrer Fraktionskollegen an. Die ÖVP sei von der Realität meilenweit entfernt, sagte Kucher und sprach von einem "Dahinstolpern" und einer "Planlosigkeit". Es sei kein einziger Preis gesenkt worden, untermauerte er die Kritik von Greiner, die ihrerseits der Regierung ein schlechtes Krisenmanagement attestierte. Österreich belege in dieser Frage in Europa den viertletzten Platz, zitierte sie eine Studie. Greiner wies zudem auf zahlreiche Insolvenzen hin und ortete Intransparenz bei der Vergabe der Förderungen durch die COFAG zur Bewältigung der Folgen der COVID-Pandemie. Sie zeigte sich auch besorgt darüber, dass bereits jedes vierte Kind armutsgefährdet sei.  

ÖVP: Budget stellt richtige Weichen für die Gestaltung der Zukunft

ÖVP-Abgeordneter Gabriel Obernosterer verwehrte sich gegen das "ständige Schlechtreden" aller Maßnahmen durch die Opposition, was auch in der Bevölkerung nicht gut ankomme. Die Regierung habe in einer der schwierigsten Zeiten seit der Zweiten Republik ein solides Budget geschnürt, das von Investitionen in die Zukunft geprägt sei. Dafür müssten natürlich auch höhere Schulden in Kauf genommen werden. Den Vorschlag der SPÖ, wonach sich Österreich ein Beispiel an Deutschland nehmen solle, könne man nicht ernst nehmen. Dort seien nämlich etwa die Durchschnittspensionen so hoch wie in Österreich die Mindestpensionen, zeigte Obernosterer auf. Von zielgerichteten Maßnahmen sprach Georg Strasser (ÖPV), der auf die Investitionen in den Bereichen Familie, Kinderbetreuung, Bildung, Pflege und Sicherheit verwies. Außerdem soll durch ein Förderpaket für die Wirtschaft eine grundlegende Transformation eingeleitet werden, die Österreich im Energiesektor unabhängiger machen werde. Im Konkreten ging Strasser noch auf die Erhöhung der Mittel für Land- und Forstwirtschaft ein, wo ein deutliches Plus zu verzeichnen sei.

Wie ihre anderen Parteikolleg:innen verteidigten auch Friedrich Ofenauer, Kurt Egger, Corinna Scharzenberger und Angela Baumgartner (alle ÖVP) den vorliegenden Budgetentwurf als eine genützte Chance, in die Zukunft zu investieren. Es sei kein reines Krisenbudget, es werde auch reagiert und vorgesorgt, sagte etwa Scharzenberger. Ofenauer hob die Budgeterhöhung für das Bundesheer als eine "nachhaltige Trendwende" für die Landesverteidigung hervor. Für Baumgartner sorgt das Budget durch strukturelle Reformen und Entlastungen für Sicherheit. Egger wiederum unterstrich die Investitionen in den digitalen und ökologischen Wandel der Wirtschaft.

FPÖ: Kritik an hohen Schulden und "Zerstörung" des heimischen Wohlstands

Aus freiheitlicher Sicht übte Abgeordneter Erwin Angerer vor allem Kritik an der starken Zunahme der Verschuldungsquote von 70% auf 80% des BIP, die mit dem Budget 2023 einhergehe. Der dafür verantwortliche Minister werde wohl als "Schulden-Brunner" in die heimische Finanzgeschichte eingehen. Statt einen Vergleich mit Italien zu bemühen, sollte sich die Regierung besser an Schweden orientieren, wo die Staatsverschuldung in der Krise sogar gesunken sei, zeigte Angerer auf. Zudem warf er den politisch Verantwortlichen vor, keine Antworten auf die steigende Inflation und vor allem die "explodierenden Energiepreise" zu haben. Es würden nur die Symptome behandelt und nicht bei den Ursachen angesetzt. Zusätzlich werde die Bevölkerung noch mit den Auswirkungen einer "illegalen Massenzuwanderung" und der Einführung der CO2-Steuer belastet. Dadurch würden letztlich die Wirtschaft und der Sozialstaat an die Wand gefahren. Von einer Schwerpunktsetzung, die in die völlig falsche Richtung gehe, sprach auch Dagmar Belakowitsch (FPÖ). Dies treffe aber auch auf die europäische Politik zu, die mit ihren "unseligen Sanktionen" gegenüber Russland den ganzen Kontinent ins Elend stürzen werde. Auch die SPÖ habe keine geeigneten Lösungsansätze, urteilte Christian Hafenecker (FPÖ), der in diesem Zusammenhang an die "existenzbedrohenden Gebührenerhöhungen" durch die Wiener Stadtregierung erinnerte.  

Aufhorchen ließ der freiheitliche Wehrsprecher Reinhard Eugen Bösch mit seinem Lob für das Landesverteidigungsbudget. Dieses sei auf einem guten Weg, sagte er, hier habe es eine Bewusstseinsänderung gegeben. Es sei auch ein Beispiel für eine gelungene Regierungs- und Oppositionspolitik. "Lasst uns in dieser parteiübergreifenden Einigkeit bleiben", appellierte er und forderte, die ausreichende Budgetierung des Bundesheeres auch über Legislaturperioden und Regierungswechsel hinweg verfassungsmäßig abzusichern.

Grüne: Budget stellt ausreichend Mittel zur Abfederung der Teuerung bereit und leitet Unabhängigkeit von fossiler Energie ein

Auch wenn es die Aufgabe der Opposition sei, die Regierungsvorhaben kritisch zu beleuchten, sollte man dennoch nicht auf die aktuellen Rahmenbedingungen vergessen, mahnte Abgeordneter Jakob Schwarz von den Grünen ein. Nicht weit entfernt von Österreich führe Putin einen imperialistischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und setze dabei auch die Abhängigkeit Europas von russischer Energie als Waffe ein. Da dies zu einem massiven Anstieg der Strom- und Gaspreise geführt habe, würden im vorliegenden Budget ausreichend Mittel für die Entlastung der Bevölkerung zur Verfügung gestellt. Die Analysen würden zeigen, dass das Geld auch dort ankomme, wo es ankommen soll, führte Schwarz ins Treffen. Demnach würden vor allem bei den untersten 10% der Haushalte die gestiegenen Kosten überkompensiert. Im Gegensatz dazu werde bei den obersten 10% nur ein Drittel der Teuerung ausgeglichen; von einer Gießkannenpolitik könne daher keine Rede sein. Außerdem wurden viele Maßnahmen umgesetzt, die auch von der Opposition schon seit langem gefordert wurden, gab sein Fraktionskollege Lukas Hammer zu bedenken, der unter anderem die Valorisierung der Sozialleistungen, die Abschaffung der kalten Progression oder die massiven Investitionen in den Klimaschutz und den öffentlichen Verkehr als Beispiele anführte.

Über die beachtliche Erhöhung des Frauenbudgets in vierter Folge zeigte sich Meri Disoski (Grüne) besonders erfreut. Die Mittel würden vor allem in den Gewaltschutz und in die Gewaltprävention fließen, betonte sie. Bis 2026 werden über 71 Mio. € ressortübergreifend dem Gewaltschutz zugutekommen, rechnete sie vor. Für Disoski zählen aber auch der Ausbau der Kinderbetreuung und der Kinderbildung, die Pflegereform und die automatische Anpassung der Familien- und Sozialleistungen zu wichtigen strukturellen Reformschritten im Interesse der Frauen.

NEOS vermissen strukturelle Systemänderungen und Investitionen in die Bereiche Bildung, Wissenschaft und Klimaschutz

Wenn er sich das Budget näher anschaue, dann "bekomme er eine Krise", stellte NEOS-Abgeordneter Gerald Loacker pointiert fest. Es werde zwar viel von Entlastung, von Investitionen und von Verantwortung für morgen gesprochen, aber das Gegenteil sei der Fall. Die Zahlen würden nämlich belegen, dass die Bevölkerung weiterhin wie eine "Zitrone ausgepresst werde", zumal die Steuereinnahmen um 9 Mrd. € steigen werden. Vor diesem Hintergrund habe der Finanzminister dennoch "das Unmögliche geschafft" und einen "Rekordschuldenstand" zustande gebracht. Das Geld werde nicht mit der Gießkanne verteilt, sondern mit dem "Gartenschlauch hinausgeblasen", prangerte Loacker an. Außerdem sei es im Sinne einer nachhaltigen Budgetpolitik besorgniserregend, wenn wieder 2,7 Mrd. € dafür aufgewendet werden, um das Pensionsloch zu stopfen. Insgesamt müssten in den nächsten vier Jahren insgesamt 140 Mrd. € alleine für den Bereich der Pensionen aufgewendet werden. Nach dem Motto "nach uns die Sintflut" würden wieder Steuergeschenke verteilt anstatt wichtige strukturelle Systemänderungen einzuleiten. So hätte sich Martina Künsberg Sarre (NEOS) vor allem eine Schwerpunktsetzung im Bildungs- und Wissenschaftsbereich gewünscht. Als einen "Schlag ins Gesicht" für die jungen Menschen bezeichnete auch Yannick Shetty (NEOS) das vorliegende Budget, der zudem die massive Unterdotierung des Klimaschutzes als Katastrophe bezeichnete. Er forderte unter anderem eine "echte ökologische Steuerreform", die Abschaffung klimaschädlicher Subventionen, ein Klimaschutzgesetz und verbindliche Klimaschutzziele für die Bundesländer.(Fortsetzung Nationalrat) sue/jan

HINWEISE: Der Budgetdienst des Parlaments bietet ökonomische Analysen zur Budgetpolitik und zu Vorlagen des Bundesministeriums für Finanzen.

Alle aktuellen Daten zum Budgetvollzug (Monatsberichte) finden Sie auf der Website des Finanzministeriums.

Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.